Donnerstag, 25. August 2022

Inflationsbremse: Gar nicht alles wird teurer

Es sind vor allem die lehrreichen Bücher von führenden Politiker*innen, die derzeit als Inflationsbremse wirken. Ein positiver Einfluss auf die Teuerung, die meist verschwiegen wird.

Einkaufen, Heizen, Tanken, Atmen, die immer weiter steigenden Preise schüren Angst im Land. Was ist, wenn die Gaspreisbremse nicht kommt? Was soll werden, wenn das Gute-Laune-Ticket ausläuft? Welchen Tankrabatt gewährt die Regierung zu Weihnachten, wie viel bleibt von der im Februar versprochenen Energiepauschale und was soll ich tun, wenn der Ofen aus ist? Laut Armutsforschern und Sozialarbeitern klagen mittlerweile beinahe 57 Prozent der Deutschen über die steigenden Lebenshaltungskosten, Alleinerziehende bezeichnen sie als Existenzbelastung und Angehörige der mittleren Mittelschicht leben in der Furcht, alles, was sie sich in einem langen Leben mit andauernden 50-Stunden-Wochen aufgebaut haben, könnte sich nun binnen weniger Monate in Nichts auflösen.

Lügenmärchen von steigenden Preisen

Gerade im Osten Deutschlands, dort, wo traditionell die Problemgebiete liegen, sind die Bedenken groß und der Unwille, an der notwendigen Transformation teilzunehmen, steigt mit jedem Cent auf der Tank-, Supermarkt‑ oder Stammkneipenrechnung. Schuld daran sind aber beileibe nicht nur steigende Preise, wie Faktenchecker aus dem Bundesblogampelamt im mecklenburgischen Warin (BBAA) jetzt in einer medienübergreifenden Studie festgestellt haben. Sondern ein von Armutsforschern, gewerkschaftsnahen Stiftungen, Oppositionspolitikern und privaten wie öffentlich-rechtlichen Medien genährtes Zerrbild von überall steigenden Preisen, die es Alleinerziehenden, aber auch Familien unmöglich machen, ihren gewohnten überbordenden Lebensstandard zu halten.

Benutzt wird dabei den Faktencheckern zufolge ein bei Populisten, Querdenkern und Regierungsfeinden seit langem beliebter Trick. Statt sich die Entwicklung von Preisen für Waren, Güter und Dienstleistungen unvoreingenommen anzuschauen, werde zielgerichtet nach Preisspitzen gesucht, über die dann bei ursprünglich einmal als seriös eingeschätzten Sendungen wie "Tagesschau" oder "Heute", im "Spiegel", der "SZ" oder der "Taz" berichtet wird. Schlagzeilen wie "Sogar der Ein-Euro-Shop wird teurer" sollen Menschen aufpeitschen, manipulierte Listen mit ausgesuchten Waren werden als Beweis dafür herangezogen, dass Preise im Supermarkt "explodieren" (Focus) und selbst regierungsnahe Publikationsorgane wie das RND trommeln mit: "Bier, Dauerkarten, Trikots, TV: So teuer wird die Fußball-Saison für den Fan".

Gezielt ausgeblendet

Gezielt ausgeblendet aber wird, dass die hier und da tatsächlich auftretenden Preissteigerungen durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine für ein starkes und wohlhabendes Land wie die alten Bundesländer im Westen gar kein Problem sind. Einer aktuellen Studie der Böckler‑Stiftung zufolge liegen die Löhne in den Ostgebieten so weit hinter denen im Westen, dass das kaufkraftbereinigte Einkommen zwölf Prozent geringer ist. Obwohl das auch für die Hauptstadt Berlin gilt, wo hohe Intendantenden- und Politiker*innengehälter das Bild beinahe schon grotesk verzerren, wurde der Phänomenbereich bisher als unproblematisch betrachtet. Die Bürgerinnen und Bürger im Osten sind aus DDR-Zeiten ganz andere Entbehrungen gewohnt, sie würden sich zweifellos irgendwie durchschlagen, das war in Mainz, Köln, Hamburg und München ausgemacht.

Erst jetzt, wo die kräftig steigenden Preise die bisher exorbitant hohen Westlöhne und -gehälter zu ossifizieren beginnen und die Kaufkraft in Düsseldorf, Nürnberg und Stuttgart sich der von Plauen, Hohenmölsen und Malchow nähert, erklingt eine Klage auf allen Kanälen, die nach "Deckeln", "Bremsen" und Hilfspaketen verlangt. Dabei: Bei weitem nicht alles ist teurer geworden, vieles sogar sehr viel billiger. So ist "Leichter gesagt als getan: Familien in Deutschland", ein Klassiker der deutschen Ratgeber- und Hilfeliteratur, den die ehemalige Grünen-Chefin  Katrin Göring-Eckhardt in ihrer knapp bemessenen Freizeit geschrieben hat, heute für nur noch 79 Cent zu haben - angesichts eines Preises, der früher bei 14 Euro lag, eine Vergünstigung um 94 Prozent.

Maas und Mitte

Ähnlich sieht es bei "Aufstehen statt wegducken", aus einer "Strategie gegen Rechts", die der damals noch aktive Sozialdemokrat Heiko Maas an den langen Abenden zu Papier brachte, an denen ihm die Sorge um Deutschland und haltlose Vorwürfe aus Amerika, Deutschland habe sich mit seiner Energieversorgung vollkommen von Russlands Potentaten Putin abhängig gemacht, den Schlaf des Gerechten raubte. Obwohl das von Annalena Baerbocks Ghostwriter angedickte, gewürzte und grammatikalisch grundierte Großwerk "nicht nur engagiert ist, sondern auch auffallend klar und elegant im Ton" (Der Freitag), ist es heute für nur noch zehn Cent zu haben - eine Verbilligung um atemberaubende 99 Prozent. 

Selbst die frühere Kanzlerin Angela Merkel, die selbst noch an ihrer großen Lebensbilanz schreiben lässt, kann da nicht mithalten: Die vorliegende Vielzahl an prächtigen Bildbänden, kritischen Annäherungen wie "Porträt einer Epoche" und Sachbüchern wie "Die Kanzlerin und ihre Zeit" kosten zwar nur noch Bruchteile des früheren Buchpreisbindungsbetrages. Aber die inflationshemmende Wirkung von Robert Habecks "Wer wagt, gewinnt" - von 14,99 Euro auf 4,35 Euro -, der liebevollen Armin-Laschet-Hommage "Der Machtmenschliche" - von 20 Euro auf zwei Euro - und von Cem Özdemirs Leitfaden "Deutsch-Türkische Erfolgsgeschichten" - 19,99 Euro auf 1,70 Euro - erreichen die Werke über die Altkanzlerin nicht. 

Dennoch sind es derzeit vor allem die lehrreichen Bücher von ehemals führenden Politiker*innen, die  bundesweit als Inflationsbremse wirken, ohne dass es im politischen oder publizistischen Raum entsprechend breit gewürdigt wird. Ein kleines, aber trauriges Detail gerade in einer Zeit, in der ganz Gasdeutschland nach Zeichen sucht, dass die Lage besser ist als die Stimmung.



1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Der Kilopreis dürfte teils unter dem von Brennholz und Briketts liegen.