Samstag, 30. April 2016

IS-Held mit Helmkamera: Muschmunken*!


Da war Allah, der Alleserbarmer, vermutlich gerade austreten. Für eine Art arabischer Muppetsshow haben Milizionäre des Islamistischen Staates live vor einer Helmkamera demonstriert, wie ein Kampfeinsatz einer Feldeinheit des IS im richtigen Leben aussieht.

Die bunte Truppe fährt in einem selbstgebauten Batmobil auf ein Schlachtfeld, das bei genauerer Betrachtung keinen Schuss Pulver wert ist. Dort gelingt es den fröhlich mit Selbstermutigungssprüchen um sich werfenden Volkssturmmännern tatsächlich, mehrere Schüsse abzufeuern, ohne sich selbst zu treffen. Erst als sie zu einem von Hand bedienbaren Panzerabwehr-Granatwerfer Marke Rutschnoi Protiwotankowy Granatomjot greifen, mit dem sie offenbar versuchen wollen, den Wüstenboden aufzureißen, schießen sie sich fast selbst ab.

Wenig später schlägt ein Treffer der kurdischen Gegenseite im Mad-Max-Wagen ein und unter aufgeregten Gebrüll nach dem eigenen Gepäck setzt sich das Kommando nach hinten ab. Freihändig und ohne das Bemühen, auf irgendetwas zu zielen, wird dabei in die Landschaft geballert. Die ballert allerdings zurück und trifft erst einen, schließlich einen zweiten und dann auch den dritten, mit einer Helmkamera ausgestatteten Mann vom Doku-Trupp.

Das wars. Einsatz zu Ende.

*Muschmunken heisst so viel wie "nicht möglich".

In der Fabrik der lebenden Leberwürste

Es ist der Metatrend der Gegenwart, dass sich jedermann von jedem und allem jederzeit missbraucht, verhöhnt, verletzt und beleidigt fühlen kann. People of Color empfinden Schmerz, wenn Schauspieler sich das Gesicht anmalen, Emanzipisten leiden, wenn Frauen behaupten, sie arbeiteten freiwillig als Prostituierte. Muslime sind entsetzt, wenn Weihnachsmänner frei herumlaufen, und Atheisten reagieren aufgeregt, wenn Christen ein Kreuz in Amtsstuben hängen. Von Nazis gar nicht zu reden: Deren Meinung ist nach allgemeiner Auffassung keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Hans-Martin Esser hat jetzt bei Achgut.com eine Gesamtschau über "Das unheimliche Gespür für Beleidigtsein" der "Generation Leberwurst" aufgeschrieben. Dabei entwickelt er die zutreffende These, dass all die Verletzungen, die Momente, in denen "Hass" und "Hetze" Menschen dazu bringen, zu großen Zeitungen zu gehen und sich zu beklagen, eigentlich nur dem Ziel dienen, den Toleranzmuskel der Mehrheitsgesellschaft zu beschäftigen: Den Missbrauchten, Verletzten, Beleidigten verlangt danach, egal, ob er Wulff, Erdogan, Maas oder Hanswurst heißt, dass ihn die Gemeinschaft streichelt, bei und ihm Kompensation zahlt, am besten in Form von Anerkennung.

Es sind zumeist nicht einmal verletzte Gefühle, die hier ins Feld geführt werden. Sondern deren reine Vorspiegelung. Der Moslem, der es mit Hilfe seines permanenten Beleidigtseins geschafft hat, auch im deutschen Sprachraum nur noch mit dem englischen Begriff "Muslim" benannt zu werden, hat ebenso seine Leberwurst-Routine wie der Ostdeutsche, der Schwule, der Katholik, der Staatspräsident.

Der Grund dafür liegt in einer grundsätzlich gewandelten Beleidigungsbereitschaft, die inzwischen kaum noch eine offene und freimütige Diskussion zulässt. War es in der Vergangenheit wichtig für eine vollendete Beleidigung, dass der Beleidigende sie auch als Beleidigung meinte, so reicht es heute völlig, wenn sein Gegenüber sich beleidigt fühlt. Jedes Gespräch wird von der einen Seite als Versuch geführt, das, was zu sagen wäre, so auszudrücken, dass es jederzeit dementierbar ist. Während die andere Seite darauf aus ist, noch im harmlosesten Scherz eine neue Offenbarung tiefsitzender Ressentiments zu finden.

Jede Äußerung wird auf ihr Skandalisierungspotential abgeklopft, jede Abweichung vom leisetreterischen Sprachgebrauch genügt, eine Empörungswelle durch die sogenannten sozialen Netzwerke zu schicken, die hier perfekt als soziale Spektakel-Verstärker dienen: Im kleinsten Kreis entwickelte Verletzungen und engagiert empfundenes Unrecht, früher allenfalls ein Fall für ein nassgeweintes Kopfkissen, können nun eingeklagt, angeprangert und öffentlich ausgelebt werden.

Mediale Bedürftnisse und private Empfindlichkeiten bedingen und verstärken einander. Von unten nach oben bricht sich wahre Empörtheit Bahn, von einer Gesellschaft herangezüchtet, die ihren Mitgliedern das Gefühl gibt, jedes Zipperlein, dass ein hypersensibel ausgebildetes Seelchen in sich bemerken könne, sei wichtig genug, vor aller Augen darunter zu leiden. Von oben hilft eine unentwegte, nie ermüdende Simulation von Entsetzen über Sätze, Worte und Ansichten, die man folgenlos einfach hinnehmen könnte, die aber auflagen- und aufmerksamkeitsmäßig besser vermarkbar sind, wenn man sie kleinkrämerisch und peinlich genau auf ihren Empörungsgehalt abklopft.

Deutschland 2016, eine Fabrik für lebende Leberwürste.

Zum analytischen Text von Achgut geht es hier.

Freitag, 29. April 2016

Süddeutsche Zeitung: Wie man es schafft, den Täter nicht zu nennen

Für die einen sind es "die Fluchtursachen", für die anderen ist es "die Gewalt". Immer aber geht es den Betreffenden um Entpersönlichung, um eine Verschiebung der Betrachtungsebene von der Verantwortungdimension zu der einer unverhinderbaren Schicksalhaftigkeit.

Wo die große Politik dann beherzt Fluchtursachen bekämpft, weil das allemal einfacher ist als die Frage zu stellen, wer etwa den Schlamassel in in Syrien durch eine konsequent inkonsequente Politik von Einmischung und Raushalten herangezüchtet hat, versucht es die Süddeutsche Zeitung auf kleinerer Ebene mit einem Beweis in Schriftform.

Auf immerhin 26 Zeilen berichtet das Münchner Blatt über die "heftigsten Kämpfe in der Ost-Ukraine seit 2014", darunter akut über einen, Wortwahl SZ, "jüngsten Vorfall nahe der Rebellenhochburg Donezk", wo bei einem "Beschuss" (SZ) "mindestens vier Zivilisten getötet und acht weitere verletzt worden seien".

Bei einem Beschuss also. Der aus heiterem Himmel, so zumindest liest sich der Rest der Schreibtischreportage, herunterfiel, ausgelöst von niemand konkreten, gezielt auf niemand direkt. 26 Zeilen, die ihr Thema vermeiden.

Ein Wetterschlag vielmehr, diese "Gewalt", dieser "Beschuss", dieser "Vorfall", der womöglich rein zufällig Menschen getroffen hat, die in Oleniwka leben, einem Ort, den die "Rebellen" (SZ) beherrschen.

Haben die also, perfide Putin-Freunde die sie sind, wiedermal auf sich selbst geschossen? Um die Morde mitten im Waffenstillstandgebiet wie gewohnt dem freundlichen, friedlichen, nach Westen orientierten EU-Verbündeten Petro Poroschenko in die Schuhe zu schieben? Was die SZ selbstverständlich bemerkt hat, so dass sie nicht darauf hereinfallen ist und die eigentlich fällige Schlagzeile "Ukrainische Regierungstruppen töten Zivilisten im Ostukraine" tunlichst zu vermeiden wusste.

Deutsche Medien haben das ja über Jahrzehnte trainiert. Den Täter zu verschweigen, wenn einem das Opfer nicht passt, steckt in der DNA, nicht erst seit der Silvesterparty von Köln.

Auch wenn Israel von arabischen Terroristen angegriffen wird, werden in Deutschland regelmäßig die Angreifer zu Opfern. Und die Angegriffenen zur Ursache der Gewalt.



SPD im Panikmodus: Die Welt zu Gast bei Feinden

Macht auf die Tür, das Tor macht weit, so schallte es über Jahre aus allen Echokammern der Großpolitik. Als die Grenzöffnung für EU-Mitbürger zu Befürchtungen Anlass gab, dass viele aus den ärmeren Partnerstaaten nur kämen, um in Deutschland von Sozialleistungen zu profitieren, wiegelte die Bundesregierung ab. Das komme nicht vor und viele seien es auch nicht.

"Sozialmissbrauch“ durch Einwanderer aus EU-Ländern lasse sich „nicht beziffern“, beruhigte Nahles noch vor einem Jahr, als die CSU vor einem drohenden „Sozialtourismus“ aus Osteuropa warnte und „das Angstbild von massenhaftem Sozialbetrug an die Wand“ (taz) malte. Gibt es gar nicht, echote die Süddeutsche Zeitung, immer bereit, die Augen zuzukneifen, wenn es im Sinne der eigenen Grundüberzeugungen notwendig ist. Realität ist, was man aus der Wirklichkeit macht. Und wer nicht sein eigenes Geld ausgibt, der merkt gar nicht, wenn er spart.

Es hat also drei Jahre gedauert und es bedurfte erstens eines Urteils des Bundessozialgerichtes und zweitens des raketenhaften Aufstiegs der AfD plus anstehender Bundestagswahlen, bis die zuständige Ministerin Andrea Nahles auf einmal die Seiten wechselt. Galt es bis hierher nur als fair, dass EU-Bürgern deutsche Sozialhilfe bekommen, wenn sie statt in Bulgarien, Spanien oder Rumänien in Deutschland leben, will Andrea Nahles diese Praxis nun brutal stoppen. Nichts soll es mehr geben außer einem Heimfahrtschein.

Die Europa-Partei SPD in Aktion, angesichts kollabierender Umfragewerte im Panikmodus. Flugs soll den Sozialhilfeanspruch von Ausländern aus anderen EU-Staaten, der bisher als eine Art konstituierendes Moment eines im Entstehen begriffenen gesamteuropäischen Arbeitsmarktes galt, beschränkt werden. EU-Bürger sind künftig grundsätzlich von Hartz-IV und Sozialhilfe ausgeschlossen, wenn sie nicht hierzulande arbeiten oder durch vorherige Arbeit Ansprüche aus der Sozialversicherung erworben haben. Zwei Jahre lang hatten Innenminister Thomas de Maiziere und Nahles das Problem „überschaubar“ geredet und Abhilfe versprochen, wenn es denn nötig sei.

War es nie. Bis die Landtagswahlen der Sozialdemokratie deutlich signalisierten, dass der Endkampf ums Überleben bereits begonnen haben dürfte. Macht oder Europa? Die SPD hat sich entschieden.

Donnerstag, 28. April 2016

Schlag gegen Islamismus: IS darf nicht mehr auf Kennzeichen werben

Europäische Lösungen stehen aus: In Dänemark darf immer noch für Adolf Hitler geworben werden.
Die faschistischen Kürzel "HJ", "KZ", "SA" und "SS" sind bereits länger verboten, um eine Rückkehr von Adolf Hitler und dem Dritten Reich zu verhindern, jetzt gehen zumindest die Stadt Augsburg und der Landkreis Aichach-Friedberg daran, auch das Kennzeichen IS nicht mehr zu vergeben, um dem sogenannten Islamistischen Staat die Chance zu nehmen, in Deutschland Fuß zu fassen.

Die Zulassungsstelle der Stadt vergibt die Kombination "IS" nicht mehr als Wunschkennzeichen, um zu vermeiden, dass es zu Missverständnissen kommt: Vor allem arabischstämmige Fahrzeughalter, die irrtümlich das Wunschkennzeichen IS erhalten hätten, könnten fälschlicherweise als Sympathisanten der Terrormiliz "Islamischer Staat" mit einem Pauschalurteil überzogen werden.

Man wolle nicht, dass etwa der Wagen eines arabischstämmig aussehenden Fahrers zerkratzt werde, weil "IS" auf dessen Kennzeichen stehe, sagte der Chef der Zulassungsstelle der Augsburger Allgemeinen. Von der Änderung betroffen sind ausschließlich Autofahrer, die in Augsburg ein neues Kennzeichen beantragen. IS-Sympathisanten, die bereits "IS" auf dem Kennzeichen stehen haben, können ihre Buchstabenkombination behalten.

Auf das Thema "Islamischer Staat" aufmerksam gemacht hatte die Zulassungsstelle ein aufmerksamer Mitarbeiter, der ein "mulmiges Gefühl" (AA) gehabt habe, als ein offensichtlich arabischstämmiger Kunde das Kennzeichen "A-IS" für sein Fahrzeug wünschte. Der Mitarbeiter habe sofort einen Pauschalverdacht gehegt und angeregt, die Vergabe von IS einzustellen. Die Folge war die neue Regelung.Prinzipiell solle künftig jeder Mitarbeiter der Zulassungsstelle ein Auge auf kritische Kennzeichenkombinationen haben, heißt es in der Augsburger Zulassungsstelle. Das Kürzel "HH" beispielsweise werde nicht an Autofahrer vergeben, die keine Haare hätten, weil der Verdacht bestehe, dass sie damit ihre rechte Gesinnung zum Ausdruck bringen wollen.

Verboten ist die Kombination "HH" indes nicht. Im Gegensatz zu den Diese werden in Deutschland wegen des Nazizusammenhanges nicht vergeben. Bei der Kombination "IS" gibt es noch keine entsprechende Weisung aus dem Verkehrsministerium.Gegen den Widerstand der deutschen Sozialdemokratie war allerdings das Kürzel IS für Iserlohn bereits abgeschafft worden.



Lügenpresse: Ein Kind die ganze Jugend

Sie rebellieren nicht mehr, saufen nicht, bilden keine Banden, streben nicht nach Erleuchtung, verhalten sich alles in allem genau wie ihre Eltern. "Die Jugend rückt zusammen, soziale Werte spielen eine größere Rolle als Religion. Toleranz und Engagement nehmen zu", fassen deutsche Medien die Ergebnisse einer "Studie" (Die Welt) zusammen, in der fünf Wissenschaftler im Auftrag des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend erklären, wie "die deutsche Jugend" (Spiegel) so "tickt" (Studie).

Die deutsche Jugend also, erklärt von der "Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz" und der Bundeszentrale für politische Bildung.

Wie ein Sturmwind fegt das Ergebnis durch die Medienlandschaft, alle vier Jahre wieder und jedesmal wie zum Beweis dafür, dass Medienarbeit vor allem eine Übung in Unlauterkeit ist.

Denn was hier als Seelenlage der Gesamtjugend erklärt wird, ist in Wirklichkeit die von gerademal 72 Mädchen und Jungen, die durch die Studienersteller befragt wurden. 72 Menschen also, die im Ergebnis für knapp drei Millionen sprechen, wobei auch die Ersteller der Studie nicht erwähnen, wie die Befragten ausgewählt worden sind.

Weil das etwas dünn klingt, um einer ganzen Generation einen "mehrheitlich gemeinsamen Wertekanon vor allem aus sozialen Werten" (n-tv) nachzuweisen, lässt der gute Medienhirte die Zahl einfach weg.

"Die Ergebnisse beruhen auf qualitativen Tiefen-Interviews, die mit Jugendlichen geführt wurden", heißt es stattdessen, oder auch "in langen Einzelinterviews" seien die "kleinen Erwachsenen" befragt worden.

Die "Lebenssituation 14- bis 17jähriger" wird Im Ergebnis nicht nur "abgebildet", sondern aus der winzigen, keinesfalls repräsentativen Auswahl der Befragten deuten sich Zeitungen und Magazine auch noch Mehrheiten zusammen. Die liegen dann, welche Überraschung, etwa dort, wo sie bei allen Menschen schon immer liegen: Statt einer Sehnsucht nach Hunger, Krieg und Hass gibt es eine nach Aufgehoben- und Akzeptiertsein, Geborgenheit, Halt und Orientierung. "Die Mehrheit der Befragten schätze außerdem Werte wie Freiheit, Aufklärung und Toleranz." Hammer!

Dieses überraschende Ergebnis geben Medien doch gern weiter, auch in tietschürfenden Hintergrund-Interviews, in denen über die Mini-Befragung von drei Schulklassen gesprochen wird, als könne ein Kind für rund 80.000 sprechen.

Mittwoch, 27. April 2016

Themensterben: Eine Stichflamme namens Böhmermann

Er kam, pöbelte und erregte. Jan Böhmermann, bis dahin nur Eingeweihten aus dem Spät- und Spartenprogramm bekannt, schaffte es mit einem Schmähgedicht, dass sich nur rumplig reimte, in den Olymp der Medienkunst: Aus seinem Fernseh-Experiment mit der Meinungsfreiheit wurde eine Staatsaffäre, über die sich die Bundesregierung zerstritt, während sie gleichzeitig das Bündnis Europa mit dem Kalifen von Ankara ins Wanken zu bringen drohte.

Aber wie so oft im rauen Nachrichtengeschäft: Noch ehe Böhmermann mit einem Sudelbuch, einer DVD voller Fäkalverse oder einer vorläufigen Biografie nachlegen konnte, war die Meute schon weitergeeilt. Schon drei Wochen nach der gewagten Pöbel-Performance im Spätprogramm finden sich im öffentlichen Raum nur noch geringe Spuren des anarchischen Aufstandes gegen Anstand und gute diplomatische Sitten. Böhmermann ist kein Thema mehr, auch wenn der Delinquent versucht, den Kessel mit geschickt gestreuten Andeutungen über seine weiteren Pöbel-Pläne am Kochen zu halten.

Nach einer Echtzeit-Untersuchung, die ein Expertenteam des An-Institutes für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale unter Leitung des Medienwissenschaftlers Hans Achtelbuscher vorgenommen hat, scheiterte Böhmermanns Versuch, die politische Debatte dauerhaft zu bestimmen, an der Neuigkeitensucht von führenden Nachrichtensendungen und Leitmagazinen. Diese seien nach dem zweiten Gesetz der Mediendynamik verpflichtet, Themen unabhängig von ihrer Relevanz zu behandeln. Damit konnte Jan Böhmermann zwar spitze Kurzspitzenzeitwerte erzielen, so dass es teilweise schien, als habe es Griechenland, Wirtschaftskrise, Ukrainekonflikt, Flüchtlingswelle und AfD-Aufstieg nie gegeben.

Sobald dann aber Angela Merkel die tückische türkische Grenze überschritt und Barack Obama Richtung Deutschland startete, löste sich die Herrlichkeit in Schweigen auf. Mit nurmehr drei Emp auf der nach oben offenen Empörungsskala, sagt der ausgebildete Entroposoph Achtelbuscher, habe Böhmermann zwar die werte früherer Erregungswellen wie die der deutschlandweiten Missbrauchsdiskussion, der Aschewolke und der Aufregung um die "Gorch Fock" erreichen, sie aber nicht übertreffen können. Unerreicht bleiben so große Krisen wie die um Thilo Sarrazins erstes Buch, der Ukrainekrieg, die Wulff-Affäre und der Prozess um den Wetteransager Kachelmann.


Als Böhmermann sich bei PPQ bediente.

Kabinett legt Liste zugelassener Wahlkampfthemen vor

Das Weltklima ja, aber nicht die Euro-Krise, das immer engere Zusammenwachsen der Völker des Kontinents, aber nicht die offenen Grenzen und Briten-Ausstieg. Und natürlich alle Fragen von Lebensmittelhaltbarkeit, Busmaut, Kapitalismuskritik und Kriegsursachenbekämpfung. Keinesfalls hingegen die Frage, wie weit und wohin Humor gehen muss, bis wieder fahrende Standgerichte zu tagen beginnen.

Es ist ein Machtwort, das da inmitten der großen Satire-Kriege zwischen Deutschland und dem Nato-Verbündeten Türkei aus Berlin kommt. Die Bundesregierung, angeblich angeschlagen und zerstritten um den Kurs der Kanzlerin bei der Rettung von Flüchtlingen, Griechenland und Böhmermann, stellt mit einem Schlag klar, dass sie doch noch regierungsfähig ist. In einer langen Nachtsitzung hat sich das Kabinett nun nämlich überraschend schnell auf eine Liste von Wahlkampfthemen geeinigt, über die die Parteien des demokratischen Spektrum während des anstehenden Bundestagswahlkampfen nach Herzenslust und mit aller Kraft streiten wollen.

"Wir alle sollten versuchen, das Thema Rente aus dem Wahlkampf herauszuhalten", hatte CDU-Fraktionschef Volker Kauder vor Beginn der Beratungen zum sogenannten Wahlkampfkatalog festgelegt. So kam es dann auch: Weder die Rentenfrage noch das Problem der bedrohten Altersvorsorge durch die Nullzinspolitik noch andere umstrittene Themen wie Meinungsfreiheit, Abschiebepolitik und Wohnungsbauförderung sollen nach einer parlamentarischen Absprache der Partei- und Fraktionsführer eine Rolle im kleinlichen Parteiengezänk des kommenden Wahlkampfes spielen. Stattdessen habe man sich geeinigt, "Problemfelder in den Mittelpunkt zu stellen, bei denen eine Konsensfindung denkbar ist". hieß es im Regierungsviertel.

Nach dem großen Erfolg, den die erste gemeinsame Plakatkampagne der Blockparteien bei den Landtagswahlen landen konnte, war für die Großkoalitionäre, aber ebenso für sympathisierende Linke und Grüne klar, dass Bedeutungsverluste der Demokratie nur durch mehr einheitliches Handeln im Sinne übergreifender Gemeinsamkeiten durch erfolgversprechendes Agieren im Sinne aller Menschen einzuhegen sind.

"Bürgernah und zielgerichtet", solle im kommenden Wahlkampf diskutiert werden, sagte ein an den Verhandlungen um den Wahlkampfkatalog Beteiligter.  Das in zwölfstündigen Verhandlungen erzielte Ergebnis könne sich nun "sehen lassen", so der Mann. "Die Parteien werden im Wahlkampf einheitlich auftreten, alle werden Positionen beziehen, die ganz klar auf dem Boden des Grundgesetzes stehen." daraus werde "hoffentlich ein spannendes Ringen um die besten Lösungen" werden. "Mit einem Ende, an dem wieder die beste Europa regiert."




Dienstag, 26. April 2016

Dreyer bleibt hart: Nicht mit AfD ins Parlament

Turbulente Zeiten für Malu Dreyer von der SPD: Sieben Wochen vor der Landtagswahl war die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin noch standhaft geblieben. Mit einem Kandidaten der AfD würde sich Dreyer nicht in eine Talkshow setzen. Knallhart ließ sie Kritik an ihrer Ausgrenzungstrategie abprallen, "fröhlich-kämpferisch" (Bild) weigerte sie sich, an einem TV-Duell teilzunehmen, zu dem auch die rechtpopulistisch-völkische Fast-Nazi-Partei geladen war.

Sie habe sich "schon vor Monaten" festgelegt, "dass ich nicht mit AfD-Politikern in Talkshows gehe", sagte Dreyer, daran werde sie nun nichts ändern, nur weil die AfD in Rheinland-Pfalz einen nicht unbeträchtlichen Teil der Wähler repräsentiere.

Auch nach der Wahl, bei der die AfD mit 12,5 Prozent drittstärkste Kraft im Parlament wurde, bleibt Dreyer dabei. Sie plädiert für ein Parlamentsverbot für die Rechtspopulisten, denn die könnten sonst statt der Talkshow-Auftritte ihre Redezeit im Parlament zur Verbreitung von teilweise rechtsextremen Parolen nutzen. "Sollen Demokraten wirklich auf Augenhöhe mit AfD-Vertretern über deren menschenverachtende und unsere Verfassung verletzende Forderungen diskutieren?", fragt Dreyer. Sie halte das nicht für verantwortlich.

Malu Dreyer sieht sich mit ihrer Blockadetaktik in bester großkoalitionärer Gesellschaft. Auch der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder lehnt es ab, mit der AfD in Talkshows zu sitzen. Das soll helfen, die Rechtsnationalisten im kommenden Jahr aus dem Bundestag herauszuhalten.

Vorbild ist offenbar Malu Dreyers Vorgehen. Die hatte die AfD als "eine Gefahr für unser Land" gebrandmarkt und ihr vorgeworfen, sie argumentiere rassistisch und "spalte Deutschland". "Das vergiftet das gesellschaftliche Klima und schadet unserer exportorientierten Wirtschaft."

Bei den Wählern hatte diese Argumentation offenbar verfangen: Als Dreyer warnte, stand die AfD in Umfragen bei sieben Prozent. Nach dem Boykott stieg sie auf 12,6 Prozent.

Oppermann: Auf Kriegsfuß mit der Geschichte

Ein typischer Einwanderer: In Tracht und mit traditioneller Kriegsbemalung bläst der Panflötist vom bremischen Cheruskerverband auf einer SPD-Veranstaltung sein chromatisches Doppelrohr.
Dass SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mit der Geschichte auf Kriegsfuß steht, ist bekannt. Dass er aber so gar keine Ahnung von dem Land hat, in dem er seit mehr als 60 Jahren lebt, gab der Politiker jetzt trendgerecht per Twitter bekannt: "50 Jahre nach dem Beginn der Einwanderung bekommt Deutschland jetzt ein Integrationsgesetz", ließ er wissen.

Deutschland profitiert nämlich in Wirklichkeit schon viel länger von Einwanderung als Oppermann glaubt. Hindenburg zum Beispiel wanderte aus einem besetzten Teil Polens ein, Hitler, der heute seinen 127. Geburtstag feiern würde, aus Österreich. Das westdeutsche Braunschweig - nomen est omen - bürgerte den Wirtschaftsflüchtling aus dem Süden, der über die Balkanroute gekommen war, gegen den Widerstand vieler Demokraten ein.

Erich Honecker dagegen stammte aus Frankreich, wo auch die Familie des derzeitigen deutschen Innenministers herkommt. Deutschland, ein Wanderungsmärchen: Die berühmtesten Indianer der Nation sind Franzosen und Serben. Die berühmtesten Sportler leben in Österreich, Liechtenstein und Monaco.

Selbst das, was heute als deutsche Urbevölkerung gilt, gelangte vor 1600 Jahren von auswärts in seine heutigen Siedlungsgebiete - als Vertriebene, Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge.

Damals hatten die Hunnen, ein mongolisches Reitervolk, den Balkan übernommen und das Reich der Ostgoten im Gebiet der heutigen Ukraine zerstört. Flüchtlingsströme wälzten sich daraufhin Richtung Nordwesten. Der Migrationsdruck führte zu Konflikten mit Rom, die die Germanen hinhielten und ihnen eigene Siedlungsgebiete verweigerten. Es müssten europäische Lösungen gefunden werden, hieß es in der Hauptstadt des Imperiums.

Kurzerhand nahmen sich die Westgoten 378 nach Christus mit Waffengewalt, was Rom ihnen nicht geben konnte. Dabei verdrängten sie die hier siedelnden Markomannen weiter nach Nordwesten, so dass diese ihrerseits in Konflikte mit den Cheruskern gerieten, die dort lebten.

Eine opferreiche, aber letztlich segensvolle Entwicklung, die es erst ermöglichte, den mitteldeutschen Raum weitgehend zu entwalden, so dass Platz für die spätere Industrialisierung wurde. Sie erlaubte es den späteren elbgermanischen Stämmen überdies, zwischenzeitlich eingeschleppte slawische Völkerschaften völkermordmäßig auszumerzen, sie entschädigungslos zu enteignen und die übriggebliebenen Stammesmitglieder mit Hilfe der katholischen Kirche zu assimilieren.

Das Einwanderungsgesetz kommt so für die meisten Deutschen viel zu spät. Für die meisten ihrer Opfer aber auch.



Montag, 25. April 2016

Schock-Wahl: Hitlers Erben greifen nach der Macht

Es kann kein Zufall sein, dass es wieder ein Mann ist, dessen Name mit H beginnt. Hitler, Haider, Hofer, alle drei aus den Alpen- und Donau-Reichsgauen, alle drei auf einer braunen Erfolgsspur unterwegs Richtung Macht. Von Hitler, dem in Braunschweig eingedeutschten Österreicher, über Haider, den die SZ früh in einer erschöpfenden Analyse als Wiedergeburt des Mannes aus Braunau enttarnen konnte, bis zu Norbert Hofer, der jetzt eine "Schock-Wahl" im ehemaligen Anschlussgebiet gewann und damit zum dritten Österreicher - Hans Krankl eingerechnet, wäre er sogar schon der Vierte - wird, der zur akuten Gefahr für Deutschland, Europa und die Welt zu werden droht.

Nicht aus Hitler und nicht aus Haider haben die Österreicher gelernt, ganz anders als Deutschland. Schon in der großen Flüchtlingskrise positionierten sie sich auf der Seite der Grenzzaunbauer, Blockierer und Durchwinker, die eine europäische Lösung, wie sie Deutschland geplant hatte, verhinderten. Dass nun die Erben Haiders, der ein Erbe Hitlers war, bei der Wahl zum neuen österreichischen Präsidenten triumphieren, überrascht kaum, empört aber umso mehr.

Schlimmer noch als in Sachsen-Anhalt ist der "dramatische Rechtsruck" (Spiegel), der "Rechtspopulismus ist in Österreich endgültig salonfähig" (SZ), der ein "Erdrutschsieg von Populisten" erinnert professionelle Beobachter an die dunkelsten Tage des deutschsprachigen Raums: "Hofer ist einer der Chefideologen der FPÖ, hat gegen einen EU-Beitritt Österreichs gestimmt, hält die Anliegen von Pegida für berechtigt und gehört einer deutschnationalen Burschenschaft an."

Im Grunde vereint er damit alle Eigenschaften, die es in Deutschland braucht, um sich außerhalb der großen Gemeinde der Demokraten zu stellen. Doch wo, wie in Österreich, "das politische System zerbröselt" (Die Zeit), erreichen gefährliche Gestalten wie das Vorstandsmitglied der gemeinnützigen Vereinigung Eurosolar Austria, das seit 2013 als Vize-Präsident im österreichischen Nationalrat sitzt, 35 Prozent der Stimmen.

Für die deutschen Leitmedien bedeutet der Triumph des Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ hohe Alarmstufe. Wenn einer wie Hofer siegt, erklären sich die Auflagenverluste von engagierten und stets auf der richtigen Seite der Geschichte positionierten (Barack Obama) Magazinen und Zeitungen von selbst.

Was Österreich nun braucht, sind Bildungsprogramme, ist mehr Aufklärung und Demokratiearbeit, zur Not auch finanziert von den verbliebenen demokratischen EU-Partnern. Gerade Deutschland muss und sollte hier in Vorleistung gehen, sitzt das Wissen darum, wie schnell der Despotismus an die Macht gelangen kann, doch hierzulande besonders tief.

"Mit ihrer Wahl wollten viele Wähler ihre Verachtung für das politische System dokumentieren - ein politisches System, das zig Milliarden Euro für die Sanierung der Städte ausgegeben hat und viele weitere Milliarden für den Bau der Straßen, auf denen sie tagtäglich fahren", heißt es in der FAZ, die dafür plädiert, eine deutliche Botschaft nach Wien zu senden: "Ohne das Geld aus Deutschland würden auch diese Wähler noch heute durch verrottete Innenstädte laufen. Man kann lange darüber grübeln, worauf ein solcher Mangel an Einsicht über den Grund für den eigenen Lebensstandard beruht. Man kann die Sache aber auch einfach moralisch betrachten: als Undankbarkeit.

Lernt Österreich, lernen die Österreicher nicht dazu, muss die EU allerdings auch bereit sein, erneut zum schärfsten Mittel zu greifen: Schon Jörg Haider, Hitlers Nachfolger und Hofers Vorgänger, stoppte sie einst mit Hilfe beinharter Sanktionen.

In der EU soll und darf es, so das Signal damals, keine Regierung unter Beteiligung radikaler antidemokratischer Parteien geben. Dabei muss es bleiben.

Fremdherrschaft im Armenhaus: Einheimische als Exoten

26 Jahre nach der deutschen Einheit haben kaum noch ostdeutsche Politiker Sitz und Stimme in der Landesregierung des Schlusslicht-Landes Sachsen-Anhalt. Schon seit den ersten Nachwende-Regierungen hatte Fachverstand von außen die mangelnde Intelligenz der Einheimischen ausgleichen müssen. So deutlich wie heute aber ist das Zivilisationsgefälle zwischen West und Ost noch nie gewesen.

In der neuen Landesregierung, die eine ganz, ganz große Koalition der im Parlament verbliebenen demokratischen Parteien ist, sind Politiker, die in der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen sind, eine absolute Seltenheit. Erstmals sitzen im Kabinett mehr gebürtige Rheinländer als Sachsen-Anhalter - ein Zeichen der Hoffnung für viele Bürger, dass nun bald alles besser wird.

Aber auch ein Beweis dafür, dass 26 Jahre demokratischer Entwicklung nebst sieben Bildungs- und Schulreformen den Rückstand zu den entwickelten Bundesländern im Westen nicht verringern konnten. Ganz im Gegenteil. Waren unter den zehn Kabinettsmitgliedern in der vorigen Haseloff-Regierung aus CDU und SPD noch vier gebürtige Ostdeutsche, sind es im neuen Haseloff-Kabinett mit Schröder, Tullner und Felgner nur noch drei.

70 Prozent des Ministerriege sind damit rein westdeutsch. Kein Wunder in einem Land, das geprägt ist von Arbeitslosigkeit und Abwanderung. Von ehemals 2,8 Millionen Einwohnern zur Wendezeit sind nur noch 2,2 Millionen übrig geblieben.

Kompetentes Kabinettspersonal ist unter dieser Restbevölkerung kaum zu finden. Mehrheitlich ist diese ungebildet und dem Alkohol zugeneigt, das Leben in einem Notstandsgebiet prägt Mütter und Väter, Töchter und Söhne. Alte Frauen, den Einkaufsbeutel am Rollator, mühen sich Richtung Fleischereimobil, vorbei an Lücken, die eingefallene Altstadthäuschen hinterlassen haben, vorbei an vernagelten oder blinden Schaufenstern, die von gescheiterten Versuchen zur Existenzgründung künden.

Das Elend wird nun wenigstens kompetent verwaltet - das Bundesland, das ohnehin als fremdfinanziert und fremdregiert gilt, leistet sich mit dem Kabinett Haseloff III erstmals eine Regierung, in der ehemalige Ostdeutsche eine Minderheit und gebürtige Einheimische absolute Exoten sind. Es dominieren Sachverstand und Demokratierfahrung.

Abgesehen von Ministerpräsident Haseloff ist nur ein einziges Kabinettsmitglied in Sachsen-Anhalt geboren - André Schröder stammt aus Sangerhausen. Die beiden anderen Ostdeutschen mit Ministerrang sind aus Wismar und dem Erzgebirge zugezogen. Niedersachsen stellt damit mit drei Ministern den Löwenanteil an Würdenträgern, danach folgt Nordrhein-Westfalen mit zwei Ministern. Gleichauf dahinter liegen Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit jeweils einem Vertreter.

Dass inzwischen so wenige Ostdeutsche im Kabinett vertreten seien, liege vor allem an der Ausbildung in der DDR, die die Menschen nicht für die Karriere-Ebene qualifiziert habe, sagte Berit Bretthauer von der Unternehmensberatung KornFerry. "Leistung wurde im dortigen System nur teilweise belohnt, vieles war politisch." Vielen fehle es auch an "aggressiver Selbstvermarktung", sagte Bretthauer.



Sonntag, 24. April 2016

Auf den Spuren Walter Ulbrichts: Leuchtende Kindergesichter für unsere Kanzlerin

Es reicht offenbar nicht, sie wegen ihrer Schwächen bei der Literaturkritik zu schmähen, nein, jetzt wird Bundeskanzlerin Angela Merkel auch noch wegen ihrer Reise ins Partnerland Türkei angegriffen. Das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" spielt in einer Schreibtischreportage aus dem türkisch-syrischen Grenzgebiet, wo Merkel ein Flüchtlingslager aufsuchte, um Kinderköpfe zu streicheln, direkt auf die deutsche Tradition der Kaisergeburtstagsfeiern an: "So sieht ein Flüchtlingsklager aus, wenn die Kanzlerin kommt", höhnt das Blatt und zeigt friedvolle, fröhliche Bilder vom "Blitztrip an die Grenze" (Spiegel).

Strahlender Sonnenschein, gestrichene Bordsteinkanten, kumpelnde Sicherheitsleute, frisch gestrichene Fassaden und leuchtende Kindergesichter empfingen die mächtigste Frau Europas. Inszenierung, Kostümierung und Bühnenaufbau orientierten sich dabei direkt am Klassiker "Walter Ulbricht besucht junge Pioniere im Fläming und wird herzlich empfangen", der seit 1968 als das Nonplusultra in der Geschichte der Regie waghalsiger Regierungschefreisen gilt.

Am Lager hatten Flüchtlinge, die außer ihrem nackten Leben nur ihre traditionellen Trachten vor Krieg, Hunger und menschenverachtenden russischen Bomben gerettet hatten, Merkel und den türkischen Regierungschef Davutoglu mit Blumen empfangen, die aus den ersten Hilfszahlungen Europas aufgrund des Türkei-Deutschland-Paktes finanziert worden waren. Merkel zeigte sich angenehm überrascht über den freundlichen Empfang in der Südosttürkei. Die türkischen Partner hatten das hier eigentlich herrschende Fotografierverbot eigens vor der Landung der deutschen Regierungschefin aufgehoben, um das Produktion angemessener Reportagefotos von der völkerverbindenden Mission Merkels nicht zu behindern.

Ein versöhnliches Ende einer Reise, die auf der Kippe stand: Das Auswärtige Amt hatte von Reisen in die Krisenregion dringend abgeraten, das Kanzleramt aber hatte sich - wie zuletzt bei der Freigabe der Strafverfolgung gegen den Fernsehpoeten Böhmermann - über den Rat des Außenamtes hinweggesetzt. Allerdings droht Rückkehrern aus dem Grenzgebiet zu Syrien in Deutschland regelmäßig Ärger mit der Justiz: Günter Krings, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, sagte der «Rheinischen Post». «Unser Ziel muss es sein, ihre Wiedereinreise zu verhindern.» Auch CDU-Bundesvize Thomas Strobl bestätigte das: "Es muss verhindert werden, dass sie nach Deutschland zurückkehren", sagte er bezogen auf Deutsche, die wie Angela Merkel in die Kriegsgebiete reisten und dann später zurückkehren wollten.



Armenhaus feiert Regierungsbündnis: Kenia-Partys im ganzen Land


Stolz feiern Menschen auf dem Magdeburger Domplatz mit den Farben ihrer neuen Regierung.


Eine Wegmarke, eine Pioniertat, ja, eine ganz kleine, bescheidene Revolution. Ex oriente pax: Tief im Osten, wo der Holzweg den Highway in die Zukunft bildet, gehen die etablierten Parteien der politischen Mitte nach anstrengendem Wahlkampf und aufreibenden Koalitionsverhandlungen in Vertrauensvorleistung: Eine Kenia-Koalition auf Schwarzen, Roten und Grünen eint die Verlierer des letzten Urnenganges zu einer stabilen Regierung des verlorenen Vertrauens.

Eine Premiere für ganz Deutschland, die nur hauchdünn gelingen konnte. 0,2 Prozent weniger für die Grünen - umgerechnet etwa 800 Stimmen - und CDU und SPD wäre wegen eines verpatzten Fälschungsversuches nur eine Partnerschaft mit der Linken geblieben, um Neuwahlen zu verhindern

Deshalb dieses große Aufatmen im Land, das überall zu spüren ist. Die Nachricht vom Abschluss der Koalitionsverhandlungen wurde in Stadt und Land mit Erleichterung aufgenommen, hier und dort brandete spontaner Jubel auf. Die Angst, anderenfalls könnte die rechtspopulistische AfD die Macht an sich reißen, war bei vielen Jüngeren, vor allem aber bei vielen Älteren und Angehörigen des Mittelstandes und des liberalen Bürgertums groß gewesen.

Jubel bricht aus, Fahnen werden geschwenkt. Auf dem Riesenbildschirm, der da in der Innenstadt von Magdeburg aufgestellt ist, erscheinen gerade die Köpfe von Reiner Haseloff, Burkhard Lischka und Claudia Dalbert. Die drei grüßen aus dem Fenster der Staatskanzlei ihre jubelnden Landsleute auf dem Domplatz der Landeshauptstadt. "Reiner, Reiner", schallt es aus tausenden Kehlen.

Oben auf dem Balkon liegt man sich in den Armen. Zusammen mit den neuen Partnern wird Reiner Haseloff nun an der Strategie festhalten, ohne neue Schulden auszukommen, um das Haushaltsvolumen wie in den zurückliegenden 26 Jahren stabil bei 10 Milliarden Euro D zu halten.

Haseloff war einst angetreten,das Landeshaushaltsvolumen auf 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 zu drücken. Inzwischen aber hat sich herausgestellt, dass das schwerer ist als Geld auszugeben, das man nicht hat. Dagegen protestieren die Bürger nicht wütend, nein, sie genießen fröhlich. Es gibt kaum jemanden, der nicht ein Lächeln im Gesicht hat und an der Mütze oder am Handgelenk ein Bändchen in Kenia-Farben.

Schwarz-Rot-Grün bedeutet Optimismus, es ist die Kampagnenfarbe der stabilen Mitte. Zigtausende von Magdeburgern ziehen mit Fahnen zum Zentrum, Autokorsos fahren hupend die Straßen entlang. Auf dem Domplatz spielen die besten Rockgruppen des Landes auf, umsonst, wie ein Bandleader erklärt: "Denn heute geht es um eines - unsere Freiheit und Solidarität."

Taxifahrer nehmen Fahrgäste mit Kenia-Fähnchen umsonst mit, Verkehrspolizisten und Ordnungsamtsmitarbeiterinnen, sonst als Blutsauger verschrien, winken die Autos durch. Und, ein kleines Wunder: Autofahrer halten vor dem Zebrastreifen an, um Demonstranten durchzulassen. Die städtische Polizei hat vom populären Bürgermeister Trümper Anweisung bekommen, die Demonstranten gewähren zu lassen und die 200 Zelte, die sie in der Nacht auf dem Domplatz aufgebaut haben, nicht anzurühren.

Ein Redner verliest Pressestimmen und Politikerkommentare aus dem Ausland, in denen die Kenia-Koalition begrüßt wird. Nach jedem Zitat applaudiert der ganze Platz. "Wir haben hier alles auf einmal", triumphiert ein Wahlkampfhelfer. "Sportarena, Rockkonzert und Dankgottesdienst." Sachsen-Anhalt, das spüren die Menschen, wird im Abwehrkampf gegen extreme und extremistische Kräfte zur Pionierregion, zum Labortisch der Republik. Hier muss sich die Strategie der Mitte der Mitte bewähren, hier kann der Angriff der Populisten, Putin-Trolle, GEZ-Feinde, EZB-Skeptiker, Euro-Pessimisten und Zweifler zurückgeschlagen werden.



Samstag, 23. April 2016

HFC: Comeback ohne Krücken


Es ist eine symbolische Geste, als Sören Bertram sich nach 95 Minuten seiner Krücken entledigt. Der Mann mit dem frischen Kreuzbandriss grinst, als er die Gehhilfen fallen lässt. Die Fankurve, die in Halle eine Gerade hinter dem Tor ist, brüllt "Sö-ren Bertrammm". Die Mannschaftskollegen, die gerade einen 1:0-Heimsieg gegen die mit Aufstiegsambitionen nach Halle gereisten Osnabrücker geholt haben, tanzen rundherum vor Freude, den Klassenerhalt nun doch schon drei Spieltage vor Toresschluss so gut wie sicher zu haben.

 "Nuhuuhur zusammen", brüllen die Tribünen und "Sieg" und "Chemie Halle". Fast ist es wie in alten Zeiten, als die in Halle mit dem Schicksal des Fanseins Geschlagenen sich nach großen Auftritten ihrer Elf gegenseitig versicherten, wie schön es sei, das Rotweiß zu tragen.

Jubel, Trubel, Heiterkeit im Erdgas-Sportpark, und das nach einer Saison, die von ganz unten nach fast ganz oben und wieder zurück führte.Von der Stabilität der vergangenen Jahre war nach einem verkorksten Rückrundenstart nichts mehr übrig. Die Spiele gingen verloren, die Mannschaft ähnelte einem Torso, die Spieler mochten den Trainer nicht, die Vereinsführung plante neue Verwaltungsstrukturen, nicht aber, dass ihre Elf das gesichert geglaubte Tabellenmittelfeld noch einmal nach unten verlassen würde.



Erst mit dem Wechsel vom letztlich doch unglücklich agierenden Trainer Stefan Böger zu Rico Schmitt, der eigentlich erst in der kommenden Saison übernehmen sollte, hellte sich der dunkle Tunnel der allgemeinen Verzweiflung auf. Nicht der Sieg in Köln beim ersten Auftritt des Neuen sorgte dabei für die Rückkehr des Optimismus, sonder der Umstand, dass die leblose, lustlose, willenlose Truppe, die Böger in wöchentlich wechselnder Aufstellung im Stich gelassen hatte plötzlich wieder kämpfen und streckenweise sogar Fußball spielen konnte.

Das Publikum ist dankbar und entschlossen, seins zu tun, damit die Mini-Serie von einem gewonnenen Spiel ausgebaut wird: Spruchbänder mit dem Motto "Nur zusammen" halten sie vor dem Anpfiff hoch, weiß wie die Unschuld des Neuanfangs ist die Fankurve gekleidet.

Gegen den VfL Osnabrück, einen Verein, der vor dem Gastspiel in Halle noch nach oben schaut, stellt Schmitt anders auf als Böger. Mit Brügmann und Furuholm stehen ihm zwei Langzeitverletzte wieder zur Verfügung, einer von beiden übernimmt den Part hinten links, der andere die Sturmmitte. Osayamen Osawe, Aufsteiger der Saison und zuletzt meistgescholtener Mann, rückt auf Außen, Aydemir auf die andere Seite. Für der verletzten Baude steht der etatmäßige Mittelfeldmann Lindenhahn in der rechten Verteidigerposition. Ivica Banovic, von Böger zuletzt geschmäht und von Schmitt als 6er eingesetzt, agiert diesmal als Staubsauger vor der Vierer-Abwehrkette. Und die Sechser-Positionen beziehen der von Böger aussortierten Jansen und der von ihm nicht eben geliebte Pfeffer. Nur die Innenverteidigung mit Engelhardt und Kleineheistmann ist die, die sie immer war.

Ein Feuerwerk sind die ersten drei Minuten dieser neu zusammengebauten Elf. Nach 20 Sekunden schießt Aydemir zum ersten Mal aufs Tor, schön angespielt von Furuholm. Nach anderthalb Minuten der zweite Versuch. Nach drei Minuten der dritte.

Das sind zumindest gefühlt mehr Torabschlüsse als der März  insgesamt sah, aber der VfL macht sich dann doch frei, tritt rüde dazwischen, ackert sich zu einem spielerischen Gleichgewicht und hat nun auch Chancen. Die größte versieben die Gäste in der 26. Minute, als Savran setzt sich auf links durchsetzt und mit einem Schuss genau den Innenpfosten trifft. Das Glück der Tüchtigen: Von dort springt der Ball schräg von der Linie weg in Fabian Bredlows Hände.

Banovic trifft gegen Schwäbe zum 1:0.
Fünf Minuten später rächt sich einer der vielen harten Einsteiger der Osnabrücker. Banovic wird gelegt und weil Sören Bertram, der zuletzt alle Freistöße überwiegend mäßig bis schlecht schoss, ja auf der Tribüne sitzt, tritt er selbst zum Freistoß an. Der Oldie, bis dahin einer der Besten im HFC-Dress, zirkelt den Ball mittig über die Mauer ins lange Ecke. VfL-Keeper Schwäbe berührt ihn noch. Halten kann er ihn nicht.

Was für eine Erleichterung. Was für eine Angst aber auch, die das Stadion nun erfasst. Ganz nah dran am Klassenerhalt und die 7800 auf den Rängen können nur zuschauen. Osnabrück drückt, der HFC kontert. Zumeist aber ohne die letzte Konsequenz: der bienenfleißige Pfeffer schließt selbst ab, wo er passen könnte. Osawe passt, wo er schießen müsste. Und Lindenhahn schießt, aber vorbei.

Trotzdem ist das einer der großen Auftritte einer Mannschaft, die so nur noch ein einziges Mal zusammenspielen wird. Sie laufen, grätschen, passen, springen dazwischen, werfen sich hinein, springen ein, wo eine Lücke klafft. All die herben Enttäuschungen einer langen Saison - Aydemir, Banovic, Engelhardt, später der eingewechselte Diring - zeigen auf einmal, dass sie an einem guten Tag in der Lage sind, eine gute Mannschaft besser zu machen.

Schmitt kann das auch, schon allein dadurch, dass er nicht wie ein Denkmal vor seiner Bank steht, sondern unentwegt agiert, dirigiert und korrigiert. Er hat Jansen zum Kapitän gemacht, den gerade erst von einem Kreuzbandriss genesenen Brügmann in die Anfangsformation gestellt und Banovic zum Anführer ernannt, obwohl der schon weiß, dass er in Halle keine Zukunft hat.

Und alles ist richtig - bis auf die Entscheidung, den für Furuholm eingewechselten Max Barnofsky nicht anstelle von Brügmann in die Abwehr, sondern auf die ungewohnte Position des Mittelfeld-Linksaußen zu stellen. Barnofsky müht sich hier nach Kräften. Doch er ist zu langsam, ihm fehlt der Blick für den anspielbaren Nebenmann und bei einem fast todsicheren Konter dann auch das Schussglück. Statt eines 2:0 gibt es eine straffe Fackel auf die Tribüne.

Halle bangt und hofft, fiebert und zittert sich so in die 90. Minute. Das Stadion, zuletzt noch ein Ort, der zu diesem Zeitpunkt regelmäßig von gellenden Pfiffen erfüllt war, steht wie ein Mann hinter einer Mannschaft, die endlich wieder wie eine auftritt. "Sieg!", schmettert es von den Traversen, während das Spiel noch läuft. Und so kommt es auch: Sieg, der erste daheim nach 62 trostlosen Tagen.

Jetzt kommt der Moment, in dem Sören Bertram seine Krücken wegwirft. Auch der HFC scheint seine erstmal los zu sein.







Hass-Klassiker: Hetze von Herrn Heine

Ein Klassiker, der Heinrich Heine nicht "Schmähkritik", sondern etwas freundlicher "Disputation" nannte. Das längliche Gedicht, enthalten in seiner letzten großen Gedichtsammlung, den "Romanzero", hatte der schon schwerkranke, an heftigen Schmerzen, Lähmungen und Sprachstörungen leidende Dichter 1849/50 seinem Sekretär Karl Hillebrand diktiert.

Die Erstauflage verkaufte in nur vier Monaten 20.000 Exemplare, obwohl Kritiker mit der Formulierung, Heine gebe in der "Disputation" seiner „Abneigung gegen die Priester jedwelcher Kirche Ausdruck“, sehr vorsichtig am Gegenstand vorbeischrammten. Heine hatte, so würden Anetta Kahane, Heiko Maas und die Meinungsfreiheitsschutzexperten vom Bundesblogampelamt im mecklenburgischen Warin gleichlautend urteilen, ein Hassgedicht geschrieben, das die religiösen Gefühle zahlloser Mitbürger aufs Gröblichste verletzt.

Heine, der seinerzeit straflos davon kam, ja, nicht einmal demonstrativ angeklagt wurde, um rein symbolisch ein Zeichen gegen Nachahmer zu setzen, müsste heute Anzeigen, mindestens eine Maischberger-Runde und eine eilige Gesetzesänderung durch das Bundeskabinett fürchten.

PPQ dokumentiert das derzeit noch zum deutschen Leitkulturerbe gehörenden Ausbruch an grober Verbalgewalt, zur Warnung für junge Dichter: So bitte nicht!


In der Aula zu Toledo
Klingen schmetternd die Fanfaren;
Zu dem geistlichen Turnei
Wallt das Volk in bunten Schaaren.


Das ist nicht ein weltlich Stechen,

Keine Eisenwaffe blitzet –
Eine Lanze ist das Wort,
Das scholastisch scharf gespitzet.

Nicht galante Paladins
Fechten hier, nicht Damendiener –Dieses Kampfes Ritter sind
Kapuziner und Rabbiner.

Statt des Helmes tragen sie
Schabbesdeckel und Kapuzen;


Scapulier und Arbekanfeß

Sind der Harnisch, drob sie trutzen.
Welches ist der wahre Gott?
Ist es der Hebräer starrer
Großer Eingott, dessen Kämpe

Rabbi Juda, der Navarrer?


Oder ist es der dreifalt’ge
Liebegott der Christianer,
Dessen Kämpe Frater Jose,
Gardian der Franziskaner?


Durch die Macht der Argumente,

Durch der Logik Kettenschlüsse
Und Citate von Autoren,
Die man anerkennen müsse,


Will ein jeder Kämpe seinen

Gegner ad absurdum führen

Und die wahre Göttlichkeit
Seines Gottes demonstriren.

Festgestellt ist: daß derjen’ge,
Der im Streit ward überwunden,

Seines Gegners Religion

Anzunehmen sei verbunden,

Daß der Jude sich der Taufe

Heil’gem Sacramente füge,
Und im Gegentheil der Christ

Der Beschneidung unterliege.


Jedem von den beiden Kämpen
Beigesellt sind elf Genossen,
Die zu theilen sein Geschick
Sind in Freud und Leid entschlossen.



Glaubenssicher sind die Mönche

Von des Gardians Geleitschaft,
Halten schon Weihwasserkübel
Für die Taufe in Bereitschaft,

Schwingen schon die Sprengelbesen

Und die blanken Räucherfässer –

Ihre Gegner unterdessen
Wetzen die Beschneidungsmesser.

Beide Rotten stehn schlagfertig
Vor den Schranken in dem Saale,

Und das Volk mit Ungeduld

Harret drängend der Signale.

Unterm güldnen Baldachin

Und umrauscht vom Hofgesinde
Sitzt der König und die Kön’gin;

Diese gleichet einem Kinde.


Ein französisch stumpfes Näschen,
Schalkheit kichert in den Mienen,
Doch bezaubernd sind des Mundes
Immer lächelnde Rubinen.

Schöne, flatterhafte Blume –

Daß sich ihrer Gott erbarme –
Von dem heitern Seine-Ufer
Wurde sie verpflanzt, die arme,

Hierher in den steifen Boden

Der hispanischen Grandezza;

Weiland hieß sie Blanch’ de Bourbon,
Donna Blanka heißt sie jetzo.

Pedro wird genannt der König,
Mit dem Zusatz der Grausame;
Aber heute, milden Sinnes,Ist er besser als sein Name.

Unterhält sich gut gelaunt

Mit des Hofes Edelleuten;
Auch den Juden und den Mohren

Sagt er viele Artigkeiten.


Diese Ritter ohne Vorhaut
Sind des Königs Lieblingsschranzen,
Sie befehl’gen seine Heere,
Sie verwalten die Finanzen.


Aber plötzlich Paukenschläge,

Und es melden die Trompeten,
Daß begonnen hat der Maulkampf,
Der Disput der zwei Athlethen.

Der Gardian der Franziskaner
Bricht hervor mit frommem Grimme;

Polternd roh und widrig greinend
Ist abwechselnd seine Stimme.

In des Vaters und des Sohnes
Und des heil’gen Geistes Namen

Exorziret er dem Rabbi,

Jakob’s maledeiten Samen.

Denn bei solchen Controversen

Sind oft Teufelchen verborgen
In dem Juden, die mit Scharfsinn,
Witz und Gründen ihn versorgen.

Nun die Teufel ausgetrieben
Durch die Macht des Exorzismus,
Kommt der Mönch auch zur Dogmatik,
Kugelt ab den Katechismus.
Er erzählt, daß in der GottheitDrei Personen sind enthalten,
Die jedoch zu einer einz’gen,
Wenn es passend, sich gestalten –

Ein Mysterium, das nur
Von Demjen’gen wird verstanden,

Der entsprungen ist dem Kerker
Der Vernunft und ihren Banden.

Er erzählt: wie Gott der Herr
Ward zu Bethlehem geboren

Von der Jungfrau, welche niemals

Ihre Jungferschaft verloren;

Wie der Herr der Welt gelegen

In der Krippe, und ein Kühlein
Und ein Oechslein bei ihm stunden,

Schier andächtig, zwei Rindviehlein.


Er erzählte: wie der Herr
Vor den Schergen des Herodes
Nach Aegypten floh, und später
Litt die herbe Pein des Todes

Unter Pontio Pilato,Der das Urtheil unterschrieben,
Von den harten Pharisäern,
Von den Juden angetrieben.

Er erzählte: wie der Herr,
Der entstiegen seinem Grabe
Schon am dritten Tag, gen HimmelSeinen Flug genommen habe;

Wie er aber, wenn es Zeit ist,
Wiederkehren auf die Erde
Und zu Josaphat die Todten

Und Lebend’gen richten werde.

„Zittert, Juden!“ rief der Mönch,

„Vor dem Gott, den ihr mit Hieben
Und mit Dornen habt gemartert

Den ihr in den Tod getrieben,


„Seine Mörder, Volk der Rachsucht,
Juden, das seid ihr gewesen –
Immer meuchelt ihr den Heiland,
Welcher kommt, euch zu erlösen.

„Judenvolk, du bist ein Aas,

Worin hausen die Dämonen;
Eure Leiber sind Kasernen
Für des Teufels Legionen.

„Thomas von Aquino sagt es,

Den man nennt den großen Ochsen

Der Gelehrsamkeit, er ist
Licht und Lust der Orthodoxen.

„Judenvolk, ihr seid Hyänen,
Wölfe, Schakals, die in Gräbern
Wühlen, um der Todten Leichnam’Blutfraßgierig aufzustöbern.


„Juden, Juden, ihr seid Säue,

Paviane, Nashornthiere,
Die man nennt Rhinozerosse,

Crocodile und Vampyre.


„Ihr seid Raben, Eulen, Uhus,
Fledermäuse, Wiedehöpfe,
Leichenhühner, Basilisken,
Galgenvögel, Nachtgeschöpfe.
„Ihr seid Vipern und Blindschleichen,Klapperschlangen, gift’ge Kröten,
Ottern, Nattern – Christus wird
Eu’r verfluchtes Haupt zertreten.

„Oder wollt ihr, Maledeiten,
Eure armen Seelen retten?

Aus der Bosheit Synagoge
Flüchtet nach den frommen Stätten,

„Nach der Liebe lichtem Dome,
Wo im benedeiten Becken
Euch der Quell der Gnade sprudelt –

Drin sollt ihr die Köpfe stecken –

„Wascht dort ab den alten Adam

Und die Laster, die ihn schwärzen;
Des verjährten Grolles Schimmel,

Wascht ihn ab von euren Herzen!


„Hört ihr nicht des Heilands Stimme?
Euren neuen Namen rief er –
Lauset euch an Christi Brust
Von der Sünde Ungeziefer!

„Unser Gott, der ist die Liebe,

Und er gleichet einem Lamme;
Um zu sühnen unsre Schuld
Starb er an des Kreuzes Stamme.

„Unser Gott, der ist die Liebe,
Jesus Christus ist sein Name;Seine Duldsamkeit und Demuth
Suchen wir stets nachzuahmen.

„Deshalb sind wir auch so sanft,
So leutselig, ruhig, milde,
Hadern niemals, nach des Lammes,

Des Versöhners, Musterbilde.

„Einst im Himmel werden wir

Ganz verklärt zu frommen Englein,
Und wir wandeln dort gottselig,
In den Händen Lilienstenglein.



„Statt der groben Kutten tragen
Wir die reinlichsten Gewänder
Von Moußlin, Brokat und Seide,
Goldne Troddeln, bunte Bänder.

(das geht noch zehn Minuten Lesezeit so weiter, gipfelt dann aber absehbar in nochmehr Hass - kompletter Text hier -

An die Stirn und spricht am Ende:
Welcher Recht hat, weiß ich nicht –
Doch es will mich schier bedünken,
Daß der Rabbi und der Mönch,
Daß sie alle beide stinken.



Kommando Freital: Böllerbomber in Unterwanderstiefeln

Überall vertreten: Der VS markiert auch den Dunkelwald in Dunkeldeutschland.
Von der NPD war die Rede! Immer nur von der NPD! Dass nun auch im gerade erst aufgeflogenen Böller-Killerkommando aus Freital ein V-Mann der Sicherheitsbehörden stecken soll, kommt da nicht allzu überraschend. Warum denn auch nicht? Ist doch nicht verboten. Und man muss schließlich auf die Leute aufpassen, die man eines Tages vielleicht noch einmal braucht.

Ein Witz war die hanebüchene Geschichte um die Kleinstadttruppe mit dem Polen-Böllern vom ersten Tag an. Sie wurde es umso mehr, als die Taz erste Hintergründe abseits der deutschlandweit zitierten Satzbausteine des Generalbundesanwalts enthüllte: Rico K., einer der Anführer der braunen Bande, ist von Beruf Früchteschnitzer. Ja, Früchteschnitzer. Eine Tätigkeit, zu der es im gesamten Internet nur knapp über 3.000 Einträge gibt. Der vergleichbar irrwitzige Begriff Kühlschrankheizung bringt nahezu zehnmal so viele Treffer.

Nun also gesellt sich zum Frugalkünstler ein Polizeiagent, von dem eine allen Ernstes "Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag" genannte Dame spontan annimmt, er werde den "Rechtsstaat auf den Kopf" stellen. Die Frau hat, kein Witz, früher hauptamtlich in der FDJ-Kreisleitung Leipzig-West gearbeitet.

Und nun beim Rechtsstaat also. Links, wo beinahe jede Nacht irgendwo in Deutschland Autos angezündet werden, um das Schweinesystem in die Knie zu zwingen, ist ja kein Staat mehr. Er hat sich ins Durchsichtige verkrümelt, um nicht immer gleich terroristische Vereinigungen sehen zu müssen, wo doch nur ein paar junge Leute ganz unorganisiert die Angehörigen einer ihnen fremden Religionsgemeinschaft angreifen.

Das wächst sich noch aus, das vergeht von selbst wieder. Und "Sprengstoffanschläge mit illegalen Böllern" (Tagesspiegel) haben die Jungs auf das Gemeindezentrum der Sikhs in Essen ja wirklich auch gar nicht verübt. Ihr "Sprengsatz" (Tagesspiegel), dessen Inhalkt und Funktionsweise nicht weiter erläutert wird, hatte auch nur "drei Personen verletzt", aber keine Fensterrahmen beschädigt. Das ist in keinem Fall ein Fall für den Generalbundesanwalt, der für "rechtsterroristische Vereinigungen" zuständig ist - "und falls es Tote oder Pogrome gibt" (Südwest-Presse).

Allerdings geht es immer noch schlimmer: In Helldeutschland sind jetzt erste Kotelett-Terroristen aufgetaucht.

Freitag, 22. April 2016

Prince: Überhöhung einer Kunstfigur

Wenn alle Nachrufe auf einen Künstlers auf ein 30 Jahre altes Lied als dessen Großtat verweisen, dann hat der viel zu früh Verstorbene irgendetwas in seiner Karriere richtig gemacht. Irgendetwas anderes aber auch sehr, sehr falsch. Prince Rogers Nelson, mit 57 Jahren unerwartet früh von der großen Bühne abgetreten, hatte drei Karrieren statt nur einer: Erst Superstar mit eben jenem "Purple Rain", das sich ebenso wie das gleichalte "Little Red Corvette" ins Gedächtnis einer ganzen Generation gebrannt hat. Dann Kämpfer für künstlerische Freiheit unter allerlei komischen Namen - "Der Künstler, der früher Prince war" oder "Symbol". Und schließlich wieder Prince, nicht ganz Queen und längst nicht Elvis. Und schon gar nicht noch bedeutsam für den Pop-Mainstream oder die Rockgeschichte.

Prince selbst hat das stets anders gesehen. Er fand sich brillant, seine zerschossenen Alben, die kaum noch jemand zur Kenntnis nahm, wegweisend. "Plectrum Electrum" nannte er eines, "Hitnrun" hieß ein anderes. Dessen mangelnden Einfallsreichtum glich Prince dadurch aus, dass er zwei Alben daraus machte. Niemand hörte dieses Zeug noch, niemand nahm den kleinen Mann mit dem großen Ego noch ernst. Verstiegen, hieß es, sei, was er tut, drogengeschwängert, Kunst nur als Kunstgründen, die Hallen nur füllte wegen "Purple Rain", diesem ewigen Gassenhauer mit dem unendlichen Intro.

Kommerziell erfolgreich war nichts mehr, was der kleine Mann mit der Turmfrisur und der Kleiderordnung eines arabischen Scheichs tat. Er ging nicht mehr auf Tour, er schaffte es nicht mehr in die Hitparaden. Erfolgreich war er nur noch, wenn er es auf eine ohnehin groß ausgeleuchtet Bühne schaffte - etwa beim Superbowl-Finale.

Der Verfall eines Talents, das - ähnlich wie Michael Jackson - seinen Traum von künstlerischer Bedeutung schon im Rausch des frühen Ruhms verloren hatte. Es passt in die Zeit, dass es nur die Kunstfigur ist, dieser alterslose Comicmensch in den kreischbunten Maßanzügen, den Prince aus sich gemacht hat, der alle Nachrufe gelten.


Zuhause im Hass: Eine Expedition nach Dunkeldeutschland

Bezeichnend für die Stimmung in der Region: Fremdenfeinde hängen Deutschland-Fahnen an ihre sanierungsbedürftigen Mietskasernen.
Was für ein Land, was für Unmenschen! Auch hier in Freital gilt das Grundgesetz, auch hier wäre es - zum Beispiel - verboten, einen ausländischen Staatschef "Ziegenficker" zu nennen, so lange keine Beweise für seine Vorliebe vorgelegt werden können. Und doch leben hier Reste einer Gesellschaftsordnung weiter, die die üblen Seiten der beiden deutschen Diktaturen mit deren übelsten Seiten kombinieren: Hass auf alles Fremde geht zusammen mit einer fetischistischen Heimatliebe, es wird getrunken und gegessen, als habe die Welt weder Hunger- noch Wasserversorgungsprobleme. Fluchtursachen sind den Einheimischen egal - dabei fliehen ihre Kinder in großer Zahl in die metrosexuellen Großstädte mit ihrem bunten, multikulturren Flair.

Was zurückbleibt, ist ein Gemenge aus Angehängten, Aufgegebenen, Kranken, Alten und Widerborstigen, die Importböller auf Ausländer werfen und ihre Häuser trotzig mit Deutschlandfahnen schmücken. Gerade das deutet bekanntermaßen auf eine verhärtete faschistische Gesinnung. Zusammen mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel hat PPQ eine Expedition in dieses dunkle Herz Deutschlands durchgeführt. Die dabei entstandene Reportage lesen Sie nachfolgend.

"Daheim" nennt dieser Hausbesitzer seine Kate.
Sachsen ist im deutschen Vergleich ein Notstandsgebiet. Von den Einwohnern, die zur Wendezeit hier ihr dasein fristeten, sind die meisten fortgegangen. Einige siund noch übrig, aber sie schleichen langsam über die mit Spenden aus dem Westen aufgehübschten Straßen. Noch sind es ein paar Hunderttausend, die im Süden von Dresden leben, in zehn Jahren werden es noch einmal viel weniger sein. Zehntausende Arbeitsplätze fielen dem Strukturwandel zum Opfer, keine Region Deutschlands hat es härter getroffen.

Von den Dagebliebenen, die sich bei "Penny" und "Netto" versorgen und ihr Bier jenseits der Grenze kaufen, weil es dort noch billiger ist, ist ein Viertel über 65 Jahre alt. Weggegangen sind die Jungen, Aktiven, die, die was mit Medien machen wollen, und vor allem die Frauen zwischen 18 und 30 Jahren. Dramatisch sind die daraus resultierenden Verwerfungen. Landkreise melden Frauendefizite von bis zu 20 Prozent. Das heißt: Junge Männer, hier oft stiernackig und mit einer Glatze, haben keine Chance auf Familiengründung. Eine ausgewogene Entwicklung im Sinne unserer Gesellschaft wird unmöglich. Wenn auch Wissenschaftler sagen, dass die ausfallende Fortpflanzung bei den Ungebildeten, nur für Hilfsarbeiten zu gebrauchenden Teilen der Bevölkerung in der Bergregionen letztlich zu mehr gesellschaftlichem Wohlstand führen wird.

Für die Unmenschen hier, die das Leben nicht anders kennen als fortdauernde Qual, Mühsal und gelegentlichen Vollrausch, ist es dennoch schwer. Ihre Perspektiven schwinden weiter: Das Geburtendefizit erreicht hier Spitzenstände, die benachbarten Pegida-demonstrationen schrecken Touristen ab. Gewalt gegen alles, was anders ist, macht die Suche nach investoren schwer. Der Wanderungssaldo hat einen negativen Wert. Der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss ist rekordverdächtig.

Die fortsetzungsfähige Elendsliste findet auf den schmalen Straßen in den Bergdörfern ihre reale Entsprechung. Zum Beispiel im Kirnitzschtal, einer völlig abgehängten Gegend zwischen Deutschland, Polen und der tschechischen Republik. An einem Mittag der vergangenen Woche, die GSG 9 ist gerade aus den nahegelegenen Freital abgerückt. Alte Frauen, den Einkaufsbeutel am Rollator, mühen sich Richtung Fleischereimobil, vorbei an Lücken, die eingefallene Altstadthäuschen hinterlassen haben, vorbei an vernagelten oder blinden Schaufenstern, die von gescheiterten Versuchen zur Existenzgründung künden. Häuser heißen hier "Daheim" oder "Mein" oder auch "Heimat". In ihnen wohnen AfD-Wähler, Fremdenfeinde und Schulabbrecher.

Eine Gruppe schwarzafrikanischer junger Männer macht den Rollatoren-Frauen Platz, die Frau, sie kennt es nicht anders, pöbelt die netten jungen Leute an. Einige deutsche Arbeitslose in der Nähe, wenig qualifiziert, ohne Frauen, das Mittagsbierchen in der Hand, beäugen die Situation misstrauisch und sprungbereit. Eine kleine Provokation bräcuhte es nur und sie würden von der Grünanlage, die Ein-Euro-Jobber nachlässig pflegen, herbeigelaufen kommen und gewalttätig werden.

In der Luft liegt Resignation. was sich noch bewegt, ist alt oder unqualifiziert, übergewichtig, fastfood-begeistert und darauf versessen, sich am Rande von Fußballspielen mit Gleichgesinnten zu prügeln. Die letzte Schule am Ort ist längst zu, die Einstellung der Bahnlinie Geschichte: Zum Facharzt oder einem Psychologen, der vielleicht helfen könnte, sind es 30 oder gar 50 Kilometer Anfahrt. Was sollen junge Männer machen, die ihre Fahrerlaubnis längst verloren haben und nicht mehr Auto fahren können? Oder die zu alt dazu sind?

Der Alltag hier im dunkelsten Winkel Dunkeldeutschlands ist in einem für Gäste, die aus ziviliserten Städten kommen, schwer vorstellbaren Maß beschwerlich. Es herrscht das Gefühl vor, man habe nichts mehr zu verlieren, selbst dann nicht, wenn man AfD wählt, bei den Fremdenfeinden von Pegida mitmarschiert oder Böller auf Asylbewerberheime wirft.

Dies sei, sagt ein junger Mann mit Glatze, der an einem Dönerimbiss sein Mittagessen aus Dürum und Tschechenbier verzehrt, unter diesen Umständen kein rechter, rassistischer Akt, sondern eine Botschaft des Protests gegen die Vernachlässigung, das Abgehängtsein. Die typische Opfermentalität der Jammerossis, die unter Luftabschluss aufblüht wie ein bösartiger Schimmel. Klar ist: Die Leute wollen ernst genommen werden, auch wenn es für niemanden auf der ganzen Welt einen Grund gibt, sie ernst zu nehmen.

Es fehlt an allem: Wohnkultur, Bildung und Außendämmung der Häuser.

Donnerstag, 21. April 2016

Erstmals mit Riesenbomber B-52 gegen Fluchtursachen

Der Kampf gegen Fluchtursachen, da ist sich die Bundesregierung einig, ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit. Um hier endlich spürbar voranzukommen, hat die US-Luftwaffe, die in Syrien und im Irak kämpft, jetzt erstmals den schweren Langstreckenbomber gegen Fluchtursachen eingesetzt.


Die aus dem Vietnamkrieg bekannten Maschinen wurden nach US-Armeeangaben ausschliesslich für «Präzisionsangriffe» gegen Fluchtursachen eingesetzt - anders als im Vietnamkrieg, als die B-52 für Flächenbombardements zum Einsatz kam und deswegen zum Symbol des Machtanspruchs der USA im Kalten Krieg geworden war. «Im kollektiven Gedächtnis gibt es Erinnerungen an die B-52, wie sie vor Jahrzehnten wahllos Angriffe flog», räumte Luftwaffensprecher Steve Warren ein. «Diese Tage sind lange vorbei», beteuerte er. «Die B-52 ist heute eine Plattform für präzise Angriffe, bei denen ausschließlich Fluchtursachen zu Schaden kommen.»

Die USA führen seit August 2014 eine internationale Luftwaffenkampagne gegen die berüchtigten Fluchtursachen in Syrien und im Irak. Unter dem Motto "Shock and Awe" sollten erst kleinere B-1-Bomber dafür sorgen, dass Fluchtursachen bekämpft und Nachbarländer stabilisiert werden. Die B-52-Grossflugzeuge, die die B-1-Bomber jetzt ablösen, können das noch gezielter und treffsicherer tun, auch dank deutscher Unterstützung: Deutsche Tornado-Jets fliegen im Kampf gegen die Fluchtursachen bereits seit Monaten Aufklärungsmissionen.

Nur Menschen, die in sicheren Herkunftsstaaten politisch verfolgt werden, dürfen nach internationalem Recht unmenschlich behandelt und sogar erniedrigend bestraft werden, so die Definition, die sich aus Paragraph 29a im Asylgesetz und Artikel 16a im deutschen Grundgesetz ergibt. In Deutschland gelten derzeit die Mitgliedstaaten der Europäischen Union als sicher sowie Bosnien und Herzegowina, Ghana, Mazedonien, Senegal und Serbien. Im Oktober 2015 wurden außerdem Albanien, Montenegro und Kosovo als sichere Herkunftsstaaten in die deutsche Liste aufgenommen.



Mordkommando Freital: Wenn aus Blitzknallern ein Blitzkrieg wird

Schwächelt zuletzt: Der Rechtsterrorismus.
Es geht um Symbole, immer. Wenn die Kanzlerin einem Flüchtlingsmädchen den Kopf tätschelt. Wenn der Innenminister mit sorgenvoller Miene sagt, über manches könne er nicht sprechen. Wenn der EU-Parlamentspräsident vor einem zerbrechenden Europas warnt. Symbole, Symbole, Symbole. Und nun auch in Freital, wie die bemerkt.

Der Fall einer böllerwerfenden Nazi-Gang muss geradezu „zum Symbol für den Kampf gegen Rechtsterrorismus werden“. Weil der in den bewegten Zeiten von Flüchtlingskrise, Europaschwäche und Finanzdesaster nicht mehr die bedeutungsvolle und konsenshygienisch wichtige Rolle spielt, für die er in vergangenen Zeiten oft so wichtig war.

Symbole also, im Normalfall hergestellt, in dem irgendwer irgendwo ein sogenanntes „Zeichen“ für oder gegen irgendwen setzt. Mit Kerzen, gern auch mit einer Gratisunterschrift. Der Aufstand der Anständigen aber verebbt meist schon nach Stunden. Zu viel anderes zu tun. Zu unwichtig. Man hat auch nur zwei Hände.

Deshalb gilt der Aufstand der Zuständigen als legitimer Ersatz, symbolisch völlig in Ordnung. Leise Zweifel daran, ob ein Arbeitseinsatz der GSG 9 mit 200 Fachkräften gegen ein fünfköpfiges Kommando von Böllerwerfern nicht vielleicht leicht übertrieben ist, werden wegsymbolisiert. Ja, es sind nur Blitzknaller. Aber wie schnell werden aus Blitzknallern Blitzkriege?

Niemand weiß es genau, aber genau darin liegt – symbolisch gesehen – die Gefahr. Eine Radikalisierung im Zeitraffer, wie sie große Nachrichtenfabriken mangels Fakten imaginieren, macht aus einem Böllerwurf die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und versuchten Mord.

Aus den drei Böllerwürfen vom Herbst lesen die Ermittler heute „belastbare Anhaltspunkte für terroristische Strukturen“. Zwar hat die braune RAF keinen Namen, so dass die Behörden sie erst selbst auf „Gruppe Freital“ taufen mussten. Doch die Ermittlungsakte hat schon „mehr als 7 000 Seiten, darunter auch Chat-Protokolle, in denen verabredet wird, wer die Sprengsätze besorgt“ (SZ).

„Sprengsätze“ ist symbolisch. Gemeint sind Silvesterknaller, wie sie im Ausland zugelassen, in Deutschland aber verboten sind. Offene Grenzen? Nicht in diesem Fall! Deutschland braucht eine Sprengstoff-Obergrenze!

Denn diese „Polen-Böller“, wie sie der „Spiegel“ unabhängig vom produktions- oder Einkaufstandort in einem symbolischen Akt pauschaler Schuldzuschreibung nennt, enthalten bis zu sechs Gramm Sprengstoff und sie können deshalb „wie eine Handgranate explodieren“ (Spiegel).

Wie eine ganz, ganz, ganz kleine allerdings nur: Echte Handgranaten enthalten 20 mal so viel Explosivstoff.

Aber symbolisch gesehen ist das völlig egal.