Sonntag, 4. Januar 2009

Tief ist hoch, falsch ist richtig

Was nicht passt, wird passend gemacht und was nicht gefällt, das wird eben einfach nicht gemeldet. Kurz vor Weihnachten war es, als sich Deutschland dank Alois Mannichl und dem Lebkuchenmesser an einem gemeinsamen großen und grausamen Feind neu aufrichten konnte. Nicht die Manager und die Spekulanten, nicht die Politiker in den Verwaltungsräten und die Fraktionen, die Verbriefungen zu Gesetzen hatten werden lassen, waren nun die Schuldigen. Sondern eine völlig neue Dimension rechtsextremer Gewalt: Ein Skinhead hatte direkt auf einen Polizisten eingestochen, schlimmer als "jedes Verbrechen der RAF" war das nach Ansicht des Ortsbürgermeisters und endlich vergaß Deutschland die weltweite Finanzkrise, die Rettungspakete und wackelnden Landesbanken und widmete sich wieder ganz seinem Lebenszweck, dem "Kampf gegen rechts".

Wie wichtig das ist, wurde wenig später klar. Die Mannichl-Ermittlungen waren gerade, nun ja, etwas ins Stocken geraten, als die renommierte Frankfurter Rundschau zu vermelden wusste, dass ein neuer Rekordstand bei der Zahl der rechtsextremen Straftaten erreicht sei. Nie zuvor, die Zeit der Hitler-Herrschaft mal beiseite gelassen, hatten Rechte in Deutschland mehr Verbrechen begangen, indem sie Hakenkreuze zeigten, Lieder sangen und Menschen zusammenschlugen.

Die Zahl, die die FR lieferte, war nun zwar niedriger als die vom letzten Jahr. Doch die Botschaft zu wichtig, sich mit solchen Kleinigkeiten aufzuhalten: 250 deutsche Medien tröteten das Signal vom "neuen Höchststand" wie eine staatliche Propaganda-Kompanie ins Land hinaus (Abbildung oben).

Die Nachricht tanzte dann aber doch nur eine Woche. Dann kam der "Spiegel" und räumte kleinlaut ein, der vermeldete "neue Höchststand" sei gar keiner, selbst wenn man die Jahre von 1933 bis 1945 außen vor lasse. Richtig sei, dass die Zahl der extremen Straftaten nicht "extrem gestiegen" sei, wie die Süddeutsche Zeitung stolz wie Bolle vermeldet hatte. Sondern ganz im Gegenteil: Sie sei gesunken.

Der "Spiegel" musste sich hier bei PPQ dafür kritisieren lassen, dass er sich nicht nur für die Falschmeldung entschuldigt hatte. Sondern die Falschmeldung damit entschuldigt hatte, dass zahlreiche andere Agenturen, Zeitungen und Nachrichtenmagazine denselben Unsinn ebenso ungeprüft und eifrig herausposaunt hatten.

Zwei Tage später bleibt nun allerdings festzustellen, dass wir dem "Spiegel" bitter, bitter unrecht getan haben. Das einstige Enthüllungsblatt aus Hamburg ist das einzige von 250 deutschen Medienhäusern geblieben, das überhaupt Veranlassung gesehen hat, seine Leser darüber aufzuklären, dass die Meldung vom "neuen Höchststand" frei erfunden war. Alle anderen bleiben einfach dabei.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein Skinhead hatte direkt auf einen Polizisten eingestochen, schlimmer als "jedes Verbrechen der RAF" war das nach Ansicht des Ortsbürgermeisters...
Wenn der Passauer Bürgermeister das gesagt hat, wieso finde ich das Zitat dann nirgends in den Medien? Kann es sein, dass PPQ sich die meisten Zitate einfach ausdenkt, so wie neulich bei "Dinner for one"?!

ppq hat gesagt…

naja, auch googlen muss man erstmal lernen:

"Den Vogel abgeschossen hat der SPD-Oberbürgermeister von Passau Jürgen Dupper gestern im ZDF, als er sagte, das Messerattentat wäre schlimmer als alles, was zu Zeiten der RAF passiert wäre. "

erwähnt hier:

http://209.85.129.132/search?q=cache:uXNxXdmBCSoJ:www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_passau_hysterie/+schlimmer+als+passau&hl=de&ct=clnk&cd=2&gl=de

und hier:

http://www.mediendenk.com/index.php?AID=0000010293