Mittwoch, 30. September 2015

Zitate zur Zeit: Erich Mielke und die Komputer

 "Die Sache ist nämlich so: wenn wir erst anfangen mit dem Komputer und wenn dann einer dran sitzt, Genossen, der alles herausdrucken kann, dann muss das schon ein treu ergebener Mensch sein, der muss - wir wollen hier nicht überheblich sein - noch besser sein als Markus Wolf, Heidenreich und ich vielleicht auch mancher andere und Genosse Fruck. Das muss er!

In einem Grundsatzrefereat teilt Erich Mielke 1967 mit, wie er die bevorstehende Anschaffung moderner Computer im MfS sieht

Schnellgericht: Hassposter muss hinter Gitter

Hinter diesen Mauern des neuen Meinungsgefängnisses in Mecklenburg muss auch der Facebook-Hetzer aus Prenzlau nun bereuen, was er der Gemeinschaft angetan hat.
Jahrelang konnten sie im Netz hetzen und hassen, als gäbe es keine enggezogenen Grenzen der Meinungsfreiheit überall dort, wo staatliche Behörden die öffentliche Sicherheit gefährdet sehen. Vor kurzem erst wurde deshalb zur Durchsetzung einer höheren Sicherheit und Ordnung im Internet die Facebook-Polizei als Spezialabteilung der Meinungsfreiheitsschutzbehörde im Bundesblogampelamt (BBAA) gegründet. Bei einer nächtlichen Razzia gegen einen der sich anonym wähnenden Hassposter gelang es den Beamten jetzt erstmals, einen der entmenschten Hetzer dingfest zu machen und vor Gericht zu stellen. PPQ berichtet aus dem beschleunigten Verfahren, das in der vergangenen Woche vor einem Schnellgericht in Prenzlau stattfand.


Kevin Sch. kann sich nicht erinnern. An gar nichts. "Dass ich da nach dem Abendessen einen Kommentar geschrieben habe", sagt er mit belegter Stimme, "das weiß ich noch." Aber da ging es doch nur um seine Tochter, die in Göttingen einen Mann kennengelernt hatte, der sie gleich mit dem Auto abholen wollte. Kevin Sch., ein großer, breiter Mann mit auffällig ungepflegten Händen, reibt sich die rotgeäderten Augen. "Ich wollte doch nur, dass meiner Tochter geholfen wird", sagt er, und seine Unterlippe bebt.

Das Leben hat es nie gut gemeint mit dem 37-jährigen Schlosser. Gesundheitlich ist der gebürtige DDR-Bürger schwer angeschlagen. Immer wieder bricht er auf offener Straße zusammen, er leidet unter Schwindeleien, verspürt häufig schwere Lähmungserscheinungen an Armen und Beinen, muss gegen schubartig kommende Schmerzen starke Medikamente nehmen. Mitte September, Sch. ist gerade wieder einmal krank geschrieben, kündigt ihm dann auch noch seine Firma, und im Briefkasten liegt ein Umschlag, in dem eine Kürzung der Sozialhilfe für die Kinder mitgeteilt wird.

Drei Kinder hat er gemeinsam mit seiner Frau Helga, zwei von ihnen sind geistig behindert. "Zu hundert Prozent", wie Sch. mit einem hilflosen Schnaufen beschreibt. Das dritte Kind, ein Sohn, der Willy heißt, ist Vaters ganze Freude. "Immer hat er gute Noten nach Hause gebracht, Durchschnitt 1,4", sagt er stolz und wischt sich eine Träne aus dem Auge. Dass sich ein Vater sorgt, müsse man doch verstehen. "Wo doch heute so viel passiert."

In der Nacht zum 6. Juli auch in Prenzlau, mitten in Vorpommern. Kurz nach Mitternacht schreibt ein anonymer Anrufer, der sich Vaddi99 nennt, bei Facebook einen Satz: "Ab sofort ist mit Gegenwehr zu rechnen". Minuten später klingelt das Telefon beim Dienst habenden Polizeikommissar Sören Hambach. Die Meinungsfreiheitsschutzabteilung des Bundesblogampelamtes im mecklenburgischen Warin ist dran. Der diensthabende Meinungsführer dort informiert knapp über den Vorfall, den der selbstlernende Überwachungsalgorithmus der Bundesbehörde automatisch ausgefiltert hat. Wenig später habe derselbe Kommentator auch noch mitgeteilt, dass er "die Kanzlerin verabscheue und ablehne finde, weil sie die falsche Politik macht."

Hambach, ein 28-jähriger, straffer Beamter mit einer Spezialausbildung in Cyberkrieg, leitet Maßnahmen ein. "Wir haben die entsprechenden Schwerpunkte dann verstärkt bestreift." Festgestellt werden konnte nichts.

In normalen Zeiten werden solche Kommentare auch in Prenzlau, einer von den meisten Menschen längst verlassenen Gemeinde in Vorpommern, nicht gezielt verfolgt. Doch es sind keine normalen Zeiten. Seit die Hassprediger und Hetzer das Internet beherrschen, wehrt sich der Rechtsstaat mit allen Kräften. Und so landet die routinemäßige Strafanzeige wegen "Störung des öffentlichen Friedens" am nächsten Tag auf dem Schreibtisch des Kriminalbeamten Werner Zarting. Ein Routinefall, der sich mit wenig Aufwand klären lässt: Der anonyme Anrufer hat von einer IP-Adresse gepostet, die ein deutscher Provider vergeben hat. "Über die NSA-Kontaktbeamten beim Landeskriminalamt haben wir dann natürlich den Halter ermitteln lassen", berichtet Hambach.

Der Halter heißt Kevin Sch. - und schon in der nächsten Nacht klicken die Handschellen bei dem Mann, der nun unter dem Verdacht steht, eine "gemeingefährliche Drohung" ausgestoßen und „das „Meinungsklima vergiftet“ zu haben, wie es in der Anklageschrift heißt. Ein Fall für ein beschleunigtes Verfahren, wie es seit September 2001 möglich ist.

Sch. versteht das alles nicht. "Ich kann mich doch nicht erinnern", sagt er, und es klingt wie eine Ausrede. Ja, er habe Wut gehabt, weil ihm niemand helfen wollte. "Aber", beschwört er, "auch ich verurteile die Weltlage wie sie ist, und es gehört niemals zu meinem Charakter, so was zu tun."

Der grauhaarige Mann im weißen Rolli sieht allerdings nicht aus wie einer, der ordentlich zur Wahl geht, sich in der Nachbarschaft engagiert und gesundes Gemüse für seine Kinder kauft. Sch. ist ein Hasser, ein Mann, der die Gesellschaft verantwortlich macht für alles, was er selbst an Fleiß, demokratischer Hingabe und Engagement für die Gemeinschaft fehlen lässt.

 Der kalte Schweiß des Selbstmitleids steht ihm auf der Stirn, Wasser aus Angst vor Strafe in den Augen. Er selbst steht vor der Invalidisierung - ein Wort, das ihm kaum über die flatternden Lippen gehen will, weil er schon in der Schule nicht richtig aufgepasst hat. Rund 2 200 Euro hat die Familie bisher im Monat zur Verfügung, weil der Staat großzügig hilft, wo er muss. Jetzt aber, fürchtet er und zeigt damit sein ganzes Anspruchsdenken, "wird das doch viel weniger". Dass ihm das Familiengericht wegen der drohenden Verurteilung auch noch das Sorgerecht für Willy, seinen Liebling, nehmen wird, um wenigstens das Kind vor dem verderblichen Einfluss der Eltern zu schützen, versteht Sch. nicht. "Das hält alles kein Mensch aus."
Auch das rechtsmedizinische Gutachten, dass bestätigt, dass der von Sch. am Tattag getrunkene Alkohol im Zusammenhang mit den von ihm eingenommenen Medikamenten wirklich dafür hätte sorgen können, dass "ich etwas im Unterbewusstsein getan habe, das ich niemals hätte tun wollen", entlastet den Hetzer schlussendlich nicht.
Das Schnellgericht berät fast eine halbe Stunde über die vom Täter vorgebrachten Entschuldigungen, kommt dann aber zu einem einhelligen Urteil: Kevin Sch. hat sich des Hasses schuldig gemacht. Um seine Schuld einzusehen, zu bereuen und gegenüber der Gesellschaft, der er mit seinen Äußerungen so sehr geschadet hat, Sühne und Genugtuung zu leisten, wird Sch. neun Monate in einer Resozialisierungseinrichtung in Parchim absitzen müssen. Es ist auch eine Chance für den Täter: "Die Gesellschaft gibt Ihnen diese Gelegenheit aber nur einmal", heißt es im Urteil warnend, "es ist ihre Möglichkeit, ein neues Leben anzufangen".

Dienstag, 29. September 2015

Apple setzt auf Eier: iStrom lädt probiotisch

Diese Überraschung ist dem Computergiganten Apple wieder gelungen, obwohl sie auf der Apple-Keynote Mitte des Monats beinahe untergegangen war. Damals hatte alle Welt auf die Vorstellung des neuen iPhone 6s gewartet, das wie immer einen noch schärferen Bildschirm hat und noch schneller, kantiger und bunter zu werden verspricht. Wie nebenbei aber bestätigte das Unternehmen aus Cupertino in San Francisco auch Pläne, dass neben dem neuen Smartphones ein völlig neues Produkt auf den Markt gebracht werden soll.

Beim sogenannten iStrom handelt es sich um den weltweit ersten probiotisch hergestellten Umweltstrom, der über ein schick designtes kleines Kästchen im typischen eleganten Apple-Weiß generiert wird. Aus bis zu einem Dutzend handelsüblicher Eier, die in den raumsparenden Kasten platziert werden, erzeugt der iStrom-Prozessor (iSP) durch anaerobe Gärung Methan (CH4), das über einen auf der Plattform iOS laufenden Brenner mit PowerVR SGX 535 elektrischen Strom. Apple-Ingenieuren war es zuvor gelungen, den beißend riechenden Naturstrom durch eine Filterapp mit Multi-Touch-Funktion zu minimieren.

Zwölf Eier wandelt der iSP (oben), den Firmenchef Tim Cook "iEnergy-Extender" oder auch iEE nennt, in rund 1,24 Kilowattstunden Strom um. Damit kann ein handelsübliches iPhone bei normaler Nutzung zirka ein Jahr lang jeden Tag aufgeladen werden. Eines der neuen iStones, die Apple kürzlich vorgestellt hatte, kommen mit Hilfe des iEE sogar ein Leben lang damit aus.

Apple, so hieß es in Cupertino, wolle mit seiner neuen Innovation dazu beitragen, den unaufhaltsamen Klimawandel zu beenden. Apple sei auf dem Weg, seinen Kunden als erstes Computer-Unternehmen überhaupt einen Weg zur klimaneutralen mobilen Internet-Nutzung zu weisen. iPhone- und iStone-Nutzer könnten ihre Handys zu Hause an den iEE anschließen und dort mit grüner Energie aufladen, die keine weiten und damit stets verlustreichen Leitungswege hinter sich habe. Das "Green-Concept", das Apple in Zukunft verfolgen werde, lasse dabei auch noch Raum für die Energieversorgung anderer Geräte, deshalb habe man erstmals auf die bekannten geschlossenen Apple-Anschlußmöglichkeiten verzichtet und sich für Open Source-Lösungen entschieden. "An den iEnergy-Extender passen alle handelsüblichen Stecker", verriet ein mit der Entwicklung vertrauter Apple-Mitarbeiter dem US-Techblog "Appleuse". Auf einen Ansturm ist Apple vorbereitet, zahlreiche Auftragsfertiger in China, Vietnam und MyanmardemfrüherenBirma sind seit Monaten mit der Montage der kleinen Biostrom-Stationen beschäftigt.

Die Angst, dass es mit zunehmender Verbreitung des iEE bald keine Eier mehr geben könne, haben Manager des Konzern als "grundlos" bezeichnet. Zur Einleitung der anaeroben Gärung brauche es nicht zwingend Eier. Es sei genauso möglich, sich den benötigten Strom aus iTunes herunterzuladen. Dazu betreibe Apple in Kolumbien, MyanmardemfrüherenBirma und Griechenland große iStrom-Fabriken mit von Imagination Technologies gelieferten PowerVR SGX 7000-Prozessoren, die das Energy-Extending-Verfahren industriell anwenden.

Börsengang: Heiße Flüchtlingsaktie startet durch

Eines der Vorzeigeheime von Better Solutions.
Better Solutions? Bis heute kennen den größten deutschen  Flüchtlingsheimkonzern nur Eingeweihte – doch das soll sich ändern. Der erst vor wenigen Monaten von zwei engagierten Jungunternehmern aus der Gastro-Branche gegründete Großbeherberger Better Solutions will mit einem Paukenschlag an die Börse. Eine Chance für Anleger?

Freital, Düsseldorf, Langenwederstedt, der Harz - überall stehen sie inzwischen, die warmen, trockenen und gemütlichen Flüchtlingsheime von Better Solutions (BS), einer Neugründung der beiden Kultgastronomen Kevin Schnitte ("Talibar") und Reinhold Herger ("Hot Bird"). Binnen weniger Monate ist es den beiden jungen Unternehmern gelungen, eine Antwort auf den "Zustrom von Flüchtlingen" (Der Spiegel) zu finden - noch dazu eine äußerst profitable. Mehr als 17.000 Schutzsuchende beherbergen Schnitte und Herger in BS-Häusern, und der Bedarf steigt weiter, so dass die beiden Gründungsaktionäre sich entschlossen haben, jetzt neues Kapital an der Börse aufzunehmen.

Es wird der größte Börsengang in Deutschland seit der Jahrtausendwende: BS will immerhin 20 Prozent seiner Aktien zum freien Handel im geregelten Markt der Frankfurter Börse zulassen. Angeboten werden ausschließlich neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung, wie das Unternehmen am Freitag mitteilte. „Wir haben den besten Weg für den weiteren Ausbau unserer Kapazitäten gesucht und sind zu der Überzeugung gelangt, dass ein IPO klare Vorteile für alte und neue Stakeholder bietet“, sagte BS-Chef Reinhold Herger.

Dessen Rechnung im Börsenprospekt dürfte Investoren überzeugen: Der durchschnittlich vereinbarte Basis-Tagessatz liegt bei 21 Euro pro Flüchtling, die Belegungsliste zählt derzeit exakt 17.212 Schutzsuchende, so dass BS auf einen Monatsumsatz von etwa zehn Millionen Euro kommt. Auf das Jahr hochgerechnet sind das weit über 130 Millionen Euro allein für diese Unterbringung. In angeschlossenen Shops der Heime, in denen die Gäste, wie BS seinen Mieter nennt, einkaufen können, generiert der Großkonzern weitere Einnahmen. "Und unser Markt wächst", versichert Herger, der wegen der exorbitanten Wachstumsraten in der Branche eine Unternehmensbewertung von zwei Milliarde Euro angepeilt.

"Das wäre ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 200", hat Analyst Karol Adeladu von der Volksbank Schachstedt errechnet. Das sei nicht viel für ein Start-up in einem Markt mit Wachstumsraten von 1000 und mehr Prozent. "Gelänge es Better Solutions nur, die Belegungszahlen zu verdoppeln, halbierte sich das KGV schlagartig", rechnet Adeladu vor. Zudem: bereits ab 2016 können BS-Aktionäre mit einer Dividende rechnen, denn Herger sieht sein Unternehmen nicht nur als wachstumsstarkes Start Up, sondern auch als "Rentenpapier". Geplant sind Ausschüttungen von 30 bis 50 Prozent des Konzernergebnisses.

Die Gründer werden nach dem Börsengang weiter eine Mehrheit halten, zudem haben sie sich verpflichtet, für mindestens zwei Jahre keine weiteren Aktien zu verkaufen, sagt Karol Adeladu. Der Erlös aus dem IPO fließt auch nicht in die Taschen der Altaktionäre, sondern er soll dazu genutzt werden, um Schulden bei den Banken zurückzuführen. Nach dem Börsengang und der Rückzahlung von Krediten soll das Verschuldungsniveau auf einem tragfähigen Niveau von dem 2,5- bis Dreifachen des Ebitda liegen, was ein Rating im Investmentgrade-Bereich ermöglicht.

Better Solutions verbuchte seit Gründung einen positiven Ertragstrend mit einer Steigerung des um Sondereffekte bereinigten Ebitda um 446 Prozent auf 14 Millionen Euro. Das Ergebnis des neu formierten Unternehmens spiegelt dabei noch nicht den Ergebniszufluss aus dem March of Hope Anfang September.

Für das Gesamtjahr zeichnet sich nach Insiderinformationen ein Ebitda von 150 Millionen Euro ab. Man gehe davon aus, dass man im kommenden Jahre bereits auf 360 Millionen kommen werde. Perspektivisch hat das Unternehmen das Ziel, etwa zehn Prozent der nach Deutschland kommenden Hilfsbedürftigen in seinen Heimen unterzubringen. Bis 2025 sollen das etwa 800.000 Menschen sein, Better Solutions spricht im Börsenprospekt von einem dann angepeilten Jahresumsatz von mehr als sechs Milliarden Euro und einem Jahresgewinn in Höhe von etwa einer Milliarde. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis läge dann bei nur noch zwei bei einer Dividendenrendite von etwa 17 Prozent - "ein echtes Schnäppchen", wie Analyst Karol Adeladu glaubt, der das Papier zum IPO auf "Kaufen" gestellt hat.

Einwanderung nach Paragraph 23

Die ursprüngliche Idee war etwas anders. 2011 preschte ein überparteilich agierender Arbeitskreis aus Politikern und unabhängigen Landtagskandidaten der früheren DDR-Bürgerrechtsbewegungen um den Bundestags-Hinterbänkler Ralph Haberstroh damit vor: Das von einer friedlichen Revolution überrollte Tunesien, so die Menschenrechtler, solle der Bundesrepublik beitreten. Damit könne das vom Aussterben bedrohte Deutschland seine "Abschaffung" (Thilo Sarrazin) verhindern. Tunesien aber bekomme mit dem Grundgesetz ein festes rechtsstaatliches Fundament, auf dessen Grundlage das nordafrikanische Land sich friedlich Richtung Wohlstand entwickeln könne.

Die "einmalige Gelegenheit" (Haberstroh) aber verging ungenutzt. Die ehemaligen Punier wurden sich selbst überlassen, der "Rettungsring" (Haberstroh), den Nordafrika Deutschland gereicht hatte, wurde "achtlos weggeworfen", wie Ralph Haberstroh heute kritisiert. "Obwohl die Probleme Tunesiens komplementär zu denen Deutschlands sind, hier die schleichende Überalterung, dort die "Youth Bulge"", sagt Haberstroh, "haben es Europa und die Bundesregierung versäumt, ein Zeichen zu setzen und Nordafrika ein Beispiel zu geben, welche Entwicklungsmöglichkeiten bestehen."

Ein Versäumnis, das nun auf andere Weise ausgeglichen werden soll. Statt, wie Konzept der multilateralen Initiatoren vorgesehen ganz Tunesien, einst bereits zeitweise von Deutschland verwaltet, als 17. Bundesland in die Bundesrepublik zu integrieren, um die Schwäche des einen Staates durch die Schwäche des anderen auszugleichen, bemüht sich die Bundesregierung nun ebenso verzwiefelt wie verspätet, wanderungswillige Syrer anzuwerben.

Das Land gilt wegen seiner früheren Zugehörigkeit zu Griechenland als integraler Teil der europäischen Union, ist derzeit aber zwischen lokalen Diktatoren, islamistischen Rebellen, Amerikaner und Russen umkämpft, so dass die EU versuchen muss, die dort verfügbaren 20 Millionen Einwohner individuell in Europa einzugliedern.

Ein Beitritt nach Paragraph 23, kritisiert Ralph Haberstroh, "wäre viel einfacher gewesen". Zwar sei der Beitrittsparagraph zur Zeit im Grundgesetz nicht mehr enthalten, könne aber jederzeit wieder hineingeschrieben werden. "Mit unserer Lösung", so der Experte, "hätte Deutschland zudem endlich freien Zugang zum Mittelmeer bekommen." Die syrischen Wüstengebiete hätten zudem zur Aufstellung gigantischer Solarparks genutzt werden können.

Ähnliche Initiative in der "Welt"

Sonntag, 27. September 2015

Meinungsfreiheitsschutzabteilung: Facebook-Polizei fahndet nach Hasshetzern

In der Meinungsfreiheitsschutzabteilung der Facebook-Polizei arbeiten hauptsächlich weibliche Beamte, weil sie als sensibler für abweichende Ansichten gelten.
Erst war es nur eine absurde Forderung der Grünen, doch jetzt wird die sogenannte Facebook-Polizei Realität: Angesichts der Zunahme von drastischen, kruden und verstörenden Kommentaren in den sozialen Netzwerken hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) das Bundesblogampelamt im mecklenburgischen Warin zu einem härteren Durchgreifen aufgefordert. "Rechtsextreme Hetze in sozialen Netzwerken zu verbreiten, darf nicht toleriert werden", sagte Maas. Wer seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei äußern wolle, habe den guten Geschmack, den gesellschaftlichen Konsens und die Schranken dessen zu beachten, was Innen- und Justizministerium für tolerabel hielten.

Parolen, zugespitzte Kommentare, sarkastische Übertreibungen, all das habe keinen Platz in Deutschland, darauf werde das Blogampelamt künftig verstärkt achten. "Alle sozialen Netzwerke sollten ein Eigeninteresse daran haben, dumpfen rechten Parolen keine Plattform zu bieten", sagte Maas. Dumpfe linke Parolen seien vorerst weiter erlaubt.


Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) schloss sich den Forderungen ihre Parteifreundes an. "Wer meint, im Internet seien gewisse Äußerungen weniger strafbar als in der realen Welt, der liegt falsch", sagte sie. Das Internet sei "weder ein rechtsfreier Raum, noch gelten Sonderkonditionen". Dies werde die beim Blogampelamt verankerte Facebook-Polizei, die auch Twitter, Tumblr, Youtube und alle anderen Plattform im Auge behalte, durch striktes Vorgehen gegen fragwürdige Witze und abweichende Ansichten zeigen. Dagegen könne künftig mit Umerziehungslager, Züchtigung, aber auch dem Entzug von Führerschein oder Erziehungserlaubnis vorgegangen werden.

Herrfried Hegenzecht vom Bundesblogampelamt (BBAA) sieht seine neue "Facebook-Polizei" als Möglichkeit, "die Meinungsfreiheit in den Grenzen dessen zu wahren, was uns möglich ist". Die offiziell als Meinungsfreiheitsschutzabteilung (MFSA) bezeichnete Kommentarprüfungskompanie werde in "enger Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden Foren und sozialen Netzwerke systematisch durchsuchen", nach Prüfung von Einträgen deren Urheber ermitteln und eine "wirksame Strafverfolgung auch über Grenzen hinweg organisieren", so der seit fünf Jahren amtierende Bundesverbotsbeauftragte.

Eine Angliederung der neuartigen Pre-Crime-Polizeiabteilung an das bestehende europäische Anti-Cyberkriminalitätszentrum in Den Haag lehnt Hegenzecht allerdings ab. Auf dem Weg von der unbeschränkten Meinungsfreiheit, unter deren Maßgaben jeder Mensch habe reden können, wie er wollte, so lange er niemanden beleidigt oder bedroht habe, zum neuen europäischen Respektrecht, das es erlaube, zulässige religiöse, ideologische oder politische Ansichten unbeschränkt zu achten und zu lobpreisen, sei es ein weiter Weg, den auch in einem vereinigten Europa "jedes Land für sich finden muss".

NSU: Als noch alles sonnenklar war

Im Fall der Polizeivollzugsbeamtin Michèle Kiesewetter in Heilbronn war im Sommer vor acht Jahren noch alles sonnenklar. Ein "Durchbruch bei den Ermittlungen" ließ die staatliche Nachrichtenagentur dpa jubeln, die Polizei vermutete, dass der Mord von einer Serientäterin verübt wurde. PPQ dokumentiert den Stand der medialen Ermittlungen zu einem Zeitpunkt, als nach Fatalist, dem Betreiber des Aufklärungsblogs NSU-Leaks, noch nicht ohne jeden Medienaufschrei gefahndet wurde.

So kam, sie mordete und verschwindet: Die Beamten stehen mittlerweile vor neuen Herausforderungen. In den vergangenen 14 Jahren hat die Gesuchte Spuren europaweit an mehr als 20 Tatorten hinterlassen. Die Ermittler jagen ein Phantom - sie wissen über Alter und Aussehen der Frau ebenso wenig wie über ihren Aufenthaltsort.

Als sicher gilt nur: Die Täterin ist skrupellos, raffiniert und äußerst brutal. Die Bluttat von Heilbronn passt in dieses Muster. Bei den anderen Verbrechen, darunter zwei ungeklärte Morde, bei denen die Gesuchte in Österreich, Deutschland und Frankreich ihre DNA-Spuren hinterließ, war sie stets auf Geld und Wertsachen aus. 1993 wurde in Idar-Oberstein eine 62-jährige Rentnerin mit einer Drahtschlinge erdrosselt. "Kaum vorstellbare Brutalität", hieß es damals. In Freiburg war ein Rentner im März 2001 ebenfalls erdrosselt aufgefunden worden.

Zumindest in Idar-Oberstein suchte man zunächst nach einem Mann. Dass es sich um eine Täterin handelte, schien unwahrscheinlich. Durch Frauen begangene Morde sind meist Beziehungstaten aus enttäuschter Liebe, Eifersucht oder Wut über erfahrene Misshandlungen. Die mysteriöse Gangsterin aber ist eine "tickende Zeitbombe", die jederzeit hochgehen kann, so die Beschreibung in Polizeikreisen.

Zuletzt schlug die Frau Anfang März in Österreich zu: Ihre DNA wurde bei einem Einbruch nördlich von Linz gefunden. Dabei wurden Bargeld, Sonnenbrillen und ein Notebook gestohlen. Der Fall gleiche anderen Einbrüchen, bei denen ihre DNA gefunden wurde. "Das ist auffallend: Es wurde immer alles gestohlen, was irgendwie vermarktbar ist", sagte der Leiter des oberösterreichischen Landeskriminalamts Rudolf Keplinger.

Dies und der Fund einer Einwegspritze mit ihrem DNA-Material 2001 in der Eifel legt die Vermutung nahe, dass es sich um Beschaffungskriminalität handelt. Auch nach der Tat in Heilbronn hatte es gehießen, es könne um Rauschgift gegangen sein. Über das Umfeld der Verbrecherin wurden Details bekannt: Die österreichische Polizei berichtete von zwei verhafteten Männern, deren DNA-Material gemeinsam mit den Spuren der Frau an Tatorten entdeckt worden war. Die Männer kommen aus Serbien und Polen, die Frau könnte aus Osteuropa stammen.


Ein Land schreibt einen Thriller:

NSU: Hinterm Rand der Katastrophe
NSU: Todesursache blauer Fleck
NSU: Morde aus dem Grab heraus
NSU: Mit großem Pomp am Ziel vorbei
NSU: Beweisschau im Internet
NSU: Klein, schmal und knochig
NSU: Die Toten auf dem Rücksitz
NSU: Hundert Tage April, April
NSU: Banküberfalltäter im Tattooarchiv
NSU: Die Fassade auf der Anklagebank
NSU: Nicht nur sauber, sondern rein

NSU: Doppelselbstmord zu dritt
NSU: Vorladung für Hollywood
NSU: Rufnummernmitnahme
NSU: Robert Redford gegen rechts
NSU: Strafe muss sein
NSU: Terror fürs Museum
NSU: Herz, Stern oder Halbmond
NSU: Schweigekomplott am Bosporus
NSU: Nazi per Nachname
NSU: Platznot auch im Alex-Prozess
NSU: Killerkatzen im Untergrund
NSU: Das weltoffene Deutschland im Visier
NSU: Liebes Terrortagebuch
NSU: NSU: Push the forearm fully forward
NSU: Heiße Spur nach Hollywood
NSU: Die Mutter von Hirn und Werkzeug
NSU: Musterstück der Selbstentlarvung
NSU: Rettung durch Rechtsrotz
NSU: Schreddern mit rechts
NSU: Softwarepanne halb so wild
NSU: Neues Opfer beim Verfassungsschutz
NSU: Im Namen der Nabe
NSU: Handy-Spur ins Rätselcamp
NSU: Brauner Pate auf freiem Fuß
NSU: Rufmord an den Opfern
NSU: Heiße Spur ins Juwelendiebmilieu
NSU: Eine Muh, eine Mäh, eine Zschäperättätä
NSU: Von der Zelle in die Zelle
NSU: Die Spur der Schweine
NSU: Gewaltbrücke zu den Sternsingern
NSU: Gebührenwahnsinn beim Meldeamt
NSU: Nun auch auf dem linken Auge blind
NSU: Die Welt ist klein
NSU: Verdacht auf Verjährung
NSU: Weniger hats schwer
NSU: Terrorwochen abgebrochen
NSU: Rechts, wo kein Herz schlägt
NSU: Was steckt dahitler?
NSU: Neue Spuren ins Nichts
NSU: Tanz den Trinitrotoluol
NSU: Der Fall Braun
NSU: Honeckers rechte Rache
NSU: Die Mundart-Mörder
NSU-Todeslisten: Sie hatten noch viel vor
NSU: Was wusste Google?
NSU: Kommando späte Reue
NSU: Die tödliche Bilanz des braunen Terrors
NSU: Mit Hasskappen gegen den Heimsieg
NSU: Mordspur nach Möhlau

Samstag, 26. September 2015

Zitate zur Zeit: Weg isse

Wir haben unseren moralischen Kompass komplett verloren. Und wenn wir ihn nicht finden, verlieren wir unsere Zivilisation.

John Rhys-Davies über die Furcht vor dem Bekanntwerden von Voreingenommenheit

Test: Wieviel Nazi steckt wirklich in mir?

Auf einmal sind sie wieder überall, nicht nur im Internet und bei Facebook, sondern auch auf den deutschen Straßen, vor allem in Sachsen: Alte und neue Nazis, getarnt als ganz gewöhnliche Bürger, die sich "besorgt" über den wachsenden "Zustrom" (Spiegel) von Bedrängten aus aller Welt äußern und dann nachts mit Polen-Böllern oder Steinen versuchen, Migranten aus ihren Zufluchtsstätten zu vertreiben.

Noch ist unklar, woher 70 Jahre nach Hitlers Tod und einer beinahe ebenso langen Zeit des aufwendig geführten Kampfes gegen rechts plötzlich so viele Nazis kommen können, die sich häufig als "Jaaber-Nazis" tarnen. Die Übertragungswege sind rätselhaft, die Ausbreitungsgeschwindigkeit aber ist umso beunruhigender. Steckt es doch in den deutschen Genen? Ist es eine Art Stockholm-Syndrom? Oder eine Übersprungshandlung aus falsch verstandener Solidarität mit marginalisierten Skinheads und den tumben Toren der NPD? Am wichtigsten jaaber: Wer wird befallen? Und warum?

Die Bundeszentrale für Politische Erziehung hat reagiert und erstmals einen amtlichen Selbsttest zur Nazi-Schnelldiagnose ins Netz gestellt. Mit Hilfe von neun Fragen können Neugierige sich selbst analysieren und sehen, wie anfällig sie für Nazi-Gedankengut wären, kämen sie damit in Berührung. Auch der aktuelle geistige und weltanschauliche Zustand wird erfasst: Wer bereits Nazi ist, bekommt es hier amtlich mitgeteilt. Hier können Sie erstmals überprüfen, ob Ihre politische Grundhaltung wirklich so schlimm ist, wie Sie selbst inzwischen manchmal glauben und ob Sie Gefahr laufen, aus der Gruppe der allen anderen überlegenen richtigen Menschen herauszufallen. Mit diesem Test können Sie auch überprüfen, warum es gelegentlich zu Diskrepanzen kommt zwischen dem, was Sie denken, und dem, was sie dauernd lesen und hören müssen.

Vorsicht: Der Test ermittelt ein detailliertes Persönlichkeitsprofil. Nur 60 Sekunden - und der besorgte Bürger weiß, ob die Teilnahme an einem Aussteigerprogramm notwendig ist. Verurteile ich die ruchlosen Taten von Heidenau? Ausreichend entschieden? Oder bin ich selbst ein Täter? Spüre ich klammheimliche Freude oder bin ich pflichtgemäß oder ernsthaft erschrocken? Für manchen, der nicht richtig fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht, ist es gar nicht so einfach, die richtige Wahl zu treffen. Doch eine Alternative für Deutschland gibt es nun mal nicht!

Unser Test sagt Ihnen, wie viel Nazi schon in Ihnen steckt: Teilnahme hier, der Test ist anonym, die Eingabe eines frei erfundenen Nutzernamens reicht derzeit noch aus.


Freitag, 25. September 2015

Unausrottbar: Die Sage vom Supermond

Schon im vergangenen Jahr war die Aufregung gewaltig, als sich durch eine geschickte Pressemitteilungspolitik ein "Supermond" an den deutschen Medienhimmel schob. So groß wie seit 20 Jahren nicht mehr, jubelte die Menge. Mit Schlagzeilen, die sogar noch größer waren: 2015 Schlagzeilen brachte der Mond vorab, jeweils ein Drittel davon beim "Supermond" im Juli, im August und im September.

Nun ist es schon wieder soweit, eine neue Schlagzeilenlawine zum Thema Supermond rollt, denn am 28. September ist es wieder soweit. Diesmal, das ist wissenschaftlich belegt, "kommt der Mond der Erde nochmal 20 Kilometer näher als im Jahr zuvor" (dpa). Bei einer durchschnittlichen Entfernung zwischen beiden Himmelskörpern von 384.400 Kilometern sind das noch einmal 0.005 Prozent mehr Nähe. Ein ungewöhnliches Ereignis am Firmament, das nach übereinstimmenden Angaben niemand verpassen darf, denn zusätzlich zur Größe verwandelt sich der Erdbegleiter nun auch noch zu einem "Blutmond".

Die Färbung ist eine optische Täuschung, weil der Mond nur wenig über dem Horizont steht und die Lichtbrechung eine Rotverschiebung bewirkt. Zudem erweckt der Mond durch den Tiefstand mehr als durch die wirkliche Nähe den Eindruck, besonders nahe zu sein. Das Auge lässt sich vom Umstand, dass der Erdbegleiter durch den niedrigen Stand am Himmel hinter Häusern oder Bäume hervorschimmert, täuschen. Der Effekt ist ähnlich wie bei einem Fotoapparat mit Teleobjektiv: Die lange Brennweite zieht Objekte, die sich hintereinander und zugleich weit voneinander entfernt befinden, optisch zusammen.

Dass der Mond nicht wirklich größer oder gar merklich näher ist, verdeutlichen die Zahlen: Wenn der Mond in seinem Jahreslauf um die Erde seinen erdnächsten Punkt erreicht, ist er nur rund 20 000 Kilometer näher als im Jahresdurchschnitt. Das sind fünf Prozent - zum Vergleich: Gegenstände auf einer Kinoleinwand werden aus 25 Metern Entfernung gleich viel größer oder kleiner, wenn der Betrachter im Kinosessel sich vor- oder zurücklehnt.

Mediendeutschland wird für diesen Unterschied demnächst die Begriffe "Normalkino" und "Superkino" prägen.

Debakel-Spektakel: Die letzten Tage unserer alten Zeit

Ein Staat geht nicht unter, wenn er angegriffen wird. Ein Staat geht unter, wenn er sich gegen Angriffe von innen oder außen nicht mehr wehren kann oder will. Er verliert seine Souveränität nicht, wenn gegen seine Gesetze verstoßen wird. Sondern wenn er Verstöße gegen seine Gesetze zulässt, duldet oder sie erst möglich macht. Er wird dann ohnmächtig, handlungsunfähig, er verliert damit den inneren Zusammenhalt. Er ist nicht mehr Rechtsstaat, sondern Bananenrepublik, in der die Tageslaunen der Herrschenden die alternativlose Richtschnur staatlichen Handelns sind.

Erst fällt der rechtliche Rahmen, der Staat verliert das Vermögen, seine Grenzen zu schützen, seine Rechtsgrundsätze durchzusetzen, Verstöße jeder Art unabhängig von dem, der sie begeht, zu ahnden. Dann verliert das Staatsvolk das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik: Auf Anarchie von oben, wie sie mit, hier wird das Allgemeine konkret, Energieausstieg, Eurorettung, strafloser Auslandsspionage gegen die eigenen Bürger und nächtlicher Öffnung aller Grenzen für jedermann in Reihe exekutiert wurde, folgt für gewöhnlich Anarchie von unten.

Gelingt es den Herrschenden dann nicht, sich so eilig ein neues Volk zu suchen, wie es Helmut Kohl 1990 gelang, der es den Neubürgern aus der DDR verdankte, dass ihm eine Kanzlerschaft in den Schoß fiel, für die Oskar Lafontaine schon sein Krönchen geputzt hatte, steht der Staat, der Recht, Gesetz und moralische Regeln garantiert, als leere Hülle aus Behauptungen da.

Ein Zustand, dem immer näherzukommen sich die dritte Kanzlerschaft Merkel augenscheinlich fest vorgenommen hat. Schneller als der Kabarettist daraus Witze machen kann, zerbohrt die Hamburgerin die Fundamente der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. Wie in einem Stammesstaat regiert sie mittlerweile nach Gutdünken und am liebsten rettet sie: Die Bürger vor tödlichem Atom, die Geheimdienste vor gefährlichem Nichtwissen über mögliche Terrorgefahren, Europa vor dem Ende des Euro und die Flüchtlinge der Welt vor einem Leben ohne Zuflucht.

Merkel, beliebt und mächtig, benötigt dazu inzwischen wirklich nur noch ein Kopfnicken ihres Küchenkabinetts. Auf den Straßen folgt stets Achselzucken, denn es geht den Menschen gut, so gut wie nie, und wer emsig "Tagesschau" schaut und den "Spiegel" liest, wird nicht daran zweifeln, dass das allein an ihrer klugen Politik liegen muss. Die hat die Steuereinnahmen auf ein Rekordhoch getrieben, die Staatsausgaben ebenso, aber darüber reden wir nicht. Sie hat eine schwarze Null wie nebenbei gezaubert und im Krisenfall immer noch einen Trick auf Tasche, der Geld aus dem Nichts mobilisiert, das eben noch für Bildung, Kultur, bei der Sanierung der Infrastruktur, bei kommunalen Aufgaben oder der Kinderbetreuung fehlte.

Solange die Menschen in ihrem privaten Umfeld zufrieden sind, sind sie es auch mit den Entscheidungen der Regierung. Bröckelt allerdings erst die wirtschaftliche Basis all der großen politischen Erfolge, schwindet die Begeisterung meist schnell Erich Honecker und Helmut Kohl können Lieder davon singen. Und die Erodierung der Wirtschaft ist gerade im Moment des größten Erfolges mit Händen zu greifen: Nach dem Frontalangriff auf den halbstaatlichen Volkswagen-Konzern, dem ein Absturz aller deutschen Autowerte folgte, die bis dahin die einzige Branche verkörperten, in der deutsche Unternehmen noch unter den weltgrößten Spielern rangierten, liegt der Gesamtwert der 30 größten deutschen Firmen unter einer Billion Euro. Das ist gerade mal noch bei ein Drittel mehr als der US-Computerriese Apple allein auf die Waage bringt.

Ein Menetekel, das davon erzählt, dass der Exportweltmeister nach der Rasierkur bei RWE und Eon kein großes Energieunternehmen mehr hat, seit den Ackermann-Kriegen keine Bank von Weltgeltung, mit SAP nur einen einzigen, vergleichsweise winzigen Mitspieler in der Hightech-Welt und nun statt dreier riesiger Mobilitätskonzerne drei nahezu rettungswürdige Old-School-Autobauer, denen von vorn die Elektrokonkurrenz den Ruf abfährt, während ihnen von hinten das Image zerbeult wird.

Nur Verschwörungstheoretiker würde behaupten, das passt alles irgendwie zusammen. Die äußeren Attacken, die inneren Angriffe. Das Personal an der Spitze, mit dem regimetreuen Pfarrer, der einst auf den letzten Oppositionswaggon sprang, um später Zugführer eines Aufarbeitungsarchives zu werden, über die Erziehungsministerin, die nun die Verteidigung verantwortet, bis zur Umweltministerin, die ihren Ziehvater meuchelte, um das Klima zu retten, bis ihr Wichtigeres einfiel. Wenn es einen Plan gäbe, wäre das auch s

Donnerstag, 24. September 2015

Song Meanings: Verlöschende Lichter der Vernunft

Auf dem Höhepunkt des ersten Ansturms der Armen aus dem Süden griff Justin Sullivan zur Feder und schrieb ein Lied über den kommenden Krieg zwischen Arm und Reich. Der wurde anschließend abgesagt, weil es gelang, mit einer Mischung aus schärferen Gesetzen, größeren Zukunftsversprechen und Geldzahlungen eine Art gedachte Mauer zwischen den damals noch „Entwicklungsländer“ genannten Regionen auf dem Balkan und in Afrika und dem gerade erst aus dem Kalten Krieg erwachten Europa hochzuziehen.

Sullivan, Gründer, Chef und Sänger der nach Oliver Cromwells Streitmacht bekannten Band New Model Army, glaubte damals schon nicht daran, dass die Lösung von Dauer sein würde. „They break like waves of hunger and desire upon these eroded shores”, prophezeite er, “the oil burns in thick black columns, the buzz saws echo through the forest floor: they shout give us our fair share, give us justice”.

An welche Adresse sich der Ruf richtet, geht aus dem Lied „Here Comes the War“ nicht direkt hervor, denken aber lässt sich, dass der Westen ganz allgemein gemeint sein könnte.

“Do you hear the sirens scream across the city? - the riot season is here again”, singt Justin Sullivan, der immer böse klingt, obwohl er an das Gute glaubt, das niemals kommt. Zwei Jahrzehnte nach seinem Warngesang jedenfalls hat es sich noch nicht eingestellt und die Frage „Did you think we were born in peaceful times?” würde wohl kaum noch jemand irgendwo auf der Welt mit Ja beantworten.

Alles geht “Faster, faster, like a whirling dervish spinning round”, denn “faster, faster, until the Centre cannot hold”. Die an den Grenzen, die zurückgekehrt sind, weil Gesetze, Geld und Versprechungen nie dauerhaft Wirkung zeigen, schreien nach Freiheit oder Tod. „Now you've got both”, sagt Justin Sullivan, “what do you want next?”

Einen Chor vielleicht, der markerschütternd gellt: “Here comes the war - put out the lights on the Age of Reason.”

Ein Lied für Poroschenko
Schafe vorm Gewehrlauf
Scheidung im Gaslicht

Moralisch ist es nicht: Darf man Wespen töten?

Restaurantgäste fuchteln mit den Händen, Mütter werfen sich vor ihre Kinder, Väter betrachten sorgenvoll den geschwollenen Arm ihrer Töchter: Mit dem Spätsommer bricht mit brutaler Gewalt auch die Zeit der Wespen herein. Laut Naturschutzbund soll 2015 wie jedes Jahr ein besonders starkes Wespenjahr sein. Die schwarz-gelben Flieger greifen bedenkenlos Menschen an, sie drohen, surren und stechen ohne Rücksicht auf menschliche Ängste und Allergien. 40 Todesopfer fordern Angriffe von Wespen allein in Deutschland jedes Jahr, bisher galt das Zurückschlagen gegen die wilden Tiere bis hin zu tödlicher Gewalt deshalb auch als Notwehr, die vom Grundgesetz gedeckt war.

Die Illustrierte "Stern" aber liefert in einer mutigen Titelgeschichte (oben) jetzt Hinweise darauf, dass es keine moralische Rechtfertigung dafür gibt, Insektenleben wahllos oder überhaupt zu töten. Zwar bestätigen Rechtsexperten wie der Anwalt Hartmut Eisenbrecht die rechtliche Zulässigkeit des Mordes: „Man darf – jedenfalls wenn man auf das deutsche Recht blickt – einzelne Insekten töten", sagt er.

Doch der Verbund Friends of the Earth und der Insektenschutzbund Micro Animal Preservation Society (MAPS) sehen das ganz anders. Schließlich stehen Hautflügler unter Naturschutz! „Wespen dürfen wie alle wilden Tiere laut § 39 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz nicht ohne vernünftigen Grund in ihrer Entwicklung gestört oder gar getötet werden. Sie sind äußerst nützlich, meist harmlos und haben ihren festen Platz im Naturgefüge“, heißt es bei MAPS kategorisch.

Auch die Tötung aus Notwehr sei moralisch verwerflich, da sich selbst eine aggressive Wespe nicht wehren könne. Ebenso sei der Aspekt der Notwendigkeit, von Wespenjägern gern benutzt, moralisch fragwürdig. Töten dürfe nie mit Nützlichkeitserwägungen entschuldigt werden, schließlich gebe es genügend andere Möglichkeiten, sich vor Stichen zu schützen: Ein abseits platzierter Teller mit aufgeschnittenem Obst kann beispielsweise vom eigenen Essen ablenken, ein Verbleiben im Haus bei geschlossenen Fenstern und Türen trennt Wespen- und Menschenwelt.

Aber wie wirkungsvoll sind moralische Appelle, Wespen als Teil unserer belebten Natur leben zu lassen? Wie lange muss man ein schlechtes Gewissen haben, wenn man doch mal beherzt zugeschlagen hat? Wenn jeder Wespen tötet, sterben unterm Strich doch zu viele? Und wie viele sind überhaupt zu viele? Was denken Sie?
Darf man Wespen töten?

Diskutieren Sie mit!

Mittwoch, 23. September 2015

Cookies: EU rettet Internetnutzer

Wiedermal ist es die so oft gescholtene EU, die den Völkern Europas entschlossen aus einer bedrohlichen Situation hilft. Mit der ganzen Macht ihrer Institutionen wirft sich die Kommission vor die europäischen Verbraucher - mit einer sogenannten Cookie-Richtlinie", die es europäischen Internetnutzern erlaubt, die auf nahezu allen Internetseiten eingebundenen kleinen Codefetzen, die Seitenbetreibern Einzelheiten über ihre Besucher verraten, per Handarbeit und Mausklick zu akzeptieren.

Bereits am 25. Mai 2011 hatte die Europäische Union ein einheitliches, fürsorgliches Regelwerk für Cookies beschlossen, um die bedrohten Bürger der Union vor Ausspähung zu schützen. Die Vorschrift verlangt, dass Seitenbetreiber Besucher aus der Europäischen Union vor allen auf ihrer Seite verwendeten Cookies warnen müssen. In vielen Fällen verlangen diese Gesetze sogar, dass sie eine entsprechende Zustimmung einholen. Wer die Zustimmung nicht per Mausklick erteilt, kann die Seite nicht lesen.

Eine überaus sinnvolle Regelung, denn sie produziert nicht nur seit vielen Jahren zuverlässig länderübergreifenden Beratungsbedarf, sondern vom Zeitpunkt der Umsetzung auch Jahr für Jahr Milliarden und Abermilliarden zusätzlicher Klicks im Netz. Allein in Deutschland werden hochgerechnet rund 500 Milliarden notwendige Cookie-Zustimmungen abgefragt, in ganz Europa sind es sogar bis zu vier Billionen im Jahr.

Wie viele Leben dadurch gerettet, wieviel Daten geschützt, wie viel arglose Surfer davor bewahrt werden, auf betrügerische Seitenbetreiber hereinzufallen, ist bislang nicht ganz zu überschauen. Die EU-Kommission hat die vorgeschriebene automatische Cookie-Warnung auf ihren Seiten bislang noch nicht implimentiert.

HFC: Das Glück ist zurück

Der Mann, der das Selbstvertrauen nach Halle zurückbrachte: Stefan Böger.
Ein Derby, das wirklich eines ist, Rotweiß gegen Rotweiß, Thüringen gegen Sachsen-Anhalt, Halle gegen Erfurt, Not gegen Elend in dieser Drittligasaison, die den HFC in die tiefsten Tabellentiefen stürzte und Erfurt aus allen Träumen riss, mit dem jüngsten Trainer der 3. Liga an alte Erfolge anknüpfen zu können. Der Hallesche FC, seit Amtsantritt des neuen Trainers Stefan Böger ungeschlagen, geht in dessen viertes Spiel mit dem Selbstbewusstsein einer Elf, die nach zwei Siegen und einem Remis in Folge endlich wieder an sich glaubt. Zwanzig Minuten beharken sich die beiden Mannschaften mit aller Energie: Osawe hat eine Chance in der 7. Minute, Diring verpasst nur knapp. Auf der anderen Seite trifft Höcher mit einer Flanke beinahe versehentlich beinahe ins Tor von Fabian Bredlow.

Obwohl die Schnelligkeit von Osayamen Osawe inzwischen allgemein bekannt ist, macht dann doch wieder der Sprinter der Liga das erste Tor. Klassischer Pass aus dem Mittelfeld, Osawe lässt alle hinter sich, verlädt den letzten Verteidiger in Blau und überwindet RWE-Torhüter Dommaschk.

Nun tragen die Rot-Weißen von der Saale die Köpfe noch etwas höher.Erfurt müht sich, hält nach Kräften dagegen, aber Halle macht das Spiel. Und wie: Nur sechs Minuten nach dem 1:0 bekommt der HFC einen Freistoß im zentralen Mittelfeld zugesprochen. Sören Bertram tritt an und erhöht seine Erfolgsquote in dieser Saison auf zwei. Neuer Spielstand 2:0-

Wäre das hier nicht der HFC, wäre das Spiel gelaufen. In Halle aber ist manches anders, ganz egal, wie der Trainer heißt. Die Begeisterung auf der Tribüne ist groß, die Zuversicht ebenso. Der neue Besen Böger hat dem HFC neben einigen personellen Veränderungen eher kosmetischer Natur vor allem die Nerven zurückgegeben und die Angst genommen.

Nach der Halbzeit zeigt er selbst noch mal, wie das geht. Für Dominic Rau bringt er Selim Aydemir, für den Mittelfeldmann rückt Florian Brügmann wieder auf seine frühere Köhler-Position auf der Außenposition der Abwehr.

Vorbei die Zeiten, als nach der Uhr oder gar nicht gewechselt wurde. Vorbei die Zeiten, als jeder Gegner wusste, was beim HFC als nächstes passiert. Auch hier Überraschendes: 63. Minuten sind gespielt, als Erfurt eine Ecke bekommt, die nur schlecht abgewehrt werden kann. Im Nachschuss erzielt Erb das erste Tor, das der HFC in der Böger-Ära kassiert.

Wie schwer der Schaden wiegt, den die letzten Monate der Köhler-Zeit hinterlassen haben, zeigt nicht nur die Zuschauerzahl von nicht einmal 9000, sondern auch die nun wieder sichtbare Verunsicherung.


Zwar bleibt der HFC überlegen, doch Erfurt wittert Morgenluft. Im Gegensatz zu Köhlers HFC aber verlegt der des Stefan Böger sich nicht auf ein Verteidigen des Vorsprungs mit Wall und Schild. Über Osawe und Bertram, zunehmend aber auch über Selim Aydemir, der seinen ersten Durchbruch einst in Halle hatte, danach aber vielfach scheiterte, deuten die Gastgeber an, dass sie gewillt sind, den Deckel drauf zu machen.

Glück gehört dazu, niemand weiß das besser als Ex-Trainer Sven Köhler. Und niemand als er wird inzwischen schmerzlicher bereuen, dass es ihm nie gegeben war, irrational scheinende Entscheidungen zu treffen, nur weil sie niemand erwartet. Am neuen HFC, aus dem Brügmann wie immer, aber auch Engelhardt, Aydemir und Osawe herausragen, läuft sich RWE ein ums andere Mal fest. Bis nach drei elend langen Nachspielminuten alles vorüber ist. Was im Falle des HFC heißt, dass die Saison nun endlich begonnen hat: Zehn von zwölf möglichen Punkten aus den letzten vier Spielen ähneln verdächtig den tollen Serien, die Köhler immer fand, wenn es eng wurde.

Aus Platz 19 ist Platz 10 geworden, aus einer gruseligen Tordifferenz eine ausgeglichene. So kann es am Freitag in Mainz, die gerade in einer klitzkleinen Negativserie stecken, weitergehen.

Dienstag, 22. September 2015

Gewissenloser Großwildjäger verteidigt sich

Der weltweit kritisierte US-Schriftsteller Ernest H. mit seiner Trophäe.
Der Löwe, ein mächtiges Tier mit schwarzer Mähne, ist tot. Mit einem perfiden Trick soll ein US-Schriftsteller den 13 Jahre alten Löwen angelockt haben, um ihn zu erschießen. Nach der Tat brach in den moralischen Netzwerken ein Sturm der Entrüstung los, jetzt verteidigt sich der Mann aus dem Örtchen Ketchum in Idaho, der vor einige Jahren den Pulitzer-Preis und sogar den Literaturnobelpreis erhalten hatte.

Ernest H., der eigens zur Jagd nach Afrika gekommen war, nannte literarische Gründe für den von ihm verübten Löwenmord. Er habe nicht gewusst, dass seine Tat, verübt im heutigen Lake Manyara National Park im jetzigen Tansania, solch eine Aufregung verursachen werde, sagte Palmer der Zeitung "Star Tribune". Er habe dort auch eine Hyäne mit „verschlagener Hundebastardfratze“ geschossen und dabei „das drollige Aufschlagen“ der Gewehrkugel bestaunt. Die Hyäne habe eine „erregte Entrüstung“ beim Sterben gezeigt, so H. Er selbst habe sich nach dem Töten „wie betäubt“ gefühlt.

Ein Anwalt, der bei dem Interview dabei war, gab an, dass "keine offiziellen Anschuldigungen" gegen seinen Mandanten erhoben worden seien. Facebook hatte nach Bekanntwerden der tat allerdings die Auslieferung des Schriftstellers gefordert.

Ernest H. sagte, dass er nach einer Auszeit wieder mit dem Schreiben anfangen werde. Er plane einen Safaribericht unter dem Titel "Green Hills of Africa". Darin werde er sich selbst als „elenden Scheißkerl“ bezeichnen, denn das freihändige Schießen in die Eingeweide des Wildes könne er sich nicht verzeihen.

Verbot der Woche: Unbekannte Gefahr Dihydrogenmonoxid

Dihydrogenmonoxid erleichtert Bauern die Ernte, denn es führt zu verstärkten Pflanzenwachstum. Doch die Nachteile des Wirkstoffs könnten überwiegen. Der BUND fordert nach einem Teilverbot jetzt das generelle Aus von Dihydrogenmonoxid (DHMO).

Zum Ende der Getreideernte in Mecklenburg-Vorpommern hat der BUND erneut ein Verbot von Dihydrogenmonoxid in der Landwirtschaft gefordert. Der Wirkstoff - auch Hydrogen Hydroxid, Hydronium Hydroxid oder einfach Hydritsäure genannt - wird nicht nur als Reinigungsmittel nach der Ernte eingesetzt, sondern massenhaft auch vor der Getreideernte. Die Weltgesundheitsorganisation hat Dihydrogenmonoxid (DHMO) in hohen Dosen als "tödlich" für Menschen eingestuft, auch die Europäische Union warnte zuletzt mehrfach vor den tödlichen Folgen.

Als Wachstumsbeschleuniger bei Getreide hat der Wirkstoff eine lange Geschichte, beschreibt der Agrarexperte beim BUND im Land, Burkhard Koloff. Obwohl Dihydrogenmonoxid auch zu starkem Unkrautdurchwuchs führt, ist es nach wie vor erlaubt. Die Anwendung ist mengenmäßig nicht begrenzt, der Gesetzgeber weigert sich, Grenzwerte einzuführen. Zudem ließe sich, so der BUND, deren Einhaltung kaum kontrollieren. DHMO ein wesentlicher Bestandteil von vielen Giftstoffen, Krankheiten oder krankmachenden Stoffen.

Der Umweltverband fordert deshalb nun ein bundesweites Anwendungsverbot sowohl vor der Ernte bei Getreide, Raps oder Hülsenfrüchten sowie zur Reinigungbehandlung geernteter Früchte nach der Ernte. "Es ist nachgewiesen, dass bereits zehn Liter Dihydrogenmonoxid ausreichen, einen Menschen zu töten", erläutert Koloff. "In hohen Dosen schädigt Dihydrogenmonoxid zudem das Bodenleben, es fördert krankheitserregende Pilze, beeinträchtigt die Aufnahme von Mikronährstoffen sowie die Krankheitsabwehr der Pflanzen und mindert den Ertrag."

In einer BUND-Studie seien in 100 Prozent der Urinproben von Großstädtern in Deutschland Dihydrogenmonoxid nachgewiesen worden. Die Grünen hatten die Muttermilch von 16 stillenden Frauen auf Belastungen testen lassen. Auch in diesen Proben wurde die chemische Substanz gefunden. Der BUND fordert deshalb auch einen Verkaufsstopp dihydrogenmonoxidhaltiger Lebensmittel an Privatpersonen.

Dihydrogenmonoxid ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Wachstumshilfsmittel. Auch dadurch gelangt die Substanz über Eier, Milch, Getränke und Fleisch in die Nahrungskette. In Deutschland ist DHMO laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit derzeit unbegrenzt zugelassen. Der Verbrauch hat sich seit Ende der 1990-er Jahre fast verdoppelt.

Mehr aus der Reihe Verbot der Woche

Montag, 21. September 2015

Zitate zur Zeit: Im Irrenhaus oder im Ausland

„Ob einer sich zur Sozialdemokratie bekennt oder nicht, spielt schon längst keine Rolle mehr, weil es Nicht-Sozialdemokraten bei uns gar nicht geben kann, die Gesellschaft ist per se strukturell sozialdemokratisch, und wer es nicht ist, der ist entweder im Irrenhaus oder im Ausland. Es gibt keine ernsthafte Alternative dazu.“

Peter Sloterdijk zum alternativlosen politischen und intellektuellen Klima

Das richtet eine Dose Bohnen in einer Stunde an

Viele Menschen mögen Bohnen aus der Büchse vor allem, weil sie schnell zubereitet sind, schmecken und sättigen. Was aber geschieht wirklich in unserem Körper, wenn wir eine 500-Gramm-Dose Bohnen gegessen haben – vom ersten Löffel bis zur Verdauung?

Eine Grafik des pharmazeutischen Blogs „The Renegade Pharmacist“ zeigt die Folgen: Schon in den ersten zehn Minuten nimmt der Körper die rund zwölf Teelöffel Zucker restlos auf. Das entspricht bereits mehr als der doppelten von der Weltgesundheitsorganisation maximal empfohlenen Tagesdosis von 50 Gramm und übertrifft sogar die Zuckermenge, die in einem ganzen Liter Cola steckt.

Nach 20 Minuten ist der Blutzuckerspiegel dadurch bereits deutlich angestiegen, der Insulin-Wert schießt in die Höhe. In der Leber wird Zucker nun bereits in Fett umgewandelt. 40 Minuten nach dem Genuss der Bohnen ist die Absorption fast abgeschlossen – Gase, die sich bei der Verdauung im Dickdarm gebildet haben, führen nun zu Blähungen, durch die sich der Bauch spannt und nach vorn wölbt. Nach fünf weiteren Minuten sorgt die Dopamin-Ausschüttung im Gehirn für Glücksgefühle, im Magen aber herrscht ein Völlegefühl.

Nach 60 Minuten beginnen die in Hülsenfrüchten, auch Leguminosen genannt, enthaltenen großen Mengen an Lektinen und Phytinsäure für die berühmten Blähungen zu sorgen. Diese sogenannten Anti-Nährstoffe enthalten Mehrfachzucker, die vom Menschen nicht verdaut, sondern erst von den Bakterien im Dickdarm abgebaut und in Gas umgewandelt werden können. Dadurch haben Hülsenfrüchte das Potential, den Darm zu beschädigen. 
 
Die Phytinsäure sorgt dafür, dass ein Großteil der enthaltenen Mineralstoffe vom Menschen schlichtweg nicht verdaut werden kann. Beim Versuch, das zu erledigen, beschleunigt sich der Stoffwechsel. Ebenfalls nach einer Stunde entfalten die aus der Nahrung gelösten Gase ihre treibende Wirkung – man muss zur Toilette. Der Körper wird träge, weil ihm wichtige und brauchbare Nährstoffe fehlen.
 
Doch nicht nur das: Regelmäßig hohe Dosen an Bohnen, Linsen oder anderen Leguminosen steigern das Risiko für Diabetes oder akute Vergiftungen - etwa durch Kidneybohnen, die besonders viele Giftstoffe enthalten. Auch wegen dieser langfristigen Effekte warnt Niraj Naik, britischer Pharmazeut und Gründer des Blogs, vor der erschütternden Wirkung leckerer Suppen aus Hülsenfrüchten.
Falsches Vorbild: Terence Hill isst demonstrativ Bohnen, dabei sind die Hülsenfrüchte schädlich für den Menschen.

Sonntag, 20. September 2015

Zitate zur Zeit: Von Bild und Wirklichkeit

Mir kommt es vor, als ob "die Presse", in welcher Form auch immer, eine absurde Macht über die Definition der Wirklichkeit und Wahrheit erlangt habe, in demselben Maß, in welchem ihre Glaubwürdigkeit und soziale Verbundenheit mit dem Bürger schwindet. Das Bild der Wirklichkeit ist eine wichtigere Nachricht als die Wirklichkeit selbst.

Bundesrichter Thomas Fischer in der "Zeit"

Doku Deutschland: Ex-Kommissar schmeißt DDR-Bücher raus

Er wurde bekannt als Fernsehkommissar, doch seit er in Rente ging, betreibt in der sächsischen Provinz eigentlich ein ehrgeiziges Projekt: Er sammelt Bücher, die in der DDR erschienen sind. Angesichts der Flüchtlingskrise aber hat der berühmte Künstler jetzt umgedacht – und seinen Namen will er nicht lesen, denn „das lenkt nur vom Leid derer ab, die zu uns kommen“, wie er sagt.

Die "DDR-Bibliothek" des ehemaligen Filmkriminalisten war zuletzt gewachsen und gewachsen,w eil kaum noch jemand die alten Aufbau- und Militärverlag-Schinken bei sich zu Hause haben wollte. Mehr als eine halbe Million Bücher, so ergab die letzte Zählung, stehen in den Regalen der einmaligen Bibliothek im Landkreis Meißen – sorgfältig geordnet und katalogisiert, vom Ladenhüter aus den 50er Jahren der DDR bis zum gefragten systemkritischen Schmöker aus den 80ern, den mittlerweile auch keiner mehr liest.

Doch in einem alten Rittergut, in dem der ehemalige Schauspieler auf dem ausgebauten Heuboden des ehemaligen Kuhstalls eines Tages alle Werke zeigen wollte, die zwischen 1945 und 1989 in der DDR gedruckt wurden, hat ein Umdenken eingesetzt. In Woche acht der großen Flüchtlingskrise reißen zwar die Bücherspenden nicht ab, wie der stets um seine Öffentlichkeitswirksamkeit bedachte Mime sagt. Doch all das muss zurückstehen vor dem großen Ziel, „die Menschen, die zu uns kommen, menschenwürdig zu empfangen“.

Selbst auf die Nennung seines Namens legt der Bibliotheksgründer deshalb neuerdings keinen Wert mehr. Ebensowenig ist er bereit, seine in 25 Jahren mühsam gesammelten Buchbestände zu schonen. Beinahe täglich würden Kisten voller Bücher angeliefert. Aber der Erfinder der Idee von der DDR-Bücherei weiß: "Jetzt sterben viele Ältere, die noch in der DDR gelebt haben und ihre Bücher vererben, das sind aber alles Menschen, die Verständnis für meine Entscheidung hätten."

Die traf der Schauspieler in der vergangenen Woche, nicht spontan, sondern nach reiflicher Überlegung. „Die Bücherkisten kommen in den Hof“, bestimmte er, „damit können Kinder und Enkel sowieso nur wenig damit anfangen“. Der Heuboden wird freigemacht für Betten, in denen dann Flüchtlinge unterkommen können. „Und ich denke, das ist gut so“, sagt er.

Mit ein wenig Glück lasse der große Herbstregen noch einige Wochen auf sich warten, mit etwas mehr Glück könnten die notdürftig über die Bestände gezogenen Plastikplanen sogar die meiste Feuchtigkeit von den zumeist auf saurem Papier gedruckten Bänden abhalten. "Die Vergangenheit kann nicht einfach weggewischt werden. 45 Jahre sind 45 Jahre", sagt der spiritus rector hinter dem Versuch, ein Stück DDR in die Ewigkeit zu retten. Ob nun mit Büchern oder ohne, für den Kommissar ehrenhalber sind „die Menschen immer wichtiger als Papier“.

Von den ersten Reaktionen der Menschen, die selbst von der Ostsee oder aus Süddeutschland anreisen, um ihre Bücher abzugeben, fühlt er sich bestätigt. "Alle sagen, was wir machen ist richtig.

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Samstag, 19. September 2015

Palast der Republik: 25 Jahre Anfang vom Ende


19. September 1990 ist es soweit: Wegen einer urplötzlich entdeckten gravierenden Asbestbelastung muss die letzte amtierende DDR-Regierung den Palast der Republik in Berlin überstürzt schließen. Es gehe darum, drohende Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung abzuwenden, heißt es - ein Argument, das nur die nicht überzeugt, die überzeugt sind, es gehe der vor der Machtübernahme stehenden Bundesregierung vor allem darum, das ungeliebte Symbol der untergehenden DDR für alle Zeiten auszuradieren.

Das gelang über einen Stufenplan: Zwischen 1998 und 2003 entsorgten Spezialfirmen den im Baukörper vorhandenen Asbest, es entstanden Kosten 35 Millionen Euro. Schon während dieser Sanierungsarbeiten musste leider die gesamte historische Inneneinrichtung entfernt und vernichtet werden. Der Berliner Senat hatte Sorgen, dass sich spätere Nutzer an Stühlen und Tischen mit Kommunismus anstecken könnten.

Danach befand sich der Baukörper wieder im Rohbau-Zustand. Gregor Gysi besetzte das Dach des Gebäudes, um gegen von ihm vermutete Abrisspläne zu protestieren. Am 19. Januar 2006 lehnte der Deutsche Bundestag schließlich Anträge von Ewiggestrigen aus Bündnis 90/Die Grünen und PDS ab. Auch der Petitionsausschuss des Bundestages verwarf 880 Einwände gegen einen Abriss. Er sei nötig, um das ehemalige Berliner Stadtschloss wiederaufzubauen.

Die beim Abriss erneut notwendig werdende Asbestsanierung und der Rückbau kosteten weitere rund 119 Millionen Euro. Allerdings konnte der Schwedenstahl der Grundkonstruktion eingeschmolzen und nach Dubai verkauft werden, wo er in den Burj Khalifa eingebaut wurde.

Doku Deutschland: Statement zum Ausschluss von R.

Die wirklich großen Probleme der Gegenwart, sie werden, auch wenn es oft anders scheint, immer noch entschlossen angepackt - und gelöst. Gerade konnte so der von der Genderprofessix Lann Hornscheidt unbemerkt ausgeübte Rassismus durch engagierte Studierendixe öffentlich gemacht werden. Und nun, in einem zweiten Zug, gelang es an der Fachschaftx Gender der Humboldt-Uni in Berlin auch noch, einen sich dort unbeobachtet wähnenden Krypto-Rassisten namens R. dingfest zu machen und aus der Gemenschschaft letztverfüglich auszuschließen. In der völkerkundlichen Reihe "Doku Deutschland" dokumentiert PPQ den Wortlauf des Kündigungsschreibens an den überführten Derailer, Weißraumer und antiinterventionistischen Dominanzweißen.

Liebe Student*innen der Gender Studies, liebe Interessierte,

Anfang Juli 2015 sah sich die weiß und mehrheitlich cis*-positionierte Fachschaft Gender Studies (FSI) dazu gezwungen, eine weiß und trans*-positionierte Person (R.) auszuschließen. Im Rahmen seiner_ihrer Fachschaftsarbeit kam es zu massiven rassistischen Äußerungen und Handlungen durch R. Dass erstmalig so ein drastischer Schritt, ein Ausschluss, nötig ist, möchten wir an dieser Stelle begründen und unsere Entscheidung öffentlich darlegen. Denn Rassismus ist keine Privatangelegenheit!

Im Zuge eines Seminars der Gender Studies bei Lann Hornscheidt im Sommersemester 2015 wurde gegen den, von Lann Hornscheidt ausgeübten, Rassismus interveniert. Eine beteiligte, cis-positionierte, PoC (N.) hat nach der Intervention die FSI davon in Kenntnis gesetzt.

R.s Reaktion darauf war in mehrfacher Hinsicht anmaßend und diskriminierend. Als weiße Trans*-Person verlangte R. von der WoC spezifische Auskünfte über die race- und gender-Positionierungen innerhalb der Interventions-Gruppe. Denn schließlich sei der weiße Raum, in dem interveniert wurde, ein Schutzraum für Trans*-Personen. Somit müsse, als Legitimation, ein_e Trans*Inter*GnC (Gender non Conforming) PoC oder Schwarze_r in die Intervention involviert sein.

Wenn ein_e solche_r nicht gefragt werden könne, müsse letztlich eine weiße Trans*Inter*GnC Person die Erlaubnis erteilen, in einem „weißen Trans*Schutzraum“ zu intervenieren, zum Beispiel R. selbst.

N. weigerte sich, Auskünfte über die Positionierungen der Beteiligten zu geben. Die WoC wies R.s uneinsichtiges Beharren auf Antworten und diese Argumentationsweise an sich, als Ausdruck rassistischen Derailings und weißen Dominanzgebärens entschieden zurück.

Die FSI hält R.s Argumentation für falsch und rassistisch:

Eine PoC oder Schwarze Person braucht weder die Erlaubnis einer weißen Person, um gegen Rassismus zu intervenieren, noch ist sie ihr Rechenschaft oder Auskunft schuldig. Deswegen sind die tatsächlichen gender- und race- Positionierungen an dieser Stelle auch irrelevant. Das Nachfragen an sich, als auch der Glaube, ein Recht auf eine Antwort zu haben, sind in diesem Zusammenhang rassistisch.

Als weiße Person die Beteiligung einer Schwarzen oder PoC Trans*Inter*GnC-Person an einer antirassistischen Intervention gegen eine weiße Lehrperson zu fordern, verstehen wir als Tokenizing (Instrumentalisierung).

Die Darstellung dieses, weiß dominierten, Seminarraums als Schutzraum für Trans*-Personen trifft unserer Ansicht nach nicht zu. Es handelt sich um ein Universitätsseminar und nicht um einen Schutzraum. Selbst wenn der Raum trans*freundlich wäre, so wäre er dies nur für weiße Trans*-Menschen, da er rassistisch strukturiert ist, wie alle Uni-Räume hier. Daher kann er kein „sicherer“ Raum für Schwarze oder PoC sein, gleich welcher Gender-Positionierung oder sexuellen Orientierung. Somit kann ein weißer Raum niemals als Schutzraum fungieren.

Und: Rassismuskritik zerstört oder destabilisiert keine Räume, sondern Rassismus und white supremacy (weiße Vorherrschaft)! Wenn weiße Räume als „meine Räume“ bezeichnet werden, wie R. es mehrfach tat, ist das nichts anderes als der traurige Versuch, den rassistischen Status Quo aufrechtzuerhalten.

Über diese rassistischen Äußerungen hinaus wurde N. fremdpositioniert und abgesprochen GnC zu sein. Ihr wurde vorgeworfen, das Konzept der Intersektionalität nicht zu verstehen. Dieser Vorwurf ist nicht nur gegenüber einer mehrfachdiskriminierten queeren WoC, sondern auch inhaltlich fehl am Platz. Neben der Zuschreibung Intersektionalität nicht zu verstehen, auch den Missbrauch der Definitionsmacht vorzuwerfen, ist zynisch. Strukturell besitzen weiße Menschen Definitionsmacht, insbesondere über Rassismus.

R. verübte massive Grenzüberschreitungen, unter anderem vor allem dadurch, dass N.s ausdrückliche Bitte, keine Mails mehr zu erhalten, nicht respektiert und stattdessen verhöhnt wurde. Vielmehr folgten daraufhin, über mehrere Tage hinweg, über 20 weitere E-Mails. Dabei gab es sexistisch-rassistische Beleidigungen und Drohungen durch R.

Die FSI hat den Anspruch, Trans*feindlichkeit ernst zu nehmen und begrüßt die Auseinandersetzung mit und das Vorgehen gegen diese Diskriminierungsform.
Das Nicht-Eingehen auf rassistisch konnotierte Nachfragen zu einer antirassistischen Intervention ist jedoch keine Trans*feindlichkeit. Wir halten R.s Behauptung, N. hätte sich in diesem Konflikt trans*feindlich verhalten, für victim blaiming (Täter_innen-Opfer-Umkehr).

Auf eine Rassismuskritik zu reagieren, indem die eigenen, weißen Befindlichkeiten und Bedürfnisse in den Mittelpunkt gestellt werden, verstehen wir als Derailing (Ablenkung vom eigentlichen Thema/ vom eigenen diskriminierenden Handeln).

Die dargelegten rassistischen Handlungen können wir nicht tolerieren. Sie sind unvereinbar mit unserem Selbstverständnis als Fachschaft. Eine weitere Zusammenarbeit mit R. ist so nicht möglich.

Fachschaftsinitiative Gender Studies

Mehr aus der genderrassistisch engagierten Reihe Doku Deutschland

Freitag, 18. September 2015

Zitate zur Zeit: Vom Zwang zum Töten

Seiner Meinung nach stellte der Zwang zum Töten einen festen Bestandteil des menschlichen Genpools dar, und diejenigen, die diese Tatsache abstritten, waren für gewöhnlich auch die, die andere die Drecksarbeit erledigen ließen.

James Lee Burke, Feast Day of Fools

Merkel: Staatsbesuch in Dunkeldeutschland

In ihren prächtigen Uniformen stehen die sogenannten Halloren Spalier für Angela Merkel.
Erstmals seit Ausbruch der Flüchtlingskrise reist Angela Merkel nach Dunkeldeutschland - ein heikler Besuch bei denen, die nach allgemeiner Überzeugung bis heute nicht ausreichend dankbar sind für Mauerfall und Einheit. Angela Merkel im sächsischen Halle, einer Stadt, die dadurch bekannt geworden ist, dass hier mehr tote Tauben auf den Einkaufsboulevards liegen als München Hartz-4-Empfänger auf der Tasche.

Aber Merkel, die Wissenschaftlerin, bewegt sich auf heimischem Geläuf. Die Gelehrtenakademie Leopoldina hat die Physikerin eingeladen in das zum Prachtpalast der Forschung umgebaute ehemalige Gauleiterhaus direkt am Fluss Saale. Hier haben die Halloren in ihren schmucken roten Uniformen Aufstellung genommen, als die Wagenkolonne aus Berlin eintrifft. Schon vom Stadtrand ein Spalier winkender Menschen. Vorbei geht es am ehemaligen Solarwerk, wo früher ein Chemiewerk stand. Angela Merkel erkundigt sich, wie es vorangeht. "Geht sehr gut", teilt ihr ein Kenner der Region mit. Bei dem Wort "gut" nickt sie verständnisvoll.

Bei der Einfahrt in Halle-Peißen, vorbei an einem künftigen Asylbewerberheim, kommt der prächtige Troß unter einer Brücke hindurch, an der für Kathi-Kuchenmehr geworben wird. "Den Namen kenne ich", sagt Angela Merkel, die selbst gern kocht. "Sehr gute Kuchen. Sehr gute Rezepte, wenn es mal schnell gehen muss."

Ganz Halle ist an diesem Freitag auf den Beinen. Kinder, Alte, Arbeitslose. Alles, was Beine hat, steht auf der Straße. Hochrufe schallen über den Platz, als Merkel im offenen Wagen stehend - neben ihr der bekannte Atomforscher John Müller - den Marktplatz erreicht. Ein herzliches Meeting der Freundschaft. Brot und Salz von Vertretern des Rathauses. Und schon bewegt sich die Autokolonne auf der Straße hinunter zur Saale. Unterwegs winken die Verkäuferinnen. Der Tagesumsatz ist geschafft, für einen Moment kann Pause gemacht, darf auch geraucht werden.

Da ist Halle. Liebevoll wurden alle Tauben weggefegt, Bürger selbst haben das getan, ehrenamtlich und ohne zu fragen. Am Tor zu den heiligen Hallen der Wissenschaft werden die Gäste vom Leopoldina-Chef Jörgen Harker herzlich begrüßt. Seine wissenschaftlichen Mitarbeiter, all die blitzgescheiten Professoren, Assisten, Dozenten und Doktoren haben seit Wochen für diesen Moment geübt. Jeder Schritt ist abgesprochen, welcher Professor huscht wohin um welche Tür zu öffnen, welcher Forscher kümmert sich um Gepäck und Schleppe?

Angela Merkel vertauscht ihre kurze Jacke jetzt mit dem weißen Forscherkittel, schlicht, aber würdevoll. Es geht zuerst zur Wissensdestillation I, dem Betriebsteil, in dem Deutschlands Zukunft entsteht. Ein nahezu vollautomatisch arbeitender Teil der Leopoldina, dessen Spezialisten weitgehend hier im sächsischen Halle ausgebildet wurden.

In fließendem Russisch unterhält sich die Kanzlerin dann mit dem Leiter der Destillation und seinen fleißigen Helfern. Sie beantwortet auch dessen Fragen nach seiner Ausbildung. Dann erläutert im Glaskasten der automatischen Messwarte der Professor vom Dienst, ein großer, weiser Mann namens Siegfried Schmidt, die Einrichtungen des Messtisches: "Hier wird die Anlage automatisch gesteuert, bei Störung kann sie auch mit der Hand gesteuert werden."

"Das ist ja wie im Kanzleramt", staunt Angela Merkel. "Nur nicht so kompliziert", freut sich Hauptabteilungsleiter Hannemann spontan. Die Bundeskanzlerin lächelt fröhlich.

Weggewischt scheinen für einen Augenblick alle Sorgen der vergangenen Tage. Merkel kann wieder ganz Wissenschaftlerin sein, eine Mechanikerin der Macht, die mit einem Blick auf die Destillationskolonnen draußen sagt: "Die stehen in Reih und Glied".

Jeder hier merkt, diese mächtigste Frau der Welt, die Grenzen öffnen und schließen, Länder retten oder in den Abgrund stürzen kann, ist eine hellwache Beobachterin. Hochinteressante Eindrücke vermittelt ihr später auch der große Saal, mit Hilfe von Profilstahl abgesichert wie die ungarische Grenze. Hier sitze Angela Merkel während der wichtigen Rede neben dem englischen Chemiker Mike Zainer und den französischen Gentechnikern Henry Poteau und Jose Monneau. Sie fragt unumwunden: "Wie arbeiten Sie hier?" Impulsiv antwortet der Engländer: "Die Arbeit geht sehr gut."

Nach einer Stunde, angefüllt mit weiteren intensiven Gesprächen, verabschiedet sich die Bundeskanzlerin dann wieder freundlich, bescheiden und höflich. Sie besteigt ihr Auto, winkt noch einmal in Richtung der geduldig ausharrenden Massen hinter den Absperrungen der Sicherheitsdienste - und ist weg. Mit sich nimmt sie sicherlich ein ganz anderes, besseres Bild des dunklen Teil des Landes, das sie regiert.