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Mittwoch, 30. November 2022

Abenteuer Wärmestube: Familienausflug daheim in die Arktis

Familie Schreiber auf der heimischen Couch: Seit Wochen arbeiten Carolin (l.), ihr Mann und die drei Kinder erfolgreich an einer natürlichen Anpassung an die Kälte.

Das mit den Eisbären sei am schwersten gewesen, sagt Carolin Schreiber. Am Anfang waren sie alle ganz begeistert, sagt sie, aber der Spaß ließ nach, als wir ihnen sagen mussten, dass die Eisbären erst kommen, wenn wir sie im Zoo besuchen gehen. Eine heiße Schokolade habe sie den beiden Jungs und ihrer kleinen Schwester dafür aber gebracht, zum Trost. "Expeditionsnahrung nennen wir das", sagt Schreiber stolz.

Eine Expedition als Abenteuer

Es es ja auch eine Expedition, an der die 32-Jährige, ihr Mann Rolf und die drei Kinder - 3, 6 und 8 - seit nunmehr vier Wochen teilnehmen. Ausgangspunkt sei der Sparappell der Bundesregierung gewesen, erinnert sich Carolin Schreiber, ein propere junge Frau mit blondem langen offenen Haar im Luisa-Neubauer-Stil, unverstellt und natürlich, mit breiten Hüften und einem tiefen Lachen. Man habe am Abendbrotstisch oft diskutiert in jenen Tagen der Gasspardiskussion, als es in jeder Fernsehsendung um Füllstände und kommende Entlastungspakete ging. "Wir wollten natürlich auch etwas beitragen und unsere Jungs sind ja schon so groß, dass sie schnell entschlossen waren, nicht tatenlos an der Seite zu stehen."

Schreibers, sie städtische Angestellte in einem kleinen Ort im ländlichen Franken, er Versorgungsdirektor bei den örtlichen Windwerken, schmieden eines Abends, als die Geschwister bereits im Bett sind, einen verwegenen Plan. "Die Idee war, mit den Kindern eine virtuelle Expeditionsreise in die Arktis zu machen", erklärt Caroline Schreiber.  Dazu würde die Heizung daheim im Einfamilienhaus einfach aus bleiben, man würde sich entsprechend wärmer anziehen, nicht mehr so oft duschen oder eventuell sogar gar nicht. Und das Abendprogramm bestünde aus Filmen wie "Ice Age", dem Vorlesen des Buches "Nanuk, der Eskimo" und Fridjof Nansens "In Nacht und Eis - Die Polarexpedition 1893 - 1896".

Jubel bei den Kleinen

Die Kinder hätten gejubelt, wobei die kleine Sandra wohl gar nicht so richtig verstanden habe, was auf sie zukommen würde. "Wir haben gesagt, das wird ein Abenteuer, so richtig mit Gefahr und Bewährungsproben." Den neuen Hausregeln bei Schreibens stimmten alle zu: Heizung aus, dafür aber die Genehmigung, nachts unter der Bettdecke mit der Taschenlampe zu lesen. "Es ist bisher nur Kai, der die Buchstaben kennt, aber die anderen beiden schauen Bilderbücher an."Die dicken Skisachen wurden aus dem Keller und als neue Hausanzüge verteilt. "Bei bei dem Großen mussten wir allerdings neu kaufen, er wächst ja so schnell." Für den Kleinen, das Nesthäkchen Lars, reichten die abgelegten Sachen des großen Bruders vom Südtirolurlaub vor zwei Jahren. "Da hatten wir echt Glück."

Ausflug ins Ungewisse

Das Abenteuer der Schreibers begann langsam und beinahe unmerklich. Der Oktober war klimawandelbedingt wie immer viel zu warm. Die Arktis, die sich die Familie in die Stube hatten holen wollen, sie wollte einfach nicht kommen. "Manchmal habe ich in meiner Skiunterwäsche sogar geschwitzt", gibt Caroline Schreiber zu. Dabei sei sie eigentlich eine "Frostbeule", die ganz schnell ins Zittern gerate. Allerdings klagten die drei Kinder schon bei 16 Grad im Garten vor der Tür gelegentlich über laufende Nasen und kalte Finger. "Erst dachten wir, dass es die Seuche ist", sagt Caroline Schreiber, "aber letztendlich stellte es bei einem Arztbesuch als ganz normale Anpassungsreaktion an das Leben als Polarforscher heraus."

Profiteure der Anpassung

Seit es nun deutlich kühler geworden ist, ziehen alle fünf Familienmitglieder große Vorteile aus der allmählichen Anpassung an eine veränderte Umgebung. Niemand friere mehr so schnell wie früher, als bei 18 Grad im Wohnzimmer oft schon Protestgeschrei der Kleinen nach mehr Wärme erschollen sei. Man friere dafür zwar deutlich öfter, weil "12 Grad im Bad wirklich eine echte Herausforderung sind", wie Caroline Schreiber zugibt. Allein die Toilettenbrille komme ihr dann vor vereist, schmunzelt sie.

Aber dass Frieren an sich sei von einer ganz anderen Qualität, die Kälte, "Mitte November war es wirklich schlimm", werde als weitaus angenehmer empfunden als früher und als sinnvoller sowieso. "Wir kennen es ja nun nicht mehr anders", räumt Caroline Schreiber mit dem Vorurteil auf, dass dauerhafte zu kühle Wohnungen nach und nach auf das Gemüt schlagen. Getrieben von einer tiefen inneren Überzeugung aller Expeditionsmitglieder, dass der lange Marsch durch die weiße Wüste des Winters erst begonnen habe und viel davon abhänge, dass jetzt niemand aufgebe, mache man es sich schön, soweit das gehe. "Mein sagt immer, im Mittelalter haben die Menschen auch so gelebt, nicht nur einen Winter lang, sondern immer."

Kleine Prämien fürs Durchhalten

Ein Argument, das Caroline Schreiber und die drei Kinder letztlich überzeugte. Die positiven Eindrücke des Anpassungsexperiment überwögen. Man belohne sich selbst oft mit kleinen Prämien, ein Stück Schokolade, ein Extraschal. "Und wir kuscheln sehr oft", sagt Caroline Schreiber über die gemütlichen Stunden der gesamten Familie unter den beiden großen Flauschdecken auf der Liegelandschaft im Wohnzimmer. Das kalte Leder der Couch sei mit einem Schafsfell abgedeckt worden, ein kleiner Teelichtofen schaffe zudem die Illusion von Wärme. "Mir wird schon heiß, wenn da hingucke." 

Insgesamt schaue sie positiv in die Zukunft. "Die Kinder halten sich hervorragend, für sie ist das wirklich ein großes Abenteuerspiel." Noch 100 bis 120 Tage, rechnet Schreiber, dann sei das Schlimmste überstanden, hoffentlich ohne bleibende Schäden etwa durch Schimmelpilz in der Wohnung. "Obwohl wir es so kalt haben, dass der gar nicht wachsen kann", wie ihr ein Raumhygieniker versichert hat. Eine Sorge aber habe sie: "Wenn es dann warm wird, wie ertragen wir die Hitze im nächsten Klimasommer?"

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Der Sammler: Meine schönsten Staatsbürgerschaften

17 Staatsangehörigkeiten besitzt Jean Andreas Elferat derzeit. Er findet es gut, dass Deutschland beschlossen hat, seine künftig global offensiver zu vermarkten.

Sie streiten wieder in der Berliner Ampel, diesmal nicht um Pfennigbeträge bei der Rettung der Bürgerinnen und Bürger und nicht um Tage und Stunden, die die deutschen Atomkraftmeiler weiterlaufen können, sollen oder nicht. Als neues Schlachtfeld nach den außenpolitischen Wochen rund um den am Ende dann zumindest für Deutschland doch noch sehr erfolgreichen Klimagipfel in Scharm El-Scheich ist die Innenpolitik auserkoren.  

Kluger Schachzug

SPD-Innenministerin Nancy Faeser, der im Amt nur noch wenige Wochen bleiben, ehe sie Ministerpräsidentin n Hessen werden wird, eröffnete das Spiel mit einem klugen Zug: Mehr Einwanderung, mehr Staatsbürger, mehr Deutsche, Fachkräfte, Kinder und überhaupt solle ein neues Staatsbürgerschaftsrecht bringen, das die Hürden für Wunschdeutsche senkt, ein friedliches Nebeneinander von diversen Staatsbürgerschaften erlaubt und damit nicht zuletzt auch die Aussichten erhöht, dass künftige Bundestrainer für die Fußball-Nationalmannschaft irgendwann doch wieder Fachkräfte für hinten rechts, links und vorn in der Mitte finden.

Das Protestgeschrei war dennoch groß, nicht nur in Sachsen. Ausländerfeinde, Anti-Diverse und Ablehner einer gesunden, durchmischten Gesellschaft, wie sie etwa anderswo längst zu finden ist, gingen auf die Barrikaden. Eine Staatsbürgerschaft, selbst wen es sich nur um die deutsche handele, dürfe man nicht "verramschen" hieß es. Auf dem Höhepunkt einer auf Asylrecht und der Hilfe für Kriegsflüchtlingen  gründenden Einwanderungswelle sei es der falsche Augenblick, weitere Millionen Fachkräfte ins Land zu holen. Und: Die kolonialistische Sitte, sich fehlendes Personal, am liebsten junge, auf Kosten anderer Volkswirtschaften gutausgebildete Menschen einfach "schenken" zu lassen, wie es die grüne  Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt vorgeschlagen hat, könne kein Weg sein für ein Land, das schon in der Ära der sogenannten Gastarbeiter schwere Schuld auf sich geladen habe.

Ein Staatsbürgerschaften-Sammler spricht

Zu hoch gehängt, zu ernst genommen, sagt Jean Andreas Elferant, der schon seit mehr als 20 Jahren Staatsbürgerschaften sammelt. Derzeit besitzt der gebürtige Rüganer 17, Antragsverfahren für weitere elf laufen, wie er sagt. Staatsbürgerschaften seien sein Hobby, kein einfaches, denn es gelte, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. "Doch mir macht es Spaß 8nd ich kann mir nichts schöneres vorstellen als den Augenblick, wenn ein neuer Pass zugeschickt wird oder ich in einem neuen Land, in dem ich vorher nie war, feierlich meine Einbürgerungsurkunde überreicht bekomme."

Elferant, von Beruf Jungunternehmer in der Elektrokaminbranche, hat seine Wahl jedenfalls nie bereit. "Dabei ist sie damals nicht strategisch gewesen", räumt er ein. Vielmehr begann alles mit dem Sport, dem seinerzeit die ganze Leidenschaft des großgewachsenen und heute noch durchtrainierten Mecklenburgers begann. "Ich war gut, aber für die deutsche Equipe nicht gut genug", erzählt er, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Doch der Traum von Olympia und von Weltmeisterschaften, er lebte tief in ihm. "Dafür macht man das doch." Als dann ein Angebot aus dem asiatischen Raum kam, für die dortige Nationalmannschaft zu starten, "musste ich nicht lange überlegen". Seine deutsche Staatsbürgerschaft habe er ja behalten dürfen. "Für mich änderte sich also nichts."

17-facher Staatsbürger

Jean Andreas Elferat war nun auch Thailänder, wenig später kam eine vietnamesische Staatsbürgerschaft dazu, "denn bei einem Besuch dort habe ich mich verliebt." Es war der Beginn eines märchenhaften Aufstiegs des beruflich meist sehr eingespannten Mittdreißigers zu einem der weltweit führenden Staatsbürgerschaftensammler. "Soweit ich weiß, liege ich im Moment auf Platz sieben", sagt er selbst. 

Eine offizielle Rangliste gibt es nicht, da das Sammeln in den meisten Staaten derzeit noch mit schelen Blicken bedacht wird. Die USA etwa, an deren Staatsbürgerschaft Elferat über ein längeres Antragsverfahren und einen mehrjährigen USA-Aufenthalt samt kurzzeitiger Ehe mit einer Amerikanerin kam, verlangten eigentlich, dass fremde Staatszugehörigkeiten abgelegt würden. Ein Unding für den Familienvater, denn er besitzt längst auch die türkische Staatsbürgerschaft. "Und die lässt sich gar nicht ablegen."

Die geheimen Tricks der Staatsangehörigkeitensammler

Über die Einzelheiten, wie sich Staatsbürgerschaften herbeiorganisieren ließen,, schweigt des Sammlers Höflichkeit. Der Sport könne helfen, etwa  über korrupte asiatische Verbände, die stets Skifahrer, Rodler und Skispringer suchten. Im Mittelmeerraum dagegen sei Geld das Mittel der Wahl. Viele EU-Staaten bezahlten schon kleinere Investitionen von Ausländern nicht nur mit größeren Steuervorteilen, sondern auf Wunsch auch mit der Vergabe der Staatsbürgerschaft. Zypern sei ein heißer Tipp, wer Malteser werden wolle, müsse hingegen mehr investieren: "Da wird schon verlangt, dass man in Deutschland ein Konsulat eröffnet." Schwierig sei die Schweiz, Österreich dagegen habe wie Kanada einen Fokus auf Abstammung und Blutlinien. "Da lässt sich mit ein paar Euro immer eine Urgroßmutter finden."

Dass Deutschland jetzt beschlossen hat, seine künftig Staatsangehörigkeit global offensiver zu vermarkten, begrüßt der Sammler. "Es wurde Zeit", sagt er, "denn ich kenne viele, die sich seit Jahren bemühen, aber in den Mühlen der Bürokratie hängengeblieben sind." Zu hoch die Hürden, zu streng die Anforderungen. "Dabei haben wir doch einiges zu bieten", sagt Elferat und verweist auf die ausgezeichneten Sozialleistungen, die Autobahnen ohne Tempolimit und die  großen Anstrengungen, die CO2-Werte zu senken. Wer Teil dieses großen Transformationsprozesses werden wolle, müsse die Möglichkeit haben, unbürokratisch und ohne langen Wesenstest. "Ich sage da, jeder ist eingeladen, also muss auch jeder kommen und bleiben können."

Das Hobby gilt denen, die es betreiben, als nicht einfach und schon gar nicht billig. "Man ist viel unterwegs, überall halten Leute die Hand auf", berichtet Elferat von seinen Reisen rund um die Welt. Dafür aber sei das Staatsbürgerschaftensammeln höchst interessant, man treffe viele Menschen, lerne viel über unterschiedliche Konzepte von Bürokratie, über verschieden Korruptionslevel und kulturelle Eigenheiten. So sei er etwa auch Bürger einer sogenannten native nation in den Vereinigten Staaten, eine Staatsangehörigkeit, die derzeit noch nicht weltweit anerkannt werde. "Aber im Zuge von black lives matter denke ich, dass die Aussichten gut sind, dass diese Diskriminierung nicht auf Dauer bestehen bleibt."

Gabuner, Slowene und Slowake zugleich

Er selbst, mittlerweile auch Bürger von Gabun, Jordanien, Spanien, Schweden, Ecuador, Peru, Kolumbien und Brasilien, sei zufrieden mit dem bisher erreichten. "Mir ist es ja sogar gelungen, Este, Pole, Tscheche und Slowake, aber auch Slowene und Kroate gleichzeitig zu werden. Auf die ukrainische Staatsbürgerschaft warte er noch, ebenso auf die Litauens, Finnlands, Irlands und einer Reihe weiterer Staaten "rund um das Mittelmeer", wie er formuliert, ohne auf Einzelheiten eingehen zu wollen. Soweit ich weiß, hält der führende Staatsangehörigkeitensammler weltweit, ein früherer Fußballprofi, im Moment 64 Staatsangehörigkeiten", sagt Elferat. Es werde ein langer, ein sehr langer Weg für ihn, dorthin zu kommen. "Aber ich habe ja noch einige Jahre vor mir, warum also nicht."


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Dienstag, 29. November 2022

Munitionsgipfel: Beschaffungswochen in Berlin

Trotz aller Geheimhaltung: Bekannt ist, dass Deutschland kaum über Munitionsvorräte für das 1885 von dem amerikanisch-britischen Erfinder und Konstrukteur Hiram Maxim entwickelte Maxim-Maschinengewehr verfügt.

Erst kam der Krieg, dann folgte die bittere Erkenntnis: Als die Vereinigten Stabschefs der Rückwärtigen Dienste der Bundeswehr Anfang März gemeinsam mit der neuen Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht eine erste Grobinspektion der in Deutschland noch vorhandenen Waffen- und Munitionsbestände durchführten, gelang es zwar in relativ kurzer Zeit, die Standorte beinahe aller großen Waffenlager aus der Zeit des Kalten Kriegs zu ermitteln. Vor Ort aber erwartete die Inspekteure vielerorts ein Bild des Schreckens: Leere Regale, überlagerte Patronen, Gewehre, für die keine Schultergurte mehr vorhanden sind, und Pistolen, für die Gürtelhalfter fehlen. Den Zugang zu "mehr als einem Bunker", wie es im politischen Berlin heißt, mussten Beamte des Bundeswehr-Schlüsseldienstes ermöglichen, weil geheime Zugangskarten seit dem Ende des Kalten Krieges verlorengegangen waren.

Sprachregelung gegen Munitionsmangel

Ein Desaster, auf das das Ampel-Kabinett umgehend reagierte. Noch im April erging ein Prüfauftrag an die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin mit der Bitte, eine Sprachregelung zu entwerfen, mit der der eklatante Munitionsmangel bei Deutschland in den zurückliegenden Jahrzehnten gesundgeschrumpfter Armee den Ruch einer akuten Gefahr verliere. Positiv motivierend und zukunftsfähig sollte die verbale Lösung für den Kriegsfall sein, eine Sprachhülse, die eingängig und zupackend klingt und damit vorerst Ruhe schafft an der Bewaffnungsfront.

Es war der "Munitionsgipfel", den die BWHF in Erinnerung an die vormals so erfolgreichen "Impf-" und  "Benzingipfel" vorschlug. Präzise platziert zwischen medialem Klimahochlauf rund um das Welttreffen der Klimaoptimisten in Ägypten und den Bindenstreit rund um Katar, würde der Munitionsgipfel schnell für Nachschub für die Truppe sorgen, der im Augenblick laut Bundeswehrverband Patronen, Granaten und Raketen im Wert von 20 bis 30 Milliarden Euro fehlen.  Der neuen Name in der langen deutschen Tradition der Chefsachen und Gipfel schickte sich an, das drängendste Problem des Munitionsmangels zu lösen, das nach Einschätzung aller demokratischen Parteien darin bestand, dass jederzeit jemand hätte fragen können, wie es dazu hatte kommen können. 

Signale an die Heimatfront

Rituell von eigens herbeigerufenen "Tagesschau"-Kamerateams abgefilmt, trafen sich  Regierungsvertreter und die seit den Zeiten von Albert Speer auf möglichst hohe Profite geeichten Bosse der Rüstungsindustrie im Kanzleramt. Ziel der Veranstaltung: Nach draußen signalisieren, dass man gemeinsam alles unternimmt, um die Produktion zu steigern. Das Kanzleramt sieht die Rüstungsindustrie in der Pflicht, die Rüstungsindustrie hingegen verwies bisher stets darauf, dass man nur liefern könne, was bestellt werde. 

Allein die Ausrufung der "Zeitenwende" durch den Kanzler im vergangenen Winter, nörgelten die Manager, habe keinen Auftragsboom ausgelöst. Man müsse sagen, "dass wir keine vernünftige Rüstungsindustrie haben", klagte dagegen Wolfgang Schmidt, Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes über den Moment, als sich die deutsche Vorstellung, man verfüge bis heute über eine imposante Anzahl an großen, bedeutsamen Rüstungsschmieden, deren Waffen überall in der Welt mitmorden, als Illusion herausstellte.

Primat der Politik

Kleine Mittelständler nur sind es, im weltweiten Vergleich bescheidene Klitschen, die in der Vergangenheit oft am Rande der Insolvenz entlangschrammten, häufig den Eigentümer wechselten und Produkte anboten, die unter den Bedingungen des weltweiten Klimawandels nicht einsatzfähig waren. Wo Kapazitäten hätten ausgeweitet werden können, legten frühere Bundesregierungen ihr Veto ein, um weltweite Krisen und Kriege nicht weiter anzufeuern. Nun fehlt es an den groß, schnell hochfahrbaren Produktionsstrecken in der Kriegswirtschaft, um die neue Prämisse deutscher Friedenspolitik umzusetzen: Frieden schaffen mit möglichst vielen Waffen.

Auch die sogenannten "Beschaffungswochen" in Berlin gehen auf einen Vorschlag aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) zurück, deren politische Botschaftsdesigner auf das natürliche Themensterben in der deutschen Presselandschaft und das nahende Weihnachtsfest setzen. Interne Papiere zur Munitionsgipfelvorbereitung verweisen auf eine Zeitlücke von nur etwa drei Wochen, bis der eklatante bis grassierende Mangel an verschussfähiger Munition automatisch der Klage über sinkende Temperaturen, zu hohen Gasverbrauch und der Vorfreude auf Weihnachten und das Inkrafttreten der Gas- und Strombremse weichen werde. 

Kapazitätsbremse lösen

Bis dahin müssten regierungsamtliche Klagen über die seit "Jahrzehnten sträflich vernachlässigte und heruntergewirtschaftete Truppe" (Christine Lambrecht) und der heilige Schwur ausreichen, dass der Bundeswehr im Kriegsfall nicht "innerhalb von maximal zwei Tagen die Munition ausgehen würde". Sondern erst nach drei oder vier, so dass für ein Hochfahren der Produktionskapazitäten noch ausreichend Zeit bleibe, wenn es erst soweit sei und die bedingte Abwehrbereitschaft auf den Prüfstand komme.

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Vorbild Katar: Das Emirat der Träume

Katar ist klein, aber weitgehend naturbelassen. Die versiegelte Fläche beträgt nur 0,001 Prozent der deutschen.

Es hat etwas gedauert, bis die Wahrheit sich durchsetzen durfte. Vier, fünf, sechs Wochen lang kam alles ungeschönt ans Licht, was über das Wüstenemirat Katar zu sagen war, es wurde abgerechnet und vorgezählt, enthüllt und angeprangert, dass sich andere Reiche des Bösen in fast schon deutschlandgleiche Idyllen voller Menschenrechte, Freiheiten und hochentwickleter Sozialmoral verwandelten. Der Blick aus Europa hinunter an den Persischen Golf, ein Gewässer, das von Schurkenstaaten umgeben ist wie Wladimir Putin von Leibwächtern, zeigte dem deutschen GEZ-Zuschauer und dem neugierigen Zeitungsleser einen Abgrund an Verlogenheit, gefüllt mit Bosheit, brutaler Gewalt.Sklaverei und Ausbeutung überzuckerten die Mixtur aus unislamischem Islamverständnis, Terrorunterstützung gab der Unterstützung der Fifa die Hand und Harthörigkeit gegenüber allen wohlgemeinten Regenbogen-Ratschläge würzte einen Cocktail, der nicht einmal Alkohol enthielt, einen Grundbestandteil deutscher Fußballkultur.

Beruhigte Gemüter

Mittlerweile aber haben sich die Gemüter beruhigt, die Binden sind verschwunden, die Gesten, Zeichen und Symbole auf dem Heimflug. Und so macht sich 4.500 Kilometer nördlich von Doha langsam ein tieferes Verständnis von Land und Leuten breit: Katar, arabisch قطر , entpuppt sich nun vor aller Augen als ein Partner, den es zu respektieren gilt, wie Robert Habeck ihn bei seinem Besuch zum Abschluss des großen Gasvertrages respektiert hatte. Es verbietet sich, den Männer hier das Tragen von "Bademänteln" (Sandro Wagner) anzudichten, es ist nicht mehr angemessen, Fußballzuschauer bei ARD und ZDF wegen "Mithitlern" (Micky Beisenherz) zu beschimpfen und wenigstens als Ehrengast auf der Tribüne das Freiticket zu nutzen, um auf Untaten der Gastgeber hinzuweisen.

Katar zeigt sich nun, zwei Wochen nach Turnierbeginn, als das Traumland von Klimafreunden, Anhängern der Diversität und Verfechtern kleiner, regionaler Wertschöpfungskreise. Das Emirat verzichtet zum Beispiel konsequent auf die Nutzung der besonders klimaschädlichen Braunkohle, ist aber auch in die Nutzung der Hochrisikoenergie aus dem Atom nie eingestiegen. Stattdessen setzen die Scheichs von Anfang an auf Erdgas als Brückentechnologie in eine erneuerbare Zukunft - eine Strategie, die auch die Grünen in Deutschland noch im vergangenen Jahr in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl favorisiert hatten. 

Beispielhate Klimanation

Beispielhaft, wie sich auch in den Verbrauchsdaten zeigt: Pro Kopf verbrennt jeder Katarer jährlich zehnmal so viel Erdgas wie der durchschnittliche Deutsche. Weil Katar seine Einwohnerzahl aber stabil bei 300.000 Staatsbürgern hält, ergibt sich daraus nur eine Gesamtbelastung von weit weniger als sieben Prozent der von Deutschland als einem der globalen Hauptsünder verursachten.

Auch in anderer Hinsicht kann sich Europas Führungsnation mehr als eine Scheibe vom Wüstenemirat abschneiden. Denn die 300.000 katarischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bieten heute schon knapp drei Millionen Menschen aus dem Ausland eine zweite Heimat in einer überaus diversen Gesellschaft. Der Ausländeranteil auf der kleinen Landspitze, die aus Saudi-Arabien herausragt wie eine Warze, liegt bei knapp 90 Prozent. Pegida- und Querdenker-Demonstrationen, Proteste gegen den Zuzug so vieler Fremder vor allem aus Indien, Bangladesch, Nepal, Pakistan und Sri Lanka, die alle ihre Kultur und ihre für die Einheimischen verstörend wirkenden Gebräuche mitbringen.

Trotzdem gibt es nach Angaben des Auswärtigen Amtes kaum Kriminalität, die aus Deutschland bekannten "jungen Männer" und "Partypeople" sind kein Thema, dafür aber digitale Technologien, die wie in Deutschland nicht selbst hergestellt, im Unterschied zur Berliner Republik aber "intensiv genutzt (AA) werden. Doha gilt als sicherste Stadt der Welt, wohl Studien zuletzt nachgewiesen haben, dass der Klimawandel mit seinen steigenden Temperaturen "uns aggressiv und gewalttätig" (BW24) machen. Die Katarer und ihre Gäste aber trotzen selbst Sommern mit Höchstwerten von 50 Grad im Schatten und Durchschnittstemperaturen um die 40 Grad mit kaum kühleren Nächten, indem sie ihre bademantelnden Dischdascha-Kaftane tragen.

Kampfstart ohne  Sonderschulden

Beispielhaft ist Katar auch militärisch. So klein das Land erscheint, so klein sind seine Streitkräfte. Aber kampfstark: Katar verfügt über mit 0,35 Prozent der Bevölkerung Deutschlands über 15 Prozent der des Bundeswehr-Bestandes an Leopard-Panzer und zwölf Prozent der Anzahl der Panzerhaubitze 2000,  die im Kriegsfall die 30 Mal größere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen sollen. Katar hat sich weitgehend von Deutschland ausrüsten lassen, damals, als das Regime noch nicht im Verdacht stand, kein idealer Wertepartner zu sein.

In Sachen Klima aber ist der Kleinstaat kaum weniger bedroht als das große Deutschland. Mit einer durchschnittlichen Höhe von nur 28 Meter über Meeresspiegelhöhe gehört Katar wie Tuvalu und die ehemalige deutsche Kolonie Palau zu den Ländern, die der klimabedingte Meeresspiegelanstieg noch bereits beinahe komplett überspült haben wird, wenn der Kölner Dom noch immer nur auf dem "Spiegel"-Titel untergeht. Die Berglandschaft um den Qurain Abu l-Baul, mit 103 Metern die höchste Erhebung des Landes, erstreckt sich über nur wenige Kilometer. Zu klein, um selbst nur den 300.000 katarischen Staatsbürger Zuflucht zu bieten. 

Entsprechend lehnt Katar das umweltzerstörende Fracking-Verfahren rundheraus ab. Es wird in Katar wie in Deutschland nicht angewendet. Stattdessen hat sich das Emirat bereiterklärt, Deutschland Wunsch nach Erdgaslieferungen aus gefrackten Vorkommen nachzukommen, indem Firmen aus Katar US-Fracking-Gas aus Texas nach Europa verschifft.

Deutschland und Katar, sie sitzen mithin in einem Boot, gefangen vom gleichen Schicksal. Wie Katar von Deutschland Fußballspielen und Moral lernen könnte, könnte Deutschland beim kleinen Gasland Nachhilfe nicht nur in Sachen Diversität und Verteidigung, sondern auch beim schonenden Umgang mit den begrenzten natürlichen Ressourcen nehmen. Bis heute beschränken sich die Katarer auf die Nutzung nur weniger Teile ihres Landes, die meisten Flächen sind naturbelassen, unversiegelt und so, wie sie vor hunderten Jahren schon waren. Waldsterben, Vernässung, saurer Regen, Plastiktrinkhalme und Silvesterfeuerwerk, das ganze alte Fachwerkstädte in Brand setzt - Probleme, die Katar nicht hat.

Beilegung der großen  Streitfragen

Nun, da der große Dissenz um den richtigen Kurs durch das Fifa-Turnier beigelegt ist, wird es Zeit, dass Berlin und Doha sich an einen Tisch setzen und einander zuhören: Wie habt ihr, könnte die deutsche Seite fragen, eine französische Firma dazu gebracht, mit deutschen Maschinen binnen von nur neun Jahrenein U-Bahn-Netz in den Wüstenboden rammen? Und das nach einem Fahrplan der Deutschen Bahn? Und wie ist es Euch gelungen, würde Emir Tamim bin Hamad Al Thani wissen wollen,bei allem, was Euch nicht gelingt, immer zu glauben, ihr könnt es am besten?

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Montag, 28. November 2022

Unkenrufe und Bademäntel: Der Schoß ist furchtbar noch

Nach dem Remis im Spanien-Spiel, das einem Sieg vor allem über den inneren Schweinehund gleichkommt, ist die deutsche Fußballzukunft unglaublich hell, wie das Fachmagazin Goal.com analysiert.

Dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen, noch einmal in die Verlängerung gerettet, Aufstände daheim verhindert und zugleich, dass ARD und ZDF ihre mehr als 200 Millionen Euro Investition in den Kauf der Fernsehrechte der Fußballweltmeisterschaft 2022 in den Wind schreiben können. Mit tatkräftiger Hilfe aus Südamerika und durch einen beherzten Schuss eines Fußballspielers, der mehr Charakter als überragendes Talent mit den Platz bringt, entkam die nach dem 1:2 gegen die ehemals befreundeten und verbündeten Japaner schwer angeschlagene deutsche Truppe bei der WM einem blamablen Ausscheiden gemeinsam mit Fußballzwergen wie Katar und Kanada.  

Aufatmen überall

Das Aufatmen war überall zu hören. Obwohl wegen der prekären Menschenrechtslage in Katar erklärtermaßen kaum noch jemand in Deutschland bereit ist, den Blutprinzen und Schreckensscheichs die Freude zu machen, vor dem Fernsehschirm durch teilhabendes Zuschauen "mitzuhitlern" (Micky Beisenherz), erlöste der im Stil aller deutscher Sturmtanks auftretende Niclas Füllkrug doch zumindest die Reste der früheren Fußballnation. 

Ein Zeichen hinaus in eine Welt, die sich schon auf ein Restturnier ohne den viermaligen Weltmeister eingestellt hatte: Die beeindruckende Mundzu-Geste, mit der die Deutschen vor dem Japan-Spiel bewiesen hatten, dass ihnen der Titel des Moral-Weltmeisters auf jeden Fall auch in Doha nicht zu nehmen sein wird, wurde selbst von den verbündeten Nationen der One-Love-Binden-Allianz nicht aufgenommen. Die Engländer knieten stattdessen, die Belgien höhnten. Die Franzosen waren schon zuvor in die Büsche verschwunden. ZDF und ARD wechselten den kurs: Statt mehr mehr Menschenrechte forderten sie nun mehr Flexibilität im Umgang mit dem koranbasierten Grauen am Golf.

Verschworene Elf aus Edelartisten

Der Starke aber ist am mächtigsten allein und so fand Hansi Flicks verschworene Elf aus Edelartisten am Ball in der Stunde der höchsten Gefahr eine Antwort auf die multiplen Bedrohungslagen. Kampf und Glaube, Glück und Gemeinsamkeit, sie schlossen die Reihen. Zur Freude der vor den Bildschirmen verbliebenen Gebührenzahler, zum großen Verdruss der Hassprediger, denen an der Nationalmannschaft weder der Begriff "National" noch der "Mannschaft" gefällt: In diesem Winter 2022 verbinde nun wieder "ganz Deutschland das schwarz-rot-goldene Band einer ganz neuen Querfront", warnte der promovierte Literaturwissenschaftler Moritz Post in der "Frankfurter Rundschau" vor dem "heuchlerischen Schauspiel". Von links nach rechts habe das Land neinmal mehr "ein gemeinsames Feindbild gezeichnet: Die FIFA und das Emirat Katar" seien nun "die da oben und die wilden Fremden", gegen die nun wieder "Einigkeit bis zum Stechschritt" herrsche: Ein Volk, ein Wille, ein Fußball.

Rechts außen dagegen platzten Untergangsträume und Unkenrufe müssen verstummen. Eben noch hatten führende Kommentäter im Zusammenbruch der deutschen Elf gegen Japan eine Menetekel gesehen, das für mehr stand als ein Ende der natürlichen Mitanwartschaft der Deutschen bei der Vergabe jedes internationalen Titels. Nun aber hatten die Nationalspieler, wie sie inzwischen wieder heißen, "eine neue Botschaft", wie das teilstaatliche Portal T-Online seine Millionen Leser wissen ließ, Mitreißend ist das alles, glänzend, mit Bravour, Turniermannschaft, Einsatzbereitschaft, Spielwitz, Teamgeist, richtiges Händchen, heiße WM-Stimmung, eine einzige Hymne, zu singen auf die Abwehrrecken, Mittelfeldkämpfer, wikingergleichen Helden und Zauber.

Zuschauen als Dienst am Vaterland

Wer nun nicht WM guckt, der ist ein Hundsfott, ein vaterlandsloser Geselle, ein Verräter genau wie der, der letzte Woche schon zugeschaut hat. Am deutschen Wesen wird die Welt womöglich nicht sofort genesen, aber hier kann sie lernen: "Haltung entscheidet sich nicht nur an der Frage, ob man eine Regenbogenbinde am Arm trägt, sie zeigt sich auch während 90 Spielminuten auf dem Platz" (T-Online). Wer leise jubelt, geduckt und unauffällig, dem klatscht der Spiegel. Wenn eine Nationalmannschaft alles gibt, trotz Rückstand nicht aufsteckt, schier unerreichbare Bälle weggrätscht, mit letzter Kraft fünf Gegenspieler umdribbelt, im entscheidenden Moment die Pille in den Kasten haut und eben das an den Tag legt, was der frühere SPD-Chef oskar Lafontaine einst die "Sekundärtugenden" genannt hatte, dann ist das kann ein Remis ein Zeichen ans ganze Land sein, erst recht in Krisenzeiten wie diesen: "Wir lassen uns nicht hängen, also lasst euch auch nicht hängen, Leute!"

Der Schoß, aus dem früher Weltmeister schlüpften, er ist fruchtbar noch in diesem Moment nationaler Aufwallung mitten im Winter. Doch furchtbar ist er ebenso, wie sich mitten in der Live-Übertragung des ZDF aus der Menschenrechtsarena in Doha zeigt: Sandro Wagner, ein Vorgängermodell des augenblicklichen Neuners der deutschen Elf, fühlte sich von den wallenden weißen Thawb-Gewändern, die traditionell auch von allen Blutprinzen, Menschenschindern und Sklaventreibern im arabischen Raum getragen werden, an Bademäntel erinnert.  Dabei werden diese, aus Klimagründen je nach Einkommensklasse täglich bis zu sechsmal gewechselten Baumwollkittel "im Gastgeberland Katar als Dischdascha bezeichnet" (Der Spiegel), so dass eine Verwechslung nur von "Respektlosigkeit und Rassismus" zeugen kann.

Um eine Entschuldigung bei Katar, bei allen arabischen Männer und Staaten, ja, bei der gesamten Umma der korangläubigen Weltgemeinschaft, wird Deutschland nicht herumkommen, will es den falschen Eindruck vermeiden, von oben herab über andere Kulturen zu urteilen.

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Stromproblem: Wie die Ampel eine Preisexplosion herbeibremste

Der Bienenfreund legt gern noch etwas drauf: Beim bienenstrom.de kostet Elektroenergie aus biologischem Anbau das Zehnfache des Preises in den USA und das Doppelte des Bundesbremspreises.

Es war fast schon wie ein Wunder, das auf ein Wunder folgte. Monatelang hatte die Bundesregierung mit allerletzten Geldeinsatz daraufhin gearbeitet, dass die Preise für Erdgas im Großhandel in den Himmel schossen, um zu verhindern, dass es wirklich zu der „Gasmangellage“ kommen würde, die der Wirtschaftsminister vorsichtshalber schon mal ausgerufen hatte. Als Käufer mit den tiefsten Taschen der Geschichte ging die bundeseigene Einkaufsgesellschaft auf dem Weltmarkt von Stand zu Stand und versicherte überall, dass sie jeden, aber auch jeden Preis zahlen werde. Eine frohe Botschaft für alle, die etwas zu verkaufen hatten und warten konnte: Der Preis verdoppelte sich erst, dann verdreifachte er sich und dann lag er beim Fünffachen des Vorkriegsniveaus.

Versprochen ist versprochen

Aber versprochen ist versprochen. Deutschland kaufte, was es gab. Auf den Pfennig kam es so wenig an wie auf Millionen oder Milliarden. Wenigstens hatte das Land kein Stromproblem, denn Strom gibt es genug, weil alles „mehrfach redundant“ ausgelegt ist, wie die Bundesnetzzentrale mehrfach redundant versicherte. Als dann bekannt wurde, dass Strom aus Gas gemacht werden muss, weil die Kernkraft abgeschaltet und die Braunkohlekraftwerke noch nicht wieder hochgefahren sind, herrschte kurz Panik. Aber der Winter war noch weit, die Menschen draußen im Lande erfreuten sich des Lebens und rechneten auf die Cleverness ihrer Stadtwerke: Die haben doch so langfristige Verträge. Die laufen doch nicht alle gleich zehn Monate nach Kriegsbeginn aus.

Nein. Oder besser: Sie taten es erst,als die Bundesregierung sich anschickte, die von ihr selbst panischherbeigekauften Rekordpreise mit der nächsten Rettungsaktion wieder einzufangen. Die große Strompreisbremse traf nun auf Habecks "Keinstromproblem". Die staatlich verordneten 40 Cent Höchstpreis pro Kilowattstunde auf Stromtarife, die nach den Kursen an der Strombörse um ein Drittel hätten höher liegen müssen. Nun endlich schlug die Stunde der Erhöher: Als die Temperaturen heruntergingen, gingen parallel überall die Briefe der Versorger ein, in denen höhere Preise angekündigt wurden. Zum Glück beunruhigte das nun nur noch eingeschworene Feinde von Recht und Ordnung und Ampel. Würde es auch erst einmal teurer werden, so wäre es doch dann auch schon gleich weder billig, gefühlt. Nicht gegen früher. Aber gegen vorher.

Was für ein glücklicher Zufall

Ein riesiger Zufall, wenn nicht eben sogar das besagte Wunder. Genau in dem Moment eine sogenannte "Tarifanpassung" mitgeteilt zu bekommen, in dem die Bundesregierung ihre so lange versprochene Deckung der Preise verkündet hat, das fühlt sich fast an wie von Zauberhand orchestriert. Denn nun laufen die Versorger mit ihren Fantasiepreisen ins Leere: Ob Rheinenergie aus Köln den Strompreis um 77 Prozent, erhöht oder die Stadtwerke in Leipzig und München um 110 Prozent, ob im flachen Land in Osten 50, 56 oder 60 Cent verlangt werden oder irgendwo in Bayern knapp 62 oder ob der Ökostromanbieter Bienenstrom mit Blick auf unerlässliche "Blühhilfen" bei knapp 80 Cent ankommt - der Strombürger denkt an die 40 Cent, die Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner ihm versprochen haben. Und atmet erleichtert durch.

Viel größer aber noch dürfte der Seufzer in den Chefetagen der Stadtwerke und Elektro-Großkonzerne sein. Sie, die seit Monaten auf Zeit spielen mussten, um die Stimmung im Land nicht wegkippen zu lassen, können nun endlich auch in die Geldtöpfe der Bundesregierung greifen. Das Warten, es hat sich gelohnt. Es wird nun die ganz große Kasse des neuen "Sondervermögens" sein, aus der die Differenzbeträge zwischen Tarifpreis und Bremsschwelle beglichen werden, aus Respekt vor dem Grundgesetz schuldenbremsenwahrend unter Vernachlässigung jeder Belastung von Bundeshaushalt, einer EU-Genehmigung und der Zahlungsverpflichtung künftiger Generationen von heute schon sehr besorgten Bürgern.

Zweimal 100 Milliarden

Eine Umwälzpumpe für Milliarden, mit der wegen der ersten Geldtranche, die für die Gasbeschaffung um jeden Preis aus den Portemonnaies der Bürger gequetscht wurde, nun eine zweite herausgepresst wird, mit der die Folgen der ersten weggeglättet werden soll. Erst 100 Milliarden für den Einkauf von Erdgas zu jedem Preis. Nun noch einmal 100 Milliarden, um die dadurch ausgelösten Preissprünge wegzubremsen, so dass bei Bürgerinnen und Bürgern die Illusion bestehen bleiben kann, dass alles doch gar nicht so schlimm ist.

Wieder bezahlt niemand, jedenfalls niemand, der es von sich selbst weiß. Wieder wird beinahe allen geholfen und den anderen dann eben später, wenn sie sich ausreichend Gehör verschafft haben. Zu einem sehr, sehr hohen Preis wird nun alles sehr viel billiger, wenn auch nicht billig. Aber alle freuen sich. So schlimm war's dann dich gar nicht mit dem Krieg, der Krise und dem Zusammenbruch.

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Sonntag, 27. November 2022

Letzte Generation: Die Überleben wollen

In einem Akt der demokratischen Selbstermächtigung verkündete die "Letzte Generation" im Sommer 2021 vor dem Reichstag ihre Kriegserklärung an die klimakatastrophenleugnende Mehrheitsgesellschaft.

Sie kamen nach Attac und Occupy Wall Street, nach Extinction Rebellion und Friday for Future, doch die Mission der Klimaschutz-Bewegung "Letzte Generation" ist dieselbe und in all ihrer von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnten Radikalität radikal richtig. Nur stabiler Protest gegen die Verhältnisse, wie sie heute sind, gegen Wohlstand, bequemem Eingerichtetsein im Konsumismus und spätrömischer Dekadenz können  die Menschheit vor dem klimabedingten Untergang retten.

PPQ-Kommunistin Svenja Prantl stellt sich in ihrer neuen Kolumne in aller Unbedingtheit hinter die deutschen Aktivist:Innen, die mit ihren einsamen Aktionen auf deutschen Straßen, in Konzertsälen und auf Flughäfen ein globales Zeichen für die Erhaltung einer Art setzen, die sich als Bedrohung für die Erde herausgestellt hat.

Ohne Rücksicht auf die empfindliche Haut der Handinnenflächen kleben sich an den Asphalt, auf Rollfelder und an Bilderrahmen, stets darauf bedacht, die Wirkmechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie auf optimale Weise zu nutzten. Die "Letzte Generation" lebt in der festen Überzeugung, dass die Welt vor dem Ende steht, dass nur extreme Maßnahmen des umgehenden Rückbaus von Wohlstand und Technisierung erreichen können, das Überleben der Menschheit zu retten. Sie selbst, wie alle Generationen zuvor,  halten sich für auserwählt, dem Untergang beizuwohnen. Und für berufen, mit allen nur denkbaren Waffen aufzustehen, um ihn zu verhindern.  

Beim schlechten Gewissen gepackt

Die Erfolge, die diese ganz, ganz kleine Gruppe aus zumeist hauptberuflich tätigen Weltenrettern zu verzeichnen hat, ist ermutigend. Beim schlechten Gewissen gepackt, erregt sich die gesamte Politik- und Medienrepublik einerseits über die Arbeit der Aktivistenden. Auf der anderen Seite aber über die Erregung über diese Arbeit. Angesichts der Bedrohung, die Deutschland mehr als jedem anderen Land auf der Welt aus dem Klimawandel erwachse, sei jede Art von Widerstand "angemessen" (FR), urteilt die eine Seite. Die spektakulären Aktionen knapp unterhalb der Schwelle offener Angriffe auf die Verfassungsordnung, zumeist in keiner logischen Verbindung zum Klima stehend, zerstörten den gesellschaftlichen Rückhalt, den die ehrgeizigen Green-Deal-Programme der EU genössen, wettert die erzkonservative Gegenseite.

Es ist diese Art der liberalistischen Verleugnung des Offensichtlichen, die die "Letzte Generation" erst notwendig gemacht hat. Ohne Blockaden von Autobahnen und Straßenkreuzungen, ohne das mutige Vordringen in die geschützten Bereiche von Flughäfen, an Druckstationen von Ölpipelines und - später - in die Leitwarten von Kernkraftwerken ist eine ernsthafte Erörterung der Klimaproblematik auch in dem Land, das weltweit die meisten Klimanotstandsgebiete zu beklagen hat, nicht denkbar. So fehlt es an der zwar auch immer noch. Doch immerhin hat die sogenannte "Bindendiskussion" um den müden, traurigen Auftritt der deutschen Auswahl in Katar Begleitung durch eine leidenschaftliche Debatte um die ultimativen Forderungen einer demokratisch aus eigener Entschlossenheit legitimierten Gruppe von Glaubenskriegern bekommen.

Die Wut der bürgerlichen Gesellschaft

Die Wut der bürgerlichen Gesellschaft, die in Angst vor Geldentwertung, Energieausstieg und Wohlstandsverlust lebt, sie entlädt sich über den Aktivist:innen, die bisher zumindest noch niemanden verletzt und nachweislich auch niemanden getötet haben. Maßlos wird sich erregt über die kleinen, klugen, weil quasi chirurgischen Eingriffe in die kritische Infrastruktur, die aufdecken, wie verletzlich das Land erst sein wird, verpasst die Menschheit ihr 1,5-Grad-Ziel. Wenn heute schon mehrere Menschen in Signalwesten ohne Probleme auf ein stark gesichertes Flughafengelände gelangen können, wie leicht wird das den Millionen und Abermillionen fallen, die in Bälde vor den Folgen der Klimaerhitzung fliehen müssen?

Niemand wird sie aufhalten können, wenn sie kommen, um zu gehen. Niemandem wird es noch mit halbgaren Ablenkungsmanövern gelingen, die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung als ausreichend für eine Rettung der Welt und damit der Menschheit auszugeben. Das Argument, mit ihren Aktionen erweise sich die Gruppe einen Bärendienst, weil diese die gesellschaftliche Akzeptanz für die Klimapolitik zerstörten, wird nicht besser, nur weil es immer wieder genannt wird: So lange die wohlsituierten Bürger:Inninnen bis in die Volvo-Viertel des Bionade-Adels hinein nicht einsehen, dass der Kampf gegen den Klimawandel keine Parole ist, der man sich verbal anschließt, sondern eine Forderung an jede/n/s Einzelne/n zu Verzicht, Entsagung und Hinwendung zu einem kargen Leben, muss das Drängen der Vorkämpfer einer neuen Klimawelt weitergehen und immer weiter gehen.

Opferreicher Kampf

Das ist doch alles kein Spaß. Heute schon ist es oft wärmer, das Wetter spielt verrückt, der Klimazusammenbruch fordert Opfer von Tuvalu bis Tangerhütte. Die rein symbolische Klimaschutzpolitik der Ampel-Regierung, die aus knieweicher Angst vor "Volksaufständen" (Annalena Baerbock) weiter auf fossile Vernichtungsenergie wie Kohle, Gas, Öl und Kernkraft setzt, hat ihren Namen so wenig verdient wie der "Green Deal" der EU, der nur maskieren soll, wie wenig die Brüsseler Kommission die Situation verstanden hat.

Es geht dem Ende entgegen. In dieser Lage die Energiekrise gegen die Klimaapokalypse auszuspielen, weil man ja den Menschen ausreichend Strom und warme Wohnungen garantieren müsse, ist fahrlässig. Niemand muss. Denn immer noch sind die Gesellschaften des Westens mit der deutschen Demokratie vornweg freie Gemeinschaften, die sich, und so fordern es ja die Klimakrieger zurecht, sofort entscheiden können, das 9-Euro-Ticket wiedereinzuführen, ein Tempolimit und fahrende Klimaschnellgerichte, die überall dort eingreifen, wo Uneinsichtige und Ewiggestrige den Aufbruch in einen nachhaltigen Wandel hin zu immer mehr Weniger bremsen. 

Scharfe Geschütze

Die Zielrichtung stimmt, die Geschütze, mit denen die Letzte Generation schießt, sie sind scharf geladen. Je mehr gestritten wird über den Protest der "Letzten Generation", umso deutlicher zeigt sich, wo die Bruchlinien in der Gesellschaft verlaufen: Hier die Aktivist:innen, die dem Rechtsstaat seine Grenzen aufzeigen, indem sie sie mit Ankündigung übertreten und Konsequenzen höhnisch als hinnehmbar verlachen, weil sie wissen, dass die Alternative dazu das Sterben von Milliarden ist. Und dort die Kleingeister, die auf historische Parallelen verweisen, als aus der legitimen Gewalt gegen Sachen anderer binnen von nur zwei Jahren blutiger Ernst wurde.

Wie wichtig aber können rechtliche Grenzen noch sein, wenn alles auf dem Spiel steht? Wie sehr muss ein Mensch, der in akuter Angst um das Überleben einer unabsehbaren Zahl von nachfolgenden Generationen ist, sich nach nach Regeln richten, die in Friedenszeiten verabschiedet wurden? Von Politikenden, die noch nichts wussten von Pariser Klimazielen, der Lage in Konstanz und dem Rückzug des skandinavischen Inlandseises im Quartär?

Alle Zeichen auf Sturm

Ist nicht der Protest, der sich gegen die Leugner und Verharmloser der Klimakatastrophe richtet, letztlich ein Akt von Notwehr, der nicht nur gewaltfreie, sondern selbst gewalttätige Gegenwehr legitimiert? So lange niemand zu Schaden kommt, oder doch weniger Menschen als durch die Klimakatastrophe zu Schaden zu kommen drohen, geht die Rechnung der Letzten Generation auf. Gefährliche Eingriffe in den Flugverkehr, Angriffe auf die kritische Infrastruktur, auf politische Parteien und ihre demokratisch gewählten Vertreter, auf Museen, Konzertsäle und Immobilien, die Hausfriedensbrüche, Sachbeschädigung, Aufrufe zu Hetze und Hass gegen Andersdenkende - alles das ist erlaubt, weil es das Richtige ist.

Doch das scheinen sich viele Menschen immer noch nicht bewusst zu machen oder einzugestehen. Nur allzu gern fallen sie auf durchsichtige Parolen herein, wonach es nur einer Umstellung auf Elektrizität und Wasserstoff bedürfe, damit die Klimavernichtung wie gehabt weitergehen könne. Das aber ist schon rein rechnerisch nicht möglich, weil physikalische Gesetze dem Wunsch der Uneinsichtigen, es möge alles bleiben, wie es war, enge Grenzen setzt. 

Die Letzte Generation gesteht sich das ein, sie legt den Finger in die Wunde und verursacht damit Aufregung bei denen, die nicht wahrhaben wollen, dass es die Normalität früherer Jahrzehnte nie mehr geben wird. Schon diese Mitteilung, ausgerufen mit schriller Stimme am Straßenrand oder von der Bühne der Elbphilharmonie, schreckt auf, vergegenwärtigt vielen die angespannte Lage und weckt Furcht vor Wohlstandverlust, Hunger, Kälte und Stromausfällen. Das "neue Normal" (Stern), das von seinen Feinden mit Gepoche auf vermeintliche "Freiheitsrechte" und "Grundwerte" erbittert bekämpft wird. Dahinter stecken oft genug Menschen, die insgeheim ein schlechtes Gewissen haben, weil sie zu viel zu viel essen, Auto zu fahren, fliegen oder "reisen" (Bundespresseamt) oder sich politisch auf der falschen Seite engagieren. 

Steter Tropfen höhlt den Stein. Die Letzte Generation, gespeist aus einer Alterskohorte, die gerade nicht für ihren langen Atem bekannt ist, bleibt gefordert, dranzubleiben, nicht aufzugeben, sich weiter zu radikalisieren und vom störenden Dorn im Schuh zu Pfahl im Fleische der Klimavernichter zu werden. Dann wird die Bewegung siegen, nicht weil sie kann, sondern weil sie muss.

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Ehemalige Nationalmannschaft: Siegen? Für wen denn noch?

Klare Worte aus berufenem Munde: Wer hinschaut, hitlert mit. Die deutsche Mannschaft sollte schnell wieder nach Hause kommen.

Das Land lag ihnen zu Füßen, damals, als Jürgen Klinsmann mit glitzerndem Blick antrat, den Staub von 100 Jahren deutschem Nationalfußball zu blasen. Der Klinsi und der Klose, der Schweini, der Poldi, die WM 2006, Deutschland einig Fahnenmeer. Es wurde die verlacht, die sich über den Rückfall in den Nationalismus mokierten, die in Fußballschuhen die neuen Trampelstiefel sahen, mit denen der DFB stellvertretend die Welt eroberte. Die Menschen hatten Spaß am Spiel. Die Mannschaft, damals noch offiziell als "Nationalmannschaft" geführt, machte Freude. stolz saß die Kanzlerin auf der Tribüne und klatschte die Patschhändchen zusammen. Keine Raute. Keine Flaute. Stimmung bis zur Kissenschlacht im Sommermärchen.

Sieben Dinger gegen Brasilien

Acht Jahre später folgte der Titel. Sieben Dinger gegen Brasilien. Schweinsteiger mit dem blutigen Kopfverband im Endspiel. Eine Generation krönte sich, die das Nationale mit dem Sportlichen versöhnt hatte. Nun war jeder Fan, jeder wollte zugeschaut haben, auch wenn es letztlich den Zahlen nach nur 25 von 82 Millionen gewesen waren. Mittlerweile aber wollen auch die nichts mehr wissen von einem Produkt, in das nicht der Weltverband Fifa, sondern der nationale Verband DFB die National-Auswahl verwandelt haben. Schon vor der letzten WM in Russland war eine Entfremdung unverkennbar. 

Der sportliche Offenbarungseid dort, Produkt von sturer Nibelungentreue im DFB und verbandsinternen Größenwahns, den die Politik stets gefüttert und gepäppelt hatte, verstärkte den Effekt: Die Einschaltquoten bröckelten, die Laune sank, die frühe Heimreise erschien am Ende nur folgerichtig.

Besser wurde es nie

Besser ist es seitdem nicht geworden. Der neue Trainer ist der Assistent des alten, der Manager sein eigener Nachfolger, die Spieler sind immer noch hochtalentiert, aber keine Mannschaft. Wie Sprechpuppen tragen alle unter 30 ihre Texte vor. Als Individuen erkennbar erscheinen allenfalls die aus lauter Not zurückgeholten Reste der Pleiteelf vom Russlandfeldzug. Nicht mehr lustige Jungs, die respektlose Späße machen. Sondern Unternehmer, die an ihrer Karriere als kommende Fernsehexperten arbeiten: Am rechten Arm "Quatar Airways". Am linken "One Love". Dialektik.

Auch die konsequente Abwendung vom sportlichen Inhalt der eigentlichen Sportveranstaltung WM half bei der emotionalen Loslösung von der einstigen Herzenssache Fußball. Die "Einschaltquoten in der Heimat" (Spiegel) sind übel, zumindest gemessen am finanziellen Aufwand von 214 Millionen, ide ARD und ZDF für das recht bezahlt haben, aus Katar senden zu können. Und nur wenige deutsche Fans hatten Rückgrat genug, in das in zahllosen Dokumentationen als schieres Reich des Bösen beschriebene Gasgeberland des deutschen Klimawirtschaftsministers zu fliegen. 

Die deutsche Werteharke

Das DFB-Team, von Deutschlands Medien und der deutschen Spitzenpolitik auserkoren, in Arabien zu zeigen, was eine deutsche Werteharke ist, versagte erst propagandistisch und dann auch noch auf dem Platz: Mit dem Herzen rutschte die One-Love-Binde in die Hose, der Mundzuhalten-Protest amüsierte bis hinter die Grenze der Lächerlichkeit. Die Haltung steht, schrieb der DFB, gewohnt stolz auf sich selbst. Die Abwehr stand nicht.

Das 1:2 gegen Japan enttarnte das Selbstbild der deutschen Fußballtruppe, die sich als Titelfavorit gesehen hatte. Und zeigte eine müde Meute trauriger Millionäre, die die Hymne singt, seit kritisiert wurde, dass sie nicht gezwungen wird. Und die Morgen aufhören würde, sie zu singen, wenn ARD, ZDF oder eine gerade regierende Partei es aus welchen gründen auch immer zwingend nahelegten.

Gesichtslos, charakterlos, schamlos

Gesichtslos, charakterlos, schamlos, so werden die Fußballer wahrgenommen, die dank der Finanzierung des gesamten Budenzaubers durch ARD und ZDF wie einst die zugedopten Telekom-Radfahrer das Privileg genießen,"unsere Mannschaft" zu sein. Die Kritiker der Elf werden aus demselben Topf bezahlt wie die Kicker selbst. Man ist Teil einer Mannschaft, egal, ob Kommentator, früherer Star oder Schiri-Experte. Wie stets hatte man sich auch diesmal zuvor stillschweigend verschworen, die Stimmung im Mannschaftslager als "so gut wie nie zuvor", den Teamgeist als historisch einmalig und die Bereitschaft, alles füreinander zu geben, als noch nie dagewesen zu beschreiben. Bis dann Japan kam. Zwei Tore schoss. Und die Pappmache-Fassade des Märchenschlosses binnen acht Minuten zusammenbrach.

Das Land versöhnen

Die WM-Stimmung wurde schon vor dem Beginn des Turniers in Katar mit aller Macht getrübt. nachdem überraschend bekannt geworden war, dass Katar die Suren des Koran für wichtiger hält als die Werte des Grundgesetzes, hob eine Woge an Verurteilungen, Verdammungen und Forderungen an. Man dürfe nicht. Und müsse doch. solle dann aber. Zeichen setzen. Daheim schlug der barsche Ton an.Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, einer Wahrheitsfabrik ganz eigener Art, wollte die Hälfte aller Deutschen kein WM-Spiel anschauen. Erst der Kehrwert verrät, wie groß das Potential noch gewesen wäre, hätte die deutsche Elf begeisternden Fußball mit Herz und Erfolg gespielt: Noch nie in der Geschichte hatten überhaupt mehr als 30 Prozent der Deutschen bei Weltmeisterschaften vor dem Fernseher gesessen.

Nach den Forsa-Zahlen könnten es nun bis zu 58 Millionen werden - Menschen, bei denen die vielen Zeichen und Symbole nicht angekommen sind, die naturgemäß nie auf die Katarer zielten, sondern immer auf die Heimatfront. 58 Millionen, die "mithitlern", wie es der Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!-Autor Micky Beisenherz nennt, alle "#ZSMMN" (DFB) Verweigerer der Erkenntnis, dass die Auswahl an deutschen Millionären, die den fünften Titel hatten holen sollen, zwar als "Die Mannschaft", aber nicht als Mannschaft und schon gar nicht als Nationalmannschaft an den Persischen Golf aufgebrochen war. 

Ein geschniegeltes Unterhaltungsangebot

Ein geschniegeltes Unterhaltungsangebot, das allein noch für sich selbst steht, glatt bis in die Blutbahn, mit den Fans verbunden allein durch das unaufgeklärte Missverständnis, dass ihnen die Treuesten der Treuen weiterhin die Treue halten und alle anderen vom Balkon zu klatschen bereit wären, sollte der Erfolg sich unter den skeptischen Blicken einstellen. Diese Mannschaft steht nach eigener Ansicht für etwas, nur weiß niemand mehr, für was.

War es vor 15 Jahren noch die Freude, wieder stolz auf etwas sein zu dürfen, das aus Deutschland kommt und später die Begeisterung darüber, nur mit einer billigen Fahne am Autofenster Teil von etwas Großem zu sein, drückte zuletzt nur noch die Last, den kurzbehosten Botschaftern deutscher Supermoral beim Doppelpass-Spiel mit Binden und Belehrungen zuschauen zu müssen. Zusammenhalt? Zusammenbruch. Die emotionale Distanz zwischen Verband, Mannschaft und Anhang ist groß wie der Grand Canyon, der Zusammenhang zwischen der Aufladung des Fußballs mit sportfremden Inhalten ließ die Bande zwischen den Artisten auf dem Rasen und Mithitlernden reißen.

Hochwertige Kapitänsbinde mit Klett

Zu viel Gewissensarbeit wäre zu tun, zu viel Schuld zu schleppen, für jeden, der unschuldig meint, es sei ja doch nur eine schöne Nebensache, dieses Fußballspielen und immmr spannen, zuzuschauen, wenn die Völker fern hinter der Türkei aufeinanderschlagen, wie Johann Wolfgang von Goethe seine Erfahrungen als Fußballfan geschildert hatte. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser trug beim Stadionbesuch ein Bändchen am Arm, Modell "hochwertige Kapitänsbinde mit Klett" zu 12,90 Euro. Viel Geld "in Zeiten knapper Kassen" (DPA) für manche, lässt sich damit doch ein kleines Häuschen für einen halben Tag beheizen.

Wenigstens die ersatzhalber aufgeführte Maulhalten-Geste vor dem ersten Auftritt war dann kostenlos, sie wurde aber trotzdem nicht zum WM-Trend. 90 Minuten noch gegen Spanien, umgerechnet 105 bei diesem Turnier. Dann ist es auch schon vorbei. Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin, werden sie im Flieger nach Hause singen, die Autoren eines ganz besonderen Kapitels deutscher Fußballgeschichte: Sure 4, Vers 173: Glaube allein reicht nicht aus.


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Samstag, 26. November 2022

Zitate zur Zeit: Festspiele der unverstellten Bigotterie

Es liegen Welten zwischen den Auftritten deutscher Politiker mit Armbinden: Bevor Nancy Faeser in Katar zu "One Love" aufrief, hatte zuletzt Hitler mit dem Hakenkreuz Hasse gepredigt.
Dieser Clash of Civilizations, der sich derzeit in Katar vor unser aller Augen in a nutshell abspielt, ist absolutely worth seeing. Es sind Festspiele der unverstellten Bigotterie, des gewokewashten Kapitalismus, des opportunistischen Gratismuts und der politischen Vereinnahmung von allen durch jeden.
 
Ich könnte mir vorstellen, dass Michel Houellebecq sich diese ganze Darbietung zuhause in Irland vom Sofa aus anschaut und sich nicht mehr einkriegt vor Lachen: Moral als neue Sportart, das hätte sich in dieser krassen Form vor einigen Jahren wahrscheinlich nicht einmal ein Berufszyniker wie Houellebecq vorstellen können. 
 
Aber es ist die Realität – und sie ist ausnahmsweise bigger than life. Dabeisein, schauen, staunen!
 
In "Cicero" lobt Dirk Notheis die aktuelle Fußball-Weltmeisterschaft als unterhaltsamstes Turnier seit langer Zeit.

 

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Terror-Experte zu Böhmermann-Enthüllung: Gibt es die LAF wirklich?

So engagiert fahndet das ZDF seit gestern nach einer "Lindner/Lehfeldt-Bande", die auch als liberale RAFDP oder LAF bezeichnet wird.

Der Vorwurf kam aus berufenem Munde und zur allerbesten Sendezeit. Jan Böhmermann selbst hatte die Spannung vorher bereits angeheizt, als er bei Twitter, einem seit der Übernahme durch Tesla-Chef Elon Musk für grenzenlose rechtspopulistische Hassbotschaften bekannten asozialen Netzwerk, ein Fahndungsplakat veröffentlicht: Führende FDP-Aktivisten wurden dort als "linksradikale Gewalttäter" dargestellt, eine liberale RAF, die wegen der "Beteiligung an staatsfeindlichem Aktivismus, Bildung einer kriminellen Vereinigung, gemeinschaftlicher Vorbereitung schwerer staats- und menschheitsgefährdender Straftaten" steckbrieflich gesucht werde.  

Bisher völlig unbekannte Bande

Unter den Verdächtigen neben Bundesfinanzminister Christian Lindner auch Wolfgang Kubicki, der Virologe Hendrik Streeck, der Twitterer Benedikt Brechtken, der Journalist Ulf Poschardt, der frühere Spiegel-Chef Stefan Aust, Springer-Chef Mathias Döpfner, der frühere Thüringer Ministerpräsident Thomas Kemmerich, der Kabarettist Dieter Nuhr, der EU-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff und der Wirtschaftsweise Lars Feld. "Für Hinweise, die zur Ergreifung der Gesuchten führen, sind insgesamt 100.000 DM Belohnung ausgesetzt, die nicht für Beamte bestimmt sind, zu deren Berufspflichten die Verfolgung strafbarer Handlungen gehört", hieß es auf dem Fahndungsplakat der Liberalen RAF, kurz LAF. Eine Zuerkennung der Gewinnsummer erfolge "unter Ausschluss des Rechtsweges", Mitteilungen, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden, nähme das Bundeskriminalamt, Abteilung Sicherungsgruppe entgegen.

Beim BKA in Bonn allerdings wollte niemand etwas von der Fahndungsaktion gegen die sogenannte "Lindner/Lehfeldt-Bande" wissen, die ausweislich des Fahndungsplakates aus "Gewalttäter" besteht die "u.U. von ihrem Jagdschein rücksichtslos Gebrauch" machten. Kaum verwunderlich, wie der Terrorexperte Jan Henry Schneidemüller sagt. "Bisher gab es keinerlei Hinweise darauf, dass einer oder einige oder gar alle der Genannten gewaltgeneigt sind oder gemeinschaftlich planen, schwere staats- und menschheitsgefährdende Straftaten zu begehen", sagt der Kenner der deutschen Terrorszene, der am An-Institut für angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung zu Vernetzungsprozessen in der Szene der neuartigen verfassungsfeindlichen Delegitimierer von zuständigen Organen forscht.

Eine verbotene Feindesliste

Richtig sei sicherlich, dass die im Stil einer seit kurzer Zeit durch einen neuen Strafrechtsparagrafen verbotenen "Feindesliste" samt geschützter persönlicher Daten aus dem Kernbereich der privaten Lebensführung angeordneten Personen - von drei Ausnahmen abgesehen durchweg alte weiße Männer - sich durchweg weigerten, sich am deutschen Klimakampf dergestalt zu beteiligen, dass sie "als Fortsetzung von Protesten auf den Straßen auch milde Mittel wie Sachbeschädigung, die Störung und Zerstörung von Teilen der kritischen Infrastruktur und Hungerstreiks" (Schneidemüller) in Betracht zögen. 

Man könne daraus womöglich ableiten, dass die Betroffenen sich nicht ausreichend für das Schicksal kommender Generationen einzusetzen bereit seien. "Aber nur weil jemand keine Straftaten angekündigt und Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Nötigung im Straßenverkehr oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetz begeht, darf man ihn aus der Sicht der ernsthaften Terrorforschung nicht mit Mördern und Räubern gleichsetzen, wie sie sich in der RAF zusammengeschlossen hatten."

Liberale RAF wie Letzte Generation?

Fragwürdig sei bereits der Vorwurf, Finanzminister Christian Lindner und die anderen angeprangerten Personen hätten mit der RAFDP eine etwa der vorerst nur gegen Dinge gewalttätigen Gruppe "Letzte Generation" vergleichbare Vereinigung gegründet, deren Hauptaugenmerk darauf gerichtet sei, kriminelle Straftaten zu begehen. "Ich bin mir sicher, dass die Rechtsabteilung des ZDF uns bisher nicht vorliegende Beweise oder Indizien für dies Vorwurf gründlich geprüft hat", sagt der in Kiel geborene Gesellschaftspsychologe, "aber so lange uns die harten Fakten dazu nicht vorliegen, müssen wir an der Unschuldsvermutung festhalten."

Er sehe wie auch viele Kolleginnen und Kollegen, mit denen er Rücksprache gehalten habe, keine Hinweise darauf, dass die "Lindner/Lehfeldt-Bande" existiere oder als extremistisch angesehen werden müsse. "Ich erkenne nicht, sich diese Gruppierung, sollte es sie geben, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet“. Insofern gehe auch die Forderung fehl, die liberalen Ak­ti­vis­t:in­nen durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. 

Gesellschaftsschädlinge enttarnen

Damit widerspricht Jan Henry Schneidemüller dem zuletzt immer häufiger in der Rolle des Staatsanwalts Peter Przybylski auftretenden Fernsehlieblings, dem es bereits verschiedentlich gelungen war, Gesellschaftsschädlinge zu enttarnen und der Gerichtsbarkeit des gesunden Volksempfindens zu übergeben. Die überwiegend liberalen Ak­ti­vis­t:in­nen und Politiker.*/&Innen mit der Roten Armee Fraktion (RAF) in Verbindung zu setzen, sei "Nonsens", sagt Schneidemüller. 

Er fordert, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten und das ZDF über die Rundfunkräte und die "anderen politischen Stellschrauben" (Schneidemüller) schnellstmöglich zur Offenlegung aller Beweise gegen Lindner, Döpfner, Poschardt und Co. zu veranlassen, "unter Wahrung des Redaktionsgeheimnisses". Hier sei auch die Regierung gefordert nachzuweisen, "wie sehr man dieses System eigentlich respektiert".

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Freitag, 25. November 2022

Umbenennung: Ein Airport für den Führer

Der Verdacht liegt nahe, dass die Umbenennungsinitiative in Sachsen nicht ohne Hintergedanken losgetreten wurde.

E
r ist klein und hässlich, abgelegen und wirtschaftlich ein Massengrab für Millionen. Daher wohl nun die an den Stadtrat in Leipzig herangetragene Idee zweier Brüder, den Flughafen Leipzig/Halle in "Führer-Airport" umzubenennen. Überall in Deutschland klingelt es da zumindest bei Älteren: Klein, hässlich, Massengrab? Über Jahrzehnte hinweg beherrschte ein Mann mit all diesen Eigenschaften die öffentliche Debatte in Deutschland. Erst Pandemie und nachfolgender Krieg hatten dafür gesorgt, dass er seine führende Stellung in den Medien verlor.  

Wie das Messer in der Eisenzeit

Doch immer wieder taucht er trotzdem auf wie ein nur knapp unter der Wasseroberfläche liegendes Riff: Vergleiche mit diesem Führer gehören wie selbstverständlich zum Handwerkszeug jedes Öffentlichkeitsarbeiters im politischen Berlin, der sogenannte "Hitlervergleich" er sitzt locker wie in eisenzeitlichen Stammesgesellschaften das Messer. Seit der Abschaffung der DDR-Fahrerlaubnis erinnert der "Führerschein" an den Mann, der Deutschland durch zwölf dunkle Jahre führte. In Sachsen gibt es heute schon die "Fuehrergruppe", Verlage veröffentlichen "Reiseführer" und "Gourmetführer".

Höchste Zeit, auch ein großes Gebäude, einen Platz oder eben einen Flughafen auf den Namen "Führer" zu taufen, mit Rücksicht auf das außerdeutsche Ausland, das eine Benennung mit dem Taufnamen des einstigen Führers und Reichskanzlers womöglich als falsches Signal missdeuten könnte. Beim Namensgeber, auf den die Petendenten in Sachsen sich formal beziehen, handelt es sich deshalb um Christian Führer, eine regional "wohlbekannte Persönlichkeit" (Leipziger Zeitung), die als Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche im Zuge der weitgehend ungenehmigten illegalen Proteste in der DDR 1989 gelegentlich auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen gewesen war. im Hintergrund aber schwebt die große Historie: Der andere, immer noch bekanntere Führer, war im Zuge seiner Amtstätigkeit in den 30er Jahren mehrfach auf dem Flugfeld bei Leipzig eingeschwebt, damals noch unbehelligt von heute üblichen Protesten.

Ein Freund von Reformen

Führer war 2014 verstorben, ohne noch miterleben zu dürfen, wie seine Vision von Hartz IV als "endlich eingeleiteter Beginn notwendiger Reformen unseres Sozialstaates" ab 2015 zu einer bunteren, diverseren Gesellschaft beitrug, ehe es dann im späten Herbst 2022 abgeschafft wurde.

Ein Führer-Flughafen hätte dem in Leipzig geborenen Theologen sicherlich gefallen, erst recht, weil der Leipziger Flughafen überwiegend davon lebt, Güterverkehr für die multiglobale Milliardenmarke Amazon abzuwickeln. Führer hatte stets dazu aufgerufen, aktiv an der Abschaffung des kapitalistischen Wirtschaftssystems mitzuarbeiten, weil der globale Kapitalismus nicht zukunftsfähig sei. Profitorientiertes Wirtschaften zerstöre die Umwelt und die Menschen, menetekelte er im Vorgriff auf Klimauntergangspropheten wie Greta Thunberg, Luisa Neubauer und Carla Hinrichs.

Ein Gegner des Kapitalismus

Führers spätes Ideal war eine Wirtschaftsform des Teilens all dessen, was da ist. Und was nicht, das eben nicht. Wie besser ließe sich das baulich verkörpern als durch einen Airport, auf dem beständig Maschinen landen, deren Sitze sich Menschen oft noch warm gegenseitig überlassen und deren Frachträume oft zwei- oder dreimal am Tag mit neuen Waren aus China voll- und wieder leergeräumt werden, um die Bewohner einer industriell weitgehend ausgebluteten Region mit dem notwendigsten an Medizin, Bekleidung, Nahrung und elektronischen Geräten zu versorgen?, dachten sich die Brüder Ronny und Daniel Würfel aus Großstolpen bei Leipzig, auf deren Idee der Vorschlag zurückgeht, das 1927 noch unter Führer-Vorgänger Wilhelm Marx eröffnete Luftdrehkreuz auf den Namen des Sachsen zu taufen. 

Die Aussichten des neuen Führer-Flughafen sind auch aufgrund der Alliteration nicht schlecht. Es gilt in Deutschland als gute Tradition, Flughäfen nach früher führenden Politikern zu nennen - vom Willy-Brandt-Flughafen in Berlin bis zum Franz-Joseph-Strauß-Flughafen in München erinnern mehrere der klimaschädlichen Start- und Landeplätze heute schon an einige der besten der Besten, die die Bevölkerung jemals hervorgebracht hat. Dem Brauch folgend, war eigentlich der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher erste Wahl für einen eigenen Flugplatz. Dem neuen Trend zur Diversifizierung folgend schlug dann allerdings die SPD den ghanaischen Philosophen Anton Wilhelm Amo vor, dessen Buch "Über die Rechtsstellung der Mohren in Europa" wegen des rassistischen Titels nicht mehr verlegt werden darf. 

Ein guter Kompromiss

Amo gilt als erster in Europa promovierter Afrikaner, auch wenn er später gemobbt und nach Afrika zurückgetrieben wurde, der Vorschlag als clevere Spitze der deutschen Sozialdemokratie gegen die FDP. Niemand wird sich nun noch auf eines von beiden einigen können, so dass Führer-Flughafen ein guter Kompromiss wäre, über den sich alle freuen könne, selbst die bekanntermaßen recht konservativen Sachsen.

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