Mittwoch, 30. Dezember 2009

Zwei Grad Köhler

Kurz vor dem Ende eines klimapolitisch erfolgreichen Jahres hat sich Bundespräsident Horst Köhler an die Spitze der Bemühungen von Staatsmännern aus aller Welt gestellt, das Zwei-Grad-Klimaziel doch noch zu erreichen. In seiner traditionellen Silvesteransprache stellte das deutsche Staatsoberhaupt den Bürgern den ersten eigenen Klimaplan eines Bundespräsidenten vor. Mit seiner sogenannten Köhler-Initiative will der frühere Weltbanker jeden Bürger zum Klimaretter machen.

"Wenn wir unser großes Ziel erreichen wollen, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen", sagte Köhler, "dann brauchen wir eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, an der alle mitwirken". Es gehe darum, mit vielen kleinen Opfern die Rettung der Erde, die wir nur von unseren Enkeln geborgt hätten, zu erreichen. Dazu sei es notwendig, dass jederman und jede Frau ihren Beitrag leiste. "Meine lieben Mitbürger", sagte Köhler, "ich fordere von uns allen eine große Anstrengung, die uns allen hilft".


Seinen Plänen nach solle jeder Deutsche vom Neujahrstag an damit beginnen, die Temperatur in seinen Wohnräumen um die magischen zwei Grad abzusenken, um die es im Klimakampf gehe. Er wisse, dass er damit viel von jedem einzelnen verlange, "weil zwei Grad weniger für viele heißen wird, dass Frieren in ihren Alltag zurückkehrt". Das große Ziel aber sei den Einsatz wert. Deshalb wolle er mit gutem Beispiel vorangehen. "Ich habe soeben angewiesen", sagte Köhler, "die Heizungen hier im Schloß Bellevue auf 16 Grad herunterzudrehen." Alle Mitarbeiter im Bundespräsidialamt seien gehalten, sich warme Pullover anzuziehen, er selbst habe sich bereits einen kuscheligen Norwegerpulli mit der Brustaufschrift "Zwei Grad Köhler" bei einem tibetischen Gebetsschalschneider in Kathmandu bestellt. "Ihnen, meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, rate ich auch zu einer solchen Bestellung", rief Köhler sichtlich bewegt.

Samstag, 26. Dezember 2009

Aber bitte mit Sahne

Wer hat es gesagt?

»… die rechte Gefahr stellt eine ernste Gefahr in unserer Partei dar, denn sie wurzelt in den sozialen und ökonomischen Verhältnissen unseres Landes; die Gefahr der rechten Abweichung wird durch das Bestehen von Schwierigkeiten vergrößert, die nicht überwunden werden können, ohne daß die rechte Abweichung und das Versöhnlertum ihr gegenüber überwunden werden …«

Freitag, 25. Dezember 2009

Die Liebe zum Landfilm

Seinerzeit lief das so mit dem Kino: Der Landfilmvorführer kam mit seiner Landfilmvorführmaschine in die ländlichen Lokale, draußen, wo die Genossen Genossenschaftsbauern und Meliorateure dafür sorgten, dass jeder Sack Weizen zum Schlag ins Gesicht des Klassenfeindes wurde. Der Landfilmmann brachte Kultur aufs Dorf, im großen Saal der "Linde" und der "Friedenstaube" wurde Meisterwerke wie "Fanfan der Husar" oder "Hauptmann Florian von der Mühle" gezeigt. Der Fortschritt bekam ein Gesicht, die große Welt war zu Gast in der kleinen, wenn Gérard Philipe und Gina Lollobrigida nach Langeneichstedt, Göttnitz und Zellewitz kamen.

Die Logistik dafür war ausgeklügelt, denn die Massen sollten einerseits massenhaft die Chance haben, der Massenkunst im abgedunkelten Kneipensaal zu huldigen. Andererseits hatte der Landfilm, nach dem Gesetz "zur Entwicklung einer fortschrittlichen demokratischen Kultur des deutschen Volkes und zur weiteren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Intelligenz" vom März 1950 eine "selbständige Einrichtung zur Bildung des Lichtspielwesens als Teilsystem des Filmwesens" nicht genug Kopien zur Verfügung, um all unsere Menschen mit fortschrittlichem Celluloid zu füttern.

Weil die transportablen 35-Millimeter-Filmkofferanlagen da waren, die Filmrollen aber nicht, mussten radelnde Boten einspringen. In Ort A begann "Fanfan der Husar" deshalb um 19 Uhr zu fechten, in Ort B hingegen erst um 20 Uhr. Waren die ersten von durchschnittlich zehn Rollen pro Film in Ort A abgelaufen, fuhr ein Fahrradbote das Filmmaterial zum wartenden Landfilmkinopublikum in der Kneipe von B. Das wiederholte sich in der Folge so oft, bis alle Filmteile in beiden Kinos gezeigt waren.

Manchmal kam es dabei natürlich in den B-Orten zu Verzögerungen, die vom Filmvorführer überspielt werden mussten. Eines schönen Kinoabends, als die nächste Rolle des aufrüttelnden sowjetischen Klassikers "Es blinkt ein einsam Segel" partout nicht eintreffen wollte, begann der Landfilmmann ersatzhalber, seinem langsam unruhig werdenden Publikum die Handlung des ebenfalls im Sowjet-Hollywood verfilmten Jules-Verne-Romans "Ein Kapitän von 15 Jahren" zu erzählen, in der es den sowjetischen Filmschaffenden sogar gelungen war, Schwarzafrikaner von Schwarzafrikanern spielen zu lassen, ohne dass klar wurde, wo diese hatten verpflichtet werden können. Unglücklicherweise traf der Fahrradbote mit den fehlenden Rollen des "Segel"-Filmes auch noch ein, ehe der Kinonacherzähler beim Happy End angelangt war. Da der fünfzehnjährige Kapitän den Sprung ins Landfilmprogramm später nie schaffte, ist den Kinogängern von damals bis heute unklar geblieben, wie die spannende Reise der "Pilgrim" endet. Muss man nun bei Youtube nachschauen:

Alle Jahre wieder III

Der Papst hat diesmal eine riesige Überraschung parat.

Another Man´s Gone


Mit fünf die ersten Songs geschrieben, mit 19 besoffen in ein Auto gerannt, mit 20 gelähmt und mit 26 von REM-Sänger Michael Stipe entdeckt. Seitdem hatte Vic Chesnutt seine Depressionen auf unzähligen Alben vertont, REM, die Smashing Pumpkins, Madonna und die Indigo Girls sangen seine Lieder, während er selbst ein Kauz blieb, der in seiner Indieecke näselte "My Name is Judas Iscariot".

Am Heiligabend hatte Chesnutt offenbar genug von seiner Rolle - nach einem Selbstmordversuch fiel Vic Chesnutt ins Koma, wenig später hieß es, der 45-Jähige sei gestorben. Sein letztes Album At the Cut steht bei Amazon derzeit auf einem dem Anlaß angemessenen traurigen Platz 11449.

Inzwichen allerdings ist der Tod des Künstlers dementiert, Chesnutt liege weiterhin im Koma, hat seine Plattenfirma klargestellt, die dann wenig später allerdings doch bestätigen musste, dass Chesnutt tot ist. Der Anerkennung des großen Songschreibers bei Massenpublikum hilft das nicht viel weiter - nach einem kurzn Sprung auf Platz 2400 steht "At the Cut" mittlerweile wieder auf Platz 3031.

Im Kampf für die neue Klimaordnung

Es ist das beliebteste Lexikon der Welt, der Ort, den jeder aufsucht, wenn es ihn nach Wissen dürstet. Die Realität ist, wie sie Wikipedia beschreibt: Todestage und Geburtsagsfeiern werden nach dem Wiki-Kalender begangen, Nachrichtenagenturen schreiben hier Charakterzüge Prominenter ab, Historiker entnehmen der Datenbank die Darstellung ganzer Revolutionen.

Umso wichtige ist es, dass alles stimmt, was im großen Online-Lexikon steht, das weiß auch William Connolley, ein englischer Wissenschaftler und Umweltkämpfer, der vor allem die mittelalterliche Warmzeit als Störfaktor betrachtet, wenn es zu belegen gilt, dass es der Mensch mit seiner Industrie geschafft hat, die Welt heute mehr aufzuheizen als jemals zuvor in der Geschichte. Denn wenn es vor tausend Jahren wärmer gewesen wäre als heute, unterminierte das die gesamte Botschaft vom menschengemachten Klimawandel.

Wie Lawrence Solomon auf Nationalpost beschreibt, begann der stille Klimaschützer Connoley deshalb vor sechs Jahren, das Thema Klimaerwärmung auf Wikipedia zu seiner Lebensaufgabe zu machen. Seitdem ist es Connolley nach Solomons Zählung gelungen, 5428 Wikipedia-Artikel zum Thema umzuschreiben, zu löschen oder neu zu erstellen. "Er begann im Februar 2003, die Kleine Eiszeit auszulöschen, im August folgte die Mittelalterliche Warmzeit, im Oktober widmete er seine Aufmerksamkeit der Hockeystick-Grafik", rekapituliert Solomon. Seitdem habe Connolley Artikel zur Klimapolitik und zu Klimaskeptikern umgeschrieben und immer, wenn ihm ein bestehender Beitrag nicht gefallen habe, sei er von ihm gelöscht worden: Mehr als 500 mal traf sein Bann einen Artikel, mehr als 2000 mal sperrte er andere Autoren. "Auf diese Art", schreibt Solomon, "machte ein Mann aus Wikipedia ein Propagandainstrument der Global-Warming-Bewegung".

Brennende Fragen im Lichterglanz

Die Welt macht Pause, abgesehen von ein paar dschihadistischen Befreiungskämpfern und tibetischen Unabhängigkeitsmönchen kuschelt die ganze Welt unterm Weihnachtsbaum. Die ganze Welt? Beileibe nicht. Hier und da wird auch in die Saiten gegriffen, um das große Fest mit ergreifenden Geräuschen zu schmücken: Die Formation In Memorial intoniert im Kerzenschimmer die ewig junge Frage des Helden an seine Frau, die vielleicht auch seine Ex ist, auf jeden Fall aber die Ex ihres Ex: "Where do you sleep last night?"

Der anno 1888 als Hudson "Huddie" William Ledbetter in Louisiana geborene Leadbelly, eine Art Bob Dylan der Jahre, als es Bob Dylan noch nicht mal als Entwurf der Plattenindustrie gab, hatte sich den schönen Ritt auf E-Moll, A, G und B einst ausgedacht, wenig später wurde der gerade eine 30-jährige Haftstrafe wegen Mordes absitzende Künstler begnadigt und von der Intellektuellenszene New Yorks adoptiert.

Der große Erfolg kam allerdings erst postum: Als Kurt Cobains Band Nirvana ihr MTV-unplugged-Konzert mit einer beseelt gekrähten Version von "Where do you sleep last night" krönten, war der Mann, der das Lied aus Resten der Volksweise "In the pines" geschneidert hatte, schon 44 Jahre tot. Bis zur Wiederaufführung des gecoverten Covers als Cover dauerte es dann nur 15 Jahre - die Antwort bleibt weiterhin aus, der Grusel aber frisch:

Her husband, was a hard working man
Just about a mile from here
His head was found in a driving wheel
But his body never was found

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Alle Jahre wieder II

Auch die deutschen Kirchenfürsten lassen es nicht an Courage mangeln: "In zahlreichen Interviews habe katholische und evangelische Bischöfe an Heiligabend zu mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft aufgerufen." Das haben sie zwar auch vergangenes Jahr und die gefühlten 100 Jahre vorher getan - but who cares? Zusammenhalt geht immer, verpflichtet zu nichts und hört sich in seiner ganzen Substanzlosigkeit doch zumindest nach einer Art Substanzsurrogat an. "Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch,", ein offenbar besonders findiger und fantasievoller Mann, "bezeichnete Weihnachten als Ansporn zum Einsatz für andere und die Gesellschaft." Holla, Weihnachten scheint gar kein Fest von Egoismus und Selbstbezogenheit zu sein, sondern die Tugend der Großzügigkeit zu fördern. Na, wer sagt es denn: "Weihnachten sprengt das kleinliche Aufrechnen und fördert die Tugend der Großzügigkeit", schreibt der Freiburger Erzbischof in der Tageszeitung "Die Welt". Vielleicht ermuntert das Fest der Liebe sogar zu einer Politik aus dem Geist der Menschenachtung bis hinein in die globalen Verantwortungszusammenhänge? Na klar: "Das Fest der Liebe Gottes zu den Menschen ermuntere aber auch zu einer Politik aus dem Geist der Menschenachtung bis hinein in die globalen Verantwortungszusammenhänge, betonte er unter Verweis auf die Klima- und Umweltproblematik." Sollten wir eventuell darüber hinaus nachdenken, was im Leben wirklich wichtig ist? Auch das: "In einem Gastbeitrag für die „Mittelbadische Presse“ betonte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, gerade die Wirtschaftskrise lasse neu darüber nachdenken, was im Leben wirklich wichtig sei." Jetzt fehlen nur noch kleine Gesten der Menschenfreundlichkeit und Güte. Und da sind sie auch schon: "Kleine Gesten der Menschenfreundlichkeit und Güte, etwa in Partnerschaft, Familie oder am Arbeitsplatz, könnten in die Gesellschaft hineinstrahlen, so Zollitsch."

Auch "die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann," wagt sich weit nach vorn. Der Ethik des "Immer mehr" stellt sie eine "Ethik des „Genug“" gegenüber. Da will der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst nicht hintan stehen und entdeckt doch glatt die "Sehnsucht nach unzerstörbarem Frieden". Fürst stellt sich somit gegen den Mainstream, der bisher und immerdar die "Sehnsucht nach einem zerstörbaren Krieg" forderte. Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen prangert hingegen an. Und zwar die "elementare Gottvergessenheit", die nicht zu verwechseln ist mit dem "Reden von Gott", das doch "immer mehr aus der Öffentlichkeit zu verschwinden" drohe.

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann kann sich angesichts dieser unumstößlichen Wahrheiten nur noch in noch unumstößlichere Wahrheiten retten: "Jesus bekommt die volle Realität der Welt zu spüren." Denn: "Hinter der Krippe wird schon das Kreuz sichtbar." Von dort aus erblickt der Trierer Bischof Stephan Ackermann nicht etwa "eine naiv-heile Welt". Nein. Er sieht "die Hoffnung auf eine geheilte Welt". Denn "Krippen sind Gegenbilder zur Alltagswelt, die schon wegen der Dauerkonflikte in Afghanistan, im Irak und im Heiligen Land oder wegen der weltweiten Finanzkrise ungeordnet bleibe", so Ackermann.

Amen.

Alle Jahre wieder

Ja, da gehört wirklich richtig Mut dazu! Bundespräsident Horst Köhler wird in seiner morgen Abend ausgestrahlten sogenannten "Weihnachtsansprache" starke Geschütze aufführen, wie die staatliche Nachrichtenagentur dpa brühwarm und im O-Ton erfahren hat. Köhler werde "die Finanzbranche" kritisieren und "die Verantwortlichen der Finanzkrise zur "Einkehr" aufrufen", heißt es. Außerdem analysiere der ehemalige Banker auf die Schnelle, wie es zum Beinahe-Zusammenbruch kommen konnte: "Die Maßlosigkeit der Finanzakteure und Mängel in der staatlichen Aufsicht hätten die Welt in eine tiefe Krise gestürzt".

Kein Grund für den Bundespräsidenten, sich nicht auch weiter an das Redemanuskript des vergangenen Jahres zu halten. Die Krise sei "eine Chance für eine bessere Ordnung von Wirtschaft und Finanzen, in der das Kapital allen zu Diensten ist und sich niemand davon beherrscht fühlen muss", sagte er damals, morgen lautet die entsprechende Passage nach dpa: "Notwendig sei die Einsicht, dass Geld den Menschen dienen müsse und sie nicht beherrschen dürfe."

Das ist doch mal ein Wort - gestern gut, heute gut und morgen erst! Keine Zeitung im Land, die die Wiederaufführung des Weihnachtsmärchens im Schloß Bellevue nicht schon vorab mit aufsehenerregenden Schlagzeilen feiert. "Köhler fordert "Kultur der Achtsamkeit" heißt es aufrüttelnd, er "kritisiere die Finanzbranche" und "redet Banken ins Gewissen"

Dabei hatte er doch letztes Jahr noch "Zuversicht, dass wir die Herausforderung meistern werden", weil "unser Land, seine Bürger und die Politik klug und besonnen reagiert" haben. Damals musste sich seiner Ansicht nach "entsprechend verhalten, wer Verantwortung trägt und Rechenschaft schuldet", denn das Land brauche "Achtsamkeit für das Gemeinwohl", außerdem auch "Anstand, Bescheidenheit und Maß".

Ein Pferd, das sich auch in diesem Jahr nochmal für einen schönen Ausritt satteln lässt: Diesmal wird eine Kulisse vom "Amoklauf in Winnenden" (dpa) hereingeschoben, vor der Köhler dann gleich eine ganze "Kultur der Achtsamkeit" anmahnen wird, die nicht mit der "Kultur des Hinschauens" verwechselt werden darf, die seinerzeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder begründet, aber häufig mit der "Kultur des Zuguckens" durcheinandergebracht wurde.

Taten wie diese seien eine Aufforderung, "nachzudenken über uns selbst und wie wir zusammenleben". Denn wie sagte Köhler im vergangenen Jahr: "Wir haben ein gutes Fundament. Die Reformen der vergangenen Jahre und die neue Bereitschaft zum Miteinander in den Betrieben haben uns gestärkt für die Aufgaben, die vor uns liegen. Ich bin froh über den Ideenreichtum, die Tatkraft und die Gelassenheit, die ich überall im Lande erlebe. Wir sind gewappnet durch die vielen tüchtigen Menschen, die unsere Gemeinschaft tragen: gut ausgebildete, motivierte Arbeitnehmer, ideenreiche, mutige Unternehmer und Millionen von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die gestalten und anpacken und füreinander einstehen".

Die Weihnachtsansprache wird wie immer am 25. Dezember, diesmal des Jahres 2009, um 20.10 Uhr im ARD ausgestrahlt. Sie endet wie stets mit den Worten "Meine Frau und ich wünschen Ihnen und allen, die Ihnen am Herzen liegen, alles Gute - und in diesen Tagen, wie es in dem alten Lied heißt, eine fröhliche, selige, Gnaden bringende Weihnachtszeit."

Die traditionelle Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahr 2012 gibt es vorab schon hier:

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Die kriegen alles raus - und es funktioniert





Jeder Frost ist anders

Das Wetter ist wieder einmal schuld. Aber nicht das Wetter allgemein, sondern diesmal ist es die sibirische Kälte. Nachdem bei der Bahn Züge reihenweise ausgefallen waren, auf der Strecke Berlin-München verkehren derzeit nur die Hälfte aller Züge, äußerten sich die kompetenten Bahnsprecher zu den Ursachen. Allen voran der für Sachsen-Anhalt zuständige Jörg Böhnisch: "Die Fahrzeuge sind nicht so gebaut, dass sie diesen sibirischen Temperaturen standhalten." (Durchschnitts-Temperatur am Mittwoch in Deutschland: 2 Grad).
Ein anderer ergänzte: "Das ist passiert, weil dieser trockene Pulverschnee durch die Lüftungsfitter flutscht und dabei die elektrischen Bauteile in Mitleidenschaft ziehen kann." Ah, ja. Da wären wir also wieder, wie in tief verschneiten DDR-Zeiten, bei den vier Feinden der Bahn: Frühling, Sommer, Herbst und im Besonderen der Winter. Und der kommt ja bekanntlich jedes Jahr früher oder später, wärmer oder kälter daher. Das weiß inzwischen auch die Bahn. "Jeder Frost ist anders", war die Begründung eines dritten Sprechers der Deutschen Schönwetterbahn.

Allianz der Willigen

Nach der erfolgreichen Rettung des Weltklimas im dänischen Hopenhagen, wo die rund 15.000 Führer der Welt lecker Dattelkuchen gegessen und sich darauf geeinigt hatten, sich in Bälde auf die Beibehaltung der Erdtemperatur für die kommenden 2,5 Milliarden Jahre einigen zu wollen, bleibt die EU hautnah am Thema dran. Vor der nächsten Mammut-Konferenz, die das Welt-Standardwetter bis zum Ablauf der Lebensdauer des Planeten festzurren soll, sucht Europa nach Verbündeten im Klimakampf.

Bei einem Treffen am Dienstag in Brüssel einigten sich die europäischen Umweltminister darauf, vor den anstehenden UN-Klimakonferenzen im Juni in Bonn und Ende November in Mexiko eine "Allianz der Willigen" aus klimabewussten Staaten wie Japan oder Australien zu schmieden. Beide Länder waren schon in der letzten "Allianz der Willigen" vertreten, die seinerzeit erfolgreich im Irak einmarschiert war, um dort nach Atomwaffen zu suchen. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen, der jetzt offenbar anstelle von Sigmar Gabriel Umweltminister ist, umriß die Absichten der Regierung gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur dpa mit dem nebligen Satz «Wir müssen Verbündete finden, die die nächsten Konferenzen gemeinsam mit uns beschreiten.»

Leider gebe es zu Verhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen sieht keine Alternative, da einige der Klimasünderländer über größere Armeen verfügten als sie Europa aufbieten könne. Trotz veralteter Bewaffnung und dem etwa in der Bundeswehr geltenden Verbot, bei Kriegshandlungen Waffen einzusetzen, wies Röttgen darauf hin, dass Europa künftig "mehr Druck" etwa auf die USA oder China ausüben werde. Die beiden Welthauptverschmutzer könnten sich schon einmal warm anziehen.

Dienstag, 22. Dezember 2009

Trotz Verbot nicht tot

Zweieinhalb Jahre nach dem Verbot von sogenannten Flatrate-Partys durch den Bund-Länder-Ausschuss haben sich Gastronomen aus der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt Magdeburg jetzt freiwillig bereit erklärt, auf Flatrate-Angebote zu verzichten, bei denen Gäste nach der Zahlung eines Pauschalbetrages unbegrenzt trinken dürfen.

Unter dem jugendgemäß-flotten Motto «Pro Party - Contra Flatrate» wollen zwölf Diskotheken- und Gaststättenbetreiber sich mit einem Gütesiegel dazu bekennen, keine der Partys zu veranstalten, die im Sommer 2007 durch das Bundeswirtschaftsministerium für "rechtlich nicht zulässig" erklärt worden waren. Seitdem muss mit dem Entzug der Gaststättenerlaubnis rechnen, wer dennoch Flatrate-Angebote macht.

In Halle, der anderen großen Stadt des westlichsten der östlichen Bundesländer, wird der neu strukturierte Präventionsrat im Januar beraten, ob auch die Gastronomen an der Saale sich freiwillig bereit erklären werden, das Flatrate-Verbot umzusetzen. Im Laufe des kommenden Jahres sei dann geplant, Autofahrer mit einem Gütesiegel auszuzeichnen, die freiwillig darauf verzichten, Ampeln bei Rot zu überfahren. Ebenso will eine Initiative von Bankkunden dazu aufrufen, freiwillig Geld nur mit der Geldkarte, nicht aber mit Waffengewalt abzuheben. Wer sich beteilige, bekomme ein von ortsansässigen Künstlern gestaltetes Gütesiegel (im Bild oben), das "sehr hübsch" aussehen, wie es aus dem Vorbereitungskreis hieß.

Pakistan, geh´ Du voran: Endgeiles für Ewiggestrige

Rechtsfrei, bis ins Letzte überwacht, voller Spammer, Kinderpornofilmer, Holzlatschfetischisten und illegaler Downloader dunkeldeutscher Weltkriegsphantasien - so kennen und so fürchten wir das weltweite Datennetz, das Helmut Kohl, der Vorsitzende der CDU, und Christian Schwarz-Schilling, Besitzer einer Batterienfabrik, seinerzeit aus dem frisch wiedervereinigten deutschen Boden stampften, um die Arbeitslosenquote bei beherrschbaren zehn Prozent zu halten.

Nazam Baig war damals noch ein samtäugiger kleiner Junge, seine Firma Cat King Embroidery noch nicht einmal gegründet. Aber kaum werden Schwarz-Schilling teuer vergrabene Glasfaserkabel aus der Erde gerissen, tröstet die pakistanische Modeschmiede uns per elektrischer Postwurfsendung: Alle Irrtümer kehren später als irrer Kult wieder, sogar "WWII Reproduction Afrikan Tropical Boots" (Baig), die aussehen, als könne man in ihnen genauso prima laufen wie in Eimern mit langsam antrocknendem Beton.

Cat King Embroidery kann sie liefern, sogar "in Any Sizes and Colours", obwohl der betreffende Krieg ja doch inzwischen vorüber ist, von einigen Nachhutgefechten abgesehen, die der n-tv-Moderator Adolf Hitler, der ZDF-Geschichtsoberbefehlshaber Guido Knopp und der nach dem Vorbild der PDS-Linken in FSB umbenannte sowjetische Geheimdienst KGB untereinander führen.

Das Angebot der strenggläubigen Pakistani ist aber noch breiter und es reicht weit über Zellstoff-Schuhe für Hühneraugenfetischisten hinaus. Hier kann alles bestellt werden, was des Ewiggestrigen Herz begehrt, von "Helmets" und "WWII Caps" bis zu "Dienstgradabzeichen Sturmmann" und kompletten Uniformen. Für die Schlachtpausen hält eine Unterabteilung Fußbälle bereit, wie sie die Großväter noch nicht kannten. Alle sind einzeln von Kindern handgenäht und damit ein Schmuck für jeden öden deutschen Gabentisch. Allerdings heißt es nun schnell bestellen, denn das Kommando Spezialkräfte ist sicher schon unterwegs ins idyllische Sialkot.

The Economist, 17. Dezember: Alles schon einmal dagewesen

Vieles, was gerade zum Verhältnis von Internet und Zeitung diskutiert wird, war, wie der Economist in einem langen Artikel plausibel macht, schon einmal da. Bei der Einführung des Telegrafen nämlich: "Erstmals wurde es dadurch möglich, aktuelle Wirtschafts- und politische Nachrichten innerhalb von Stunden nach dem Ereignis zu lesen. ,Wir leben in einer Übergangs-Periode unserer Gesellschaft', erklärte der New York Herald am 7. Mai 1846... Voraussagen, dass Zeitungen von da an Analyse und Meinung der reinen Nachricht vorziehen würden, lagen freilich ganz falsch. Im Gegenteil wurde es immer wichtiger, die Nachricht als erster zu haben. Im Jahr 1851 berichtete Horace Greeley, Chefredakteur der New York Tribune, einem Ausschuss des britischen Parlaments, dass ,die Nachricht, die zuerst da ist, am meisten Beachtung findet...' In einem Artikel des Atlantic Monthly klagte der Journalist W. J. Stillman: ,Die rasende Geschwindigkeit, mit der wir darum kämpfen, jede Meldung als erste zu haben, führt zur Abschaffung abwägenden Urteilens. Wir finden keine Zeit mehr, unter die Oberfläche zu gelangen, und haben auch gar nicht mehr das Verlangen danach.'"

Unsere Welt soll schöner werden

Wegen akuter Debatten-Debatte um Klima, Kundus, Haushalt, Steuern, Google und den anderen Kram kommt jetzt einfach mal was Schönes.

Lexikon des unnützen Wissens II

Das meiste Wissen dieser Welt wird trotz Google oder gerade deshalb immer noch auf Seiten gedruckt, die dann zu Büchern gebunden werden. Eines, auf das sicher viele ppq-Leser schon lang gewartet haben, habe ich beim Quintessenz Verlag entdeckt. Für nur 148 Euro (128 Euro bei Vorbestellung) bekommt man dort das Werk "Craniomandibuläre Dysfunktion". Na? Zuviel versprochen? Für alle, die nicht wissen, worum es geht, die Beschreibung des Verlages: Das neue Verständnis der craniomandibulären Dysfunktion und ihrer umfassend interdisziplinären Therapie unterscheidet das vorliegende Werk von früheren Veröffentlichungen über mechanisch gesehene zahnärztliche Gnathologie und isolierte Fachtherapieversuche im allgemeinen Bereich. Alles klar? Nicht? Kein Problem. Das Werk kommt auf 448 Seiten mit 422 Abbildungen daher (ISBN 978-3-938947-78-4).

Wer hat es gesagt?

Politiker, gleich welcher Couleur, haben es nicht sonderlich gern, wenn hinter ihrem Rücken Dinge geschehen, von denen sie nichts wissen - oder schlimmer noch, von denen sie nichts verstehen.

Bierbowle im Atomkraftwerk

Es war genauso kalt wie jetzt, schreibt der Berlinpankowblogger in einer bemerkenswerten Abrißexkursion zum ehemaligen Atomkraftwerk in Greifswald. Es geht zurück in den Winter 1984. Und in ein Land, dessen Schwerarbeiter sich von "Bierbowle" und Monteurskaffee" ernähren. Die Rezepte dürfen auf Silvesterpartys nachgebraut werden:

Gut zwei Jahre vor dem Gau in Tschernobyl bauten wir das Atomkraftwerk Lubmin. Direkt an den Ostseestrand. In Ruf- und Stromversorgungsweite Polens. Mit Stahl aus dem Westen, Arbeitern aus der DDR, Schweißelektroden aus dem Osten. Experten vom ZIS, dem Zentralen Institut für Schweißtechnik Halle. Und Monteuren aus Merseburg und Halle. Von der IMO (Industriemontagen), vom MLK (Metalleichtbaukombinat), vom SKET (Schwermaschinenkombinat Ernst Thälmann). Und Experten aus Russland, die sich auskannten mit Atomkraftwerken. Die auch schon den Bau des Reaktors in Tschernobyl betreut hatten.

Die Experten, die Spezialisten, die Abteilungsleiter, die Monteure – sie waren immer da. Im Zwölfstundenschichtdienst, Tag und Nacht, im Mittwoch/Mittwoch-Rhythmus. Mittwoch bis Mittwoch auf Montage, Donnerstag bis Dienstag frei. Geschlafen im Arbeiterwohnheim Greifswald. Oder eher gehaust. In Zweiraumwohnungen. Küche mit Elektroherd und Kühlschrank, Bad mit Wanne, zwei Zimmer mit jeweils zwei Doppelstockbetten. Ein Zimmer mit Tisch und Stühlen. Zum Doppelkopfspielen. Und zum Saufen. Bierbowle zum Beispiel. Beliebt nach der Nachtschicht (18 bis 6 Uhr). Am Abend vorher angesetzt.

Zutaten: Ein (einigermaßen) sauberer Wischeimer, Früchte aus der Dose, aus dem Glas. Pflaumen, Pfirsiche, Aprikosen, Kirschen – was auch imer da war. Zucker drüber und Ruß. Also Schnaps, so hochprozentig wie möglich. Am besten Primasprit. Wenn nicht, dann Korn, Goldbrand. Alles, was dreht. Abdecken, über Nacht stehen lassen. Am Morgen dann, nach dem Duschen, Bier drauf. Helles, Pils, Dunkles, Bock – egal. Hauptsache genug, um den Wischeimer bis zum Rand aufzufüllen. Umrühren, fertig. Dann in Gläser abgefüllt. Doppelkopf- oder Skatkarten auf den Tisch und ab ging die Post. Morgens um sieben. Bis zehn/elf Uhr waren alle voll. Ab in die Koje. Viele gleich in ihren Arbeitsklamotten. Um nicht zu viel Zeit mit Anziehen vertrödeln zu müssen.

Kurz vor fünf fuhr der Montagezug. Morgens wie abends. Von Greifswald nach Lubmin. Ein Zug voller Monteure. Ein Schichtzug voller Karo-Qualm, Schweißgeruch, Männersocken-in-Arbeitsschuhen-Gestank. Und voll. Sitzplätze gab´s nur für altgediente Monteure. Wehe, ein Neuer hatte sich auf einen Platz eines alten Hasen gesetzt. Da gab es schon gleich mal Dresche. Oder zumindest die Androhung derselben. Natürlich gab´s auch Kaffee. Monteurskaffee. Monteurskaffee sah aus wie Kaffee, wurde aus Kaffeetassen getrunken. War aber keiner. Wodka oder Goldi mit Cola. Morgens, kurz vor Fünf im Schichtzug.

Punkt sechs ging´s dann los. Auf der riesigen Baustelle. 500 Meter breit, zwei Kilometer lang. Vom Gerüst oben der Blick bis hinüber zur Greifswalder Oie, bis nach Rügen. Und nach Polen konnte man sehen, entlang der Strommasten. Es ging um den Bau von “Block fünf und sechs“. Vier Blöcke waren schon in Betrieb. Versorgten ein Zehntel der DDR und Westpolen mit Atomernergie. Oder “Strom aus dem Kernkraftwerk“, wie es damals hieß. Auf der Baustelle gab es überall Alarmlampen und -sirenen. Für den Falle des Falles. An den nie einer wirklich gelaubt hat. Deshalb störte es auch keinen, dass bei einigen Notfall-Rundumleuchten die Anschlusskabel lose heraus hingen. Das war eben so.

Der Bau von Block fünf und sechs kam aber sowieso nicht recht voran. Kein Stahl, keine Schweißelektroden, kein dies, kein das. Immer hat irgendwas gefehlt. Manchmal haben die Monteure das erst gemerkt, wenn sie vor Ort waren. Oben auf dem Reaktorblock, in 60 Meter Höhe. Dann ging es wieder runter. Über unendlich lange Gänge, Gerüstleitern. Durch tonnenschwere Sicherheitstüren, über rutschige Verbindungsschächte. Unten angekommen war dann Pause. Frühstückspause. Manchmal auch schon Mittag. Dann gab es bei manchen Monteurskaffee. Andere hatte noch ein Schluck Bierbowle in der Thermoskanne.

Block fünf ging 1989 in Probebetrieb.Und wurde wieder abgestellt. Nach dem Protest von Umweltgruppen. Wie auch der Rest des Kernkraftwerkes. Denn was die Monteure schon damals wussten, wurde nach 1990 auch offiziell bekannt: Die Baupläne für Lubmin waren Kopien aus Tschernobyl. Aber das hat 1984 noch niemanden gestört. Bei Bierbowle und Monteurskaffee ließ es sich aushalten. Auch im Winter.

Wer hat es gesagt?

Es zeigt sich darin, dass man Einzelne anklagen muss, um von den Schwierigkeiten und Problemen der Gesellschaft abzulenken.

Montag, 21. Dezember 2009

Verbot der Woche: Bagatellen

Im Zuge ihres Comebacks als Volkspartei plant die deutsche Sozialdemokratie ein Verbot von Kündigungen von Beschäftigten wegen Bagatelldiebstählen am Arbeitsplatz. Ein entsprechender Gesetzentwurfe soll im Zuge der PPQ-Aktion "Verbot der Woche" innerhalb der nächsten vier Wochen vorgelegt werden, hieß es . Das sei sowieso politische Saure-Gurgen-Zeit, das könne man mit einem solchen Thema "prima punkten". Dazu müsse der Eindruck erweckt werden, dass der Gesetzgeber verhindern könne, dass Arbeitgeber vor Gericht einen Diebstahl nur behaupten müssten, um einen Mitarbeiter loszuwerden. Das war bei den letzten aufsehenerregenden Fällen um den Verzehr von Frikadellen und die Rückgabe von Pfandbons durch eine Käuferin nicht der Fall, ein Verbot aber sei immer gut. Nach einer Evaluierungsphase könne dann eine gesetzliche Regelung folgen, die Schwarzfahrer auf Kurzstrecken und Beschaffungskriminelle im Umkreis von Rasierklingenregalen schützt. Zur weiteren Popularisierung der neuen SPD berate der Parteivorstand zwischen den Jahren auch eine Schonzeit für illegale Downloads. So sei es vorstellbar, eine Strafverfolgung per Gesetz auszuschließen, wenn ausschließlich von staatlich geprüften Seiten heruntergeladen werde.

Lexikon des unnützen Wissens I: Wie heißt der Geruch nach Regen?

Wenn es nach einem Regen riecht, dann anders als zuvor und anders als sonst immer. Was kaum jemand weiß: Es riecht dann Petrichor, ausgesprochen "pɛtrɨkər", zumindest seit zwei australische Wissenschaftler namens Bear und Thomas dem eigentümlichen Geruch aus Pflanzenöl und Staub anno 1964 in einem Beitrag für das Magazin "Nature" diesen Namen gaben. Petrichor ist eine Zusammensetzung aus den griechischen Worten "petros" für Stein und "ichor" für die Flüssigkeit, die nach griechischen Sagen in den Venen der Götter floss, als die noch im Amt waren. Wieder was gelernt, was man nicht muss.

Apothekenrundschau statt Afghanistan

Nach dem ARD-„Bericht aus Berlin“ hat nun auch das Magazin „Stern“ berichtet, dass der ehemalige beinahe-Kanzler Walter Steinmeier (SPD) bereits kurz nach dem umstrittenen Luftangriff auf Taliban-Kämpfer im afghanischen Kundus über den Tod von Zivilisten informiert gewesen sein muss. Der derzeitige SPD-Fraktionschef im Bundestag soll einem geheimen Bericht zufolge, der PPQ vorliegt, dabei gesehen worden sein, wie er am Tag nach dem Angriff eine Ausgabe der Tageszeitung "Die Welt" las, in der über zivile Opfer des Luftschlages berichtet wurde.

Bislang hatte Steinmeier wie seinerzeit bei den US-Folterflügen über Deutschland mit Nachdruck darauf beharrt, dass er niemals Zeitung lese und deshalb auch nichts von eventuellen zivilen Kollateralschäden des Vorgehens gegen Taliban-Kämpfer habe wissen können. Kenntnis über den Verdacht habe er vielmehr erst erlangt, als er am Rande einer Fernsehratesendung zu den "Menschen des Jahres", zu der er noch als kommender neuer Kanzler der Bundesrepublik eingeladen worden sei, von einem Maskenbildner auf den Vorfall angesprochen wurde. Erkundigungen seinerseits hätten dann erbracht, dass er wie immer nichts gewusst habe.

Dies habe er auch seinem neuen Parteichef Sigmar Gabriel so in die Hand versprochen und deshalb bleibe es jetzt dabei. Auch Gabriel habe in diesem Zusammenhang unter vier Augen versichert, dass er Anfang September keine Zeitung gelesen habe. Er habe die "Welt" nicht abonniert und komme auch nicht dazu, andere Zeitschriften zu lesen, da er zuerst einmal Ordnung in die Reihen der SPD bringen müsse. Auch im Wartezimmer seiner Zahnärztin in Magdeburg habe nur eine alte "Apothekenrundschau" gelegen, in der habe er aber "nur geblättert, ohne den Inhalt wirklich wahrzunehmen". Sigmar Gabriel ist inzwischen mit der Zahnärztin zusammengezogen, dies diene aber nicht dem Zweck, eventuelle Kenntnisse über Kundus zu verschleiern, sondern sei "einfach Liebe". "Als Ärztin des Parteivorsitzenden", hieß es in SPD-Kreisen, "hätte sie sich sowieso auf ihre ärztliche Schweigepflicht berufen können."

Gefliese Freiluftausstellung

Nichts gilt der Fliesenkünstler im eigenen Land, und so geht es auch dem Kachelmann von Halle, der seit drei Jahren unermüdlich versucht, die Innenstadt der einstigen Saalemetropole neu zu verfliesen. Ziel ist es, den von Dresden aufgegebenen Titel "Unesco-Welterbestadt" nach Halle zu holen - ein großes Vorhaben, das bislang bei Stadtverwaltung und Fremdenverkehrsamt auf taube Ohren stößt.

Immerhin hat sich die ortsansässige Bundeskulturstiftung jetzt erweichen lassen, dem in eingeweihten Kreisen kultisch verehrten Kachel Gott einen Studien- und Arbeitsaufenthalt in den USA zu genehmigen. Bei einem zufälligen Weihnachtsteinkaufstrip nach New York entdeckte PPQ-Volkskorrespondent Hagen Dietrich, vor Jahren Mitbegründer der wissenschaftlichen Kachelogie, mitten in New York eine gewaltige Fliesengalerie. Er sei übers Wochenende eigentlich in Übersee unterwegs gewesen, um "die amerikanische Krise durch verschärftes Shopping direkt an ihrer Quelle zu bekämpfen", erklärt Dietrich. Umso mehr habe ihn erstaunt, auf eine in ihrer Vielzahl und Mannigfaltigkeit außerhalb von Halle wohl einzigartige Sammlung von Kacheln zu treffen, die seinen Recherchen nach in den sogenannten Staaten "Tiles" geanannt werden. "Für Einheimische und Touristen ist die Freiluft-Ausstellung des Kachelmann eine echte Attraktion", hat der erfahrene Feldforscher vor Ort beobachtet. "Das müsste doch den Behörden in Mitteldeutschland zeigen, welche Chance in einer vollverfliesten Innenstadt steckt."

Besonders erfreut sei er gewesen, dass sich nach Fliesenfunden in Leipzig, in Berlin und im fernen Spanien nun endlich auch Fundstellen auf einem anderen Kontinent in das große Kachelverzeichnis einfügen lassen werden, das von PPQ und dem Internetgiganten Google gemeinsam gepflegt wird. "Das ist ein Zeichen, das uns allen Mut macht, nach nachzulassen im Bemühen, die Fliesenkunst nach vorn zu bringen."

Eigene Funde können wie stets direkt an politplatschquatsch@gmail.com geleitet werden, jeder Fund wird von uns auf Wunsch mit einem mundnachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern vernichteten Ur-Fliese prämiert.

Sonntag, 20. Dezember 2009

Wer hat es gesagt?

“Die Hunde von Demokraten und liberalen Lumpen werden sehn, daß wir die einzigen Kerls sind, die nicht verdummt sind in der schauderhaften Friedensperiode.”

Samstag, 19. Dezember 2009

Katrin Budde ist neue Landesvorsitzende

der bub spielt seit geraumer zeit nicht mehr den fußball, daher ist es mir eine besondere freude, nach zeiten des darbens ein wort, spendenschweinchenbewehrt in den privaten sportmassenmedien (udo das sind dann drei euro, ah ich weiß ihr schwaben seid geizig), einfach ein bisserl daher zitieren zu dürfen: not gegen elend,
dabei: not ist so dumm; aber elend ist elend und dumm
hilfreich? der bundesvorsitzende hat zur selben stunde seinen zweitwohnsitz in md gefasst, warum: wegen seiner zahnpflege(rin)

Momentaufnahmen vom Wettskandal

Natürlich, die erste Bundesliga ist vom Wettskandal nicht betroffen. War sie nie. Wird sie nie sein. Der Kosovare als solcher hat zuwenig Kleingeld, um Spieler zu bestechen, die von ihren Vereinen anderen Vereinen abgekauft worden sind. Keine Chance also für Wettbetrüger, wenn der große Fußball rollt. In dem entscheiden Leistung und ein ganz klein bisschen Glück über Siege und Niederlagen, nicht Telefonanrufe von Bürgerkriegsflüchtlingen mit mürrischen Mittelfeldmotoren und pokersüchtigen Torhütern.

Nur wies der Zufall will, zeigen von PPQ exklusiv gemachte Momentaufnahmen aus der Liga, dass es eine Wahrheit hinter der Wahrheit gibt, die sich wahrscheinlich niemals ergründen lassen wird. Die sich aber auch nicht wegdiskutieren lässt: So stand es am 14. Spieltag rein zufällig mittendrin in allen laufenden Spielen 0:1 für die Gastmannschaften, am 17. Spieltag hingegen rein zufällig in allen Spielen 1:0 gegen die Gäste. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Spiele so ausgehen, liegt bei kaum 0,3 Prozent. Aber so ausgegangen sind sie ja auch nicht. Zum Glück.

Kampfsieg im Kühlschrank

Zwei Wochen Tag und Nacht getagt, Dattelkuchen gegessen und Temperaturkurven betrauert und das ist nun das Ergebnis der Kopenhagener Klimarettungszusammenkunft: Ernüchternde minus 15 Grad im halleschen Kurt-Wabbel-Stadion, in dem das Wetter an diesem letzten Tagungstag der Regionalliga Nord alles Klima vergessen lässt. Von wegen Erderwärmung - hundekalt ist es, verschneit und winterlich, wie das nach allen der Wissenschaft vorliegenden Zahlen gar nicht mehr vorkommen dürfte.

Unbedingt spielen hatten sie wollen, denn um zu verhindern, dass gleich zwei Spiele im Frühjahr nachgeholt werden müssen, kann das Zwei-Grad-Ziel der Weltgemeinschaft zur Kenntnis genommen werden, wie das auch die Delegationen in Kopenhagen getan haben. Erreicht aber werden muss das Drei-Punkte-Ziel. Der Gast aus Hamburg St. Pauli, schlechteste aller Reservevertretungen, gilt Trainer Sven Köhler als unbedingt schlagbar, auch bei Schnee und Bodennebel, an denen auch der hallesche Sonnenscheinmacher Sandro Wolf heute nichts mehr ändern wird. Drei Punkte aus dem letzten Hinrundenspiel, das eigentlich schon das zweite der Rückrunde ist, werden zu Tabellenplatz drei in Sichtweite des führenden SV Babelsberg reichen.

Pauli II ist programmgemäß nur durch das traditionelle Armeesportverein-Braun seiner Trikots gut vor dem weißen Untergrund erkennbar. Das Fußballspielen hingegen betreiben ausschließlich die Rot-Weißen, diesmal von Anfang an mit Markus Müller, dem Drei-Tore-Helden des Sieges gegen Lübeck. Auf rechts wirbelt Toni Lindenhahn, die Entdeckung der Saison, in den Mitte darf sich erneut Pavel David als Regisseur versuchen.

Halle startet enthusiastisch, 1512 Fans in Kurts Kühlschrank sehen eine Elf, die anrennt, als hoffe sie, das Spiel werde früher abgepfiffen, wenn es nur schnell entschieden ist. Kanitz hat eine Großchance, Lindenhahn folgt, danach zieht Schubert aus der Distanz ab und trifft nur den Pfosten. Nach einer halben Stunde steht es 12 zu 2 nach Ecken, nach Toren müsste es mindestens 3 zu 0 stehen. Aber Paulis Torwart Arvid Schenk, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Nordpolwanderer Arvid Fuchs, kommt mit der geschlossenen Schneedecke blendend zurecht: Er steht zufällig immer da, wo der Ball hinfliegt, zielen Halles Spieler ausnahmsweise mal an ihm vorbei, fliegt er durch die kalte Luft und lenkt den Ball an den Pfosten oder ins Aus, hat er Abstoß, baut er sich ein Schneehügelchen und drischt den Ball wie ein Kleinfeld-Tiger-Woods in den Winterhimmel.

Ein Geduldsspiel, das ist zur Halbzeit schon klar. Hier regiert nicht der Fußball, sondern der Zufall, die Bälle springen, wie sie wollen, mal werden Pässe auf dem Schneeboden schnell, mal bleiben sie unverhofft liegen. Spätestens als Markus Müller aus anderthalb Metern frei vor dem Tor vergibt, weiß jeder im Stadion, dass der Plan mit den schnellen drei Punkten vor Weihnachten auch schiefgehen kann.

Vor zwei Jahren wäre er das sogar mit Sicherheit. Inzwischen aber ist nach Halle der Glaube zurückgekehrt, dass auch solche Spiele gewonnen werden können. Angriffswelle auf Angriffswelle rollt auf den wackeren Schenk in seinem zartvioletten Negligé zu, Chance um Chance wehrt er ab. Bis Toni Lindenhahn, ein Ballzauberer auch im Schnee, auf Rechtsaußen an der Strafraumlinie gelegt wird. Die folgende kurze Ecke segelt in den Fünfmeterraum und vom Kopf des erfahrenen Ronny Hebestreit irgendwo unter die Latte. Von dort springt der Ball zwar wieder ins Feld, aber die Hallenser jubeln schon: Angeführt von Hebestreit bildet sich im Mittelkreis ein unsichtbarer Bob, dessen Besatzung ausgelassen feiert, als sei das schon die Meisterschaft.

Zumindest ist sie nun noch weiter möglich, Zwei-Grad-Ziel hin oder her. Pauli stürmt nun noch ein bisschen, Darko Horvat hält noch einen Schuss. Dann reißen die Rot-Weißen die Arme hoch. Endlich Urlaub!

Freitag, 18. Dezember 2009

Großes Land im kleinen


Er war einer der größten Stilisten des Rock, ein Mann der sich und seiner Band einen Sound geschneidert hatte, der nach zwei, drei Akorden unverkennbar war. Stuart Adamsaon hatte mit Big Country 17 Topten-Hits, sein "Look Away" fehlte ein Jahrzehnt lang auf keiner Partyhits-Compilation, obwohl das todtraurige Lied dort genau nicht hingehörte. "Our name is out, our name is known, our name is everywhere, but who knows where we're flown", sang Adamson, mit 16 Jahren Gründer Skids und ein leben lang für einen schotten gehalten, obwohl er keiner war.

1987 kam Anderson zum ersten und einzigen Mal in die damalige DDR, um vor 100.000 Menschen das größte Konzert seines Lebens zu spielen. Achtzig Minuten spielte die Bnd wie um ihr Leben, Adamson stieg ins Publikum, schüttelte Hände, ein großartiger Song folgte auf den nächsten, Big Country war für anderthalb Stunden die beste Rockgruppe der Welt.

Glücklicher als an diesem Abend auf der Bühne in Berlin-Weißensee ist der begnadete Songschreiber wahrscheinlich nie mehr gewesen. Die Platten wurden danach nicht schlechter, aber die Käufer weniger, die Band lief auseinander, um dann doch wieder zusammenzukommen. Doch es war nicht mehr dasselbe. Jetzt spielten sie im Vorprogramm der Rolling Stones, wo sie hinpassten wie ein Kater in den Kachelofen. Auf dem letzten Studioalbum "Driving To Damascus" traf Adamson schließlich den Teufel, der ihm verriet, es reiche, alle zu lieben, um selbst geliebt zu werden. Tut es nicht. Getrieben von Depressionen und ermutigt vom Alkohol erhängte sich Stuart Adamson vor acht Jahren kurz vor Weihnachten im Plaza-Hotel der Best-Western-Kette in Honolulu auf Hawaii. "We made some friends, but now it's done, I always knew that we would never find the sun", heißt es in "Look Away".

Six Million Fans Can't Be Wrong

Volles Rohr Pink Panzer

Die Sexwelle, überrollt sie jetzt unsere Jugend? Verdirbt nackter Pop die Kidner, von denen wir die Erde nur geliehen haben? Erfahren junge Menschen jetzt vor der Zeit vom größten Gheimnis überhaupt? Vom sogenannten Sex?

Nach Rammstein hatte die britische Trip-Hop-Band Massive Attack mit einem "Porno-Video" geschockt, wie das Musikmagazin "Bild" schrieb. Der Clip zu „Paradise Circus“ zeige "Sex-Szenen aus dem 70er-Porno „The Devil in Miss Jones“, sei zwar "um einiges niveauvoller als das Rammstein-Video „Pussy“, dennoch aber ein einen Skandal, wei es zum "chilligen Sound von „Paradise Circus“" nicht nur Szenen aus dem Pornoklassiker zeige, sondern auch die heute 73-jährige Hauptdarstellerin Georgina Spelvin". Die könne ihre "damalige Freizügigkeit" mit Argumenten wie „Sex vor der Kamera ist so aufregend!“ schildern, was harmlos und künstlerisch klinge, aber definitiv nicht "Jungendfrei" (im Original) sei.

Geht es nach der Sängerin Rihanna, muss ein Video das auch nicht. Die junge Frau, die mit einem Lied namens "Regenschirm" bekannt wurde, hatte sich zuletzt mit Stacheldraht umwickelt, um an frühere Erfolge anzuknüpfen. Als das nicht gelang, ließ sich sich von der in Deutschland teilweise verbotenen Gruppierung Rammstein zu einem Pornofilm inspirieren. Der nennt sich Musikvideo zum Lied "Hard" und handelt Gerüchten aus dem keineswegs rechtlosen Raum Internet zufolge von "erotischen Anspielungen", vermischt "mit militärischen Elementen der US-Army", wie das Reservistenmagazin "Bild" schreibt .

Es gebe in dem verderblichen Film "neben Schlammszenen auch Sequenzen, in denen Rihanna zum Beispiel symbolisch einen rosa Panzer verführt". Zu diesem Zweck poussiert die im Stil des Zahnbürstenerfinders Dr. Best überschminkte Künstlerin in einem weißen Cape vor paradierenden chinesischen Klimainvasionstruppen. Bei der Unzuchtsszene mit dem Panzer trägt die erstmals in Afghanistan eingesetzte Truppenbetreuerin Strapse, später einen Helm mit Mickey-Mouse-Ohren. Offenbar ein bislang unbekannter Taliban-Fetish, denn das Verteidigungsministerium von Theodor zu Guttenberg hat auf Anfrage inzwischen wie immer wissen lassen, dass entsprechende Berichte dem Minister bislang nicht bekannt seien und im Internet zu sehende Filme nicht den Tatsachen entsprächen.

Dattelkuchen gegen Klimagau

Die Welt wird vielleicht nicht gerade gerettet, im eiskalten Kopenhagen. Aber schön Essen sind wir doch mal gewesen, wird Deutschlands Klimakanzlerin Angela Merkel ihrem US-Kollegen Barack Obama freundschaftlich zuraunen können, der zu spät kam und deshalb vom Leben bestraft wurde: Es schneite draußen und drinnen war schon abgedeckt.

Nein, sie predigen nicht Wasser und saufen Wein. Sie retten das Klima und machen es dabei kaputt. Da gab es beispielsweise in einer großen Pause zwischen zwei überlebenswichtigen Verhandlungsrunden über die Zukunft der Welt, den CO2-Ausstoß und die Zweigradgrenze Dattelkuchen zu schnackeln. Die Dattel ist Frucht eines Baumes, der von den atlantischen Inseln vor Afrika über ganz Afrika einschließlich Madagaskar, im Norden Kreta, Süd-Türkei über den Nahen und Mittleren Osten, Indien bis nach Hongkong, Taiwan, die nördlichen Philippinen, im Südosten bis zur Malaiischen Halbinsel und Nord-Sumatra wächst.

Jedenfalls nicht in der Nähe von Skandinavien. Munden ließen sich die Führer der Welt die Früchte der Echten Dattelpalme, in der Sprache der alten Lateiner Phoenix dactylifera dennoch, die seit Jahrhunderten in getrockneter Form alle Welt exportiert werden. Doch Gewohnheitsrecht gilt nicht, wo es um die eine einzige Welt geht, die wir nur haben und zwar von unseren Enkeln geborgt. Da steht die Frage knallhart: Muss das sein? Müssen zur Beköstigung der Mächtigen wirklich Datteln über zehntausende Kilometer herbeigeflogen werden - egal, ob nun aus den Anbaugebieten in Afrika, Indien, Kalifornien, Mexiko, Australien oder Israel? Hätte es nicht auch Apfelkuchen getan, wie ihn der Durchschnittsdäne zweimal den Monat bei seinem Bäcker kauft?

Ökonews aus Österreich hatte schon vor längerer Zeit angeprangert, wie verbrecherisch die Verschleppung von Südfrüchten per Schiff oder Flugzeug in den Norden überhaupt und immer ist. Nicht nur entstehe dabei das jüngst erst von einer US-Behörde für schädlich erklärte, hierzulande aber bislang nicht verbotene Gas CO2. Nein, bei der konventionellen Herstellung würden die Trockenfrüchte auch noch mit Methylbromid begast, um eventuell vorhandene Schädlinge abzutöten. Diese bei direktem Kontakt schwer gesundheitsschädigende Gas stehe unter dem Verdacht, Krebs auslösend zu sein, außerdem schädige es natürlich die Ozonschicht.

Krebs? Ozon? Nun, sicher werden die Klimaretter auf Datteln aus Ökoanbau bestanden haben. Nur ändert das nicht viel. Öko-Datteln werden im Zuge der Verarbeitung zwar weder begast noch geschwefelt, doch zur Bekämpfung von Schädlingen müssen die Früchte vor dem Export bei etwa minus 34 °C drei bis vier Tage schockgefroren oder gar in speziellen Druckkammern mit dem tödlichen "Klimagas" (Bild) CO2 behandelt werden. Das kostet Energie, das kostet Klima, das schiebt die Erde immer näher an den Abgrund. Aber Hauptsache, es hat geschmeckt.

Rent a Hamsterrad

Das Jahr ist um und wer seinen Kalender vergessen hat, bekommt es vom Chef des Bundeskriminalamts persönlich mitgeteilt. Wie jeden Dezember seit Menschengedenken hat Jörg Ziercke jetzt erschreckende Zahlen zu rechtsextremen Straftaten verkünden können. Die Polizei habe "im vergangenen Jahr", rundet die staatliche Presseagentur dpa schonmal vorab auf, "rund 20.000 rechtsextreme Straftaten" gezählt.

Das sei "der bislang höchste Wert", heißt es wie immer weiter, wobei "der bislang höchste Wert" hier bedeutet, er ist etwa so hoch wie im letzten Jahr. Kein Rekord also, nur einen Einstellung des angeblichen alten Rekordes,

Immerhin, ein schönes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass das renommierte Rechtswatchblog "Die Zeit" bis Ende September nur etwas mehr als 13.000 rechte Straftaten hatte auftreiben können.

Zwischen Anfang Oktober und Mitte Dezember hat Deutschlands Rechte offenbar eine Sonderschicht eingeschoben und in kürzester Zeit relativ unbemerkt von Medien und Politik 7.000 Taten draufgepackt. Und das, obwohl n-tv ohne Rechenschieber deliriert, dass das Bundeskriminalamt "zwei bis drei rechte Taten täglich" registriere. Was übers Jahr gesehen höchstens 1095 ergäbe.

Aber wo die Zahlen nicht steigen, so der Unterhaltungssender, bei dem Adolf Hitler traditionell die Nachmittagsschiene moderiert, "sinkt die Hemmschwelle". Fans der Verkündigungszeremonien des BKA stutzen da schon: Wo bleiben die zweistelligen Prozentzahlen, mit denen üblicherweise der Zuwachs beschworen wird? Wo der für jeden Anhänger der alldezemberlichen BKA-Warnungen vor der unmittelbar bevorstehenden Einführung des 4. Reiches unverzichtbare Vergleich zum Vorjahr, das aufgrund einer "neuen Zählweise" noch einmal sagenhafte Zugewinne bei der Schaffung sogenannter "Propagandadelikte" gebracht hatte? Die gelten seitdem auch als Straftat, wenn unklar bleibt, ob es sich beim flüchtigen Maler eines Hakenkreuzes an einer Bushaltestelle oder beim Benutzer eines in Passauer Reihenhausgärten herumliegender Lebkuchenmesser um einen kameradschaftlich organisierten und ideologisch gefestigten NPD-Mann, einen von Todessehnsucht getriebenen Islamisten, einen bildungsferne Legastheniker oder nur um ein nachahmungseifriges Kleinkind handelt.

Bushaltestellen sind aber laut Ziercke gar nicht das Problem. Vor allem über das Internet werde rechte Propaganda verbreitet, haben die Mannen des Bundeskriminalamts herausgefunden. Häufig würden Webseiten über ausländische Server ins Netz gestellt, was ganz besonders perfide anmutet, da Propagandadelikte nach Ansicht ausländischer Regierungen dort angeblich gar nicht strafbar sind.

Doch Sorge bereitet Ziercke nicht diese Handlangerschaft des amerikanischen Präsidenten und Heilsbringers Barack Obama mit den deutschen Rechtsradikalen, Sorge bereiten ihm nicht die Autos, die nachtnächtlich etwa in Berlin von Linksradikalen angezündet werden, Sorge bereiten ihm nicht Stasispitzel mit linkem Parlamentssitz oder höchstrichterlich abgeurteilte Menschenrechtsverletzungen der Bundesregierung. Sondern "die hohe Gewaltbereitschaft der Rechtsextremen". Die sich nach einer Definition der traditionell investigativ von der PDS-Politikerin Petra Pau mit erschreckenden rechten Zahlen gefütterten "Zeit" in den zurückliegenden Monaten am deutlichsten zeigte, als ein Russe in Dresden eine Ägypterin erstach. Zugereistenhass bei Zugereisten - der bayrische Innenminister Joachim Hermann würde da, dürfte er sich denn noch zu diesem Themenkomplex äußern können, ohne dass alles ringsum in Lachen ausbricht, von einer "neuen Dimension rechtsextremer Gewalt" sprechen.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Wetter erschwert Vorhersagen

Das Klima kennen wir genau, allein mit dem Wetter, da gibt es noch Probleme. Sieben Tage vor dem Heiligen Abend steht so noch nicht fest, ob die Kinder in Deutschland und überall auf der Welt sich über Schnee unter und auf dem Tannenbaum freuen dürfen. Das ist nicht neu, denn wie das Wetter morgen wird, können Metereologen nie so genau vorhersagen wie die weltweite Durchschnittstemperatur am Mittwoch in 250 Jahren. Aber diesmal haben sich Naturgewalten und Deutschlands einzige amtliche Agentur dpa etwas ganz Besonderes einfallen lassen für alle, die es nicht so genau wissen wollen. Die aktuelle Kältewelle in Deutschland nämlich erschwere "Wetterkundlern die Vorhersage für eine weiße Weihnacht", heißt es bei den immerhin bedauernswerten Experten vom Deutschen Wetterdienst, die jüngst noch stolz vom "wärmsten November seit 50 Jahren" hatten berichten können.

Eine Woche vor dem Fest nun sei alles möglich, wie immer, wenn Prognosen von der Zukunft handeln. Die Modelle sagten derzeit von Tauwetter bis Dauerschnee so gut wie alles voraus, erläuterte DWD-Spezialist Andreas Friedrich detailliert, warum 2600 Wetterdienstler sogenannte "Weiße Weihnacht" noch vor vier Wochen nicht auszuschließen wollten, sie derzeit aber auch nicht garantieren können. «Die extreme Kälte ist besonders kompliziert», erklärte der Meteorologe, «so eine extreme Wetterlage kommt nur alle zehn Jahre oder seltener vor».

Deshalb auch konnten die Experten vor dem überraschenden Einbruch der Rekordkälte nicht vorhersagen, dass die Rekordkälte hereinbrechen würde, während ihre Kollegen vom Britischen Wetterdienst Met Office derzeit schon genau wissen, "dass das nächste Jahrzehnt insgesamt noch wärmer als das Rekordjahrzehnt 2000-2009 werden wird". 2010 werde vermutlich 0,6 Grad wärmer als der langfristige Jahresdurchschnitt von 14 Grad Celsius. 2010 könnte damit das bislang wärmste Jahr werden und 1998 aus der Spitzenposition verdrängen. Allerdings, so das Met Office, basiere die Vorhersage darauf, dass es immer wärmer werde. Und dass das Wetter nicht wieder alle Vorhersagen unmöglich macht.

Menschenrechte vom Grabbeltisch

Das Reich des Bösen, es ist ganz nah. Selbst in bester Absicht, so hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jetzt entschieden, dürfe auch die aller bösen Absichten unverdächtige Bundesregierung nebst ihrem demokratischen Parlament nicht einfach Leute nach verbüßter Strafe weiter im Gefängnis behalten.
Das war einem von dpa und den kostenlosen Abschreibdiensten des hiesigen Paid-Content-Markführers abendblatt.de flott "Gewaltverbrecher" genannten Mann geschehen, der 1986 in Marburg wegen versuchten Raubmords zu fünf Jahren Haft und einer zehnjährigen Sicherungsverwahrung verurteilt worden war. Als er glaubte, die zehn Jahren seien rum, änderte sich zufällig gerade das entsprechende Gesetz: Sicherungsverwahrung galt nun unbegrenzt, trotz abgebüßter 18-jähriger Freiheitsstrafe wäre der Mann niemals mehr auf freien Fuß gekommen.

Dagegen klagte er die letzten 11 Jahre. Mit dem Ergebnis, dass der Bundesrepublik nun bescheinigt wurde, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen zu haben. Laut Artikel sieben der Menschenrechtskonvention gilt ein Verbot rückwirkender Strafverschärfung, wie es ganz offensichtlich gegen ihn angewandt wurde. Die Bundesregierung muss jetzt Schmerzensgeld zahlen, der 52-jährige Beschwerdeführer aber darf sich auch nicht freuen: Für acht Jahre Gefängnis ohne Rechtsgrundlage erhält er 50.000 Euro, umgerechnet pro Jahr rund 6000, pro Tag also 17 Euro - billiger ist ein Menschenrecht hierzulande kaum kaputtzukriegen.

Über allen Gipfeln ist Ruh`

Hassle in Hopenhagen statt Eiapopeia rund um die Erderwärmung. Während sich das Publikum längst ermüdet abgewandt hat, weil es nach sieben Wochen Klima-Dauerfeuer vergessen hat, wer die Welt eigentlich warum und wie retten möchte, läuft der Film vom "Klimagipfel" in Dänemark unverdrossen weiter, ohne dass eine Handlung erkennbar wird. Ein früher Fassbinder, nur mit mehr Text: Angela Merkel bietet irgendwem 7,2 Milliarden, also etwa den Betrag, den die deutschen Landesbanken in einer guten Woche verfrühstücken. Die Entwicklungsländer grollen, China blockiert, Obama reist an und dann wird alles gut.

Das gibt kein gutes Bild und schon gar keine guten Bilder. Aber zum Glück sind die Demotouristen ja pünktlich zur Stelle. Den Gipfel hätten sie stürmen wollen, lässt sich ein Kommentator von den fast schon vergessenen Bergerzählungen Sir Edmund Hillarys inspirieren. So ändern sich die Zeiten: Wer heute Gipfel stürmt, ist kein Bergsteiger, sondern, Achtung, Kinder, neues Wort: ein "Gipfelgegner". Der offenbar davon ausgeht, dass ein gestürmter Gipfel weggeht. Und die Klimaerwärmung gleich mitnimmt.

Die schwächelt derzeit ohnehin, nicht nur im kälteklirrenden Mitteleuropa. Nach einer Untersuchung der ETH Zürich schmelzen auch die Schweizer Gletscher derzeit eher unlustig, verglichen etwa mit der Zeit zwischen 1940 und 1950. Angeblich lasse sich daraus schließen, dass Gletscher nicht nur auf Temperaturschwankungen reagierten, sondern auch auf Sonneneinstrahlung. Hätte man das gedacht? Bei all den Daten, die sonst geschellhubert durchs Rahmsdorf gejagt werden? Dass, wie die Schweizer ermittelt haben wollen, die Sonneneinstrahlung heute dank der "stärker mit Russpartikeln verschmutzten Luft" geringer ist als in den 40er Jahren? Mehr Umweltverschmutzung führt zu weniger Erwärmung - na bitte!

Spricht sich das in Hopenhagen herum, wird eitel Sonnenschein sein und über allen Gipfeln wieder Ruh´. China und Brasilien werden nicht mehr bocken, Angela Merkel wird die rote Einsatzjacke aus ihrer Werbefahrt zu den Eisbergen überziehen und dann wird eine Abschlusserklärung unterschrieben werden, die sich gewaschen hat: Alle verpflichten sich zu nichts, aber niemand ist schuld, man wird weiterreden, sobald der Winter vorüber ist. Und dann rechnen wir fest mit Ergebnissen, die ähnlich belastbar sein werden wie das Kyoto-Protokoll, das viele viele Länder unterschrieben, dessen Ziele aber kaum ein Land erreicht hat. So wird die Welt auch nicht gerettet, aber ein gutes Gefühl ist es doch, wenn die Leute draußen glauben, dass die Mächtigen alles getan haben.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

20 verschiedene Klimamodelle

Keine Klimakatastrophe, sondern eine Diskurskatastrophe

It's like Hitler

Ein bisschen Frieden

Davon konnte die süße Nicole vor 27 Jahren nur träumen, als sie mit dem Schmuseliedchen "Ein bisschen Frieden" den Grand Prix de Eurovision gewann. Die Welt war damals ein kalter Ort, zwei eisige Blöcke standen sich festgefroren gegenüber und an ihren Rändern tobten Stellvertreterkriege, dass das Blut nur so spritzte. Afrika versank in Konflikten, Asien stöhnte unter Völkermorden.

Knapp drei Jahrzehnte später hingegen ist die Welt, entgegen allem, was Menschen aufgrund ihrer medialen Wahrnehmung glauben, ein sehr viel friedlicherer Ort. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung, das sei einigen Jahren eine Fortsetzung von Raststätte-, Brücken- und Fährentest in Form einer Kriegszählung anbietet, konnte jetzt weltweit nur noch sieben Kriege finden - nach neun im vergangenen Jahr. Auch die Zahl der erst seit 1993 in der Statistik erfassten "hochgewaltsamen Konflikte" sank von 39 auf 31. Der Heidelberger Konfliktforscher Lotta Mayer warnt bei dpa dennoch "vor der Schlussfolgerung, dass jetzt die Zeit der Friedensengel angebrochen sei". Es gebet Jahren eine Zickzack-Bewegung zwischen 30 und 40 hochgewaltsamen Konflikten", glaubt er sich dunkel zu erinnern, "aber das Niveau bleibt hoch."

Eine Erinnerung, die trügt, denn die Zahl der Kriege und Konflikte geht seit Anfang der 90er Jahre fortlaufend zurück. Damals zählten Friedensforscher mehr als 65 Kriege und bewaffnete Konflikte weltweit, Mitte der 2000er Jahre waren es dann immer noch fast 50, im vergangenen Jahr dann recht stabil nur noch knapp über 40 und nun sind es mit 38 erstmals weniger sogar als 40.

Deutsche Einheit auch ungültig

Als der wackere Ex-Banker Horst Köhler sich weigerte, die EU-Knebelverträge zu unterschreiben, sperrten ihn die herrschenden Kreise um die frühere FDJ-Wandzeitungsredakteurin und heutige Klimakanzlerin Angela Merkel in seinem Bellevue-Palast ein und fuhren selbst nach Brüssel, um die als Verfassung gescheiterte Materialsammlung per Unterschrift in Kraft zu setzen.

Doch dieser beispiellose Vorgang ist so einzigartig nicht in der jüngeren deutschen Geschichte. Schaut man genauer hin, ist ganz Deutschland auf Sand gebaut: Schon der "Vertrag über die Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" ist in Wirklichkeit niemals wirksam geworden, weil er nicht von einem unterschriftsberechtigten Minister, sondern von einem eilig herbeigeschafften Ersatzmann abgezeichnet wurde, wie das Bulletin der Bundesregierung Nr. 63 vom 18. Mai 1990 auf Seite 525 beweist.

Neben der Unterschrift von Theo Waigel, als Finanzminister der zuständige
Vertreter der Regierung Kohl, steht dort der Name eines "Walter Rombach", seinerzeit angeblich Finanzminister der DDR-SPD.

Als solcher amtierte in der Regierung de Maiziere jedoch nachweisbar ein Walter RomBERG. Der aber, aus Schwerin stammend, von Beruf Mathematiker und im privaten Umgang eine eher ehrliche Haut, hatte sich Gerüchten zufolge geweigert, das entmündigende Papier zu unterzeichnen. Rombach, hauptberuflich Anwalt in Sindelfingen, wurde daraufhin wegen der unübersehbaren Namensähnlichkeit als Ersatzmann herbeigeschafft. Zufällig hatte er gerade im Nachbarhaus zu tun gehabt und gegen ein Stundenhonorar von 450 D-Mark war er gern bereit, sein Signum "Für die Deutsche Demokratische Republik" unter das historische Einigungspapier zu setzen.

Das wurde dann genauso vom Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung veröffentlicht, allerdings von niemandem gelesen, so dass die ungültige Unterschrift nicht auffiel. DDR-Finanzminister Walter Romberg galt vom 18. Mai 1990 an trotzdem als unsicherer Kantonist, wegen vorgeblicher „fachlicher Inkompetenz“ wurde der widerständische Schweriner noch im Sommer 1990 aus dem Amt gejagt, später stellte man ihn mit einem Job im Europaparlament ruhig, ehe er nach Kasachstan geschickt wurde, um ihn am Reden zu hindern. Sein Vertreter Walter Rombach bekam einen schönen Posten als Fraktionsvorsitzender der CDU in einem kleinen Ort in Süddeutschland, wo der Retter der deutschen Einheit bis heute unentdeckt einen Hotel-Gasthof betreibt.

Das Bulletin Nr. 63 gilt seitdem als Geheime Verschlusssache: Im Schulunterricht wird das Dokument des Scheiterns der deutschen Einheit zwar bis heute verwendet - allerdings werden stets nur die ersten Seiten gezeigt, die Unterschriften auf Seite 525 (Ausriss oben) bleiben sorgfältig verdeckt.

Dienstag, 15. Dezember 2009

Tote zweiter Klasse

Ist das die Gleichbehandlung, die die Väter des Grundgesetzes im Sinn hatten? "Zwei Menschen mit Schweinegrippe gestorben", meldet Deutschlands einzig wahre Nachrichtenagentur dpa heute aus Sachsen-Anhalt. Zwar starben beide nicht direkt an der erfolglosesten schrecklichen geisel, die die Menschheit je heimsuchte. Doch es handele sich immerhin um "die ersten beiden Toten im Bundesland, bei denen die Erkrankung nachgewiesen wurde", habe das Gesundheitsministerium in Magdeburg mitgeteilt.

Ein geradezu unfassbar instinktloser Affront gegen die anderen 79 Menschen, die rein statistisch betrachtet am selben Tag in Sachsen-Anhalt starben, ohne Schweinegrippeerreger vorweisen zu können. Ihnen werfen dpa und das Gesundheitsministerium keinen ganzen, ja nicht einmal einen halben Satz hinterher. Pfui!

Fremde Federn: Die Taliban verstehen

"Zenith”, die “Zeitschrift für den Orient”, erklärt in ihrer neuesten Ausgabe, “was die Taliban bewegt”. Es sind nicht Fundamentalismus, Fanatismus und die Möglichkeit, in Gottes Namen ungestraft morden, rauben und vergewaltigen zu können, also täglich auf die Zivilisation zu scheissen und ihre beschissene Kultur auszuleben, es sind ganz andere Bedürfnisse. Deswegen stellt “Zenith” im Heft 4/09 “Die Poesie der Krieger” vor. Nein, Sie haben sich nicht verlesen. “Wer die Taliban verstehen will, sollte ihre Gedichte lesen.” Ohne die Kenntnis der Taliban-Gedichte könnten die Taliban missverstanden werden. Sie sind nicht die kaltblütigen Killer, als die sie oft missverstanden werden, sondern sensible Jungs, die sich ihren Weltschmerz von der Seele schreiben. “Talibanpoesie, das kulturelle Gesicht der Rebellen, kann als wichtiger Ausgangspunkt für eine neue Sichtweise dienen: Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem lebendigen kulturellen Erbe könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Taliban und den Konflikt in Afghanistan nicht länger nur durch ein schwarz-weißes Raster zu betrachten.”

Europa wird ungültig

Mannomannomann, das wirft die Europäische Union ganz, ganz weit zurück in ihrem großartigen Bestreben, ein lieber netter, gut überwachter Platz für alle Menschen zu werden, die es gern einheitlich und ordentlich von Brüssel aus geregelt haben. Kaum ist die Tinte unter dem bis heute nirgendwo im weiten, weiten Internet auffindbaren großartigen Beinahe-verfassungs-Vertragswerk zur weiteren Konsolidierung von Völkern und Volkswirtschaften getrocknet, kaum ist der Widerstand des bösen Tschechen-Präsidenten und des renitenten Polen-Oberhauptes beiseite gewischt und das störrische Irland mit Hilfe großartiger Kreditangebote überredet, taucht ausgerechnet auf der offiziellen Vertragswerkseite ein neues schlimmes Hindernis für die weitere Integration Europas auf.

Es ist ein Fauxpas besonderer Art, der Europa zersplittern lässt wie eine kalte Glühbirne. Nach Recherchen unseres nahezu grenzenlosen Europablogs PPQ haben die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel und der bereits aus dem Amt geschiedene Außenminister Walter Steinmeier seinerzeit bei der Unterzeichnung des damals ebenso wie heute noch gar nicht vorhandenen und nirgendwo einsehbaren Vertragswerkes nicht als Kanzler und Außenminister, sondern in Vertretung des Bundespräsidenten Horst Köhler unterschrieben, der eigentlich hätte unterzeichnen sollen.

Nötig war das Gerüchten zufolge geworden, weil die siebzigtausendköpfige EU-Protokollabteilung vergessen hatte, Köhler pünktlich zur Unterzeichnungszeremonie einzuladen. Verfassungsrechtler befürchten nun, dass der EU-Vertrag, der zum großen Frohlocken aller seit Anfang des Monats allen das Leben total viel leichter macht, nun neu verhandelt und anschließend ein weiteres Mal unterschrieben werden muss. Ob Deutschland bis dahin zur D-Mark zurückkehren wird oder Angela Merkel vertretungsweise besser auch das Amt des Bundespräsidenten mitübernimmt, damit der Formfehler geheilt wird, prüfen zur Zeit mehrere Behörden in Brüssel.

Mannichl: Beweiskraft von Fingernägeln


Der Mörder ist immer der Gärtner und den fängt nur, wer im Garten sucht. Zum einjährigen Jubiläum des beinahe tödlichen rechtsradikalen Anschlags auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl feiert auch der "Stern" mit, das aber auf eine unappetitliche Weise, die sich vor einem Jahr noch böse rechtsradikal hätte schimpfen lassen müssen. Damals entdeckte der BayernLB-Verwaltungsrat und nebenberufliche bayerische CSU-Innenminister Hermann im feigen Stich des Lebkuchenmesses eine "neue Qualität rechten Terrors", mit dem "Stern" quietschte eine ganze Medienrepublik vor Vergnügen über die unverhofft in die stille, nachrichtenarme Vorweihnachtszeit brechende Geschichte vom tätowierten NPD-Kader, der dem aufrechten Anti-Rechtskämpfer "Grüße vom nationalen Widerstand" bestellt und ihn anschließend kalt lächelnd niedersticht.

Allein, bemerkt jetzt auch die Hamburger Illustrierte, die Bundeskanzlerin Angela Merkel unmittelbar nach der Tat eine Plattform für die Einschätzung gegeben hatte, dass es sich bei dem Attentat um einen "Anschlag auf uns alle" handele.

Davon zumindest ist nun nicht mehr die Rede, eher vom Gegenteil. Der Fall sei "immer mysteriöser" geworden, fantasiert das Magazin, dem über Monate nicht auffiel, dass der Fall von Anfang an mysteriös war. Hinweise hätten ins Nichts geführt, "Theorien, mal mehr mal weniger abstrus, schossen ins Kraut". Und, das muss ergänzt werden, sie füllten Seite um Seite von "Spiegel" und "SZ" über "Welt" und "FAZ" bis zu eben jenem "Stern", der nunmehr abhebt, das Gelände von oben zu erkunden.

Kronzeuge ist der Passauer Oberstaatsanwalt Helmut Walch, der sich wehre "gegen den Vorwurf von Herrn Mannichl, die Ermittlungsbehörden hätten falsche Angaben gemacht und er sei deshalb in der Öffentlichkeit ins Zwielicht geraten", schreibt das Fachblatt für Kleinkriminalität. Dann packt Walch aus, was die Spatzen seit Monaten von den Dächern pfeifen: Mannichl habe sich immer wieder in Widersprüche verwickelt, mal war die Tatwaffe ein Küchenmesser, mal ein Lebkuchenmesser, mal lag es wegen eines alten Brauchs draußen, mal war es nur vergessen worden. Abwechselnd hatte Mannichl den Täter nur Sekundenbruchteile lang gesehen oder aber er rang minutenlang mit ihm, mal konnte er nicht einmal erkennen, ob der Mann eine Glatze oder kurzes Haar hatte, dann wieder wollte er ihm beim Rangeln sogar DNA-Spuren abgekratzt haben.

Walch erzählt nun noch eine neue Variante der Mannichl-Märchen: In den ersten Anhörungen und Vernehmungen habe Mannichl gesagt, "dass in Vorbereitung des Adventfestes Tische vor seinem Haus standen, auf denen Lebkuchen lagen." Da sei ein kleiner Junge vorbeigekommen, den er nicht gekannt habe. Der habe um einen Lebkuchen gebeten. Daraufhin habe Mannichl gesagt: "Der ist doch viel zu groß für dich, warte, ich hole ein Messer und schneide dir den Lebkuchen ab". Als er zurückgekommen sei, habe der Junge schon den ganzen Lebkuchen aufgegessen gehabt. Herr Mannichl habe dann das Messer bei den Lebkuchen auf dem Tisch liegen gelassen.

Später verschwand der Junge aus den Geschichten des Zeugen und Mannichl glaubte sich sicher zu erinnern, "dass ihm während des Festes ein schlampig abgebrochener Lebkuchen aufgefallen sei, worüber er sich geärgert habe. Dann habe er ein Messer aus dem Haus geholt, damit in Zukunft die Lebkuchen glatt abgeschnitten werden können. Das Messer habe er dann auf den Tisch gelegt. Beim Aufräumen sei alles ins Haus getragen worden, nur das Messer nicht. Das habe er auf das Fensterbrett gelegt."

Dennoch versuchte die Polizei, den Jungen zu finden. Anfangs. "Das war dann aber hinfällig, als Herr Mannichl Anfang Januar das mit dem Jungen nicht mehr wiederholte."

Den Vorwurf, die Ermittler hätten es versäumt, DNA-Spuren des Täters unter den Fingernägeln des Opfers zu sichern, weist der Staatsanwalt zurück. Mannichl habe den Angriff so geschildert, dass ein Hautkontakt mit dem Täter nicht stattgefunden habe. Erst später habe Mannichl "die Auseinandersetzung im Detail allerdings als wesentlich intensiver, die Art, aber auch die Angriffs- und Abwehrbewegung anders geschildert".

Da wuchs etwas heran, das nach Monaten endlich in der Kritik gipfelte, man hätte verabsäumt, ihm Täterhaut unter den Fingernägeln hervorzuziehen. Das ärgert den Oberstaatsanwalt: "Ich muss die Polizeibeamten dafür in Schutz nehmen, dass sie keine Proben von den Fingernägeln genommen haben. Herr Mannichl ist der einzige, der den Ablauf beobachtet hat, er ist hoher Polizeibeamter, er weiß um die Brisanz und den Beweiswert von Fingernägeln. Er war der Vorgesetzte der Polizeibeamten, die fast täglich bei ihm im Krankenhaus waren, und er hat zu keinem Zeitpunkt die Beamten gefragt: Warum nehmt ihr keine Proben von den Fingernägeln? Wenn er selbst das nicht für erforderlich gehalten hat, dann kann man den Polizeibeamten jetzt auch keine Vorwürfe machen."


Warum der über Wochen zumindest medial beinahe tödliche Stich nun "nicht sehr tief" und auch so wenig "heftig" ausgeführt war, dass "der Blutverlust äußerst gering" blieb, die Ermittler aber dennoch vier Wochen nach der Tat daran gingen, die Wunde erstmals zu begutachten, muss vorerst weiter offen bleiben. Die neue Qualität rechtsextremer Gewalt ist nach "intensiven Ermittlungen" (Walch) inzwischen der Vermutung gewichen, "dass es sich um einen Einzeltäter handelt, der, unzufrieden mit seinem Leben und seiner sozialen Situation, rechtsradikalen Argumenten erlegen ist".