Montag, 26. Dezember 2022

Vegetarische Weihnacht: Überholen, ohne Fleisch zu holen

Vegetarische weihnacht
Mit kreativer Grafikkosmetik gelang es dem ZDF, Deutschland vorfristig das erste vegetarische Weihnachtsfest zu bescheren.
 

In der stillen Zeit, mitten zwischen den Jahren, nichts passiert, abgesehen vom Bundespräsidierenden sind alle Verantwortlichen auf Heimaturlaub. Abgetaucht die Klimabewegung, kaum Neuigkeiten von der Energiefront. Hier und da nur erzählt "Onkel Otto Quatsch", jenseits der Stille aber wächst schon das Gefühl für etwas Großes, das da kommen wird. Der Preis wird heiß, aber wenn erst alle Entlastungspläne umgesetzt sind, dann sind alle gemeinsam durch "diese Zeit" (Walter Steinmeier) gekommen. Schlanker, frischer und mit sauberem Hauttonus, denn der große Umbau zur Zukunftsgesellschaft, er hat eben erst begonnen. Mit der Deutschland-Diät, den neuen LNG-Terminals, dem Wiederaufbau der Bahn und dem Deutschland-Ticket schickt sich das nationale an, sich mit dem Klima zu versöhnen.

Weiter als angenommen

Das Land ist dabei nun schon aber offenbar schon viel weiter als bisher angenommen worden war. Während Bundesernährungsberater Cem Özdemir noch darum kämpft, die Bürgerinnen und Bürger zum Fleischverzicht zu bewegen, gehen die Menschen bundesweit bereits voran. Wie eine Umfrage des ZDF nach den Speisezetteln der Deutschen zum Weihnachtsfest zeigt, haben die ehemals traditionellen Gerichte, die zwischen Nordsee und Alpen, Ostsee und Erzgebirge über Jahrzehnte rund um das Weihnachsfest verzehrt wurden, längst ihre Dominaz in deutschen Küchen verloren. Staat Gans, Karpfen, Wienerwurst, Ente und Schnitzel stehen inzwischen in den meisten Familien vegetarische Speisen auf dem Tisch.

Eine Überraschung für Traditionalisten, kaum gedämpft von der Tatsache, dass die Faktenfinder des ZDF keine genauen Daten zu ihrer Instagramumfrage angab. Dass die meisten Teilnehmer der Erhebung "vegetarisch essen wollen" (ZDF) belegte ein Balken, der den von "Kartoffelsalat und Wurst" knapp, aber deutlich überragt - dass Kartoffelsalat aber selbst ein vom Bundesernährungsministerium genehmigtes vegetarisches Gericht ist, blieb unerwähnt. Der Abstand zwischen "vegetarisch" auf Platz eins und "Kartoffelsalat mit Wurst" auf Platz zwei wäre bei einer seriösen Aufschlüsselung folglich noch viel deutlicher ausgefallen. 

Nur ein Fehler und nicht einmal der schlimmste. denn weitere Beilagen wie Klöße, Kartoffeln, Käse, Rotkohl, Sauerkraut, Grünkohl und Rohkostsalat eingerechnet, hätte die Umfrage sogar zweifelsfrei ergeben müssen, dass die Deutschen sich mittlerweile durchweg und so gut wie ausschließlich vegetarisch ernähren. Für die angestrebte vegane Zukunft reicht das freilich noch nicht. Die Erziehungsfortschritte, die gerade in den zurückliegenden 13 Monaten auch in der Breite gemacht werden konnte, sind aber unübersehbar.

Überholen, ohne Fleisch zu holen

Überholen, ohne Fleisch zu holen - auch wenn der letzte Schritt hin zum Nahrungsersatz noch fehlt, ist das in den meisten Millionen Familien längst Alltag. Die letztem Rückzugsgebiete der Schnitzelfraktion, sie schrumpfen schon deutlich, noch ehe neue Nationalen Ernährungsstrategie (NES)in Kraft tritt und Gemeinschaftsküchen, Kantinen und Bringedienste ab kommendem Jahr zu Kochschulen der Nation werden. Wie in den Eckpunkten der NES festgeschrieben und mit dem GAP-Stategieplan der EU zur Biodiversität abgestimmt, rückt eine "stärker pflanzenbetonte Ernährung" (Özdemir) überall akut in den Mittelpunkt. 

Fettige Currywurst, saftiges Steak, knusprige Gans, Entesüßsauer und schmieriges Raclette haben überall Platz gemacht für Blattsalat, Veggie-Burger und Tofu-Wurst. Ein Sieg der Verantwortung der heute Lebenden vor der Zukunft, ein Schritt in die richtige Richtung, verdeutlicht durch die bundesweit trotz harter Konkurrenz als führend geltende ZDF-Abteilung für sogenannte Grafikkosmetik, die das "reichste Land der Welt" (ZDF) seit Jahren zuverlässig mit der Botschaft versorgt, dass die Darstellung der Wirklichkeit in Form von Torten, Linien und Balken nicht an Daten, Fakten und tatsächliche Sachverhalte gebunden ist.

Der Wunsch als Vater des Gedankens reicht, um Nachrichten von hohem Beachtungswert herzustellen, die dem Betrachter ein positives visuelles Erleben ermöglichen. Mit den bewährten Mitteln der kreativen Grafikkosmetik gelang es dem ZDF so, Deutschland vorfristig sein erstes vegetarisches Weihnachtsfest zu bescheren. Blieben auch die Aufschreie der Meckerer, Kritikaster und Salatleugner nicht aus, so bleibt doch der Eindruck, dass die Möglichkeiten, die die Absurdität als Basis der Unwissensvermittlung bietet, noch lange nicht ausgeschöpft sind. Nächstes Jahr schon könnte das Weihnachtsdeutschland, aus dem das ZDF am liebsten berichtet, vollkommen vegan sein. Und übernächstes Jahr komplett besiedelt von Frutariern und Fruganern.

 



4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Die letztem Rückzugsgebiete der Schnitzelfraktion

Kann ich bei jedem Einkauf an den Kühltruhen und -regalen hamstern sehen. Oder ich mache meine Kühlschranktür weit auf. Da wurstet und fleischt es in aller Pracht. Ohne Salat.

Anonym hat gesagt…

Der Beschiss ist, dass man einzelne fleischhaltige Mahlzeiten einer Gesamtheit von nicht benannten fleischlosen Mahlzeiten gegenüberstellt.
Also eine Kategorie gegen Elemente einer andere Kategorie, oder eine Menge gegen Elemente einer Untermenge. Das verzerrt die Balkenlängen für die gefällige Kenntnisnahme durch die Berliner Beitragsbewilliger.
Der Gegensatz hätte 'vegetarisch' gegen 'nichtvegetarisch' sein müssen. Das Ergebnis kann man mit dem Lineal überschlagen. Ohne Bescheißen geht's beim Böhmermannfunk nicht.

ppq hat gesagt…

also beschiss sehe ich da nicht. das ist ganz normale grafikkosmetik, wie sie jeden tag verwendet wird, um die grundversorgung mit quatsch sicherzustellen.

Anonym hat gesagt…

Kosmetik kann man auch der Kategorie Beschiss zuschlagen. Katy Perrys Gesicht ohne Beschiss mag dann aber auch keiner sehen.