Freitag, 26. Juli 2024

Klimakiller Frankfurter Rundschau: Am Tag mehr Schaden als ein Deutscher in 31.000 Jahren

In Erdöl verpackt und oft als Remittent zurückgeschickt, richtete die Frankfurter Rundschau schon früher an einem Tag mehr Klimaschäden an als ein Durchschnittsdeutscher in siebzig Jahren.

Sie schreibt und kommentiert unter nahezu komplettem Ausschluss der Öffentlichkeit, immer hoch engagiert, aber kaum gehört, ein Rudiment der untergegangenen alten Bundesrepublik, das durch zahlreiche unglückliche Zufälle bis heute überlebt hat wie ein Käfer unter einem Stein. Die Frankfurter Rudnschau war einmal eine Tageszeitung, die aus gewerkschaftsnaher Perspektive auf die Welt schaute, gefangen in Illusionen, aber verglichen mit all den anderen überregionalen Blättern recht nah am Leben von Arbeitern und Angestellte.  

Fischen am linken Rand

Richtig groß wurde die Kleinste unter den bundesweit vertriebenen  Tageszeitungen damit nie, totzukriegen war sie allerdings auch nicht: Erst an einen Rheinländer verkauft, dann an den damals noch streng konservativen Nachbarverlag, landete die FR schließlich bei der Ippen-Gruppe, ein zusätzliches Profitcenter, das am linken Rand des Spektrum Leser und Werbegelder abgreifen soll. Funktioniert hat das nie, stets lief die zusammenschmelzende Redaktion dem Zeitgeist vergebens hinterher.

Je mehr sie sich auch radikalisierte, je weiter weg war sie vom ersehnten Schulterschluss mit den immer wieder hymnisch besungenen sozialen Bewegungen. Je weniger Leser sie erreicht, desto konsequenter setzte sie auf die Beschimpfung derjenigen, die sie nicht lasen. Inhalte werden nach mehreren Entlassungswellen nun überwiegend von der SPD eingekauft. Die Wirklichkeitsinterpretationen von schreibenden Rentnern wie Stephan Hebel, für den Angela Merkel eine  "Hohepriesterin der Heilslehre des Neoliberalismus" war, verteilen sich auf etliche angeschlossene Abspielstationen

Der Wahn als Wirklichkeit

Der Wahn der eigenen bizarren Vorstellungen ist hier Wirklichkeit und auch wenn er sich als Produkt - für den überregionalen Versand in fossile Plastiktüten verpackt - so schlecht verkauft, dass die Frankfurter Rundschau schon seit mehr als einem Jahrzehnt keinerlei Auflagenzahlen mehr meldet, ist der Schaden, den der Betrieb des vormals journalistischen Unternehmen anrichtet, beträchtlich. 350.000 Tonnen CO2 entstehen allein durch die Herstellung der mutmaßlichen Restauflage von 20.000 Exemplaren täglich, das ist die Last, die ein normaler Deutscher in einem etwa 31.000 Jahre langen Leben verursachen würde. 

Viel schlimmer noch als Taylor Swift

Dazu kommt im Fall der FR jedoch auch noch der Umstand, dass das Blättchen eine Internetseite betreibt, die als wahrer "Klimakiller" (FR) fungiert: Mit 20 Millionen Abrufen, wenn auch nicht bekanntgegeben wird in welchem Zeitraum, produziert die Frankfurter Rundschau 230 Tonnen CO2. Das ist dreißigmal mehr als die US-Sängerin Taylor Swift bei ihrem Skandalflug zum Super Bowl anrichtete, der für die FR Anlass war, die Künstlerin wegen ihres großen CO2-Fußabdrucks hart zu kritisieren. Dabei übertrifft doch allein schon der Tagesausstoß an CO2-Ausstoß, den den die FR-Internetseite produziert, die Menge, die 20 Menschen in einem Jahr als Klimaschuld anhäufen.

Kritik am eigenen Tun aber ist aus Frankfurt nicht zu vernehmen. Dort wo harte Einschränkungen zugunsten der Klimarettung immer ein offenes Ohr und einen, wenn auch eingebildeten, Verstärker finden, weil es "eben manchmal wehtun muss" (FR) , herrscht in eigener Klimasache ohrenbetäubendes Schweigen. Noch hat die Frankfurter Rundschau die verheerende Bilanz des eigenen Tuns transparent gemacht, noch nie hat sie Rechenschaft darüber abgelegt, wie viele Bäume sterben müssen, um das Blatt bis ins letzte Dort zu schaffen oder in Kiosken zu hinterlegen, aus denen es zumeist schon am nächsten Tag als unverkauftes Remittentenexemplar zurück zu Absender wandert.

Die Klassenkämpfer: Wer ist diese "politische Klasse"?

Ursprünglich als Bezichtigung von außen aufgebracht, sieht sich die politische Klasse heute selbst und selbstbewusst als solche.

Auf einmal ist sie überall plötzlich ist die Klassengesellschaft zurück. Diesmal klafft der Graben nicht zwischen oben und unten, zwischen Vorstadt und Zentrum, Stadt und Land. Sondern zwischen denen, die sich selbst zu einer neuen gesellschaftlichen Gruppe rechnen, von der weder Grundgesetz noch in Marxens "Kapital"noch nicht die Rede war: Die "politische Klasse" (Deutschlandfunk)  bezeichnet die gesellschaftliche Führungsschicht der Berufspolitiker, eben noch im Ausland, je weiter weg, desto mehr. Nun aber verstärkt auch nicht mehr nur in Ausnahmefällen bezogen auf den "Innenbetrieb des Parteienstaates" (Handelsblatt), die sich trifft, berät und für alle entscheidet.  

Eingerichtet im Parteienprivileg

Diese politische Klasse habe sich "im Parteienprivileg des Grundgesetzes eingerichtet", warnten Kommentatoren schon vor Jahren, als Deutschland noch nicht unter der Last der selbstauferlegten Verantwortung stöhnte. Es ist der Versuch der Umwertung eines Begriffes, den Hetzer, Hasser und Zweifler lange für sich reklamiert hatten, um vermeintlich negative Begleiterscheinungen politischer Professionalisierung zu betonen. 

Dass die neue Nomenklatura der Volksparteien sich aus Kadern rekrutiert, die ihr ganzes Sein, ihre gesellschaftliche Stellung und ihren Lebensunterhalt allein der organisierten Formation verdanken, der sie sich - zumeist in früher Jugend - verschrieben haben, wurde mit dem aus dem Französischen entlehnten Schlagwort kritisiert, um vermeintlich zunehmende Ablösungstendenzen der Eliten zur Delegitimierung machtausübender Menschen zu nutzen.

Okkupierter Begriff

Rechte Parteien, Populisten und rechtsextreme Gruppierungen okkupierten den Begriff, der ein rationales Umgehen mit möglicherweise noch bestehenden Defiziten der Demokratie unmöglich machen soll. Peter Glotz, der große sozialdemokratische Vordenker, hat früh darauf hingewiesen, das eine so formulierte Kritik an der politischen Klasse nur darauf zielt, sie lächerlich zu machen und Denunziation zu ermöglichen, ohne dass sie als solche entschlossen zurückgewiesen werden kann. Berühmt geworden ist die Anklage des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der sich dieses Stilmittels 1994 virtuos bediente: "Die heutige politische Klasse in Deutschland ist gekennzeichnet durch ein Übermaß an Karrierestreben und Wichtigtuerei und durch ein Übermaß an Geilheit, in Talkshows aufzutreten."

Doch zuletzt sickerte der fragwürdige Euphemismus aus den rechten Echokammern in den medialen Mainstream. Ganz selbstverständlich ist die Rede vom "Staat als Beute", von einer politischen Klasse, die die Wähler täusche, und von einer "Kaste" (Die Zeit), die sich zwar "nicht durch Erbfolge", aber durch durch Wahlen fortpflanze: Ein "eigenes Korps mit eigenen Funktionsgesetzen", zusammengesetzt aus den "politisch Herrschenden, den Regierenden, in Deutschland ein paar Tausend Mitglieder, weit überwiegend Männer", so Die Zeit.

Beschimpfung als Selbstbezeichnung

Selbstbewusst sprechen die Bundesminister oder Ministerpräsidenten, Bundesrichter oder hohe Parteifunktionäre, Edelfedern, Spindoktoren, Parteiarbeiter, Aktivisten und hauptberuflich Engagierten inzwischen von sich selbst als der politischen Klasse. Eine Gruppe, die durch soziale, kulturelle und finanzielle Schranken abgeschottet ist von der Bevölkerung als Ganzes. Eine Schicht, die Partei- und Wahlämter wie Wahl- und Parteiämterinhaberbeobachtung als Erwerbsberuf betreibt, am liebsten abgekapselt und nur gelegentlich Nähe als herrschaftliche Gnade verteilend. Die politische Klasse weist sich dadurch aus, dass ihre Mitglieder nicht nur für die Politik, sondern ausschließlich von der Politik lebt. 

Ihr Verhältnis zu Verfassung ist spannend: Einst geschrieben, um die politische Klasse in ihren Handlungsmöglichkeiten einzuschränken, hat die politische Klasse ihre Möglichkeit, die Verfassung  nach ihren Bedürfnissen zu gestalten, beständig erweitert und immer breiter angelegt. Zuletzt gelang es ihr, die Erststimme bei Bundestagswahlen zu entwerten, um die über parteiintern aufgestellte Listen antretenden Empfänger von Zweistimmen zu begünstigen. Damit wird der innere Zusammenhalt der Klasse der Berufspolitiker gestärkt und die Durchlässigkeit zwischen der Frau und dem Mann auf der Straße und den im Parteiauftrag nach ihrem Gewissen im Parteiauftrag agierenden Politikern und Politikerinnen zu zurückzubauen.

Selbstgemachtes Aushängeschild

Aus der Beschimpfung der vor allem in Berlin verorteten politischen Klasse durch einschlägige Absender aber haben die zusehends selbstbewusster agierenden Klassenangehörigen sich ein Aushängeschild gebaut. Die von den lateinischen Substantiven classis und politicus abgeleitete Bezeichnung für die neue Bevölkerungsgruppe umfasst nicht mehr nur Handelnde im politischen Raum, sondern auch deren protokollführende Begleiter, ihre Berater, Propagandisten und zivilgesellschaftlichen Stichwortgeber. 

Durch diese Ausweitung seiner Bedeutung erst hat der früher als Beschimpfung genutzte Begriff seinen Klassencharakter erhalten. Heute ist er einer der Bausteine der modernen Gesellschaftsbeschreibung: Einerseits ist da die politische Klasse, daneben agiert die zugehörige sogenannte Zivilgesellschaft, dazu gibt es im politischen Selbstgespräch nur noch die schwätzende, hetzende und querdenkende verfassungsfeindliche Opposition. Und sehr viel Bevölkerung mit sehr wenig Verständnis für nichts, der es deshalb fortwährend gilt, die eigenen klugen Entscheidungen noch besser zu erklären.

Neue Dimension von Elite

Seit Klaus von Beyme den vom italienischen Juristen und Politologen Gaetano Mosca (1858 - 1941) in  seinem Buch „Elimenti di scienza politica" (1896) geprägten Begriff der politischen Klasse in einer Untersuchung zur "neuen Dimension der Elitenforschung" auf die mögliche "Ablösungstendenzen" abgeklopft hat, haben Professionalisierung, Karrierisierung und Routinisierung politischer Karrieren eine neue Dimension erreicht. Zählte Helmut Schmidt einst neben den Politikern nur die politischen Journalisten zur politischen Klasse, gehört heute ein weiteres und ungleich breiteres Umfeld aus Aktivismus, Berufsprotest und Behörden dazu. 

So wie die von Karl Marx ausgedachte Gesellschaft ohne ökonomische Klassen ohne Herrschaft auskommen sollte, so kommt die moderne Mediendemokratie nicht ohne die Minderheit der politischen Klasse aus, "die eine Mehrheit beherrscht" (von Beyme), ohne dass diese hierarchische, streng zweigeteilte Gesellschaft mit ihrem Elite-Masse-Gegensatz im öffentlichen Gespräch zu einer Erklärungsnot führt: Die Steuerung der Gesellschaft durch eine Klasse, die über alle ideologische Differenzen hinweg gemeinsame biographische, intellektuelle und funktionale Merkmale teilt, gilt als alternativlos. Dass sich diese politischen Klasse leider, leider, leider aus sich selbst heraus erneuert, als unumgänglich. 

Getrennt vom Alltag

Durch räumliche Erhöhung und durch Sicherheits­kräfte vom Volk getrennt, durch Einkommen und Lebensstil vom Alltag abgeschottet, zeichnen sich die Angehörigen der neuen Klasse dadurch aus, dass ein Hochdienen bis in Ämter mit politische Entscheidungsmacht unumgänglich ist. Spitzenpositionen werden in der Regel nur über bestimmte Laufbahnen erarbeitet, die nur in den politischen Parteien möglich sind. "Sie kanalisieren den politischen Auswahlprozeß nahezu vollständig" (Bernhard Weßels) und stehen nur denen offen, die die Ausdauer mitbringen, ihre Zeit kommen zu lassen. Wem es gelingt, der betreibt Politik als Beruf, er ist Angehöriger eben jener "politischen Klasse",  die in keinem Bereich spezielle Kenntnisse haben muss, zugleich aber für Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Moral, Verteidigung, Zukunft, Deutung der Vergangenheit und Wohlstand verantwortlich ist.

Überfordert, ratlos, um Lösungen verlegen, nie aber um einen neuen Plan für neue Aufgaben, existiert diese Klasse in einem abgekapselten Raum, der kaum mehr einen Austausch mit seiner Umgebung kennt. Die Realität erscheint von innen gesehen als störende Belästigung, die Wirklichkeit als Nebengeräusch, das Zeit raubt, die lieber für interne Richtungskämpfe genutzt werden würde.

Donnerstag, 25. Juli 2024

Grundreinigung in Lummerland: Ganz in Weiß

Eine Nachbearbeitung der Jim-Knopf-Filme könnte weitere rassische Klischees ausmerzen.


Es sollte nur eine dieser Verfilmungen werden, die einer neuen Generation die charmanten Helden ihrer Eltern nahebringt. "Jim Knopf und die wilde 13" entstand im ostdeutschen Brandenburg, in einer Filmfabrik der ehemaligen Ex-DDR, ein "rührendes Aufeinandertreffen", so der "Tagesspiegel", von westdeutscher Hochkultur und ostdeutscher Provinzialität. Auch in Südafrika wurde wieder gedreht, das Land gilt als beste Klischeekulisse für die kolonialen Fantasien des bundesdeutschen Autos Michael Ende, der als Sohn eines entarteten Künstlers geboren wurde, aber mit der Erfindung des Landes Lummerland selbst über Jahrzehnte als unumstrittener Fortschrittsschriftsteller galt.

Knopfs völkische Wurzeln

Erst spät wurden die völkischen Wurzeln des 1995 verstorbenen Kulturschaffenden entdeckt, erst noch viel später wurden sie ausrissen und ausgebrannt. Titelheld Jim Knopf, ursprünglich ein Schwarzer Mensch, wurde gebleicht, um dem Buchklassiker den Rassismus auszutreiben. Seine Lippen wurden schmaler, das N-Wort wurde ersetzt und ein einordnendes Nachwort sorgt nun dafür, dass Kinder "bestimmte sprachliche Elemente nicht in ihre Alltagssprache übernehmen", wie das als Prüf- und Kontrollbehörde fungierende Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgsichen Warin in einer Pressemitteilung einordnet.

Ein Sieg für die Menschlichkeit, ein Sieg des Fortschritts über das rückwärtsgewandte Beharren konservativer Kräfte auf unveränderten Originaltexten. Die neue, bereinigte Fassung zeigt einen Jim Knopf, der daheim ist in einer Zeit, die mitten in der Transformation steckt: Sein Lummerland ist noch nicht vollständig demokratisiert, nicht einmal EU-Beitrittskandidat und auch über die Arbeitsbedingungen der dortigen Lokführer ist kaum etwas bekannt. 

Heizpumpe für Herrn Ärmel

Doch die Lummerlandbewohner, zumeist noch daheim in klimabelastenden Einfamilienhäusern, leben nun im besten Lummerland, das sie je hatte. Im Laden von Frau Waas ist nichts zu sehen von Lieferkettenprobelmen oder höheren Preisen. Das Haus von Herrn Ärmel wird wohl demnächst gedämmt und mit einer Heizpumpe ausgestattet. Das Schloss von König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften fungiert als fröhliches monarchisches Symbol wie Brüssels Barleymont-Palast, nicht als Machtzentrum.

Die Überarbeitung des Buches auf den nunmehr gerade aktuellen Stand aber werfen auch Fragen auf. Die heute schon sechs und vier Jahre alten Verfilmungen zeigen sich unvorbereiteten jungen Zuschauern weiterhin als stupide Übersetzungen der falschen Buchschwerpunkte auf die Kinoleinwand. Lukas der Lokomotivführer ist ein alter, weißer Mann. Jim Knopf ein augenscheinlich schwarzer Junge, dem zudem aufgetragen ist, eine klischeehaft weiße und wehrlose "Prinzessin Li Si" aus den Fängen eines Drachens zu befreien. 

Bürgerrechtler protestieren

Für die Bürgerrechtsorganisationen European Moral Rights (EMR), Gesellschaft für Einheitsrechte (GFE) und Global Witness of Shame (GWoS) kein Zustand, der geduldet werden kann. "Wir sind sicher, dass auch Micahel Ende heute wollen würde, dass seine Geschichten so dargestellt werden, dass an ihrer Botschaft kein Zweifel bestehen kann", sagt die GFE-Vorsitzende Barbar Rabenstic. Ende haben zu seiner Zeit nicht wissen können, wie sich die Herangehensweise an die Akzeptanz von Fremden und die Toleranz für Andersartiges mit der Zeit entwickeln werde. "Sonst hätte er seine Bücher ohne Zweifel gleich ganz anders geschrieben." Nun, wo die Knopf-Bände auf einen zeitgemäßen Stand gebracht worden seien, sei es aber Zeit, auch die Filme umzugestalten. "Sie sollen ruhig spannend und humorvoll bleiben, aber auf eine lehrreiche Weise."

Global Witness of Shame (GWoS), eine Organisation, die sich auch dem klimagerechten Kampf für eine nachhaltige Umwelt widmet, verweist zudem auf problematische Details in Endes Werk. So sei Lummerland als schwimmende Insel ganz besonders vom Anstieg der Weltozeane infolge des Klimawandels betroffen. "Allein findet sich weder in den Büchern noch in den Verfilmungen ein Hinweis darauf", beschreibt Karoletta Tastabi von GWoS. 

Lummerland-Volk ohne Raum?

Als bedrückend empfänden viele Betroffene auch die von Michael Ende aufgemachte krude These, dass Lummerland als Insel zu klein für alle Bewohner werden könne. "Das ist natürlich eine Erfindung, die direkt auf das Konto der rechtsextremistischen Fremdenfeinde einzahlt", ist die studierte Moralologin Tastabi sicher. Solche verqueren Schuldzuweisungen nicht nur aus dem berühmten Kinderbuch, sondern auch aus den beiden Filmen zu entfernen, sei "keine Ausgeburt woker Selbstgerechtigkeit", sondern Ausweis eines gesunden Verhältnisses zur Sprache. 

"Es reicht eben nicht, Jim Knopf und dem Lokführer Lukas aus guten pädagogischen Gründen die gesundheitsschädliche Pfeife aus dem Mund zu nehmen", findet die Geschäftsführerin des größten deutschen Moralverbandes, "sondern es braucht zwingend eine moralhygienische Grundreinigung eines Werkes, das in dieser Form einfach nicht mehr in unsere Zeit passt".

Schuldenbremse: Initiative will Verbot wegen Verfassungsfeindlichkeit

Eine Petition soll die Bundespolitik zwingen, die Schuldenbremse vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig aburteilen zu lassen.

Sie waren alle dabei, lauter Figuren, denen heute häufig nachgesagt wird, sie hätten so ziemlich alles falschgemacht. Angela Merkel, die Kanzlerin, die Deutschland dem Kreml in die Arme geworfen hat. Sigmar Gabriel, der Kanzler werden wollte und zum Schluss ein Gnadenbrot als Außenminister serviert bekam.  

Andrea Nahles, auch eine SPD-Vorsitzende, die heute endversorgt Deutschlands Arbeitslose verwaltet. Dazu Wolfgang Schäuble, selbstverständlich, denn Schäuble war immer dabei. Wie Wolfgang Thierse (SPD), Dagmar Wöhrl (CDU) und Petra Weis (SPD), wie Frank-Walter Steinmeier, Brigitte Zypries, Peter Struck und Walter Riester.

Wankende Gestalten

Nachdem eine sogenannte Föderalismuskommission vorgeschlagen hatte, die Staatsverschuldung Deutschlands dauerhaft durch eine Schuldenbremse zu begrenzen, ging es schnell. Am 29. Mai 2009 hob eine Mehrheit im Deutschen Bundestag die Hände. Die Medienlandschaft jubelte über das neue, wichtige Instrument, das Staatsdefizit einzudämmen und irgendwann abzubauen.  Norbert Lammert, damals Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Volker Kauder, Ruprecht Polenz, der sein Glück später als Politfluencer fand, aber auch weitgehend unbekannt gebliebene Parlamentarier wie Kerstin Griese, Hans-Michael Goldmann und Kai Gehring hatten einen Pflock eingeschlagen: Künftigen Parlamenten war es nun versagt, eines der zentralen und edelsten Rechte auszuüben, das eine demokratisch gewählte Volksvertretung hat.

"Seit 2011, der Bundestag von 2009 hatte ja wohlweislich nicht sich, sondern erst nachfolgende Parlamente ab dem Jahr 2020 fesseln wollen, üben gewählte Abgeordnete das sogenannte Haushaltsrecht nur noch eingeschränkt aus", schimpft Ronald C. Gerber, einer der Mitinitatioren einer Petition, die auf eine Verfassungsklage gegen die Schuldenbremse zielt. 

Dass sich die "Klasse von 2009", wie Gerber sie abschätzig nennt, angemaßt habe, sämtlichen folgenden Parlamenten das Recht abzusprechen, nach bestem Wissen und Gewissen selbst über die staatliche Neuverschuldung zu entscheiden, ist für das aktive Mitglied in der AG Sozialdemokraten in der SPD (AGS)  schon damals ein Ärgernis gewesen. "Und heute sehen wir, wo uns das hingeführt hat."

Das aktuelle deutsche Finanzdesaster 

Die Verantwortlichen für das aktuelle deutsche Finanzdesaster säßen nahezu alle daheim im warmen Stüblein, händereibend angesichts der Tricks und Klimmzüge, die ihre Nachfolger vollführen müssen, um wenigstens so zu tun, als hätten sich die Verschuldung auf maximal 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts (BIP) beschränkt. 

"Der Rest steckt doch aber", sagt Gerber, "in diesen Schattenhaushalten, die sie jetzt Sondervermögen nennen." Nur mit Hilfe dieses Kunstbegriffes aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin gelinge es der Bundesregierung überhaupt noch, ganz normale Alltagsaufgaben des Staates wie den Unterhalt eines stehenden Heeres, Rentenzahlungen oder Investitionen privater Großkonzerne zu finanzieren.

Gemeinsam mit anderen Kritikern der Lage, darunter einige Kenner der Verfassung und Experten, die das Grundgesetz "beinahe auswendig kennen", wie Gerber lobt, hat der 52-Jährige eine Petition ins Internet gestellt, mit der er den "abscheulichen Plan" (Campact) der Schuldenbremser von 2009 durchkreuzen will. 

Da es sich  beim Haushaltsrecht um ein Grundrecht des Parlaments handele, das von niemandem eingeschränkt werden dürfe, sei eine Verfassungsänderung, die das anstrebe, von vornherein ungültig gewesen, so argumentieren sie. "Diese Regelung greift in die Autonomie der gewählten Volksvertreter ein und nimmt ihnen die Möglichkeit, selbst zu entscheiden."

Fesseln für den Bund

Da Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet seien, nicht aber Haushaltsregeln, die von früheren Generationen von Abgeordneten aufgestellt worden sind, mangele es der Schuldenbremse an verfassungsgemäßer Eingriffstiefe. 

"Der damalige SPD-Fraktionschef Peter Struck und der baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger von der CDU haben sehenden Auges ein absolutes Neuverschuldungsverbot für die Länder angeregt und dem Bund Fesseln angelegt, die heute zu immer mehr zu einer ernsthaften Gefahr für unsere Demokratie werden", sagt er. 

Mit Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen gelten bereits drei Bundesländer als gesichert rechtsextrem, weil wegen ausbleibender Nachschulden Wohlstandsängste geschürt werden können. 

Die Schuldenbremse darf Deutschlands Zukunft nicht ausbremsen, sagt Gerber. Es brauche eine Reform, die einzuleiten die streitenden Parteien in Berlin offensichtlich nicht in der Lage seien. "Deshalb ist das Verfassungsgericht gefragt, überparteilich und durch die Besetzung der Richterstellen durch verschwiegene Verhandlungen im Hinterzimmer gesellschaftlich breit getragen", betont er.

 Es gehe nicht um Parteien, es gehe um unser Land. "Uns bricht wegen der Schuldenbremse eine langjährige und gut eingespielte Demokratie weg", fürchten Ronald C. Gerber und die anderen Mitglieder der AG Sozialdemokraten in der SPD.
 
Kaum mehr abzuwenden seien jetzt schon Regierungsbeteiligungen von Populisten. "Dem müssen wir zuvorkommen. Eine Möglichkeit sei es, den riesigen Investitionsstau in der deutschen Infrastruktur zu beseitigen. Das sei in den 30er Jahren schon einmal gelungen, auch damals habe man neue Schulden gemacht, etwa um Autobahnen zu bauen. 

Viele Ökonomen halten das auch jetzt für angebracht, darunter führende Köpfe wie der Spitzenökonom Marcel Fratzscher. Bei einem Geheimtreffen der AGS habe man deshalb Anfang des Jahres begonnen, ein Verbotsverfahren für die Schuldenbremse zu planen. "Sie ist ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung und darf deshalb nicht unbeantwortet bleiben." 
 
Noch stehe die breite Öffentlichkeit den Feinden der Demokratie und ihren perfiden Spielen mit dem Grundgesetz nicht wehrlos gegenüber. "Das Grundgesetz sieht ausdrücklich vor, dass solche Regelungen geprüft werden können." 

Gerber sieht gute Chancen auf Erfolg – "und deswegen fordern wir: Schützen Sie unsere Demokratie, streichen Sie die engen Vorgaben für Schuldenausnahmen nur für Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen!" Die die Schuldenbremse sei eine Zukunftsbremse, die die  Aufrechterhaltung der Stabilität deutscher und europäischer Finanzen bedrohe."Es ist nun Zeit, mit diesem Spuk aufzuräumen."

Mittwoch, 24. Juli 2024

Solarparks: Die Regenmacher

Sind Solarparks nur ausreichend groß, liefern sie nicht nur Energie, sondern auch Regen.

Er liegt im Süden von Leipzig, ein verlässlicher Lieferant von sauberem Strom, bestehend aus mehr als einer Million Solarmodulen. Der Solarpark Witznitz schafft unter idealen Bedingungen mehr als ein Drittel der Leistung des nahen Braunkohlenkraftwerks Lippendorf, könnte die Energielieferungen des fossilen Monsters also, wäre er dreimal so groß, zumindest an schönen Tagen ersetzen. So geht Energiewende, so beschwört sie aber auch Befürchtungen herauf. Könnte die fünf Quadratkilometer große Anlage Auswirkungen auf die Umwelt haben? Oder eine noch größere? Und wenn, dann welche?

Ängste zerstreuen

Der MDR hat es übernommen, die Ängste zu zerstreuen. Noch sei nicht abschließend geklärt, ob Temperatur der Umgebungstemperatur durch Zehntausende von Solarmodulen ändern? Die schwarzen Platten zur Energieernte können im Sommer bis zu 70 Grad Celsius heiß werden, in Klimasommern mit ausgedehnten Heißzeiten auch um die 80 Grad. Wie wirkt sich dieser Temperaturunterschied von 45 Grad gegenüber der normalen Umgebungstemperatur auf das Micro- und Macroklima aus? Der bisher mit Abstand größte Solarpark Deutschlands hat diese Frage beantwortet.

Die Anlage, von einer Versicherungsgesellschaft für mehr als 100 Millionen Euro errichtet dem Gelände eines früheren Braunkohletagebaus, bleibt für die Umwelt weitgehend folgenlos. Für Tiere, die hier früher lebten, wurde gesorgt, Igel, Hasen oder Füchse können weiterhin frei durch das Gelände streifen. Bei Regen dürfen sich sogar Rehe und andere größere Tiere unter den schrägstehenden Panelen unterstellen. 

Platz für das Braunkehlchen

Für Vögel wie den Kiebitz oder das Braunkehlchen konnte nichts getan werden, aber ihnen bleibt in der weitgehend entvölkerten Umgebung beim früheren Chemiestädtchen Böhlen genug Platz, um auszuweichen. Steinschmätzer und Schwarzkehlchen dagegen gefällt es nach Angaben von Wissenschaftlern zwischen den PV-Modulen, die so zum neuen Lebensraum bedrohter Arten werden.

Eine überaus glückliche Fügung, aber nach MDR-Angaben längst nicht die einzige. Zwar könne die Temperatur unter den Solarplatten "nachts um bis zu fünf Grad höher" ausfallen als üblicherweise, doch dafür sei es am Tag durch deren Schattenwirkung "um bis zu fünf Grad" kälter, die Luft direkt über den Solarflächen dagegen nur ein Grad erwärmen - wobei dieser Wert wegen der brandneuen Technologie "bisher noch nicht erfasst" (MDR) worden sei. Bisher ist dadurch "nicht abschließend geklärt, ob und wie durch große Solarparks die Böden unter den Modulen und in umliegenden Gebieten erwärmt werden". 

Solar macht Regen

Zumindest nicht in Sachsen. Anderswo sind Forscher bereits ein gutes Stück weiter: So hat die Studie "Scaling artificial heat islands to enhance precipitation in the United Arab Emirates" von Forschern der Universität Hohenheim vor einiger Zeit bereits ergeben, dass sich Böhlen, Neukieritzsch und Rötha in den kommenden Jahren vermutlich trotz anhaltender Dürre überall sonst auf mehr Regen freuen dürfen. Neben den "geringen Auswirkungen auf die Temperatur, die bekannt sind" und Gutachtern zufolge "keine Beeinträchtigung" für nichts darstellen, entstehen durch die Absorbtion des "Großteil des Sonnenlichts" und die daraus folgende Erwärmung der Luft über den Modulen sogenannte "künstliche Wärmeinseln" in der Landschaft. 

Von denen steigt in der Folge warme Luft auf, die die Bildung von Wolken begünstigt. Kommen dann feuchte Winde hinzu, wird Regen ausgelöst. Zwar schätzen die Forscher aus Hohenheim, dass für richtigen künstlichen Regen eine Solaranlage von 20 Quadratkilometern benötigt werde. Erst dann sei "regionales Klima-Engeneering" als "Mittel zur Lösung regionaler Umweltprobleme wie Wasserknappheit und hohe Temperaturen" alltagstauglich. 

Höherer Wirkungsgrad als Glühbirnen

Als hilfreich erweist sich, dass der Wirkungsgrad von Solaranlagen typischerweise bei zehn bis 20 Prozent liegt, etwa doppelt bis vierfach so hoch wie bei einer früher handelsüblichen Glühbirne.  dadurch kann ein Großteil der einfallenden Strahlung direkt in Wärme umgewandelt werden. Dadurch  bestehe "Potenzial für eine Verbesserung der Niederschlagsmenge, wenn sie im großen räumlichen Maßstab umgesetzt wird", haben die Forscher bei ihren Untersuchungen in Saudi-Arabien festgestellt. 

Eine frohe Botschaft, die Sachsen bisher noch nicht erreicht hat. Hier herrscht bisher noch Datennotstand. "Zu den Aspekten Wärme und Strahlung fehlt noch Forschung. Die kommt aber, wenn mehr Solaranlagen gebaut werden", heißt es bei der sächsischen Landesstiftung Landschaft und Natur. Bisher stehe nur fest, dass die Blendwirkung der schwarzen Spiegelfelder "gering" ist, die Lautstärke der Wechselrichter und 200 Transformatoren "mindestens fünf Dezibel unter den Werten für Wohngebiete" liegen und die Versiegelung von Flächen kaum ins Gewicht falle.

Traktoren sind schlimmer

Ein Solarpark benötige keine Fundamente, die Halterungen der Module seien "in den Boden gerammt" worden. "Das ist mit einer normalen landwirtschaftlichen Flächennutzung vergleichbar", bestätigt Ulrike Würflein vom Umweltbundesamt. Tomas Brückmann von der Sächsischen Landesstiftung für Natur und Umwelt sieht sogar einen heilenden Effekt für verdichtete Böden: "Die großen Landwirtschafts-Maschinen auf Ackerflächen sind im Vergleich schwerer und verdichten den Boden mehr." Weil die aktuellen Standards für die Sanierung nach der Stilllegung des Tagesbaus noch nicht galten, wächst hier ohnehin kein Baum. Und die, die trotzdem wuchsen, wären irgendwann wohl verkümmern, weil - auch wegen der fehlenden Solaranlagen - nicht genug Wasser verfügbar war.  

Das wird sich nun ändern. Wie Andreas Berkner vom Regionalen Planungsverband Westsachsen dem MDR erklärte, seien die Auswirkungen des großen Solarparks auf den Wasserhaushalt zwar bisher "nicht komplett klar". Aber wenn man davon ausgehen, dass viel Wasser direkt auf den PV-Modulen verdunste und damit auf dem Boden nur wenig ankomme, sei das für den nahen Fluss Pleiße möglicherweise positiv, weil "weniger Eisensulfat aus den ehemaligen Tagebauböden ins Wasser gelange.

Letzte Zuflucht Zuversicht: Die Historie der Heilsversprechen

Mag draußen auf den Straßen auch der Eindruck nicht von der Hand zu weisen sein, dass alles immer mehr auseinanderbricht.Mögen dort, wo die Menschen warten, um von der Politik abgeholt und mitgenommen zu werden, inzwischen nicht einmal mehr Busse fahren, von Zügen und Taxis ganz zu schwiegen. Mag die Infrastruktur auch verfallen, die Wehrfähigkeit unwiederbringlich verloren sein und das Vertrauen in die Regierenden selbst bei denen, die noch welches haben, kaum mehr messbar sein. Dort, wo das Land geführt wird, in den Hinterzimmern der Ohnmacht und den verschwiegenen Leitstellen in den Parteizentralen gehört es zu den Grundtugenden, sich von der Realität nicht einholen zu lassen.
 

Lageunabhängige Beschwörung


Wie die Lage auch ist, sei sie nicht zufriedenstellend, verbesserungsbedürftig oder gar schlecht, wer politische Verantwortung trägt, ist zuallererst in der Pflicht, Zuversicht zu zeigen. Kann sein, die Wirtschaft läuft gar nicht mehr, kann sein, die Bauern und die Pfleger und die Straßenbahnschaffner sind unzufrieden, die Fluglotsen streiken oder die Lokführer. Möglich, dass die Lieferketten wieder reißen, dass die Abhängigkeit der Gasversorgung von Amerika sich als fataler Fehler erweist und eingesehen werden muss, dass auch eine zweite kollektive Anstrengung von deutscher Politik, deutschen Medien und deutscher Politik- und Medienwissenschaftlernden kaum Anlass zu Hoffnung bietet, dass amerikanische Wähler davon beeindruckt Donald Trump vom Weißen Haus fernhalten könnten. 
 
Gerade wenn es ganz mies läuft, zeigt sich die innere Stärke wahrer Führer: Sie haben immer guten Grund und jede Menge Anlass, festes Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft und die Erfüllung bestimmter Wünsche und Hoffnungen zu zeigen. So definiert der Duden den Begriff "Zuversicht", ein Wort, das mit "Wachsen", "Optimismus" und "Hoffnung" verschränkt ist. Durchweg Dinge also, an denen es Deutschland noch mehr fehlt als an Fachkräften, Grenzen und Politikern, die die Grundrechte achten, statt auf dem populistischen Klavier der Menschenfeinde zu spielen.  

Predigt der Populisten

Die Geschichte der Zuversicht als positive Grundhaltung deutscher Politik reicht weit zurück, weil der Terminus eine ideale Passform für politische Fensterreden hat. Wo Optimismus nach Wunschdenken klänge und "Hoffnung" wie Pfeifen im düsteren Wald, ist die Zuversicht ein treues Pflaster auf jede klaffende Wunde. Schon frühere Führer und Reichskanzler machten sich diesen Umstand zunutze, indem sie die wichtige Rolle der Vermittlung von Zuversicht auch in direkten Unterweisungen der Presse betonten. 

Der felsenfeste Glaube an eine weltgeschichtliche Mission und "die unerschütterliche Zuversicht", dass die Vorsehung die Erfüllung der großen Aufgabe begünstige, beseelte Führungspersönlichkeiten selbst in den dunkelsten Stunden. Schon Angela Merkel wusste, Zuversicht ist fester Glaube an das Unmögliche, für den es immer einen Grund gibt, auch wenn da keiner ist.

Zuversicht braucht nur den Glauben

 Nur die eigene Zuversicht kann draußen im Lande ein Lämpchen zünden. Auch wenn nicht viel bleibt als das Wort selbst, um Zuversicht zu verbreiten, so muss es doch getan werden, immer und immer wieder. "Unser Kurs heißt Zuversicht", zitiert der "Spiegel" einen Mann, der als Widerständler gegen den Kommunismus kaum Grund zur Zuversicht hatte. Andererseits ließ auch Erich Honecker schon Jahre vor seinem Ende wissen, dass "das Volk der DDR mit Zuversicht die Schwelle zum Jahr 1973 überschreiten" könne.

Peter Ramsauer griff diese zuversichtliche Sichtweise zu Beginn des Jahres 2011 auf. Die Finanzwirtschaft war zerrüttet, reihenweise waren deutsche Landesbanken über ihren Ehrgeiz gestolpert, mit Staatsgeld an den Finanzmärkten zu wetten. "Wutbürger" war gerade Wort des Jahres geworden, in Berlin führte Angela Merkel ihr zweites Kabinett, diesmal zusammengestellt aus CDU, CSU und FDP. Ramsauer rief die Bürger also zu "Zuversicht und Dafürsein" auf. Nicht immer fragen und wissen wollen. Sondern einfach mal mitmachen!

Je mieser, desto öfter

Im modernen Deutschland der Wir-Demokratie setzte der CSU-Mann damit eine Wegmarke. Je trüber die Stimmung seitdem geworden ist, desto häufiger und trotziger rufen die Verantwortlichen zur Zuversicht auf. Von Hubertus Heil über den notorischen Bergprediger Walter Steinmeier, von Horst Seehofer bis zum heute unter Verdacht stehenden Roland Koch ist die Zuversicht eine Durchhalteparole, die umso häufiger benutzt wird, je weniger Anlass sie bietet, benutzt zu werden. 

Das liegt natürlich auch an Olaf Scholz, ein Bundeskanzler, den  seine Gegner als den schlechtesten bezeichnen, der Deutschland jemals hatte, allerdings ist Scholz danach auch Chef der schlechtesten Bundesregierung aller Zeiten, so dass nicht ganz klar ist, wer wen hier mit herunterzieht. Die Kanzler das Kabinett? Das Kabinett den Kanzler? Beide zusammen das Land? Grund dazu jedenfalls besteht überhaupt nicht, das hat Scholz zuletzt verschiedentlich, immer wieder und unabhängig von der jeweils aktuellen Lage verdeutlicht. Schon in seiner Neujahrsansprache Ende 2022 ließ Scholz keinen Zweifel daran, dass ein schweres Jahr zu Ende gegangen sei, seine Botschaft von Zuversicht erzähle.

Verordnete Zuversicht

Auch für 2023 rief Scholz deshalb zu "Zuversicht" auf, mit so viel Erfolg, dass er schon drei Monate später darauf zurückkam: Vor einem der zahllosen wegweisenden EU-Gipfel rief Scholz zu Zuversicht auf. Er wisse zwar, dass sich "Zuversicht lässt sich nicht verordnen" lasse, obwohl er schon wollen würde, wenn er könnte. Leider aber sei Zuversicht immer noch "vor allem das Ergebnis bereits erzielter Leistungen". Und da sehe es, das sagte Olaf Scholz allerdings nicht, ja bekanntermaßen mehr als mau aus.

Doch versuchen muss man es, zur Not immer wieder, gerade dann und am besten  im Kreise Gleichgesinnter. Auch bei historischen SPD-Parteitag, der die glücklose Parteispitze nach einer Halbierung der Umfrageergebnisse mit Rekordwerten im Amt bestätigte, war es die "Zuversicht", zu der der inzwischen vom Verfassungsgericht seiner schwarzen Klimakasse beraubte Kanzler Zuflucht nahm. Das zeigt: Mit den Milliarden oder ohne, im Krieg oder in der Pandemie, in der Finanzkrise oder danach, mit gebrochenem Bein oder gebrochenem Hals, Zuversicht ist anlassunabhängig, frei von situativen Umständen und im politischen Geschäft ein Willensakt ähnlich dem des Baron von Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zog, weil er nicht wissen wollte, dass das nicht geht.

Dienstag, 23. Juli 2024

Baukrise: Das kann Deutschland von der DDR lernen


Hunderttausende sollten es werden, Hunderttausende wurden es, nur auf der Fehlseite. Mit dem Ausbruch der Zinskrise verfiel der Wert von Immobilien in Deutschland, dafür stiegen die Baukosten und im Zuge der Entbürokratisierung durch Lieferkettengesetz und neue Klimaauflagen wurden Sanierungen so teuer, dass Wohnungsgesellschaft klagen, sie müssten für einfach renovierte Wohnungen in 50 Jahre alten DDR-Wohnblock 17 Euro Miete pro Quadratmeter aufrufen, um allein die Zins und Tilgung der Baukredite stemmen zu können.

Die Not ist groß

Die Not ist groß, denn das Land wächst wie seit den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr. 3,5 Millionen Menschen wohnen heute mehr in Deutschland als vor zehn Jahren, besser: Sie würden gern wohnen, können aber nicht. Zwar gilt Deutschland als eines der attraktivsten Zuzugsziele weltweit, doch hier Fuß zu fassen ist schwierig, weil vor allem in den begehrten Metropolregionen und erst recht in den besonders beliebten Zentren bereits alles belegt ist.

Während hierzulande dennoch kaum noch neuer Wohnraum entsteht, liegen fertige Pläne für eine wirklich große staatliche Wohnungsbauoffensive in den Berliner Regierungsarchiven. Mit Hilfe dieser Unterlagen hatte es die fünfmal kleinere DDR zwischen 1973 und 1990 geschafft, zumindest offiziell drei Millionen modernste Plattenbauwohnungen zu errichten. Bei einer Nachzählung später stellte sich zwar heraus, dass die etwa 1,1 Millionen davon nur auf dem Papier existierten. Doch mit der wirtschaftlichen Kraft des vereinigten Deutschland dürfte es leicht gelingen, bis 2040 mindestens zehn Millionen zu bauen - 650.000 im Jahr, eine weit ehrgeizigere zahl als die von der Bundesregierung in den Blick genommenen 400.000.

Industriell Klotzen

Der Schlüssel waren industrielle Verfahren, Bauvorhaben mit dem Anspruch, nicht im Kleinklein zu verharren, sondern den Druck vom Mietwohnungsmarkt zu nehmen, indem ganze Städte errichtet werden. Auch die DDR stand seinerzeit wirtschaftlich auf dünnen Beinen, die einheimische Mark war schwach, Importe waren teuer, der Zinssatz lag wie heute bei 3,5 Prozent. Aber der Wille war da,  obwohl auch die sozialistischen Planer mit Fachkräftemangel und teuren Baumaterialien zu kämpfen hatten. Standardisierung, Blockbauweise, erfolgsgebundene Leistungsprämien und ein Verzicht auf Schnickschnack zugunsten eines höheren Bautempos machten sich schnell bezahlt.

Ein Vorbild, an dem sich Deutschland orientieren kann. Mit einer einheitlichen Bauordnung, einheitlichen Wohnungsgrößen, Fertigteilen, die sich überall verwenden ließen und einer nachgelagerten Ertüchtigung des Wohnumfeldes mobilisierte der Staat seinerzeit die letzten Kräfte, um die Wohnverhältnisse von weit mehr als der Hälfte seiner Bürger zu verbessern. Das gelang nicht ganz, aber doch deutlich besser als zuletzt im vereinigten Deutschland, wo jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht und selbst die SPD der kruden These zuneigt, dass Wohnungsbau Privatsache sei und der Staat allenfalls dafür zuständig sein könne, Sozialwohnungen für Geringerverdienende bereitzustellen.

Nur der Staat kann das können

Mit dem Satz "Was der Staat kann, kann nur der Staat", hat der frühere Parteivorsitzende Franz Müntefering schon vor Jahren davor gewarnt, sich Illusionen darüber hinzugeben, was der freie Markt zu leisten vermag, wenn er nicht von einer aktivierenden öffentlichen Verwaltung angetrieben wird. Zweieinhalb Jahre lang ist die Ampel-Koalition - vermutlich auf Druck der FDP - dem Glaubenssatz, dass es der Markt schon richten werde, dennoch gefolgt. 

Doch nun hat sich die Lage auf eine Weise zugespitzt, dass um den Gang in die Archive mit den Grundlagendokumenten der DDR-Planer kein Weg mehr herumführt. Auch der Aufbau der Leitungsstäbe, der Wohnungsbaukombinate, der Plattenwerke und der Baubrigaden wird schließlich noch einige Zeit dauern, dazu kommt der Aufschluss neuer Kiesgruben, Zementwerke und das Heranbilden einer neuen Generation von kernigen Ballas. Und Zeit ist es, die viele Mietende nicht mehr haben.

Erstes Halving beim Euro: Dicke Schichten aus Geld

Halving beim Euro Die halbe Kaufkraft des Euro ist weg
Das Halving der Kaufkraft des Euro bei Gold liegt schon Jahre zurück.

Ein Vierteljahrhundert hat es gedauert, nun aber ist es so weit. Der Euro, ehemals je Stück gegen 1,95583 D-Mark getauscht, hat es geschafft: Mit dem ersten Halving des Gemeinschaftsgeldes ist alles nun tatsächlich wieder wie früher, in der vor allem von rechten und konservativen Kreisen ungeachtet aller Tatsachen hochgelobten Ära des bundesdeutschen Nationalgeldes.  

Affront gegen Anderszahlende

Die "Deutsche Mark", schon im Namen ein Affront gegen Anderszahlende, ist zurück, zwar nicht der Bezeichnung, aber ihrer Kaufkraft nach. Knapp 25 Jahre nach der Einführung des sogenannten "Euro-Bargeldes" hat sich die von Nationalisten und Traditionalisten geschürte Angst vor dem "Teuro" als gegenstandslos herausgestellt. Gemessen in blanken Zahlen, kostet alles wieder kaum mehr als damals, in der von Ewiggestrigen gerühmten großen Zeit der angeblich stabilen Preise. Diesel, Benzin, Bier, Brot und Würste, Käse, Graupen und Möhren - obwohl der Euro ursprünglich knapp doppelt so viel wert war wie die D-Mark, kostet nun alles wieder genau so viel wie früher. Oder sogar mehr.

Ein "Halving", das im Gegensatz zu dem beim berüchtigten Digitalgeld Bitcoin nicht von Anfang an in den Geldcode eingebaut gewesen war. Bei der Kryptowährung wird beim "Halving" das Angebot an Coins künstlich verknappt, um eine Geldentwertung durch ein Überangebot zu verhindern. Der Aufwand zur Schaffung neuer Geldvorräte wird verteuert, indem die Hürden erhöht werden, sie herzustellen. Im Code der Kryptowährung ist festgelegt, dass aller 210.000 Blocks – also etwa alle vier Jahre – automatisch ein Halving passiert. Beim Euro ist es umgekehrt: Es gibt kein konkretes Datum für die Halbierung des Geldwertes, aber einen Trend zur exponentiellen Steigerung der neu entstehenden Geldmassen.

Als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl einwilligte, im Gegenzug zum französischen Ja zur deutschen Wiedervereinigung der Abschaffung der D-Mark und der Einführung eines europäischen Gemeinschaftsgeldes zuzustimmen, mit dessen Hilfe Frankreich seine notorische Weichwährung Franc loswerden würde, hatte der Oggersheimer sich den Euro wie eine Deutsche Mark für die halbe Welt vorgestellt.  

Stabil und unpolitisch

Stabil würde die neue Währung sein, weil politisch unabhängig von einer Zentralbank überwacht, die keiner Einflüsterung keines Staatschefs ihr Ohr leihen würde. Sein Pariser Kollege Fracois Mitterrand war einverstanden. Die Wirklichkeit würde am Ende ohne fügen, was notwendig war.

Es war Geld. Je weniger die europäische Staatengemeinschaft sich auf gleiche Werte, gleiche Ziele und gleiche Wege dorthin einigen konnte, umso wichtiger wurde es, Kompromisse zu erkaufen. Wo immer es brannte, wurde mit Geld gelöscht. Wo immer es nicht voranging wie gewünscht, wurde gefördert. Wann immer eine Krise ausbrach, wurden die Ursachen mit dicken Schichten aus Geld zugeschüttet. Und welche Krankheit es auch war, die den selbsternannten  weltweit "wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum" EU (LIssabon-Strategie) daran hinderte, jemals auch nur halb so dynamisch zu wachsen wie alle anderen halbwegs entwickelten Weltregionen - als Medizin dagegen gab die EZB frisches Geld aus.

Gemessen in Warenpreisen hat sich die Kaufkraft des Euro seit dem Tag der von fortschrittlichen Kräften als Meilenstein für die Menschheit gefeierten Bargeldeinführung halbiert. Eines der "Starter Packs", aus Werbegründen eingeführt und für 20 Mark zu haben, langte seinerzeit noch, um zwölf Liter Benzin, neun Liter Bier, 4,5 Kilo Brot oder fünf Schachteln Zigaretten zu bezahlen. Dieselben 10,23 Euro langen heute gerade noch für 5,5 Liter Benzin, anderthalb Liter Bier, ein Kilo Brot und zwei Schachteln Kippen.  Heute haben alle mehr Geld, können sich aber weniger davon kaufen.

Alles so teuer geworden

Mit dem Satz, es sei "alles so teuer geworden", pflegen das die Bürger zu beklagen. Dass es ihr Geld ist, das Tröstlich immerhin, dass der Euro-Bürger in der Regel mehr Brot, Bier, Wurst und Benzin kauft als haltbare Werte. Beim Gold etwa liegt das Halving der Euro-Kaufkraft bereits Jahre hinter den stolzen Gemeinschaftsgeldnutzern, die es nicht einmal bemerkt haben, weil kein großer Wind darum gemacht wurde. Wer im letzten D-Mark-Jahr eine Unze des Edelmetalls kaufen wollte, musste etwa 300 Euro hinlegen. Inzwischen werden mehr als 2.000 fällig. 

Ähnlich sieht es beim Silber aus, das die Deutsche Bundesbank schon einige Jahre nicht mehr nutzen kann, um ihr traditionellen 10-Euro-Silbermünzen herzustellen: Das Material zu beschaffen, kostet mehr, als der Verkauf der Münze abwirft. Schon vor Jahren war ein Halving hier unumgänglich geworden. Ab 2011 wurde der Silbergehalt in den Münzen drastisch verringert. Und schon seit 2016 werden auf Beschluss der Bundesregierung statt der Zehn-Euro-Silbermünzen nur noch 20-Euro-Münzen ausgegeben.

Die Menschen draußen sind es zufrieden. So lange man ihnen die eine Hälfte ganz langsam wegnimmt, sind sie mit der anderen glücklich.

Montag, 22. Juli 2024

Bierdeckelsteuer: Kaltgewalzte Deckelpest

Es geht um 26.000 Tonnen Stahlblech jährlich allein in Deutschland: Eine Bierdeckelsteuer gilt als wichtiges Vorhaben der nächsten EU-Kommission.

Große europäische Ingenieurskunst, eine zu allem entschlossene EU-Kommission, intensive Beratungen im größten halbdemokratisch gewählten Parlament der Welt und die Zustimmung der Staats- und Parteichefs von 27 Ländern - mehr brauchte es nicht, um das drängende Problem der Schraubverschlüsse zu lösen. Seit einem Jahr nun schon sind die bis dahin stets lose mit den Flaschen verbundenen Deckel als "Tethered Caps" unlösbar mit den Getränkebehältern verbunden. Ein kleiner Schritt für die EU, der eine oder andere kleine Schnitt in die Lippe eines Trinkenden, aber ein großer Durchbruch für die Menschheit, die fünf Jahre nach dem Erlass der EU-Richtlichtlinie 2019/904 aufatmen kann.

Deckel drauf!

Seit die Kappe dranbleibt, sinkt die Menge an Plastikmüll, die durch die Meere treibt. Die vom Bundespräsidenten aufgrund eines Rechenfehlers im Schloss Bellevue beschworene Gefahr, dass schon 2050 "mehr Plastikmüll als Fisch in den Ozeanen schwimmt", bestand zwar nie. Nun aber ist der Bleibt-dran-Deckel für Verbraucher bereits das Normalste der Welt: Wer mag, lässt ihn hängen. Wer nicht, reißt ihn einfach entschlossen ab. Psychologen haben herausgefunden, dass folgsame Linke eher ersteres tun, bockige Sachsen dagegen zum Reißen neigen. Für die EU aber zählt, dass sich die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll halbiert: Jede Flasche ist nur noch ein Stück Müll, nicht mehr zwei. 

Mehr als ein Anfang aber ist das nicht. Nach den Plastikdeckeln von Cola- und Wasserflaschen wollen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat im nächsten den Rest des Deckelproblem s in der Gemeinschaft angehen. Kronkorken aus Metall landen Untersuchungen zufolge noch weit häufiger in Feld, Wald und Natur. Aufgrund ihres Gewichts gelangen sie zwar selten bis in die Weltmeere. Doch sie zersetzen sich erst nach einer halben Ewigkeit und hinterlassen nachfolgenden Generationen damit eine Hunderttausende Tonnen schwere Altlast aus Metalllegierungen. 

Zwölf Milliarden stehen auf dem Spiel

Allein in Deutschland werden Jahr für Jahr zwölf Milliarden Bierflaschenverschlüsse verschlissen, nahezu hundert Prozent der Menge landet derzeit auf Wegen, Wiesen, in Wäldern und im Hausmüll. In zwölf Monaten werden so rund 26.000 Tonnen wertvollstes Weiß- und Chromeblech vernichtet, obwohl jedes Gramm zuvor in einem energieaufwendigen Herstellungsverfahren in Oxygenstahlwerken aus Roheisen im Hochofen oder in Elektrolichtbogenöfen geschmolzen werden muss. Wertvolle Rohstoffe, die unwiederbringlich verloren gehen: Allein in Deutschland entspricht die geopferte Stahlmenge Jahr für Jahr dem Gewicht von 150 Boeing 747. In zehn Jahren verschwenden Deutschlands Biertrinker damit das Gewicht von 150.000 Pkw.

Die Kommission in Brüssel hat das Problem natürlich bereits vor Jahren erkannt. Im Zuge des großen Green Deal sollte ursprünglich eine europaweit einheitliche Schnappdeckelpflicht für Bier- und Glasbrauseflaschen eingeführt werden. Allein die Mitgliedsstaaten stellten sich quer, angeführt von Deutschland, in dem die Brauereilobby noch immer große Macht und großen Einfluss hat. Die erste Kronkorken-Reform fiel aus, das von der damaligen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer angeregte Konzept "mit Innovationen, mit Optimismus, und vor allen Dingen eins, das die Menschen mitnimmt und sie sozusagen zum Teil der Lösung macht", wurde verschoben.

Reform einer Menschheitsfrage

Kramp-Karrenbauer stürzte wohl auch über ihren Ehrgeiz bei der Lösung dieser Menschheitsfrage. Die nächste EU-Kommission aber hat eine umfassende Reform der "Entgelte, Umlagen, Abgaben und Steuern im Klimakillerbereich", wie es in Brüssel heißt, wieder auf dem Zettel. Schon im nächsten Planungspapier der Union könnten sich umfassende Vorschläge zu Verbesserungen beim europäischen Bierkonsum wiederfinden. 

Hier handelt es sich um einem gesellschaftlichen Bereich, der nach Auffassung der mit Klimafragen federführend befassten Kommissariate für "Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen", "Förderung unserer europäischen Lebensweise", "Binnenmarkt", "Kohäsion und Reformen", "Gesundheit und Lebensmittelsicherheit", "Krisenmanagement", "Umwelt, Meere und Fischerei", "Energie", "Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend" und "Klimaschutz" bisher zu wenig beachtet wurde. Auf der letzten Klimakonferenz in Dubai etwa war das Missmanagement im Bierdeckelbereich überhaupt nicht thematisiert worden.

In der Geburtsklinik des Bieres

Die europäische Familie, Geburtsklinik des Bieres, will hier weltweit Maßstäbe setzen und als Vorbild auftreten. Die Kronenkorkenfrage als weltweites Problem zu lösen, heiße europaweit etwa 100.000 Tonnen wertvolles Stahlblech im Jahr einsparen zu können. 560 Gigawattstunden Strom müssten dann nicht mehr erzeugt werden - das entspricht dem Energiebedarf von rund 200.000 Haushalten. Um die kleinen runden und äußerst dünn kaltgewalzten Stahlblechdeckel, die meist oberflächlich mit Zinn beschichtet sind, in den angestrebten EU-Klimakreislauf zurückzuführen, ist an eine Bierdeckelsteuer gedacht. Adäquat zum Flaschenpfand, das in Deutschland Grundlage der Trittin-Rente ist, würde beim Verkauf künftig ein kleiner Obolus auf den Deckel fällig. Fünf bis zehn Cent täten auch Vieltrinkern nicht weh, heißt es in den Fluren des Berlaymont-Palastes.

Für die globale Gemeinschaft aber wäre es ein Fanal. Nach Berechnungen des Weltklimabierforschers Björn Lemfort fallen weltweit jährlich fünfzig Milliarden Kronkorken an, die nach einmaligen Benutzung zumeist für immer verloren sind. Als Zeichen für einen klimakonformeren Biergenuß sei die Bierdeckelsteuer ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur grünen Null beim Bierverschluss und in  "Verantwortung für die künftigen Generationen", wie es im Grundgesetz heißt, alternativlos. Die EU als einer der führenden Produktionsstandorte für hochwertige Biere könne zum Pionierkontinent eines neuen Umgangs mit der als "Deckelpest" bezeichneten gedankenlosen Gewohnheit zahlloser Biertrinker werden, einen geöffneten Kronkorken einfach achtlos seinem Schicksal zu überlassen.

Stiller Staatsstreich: Born to run

Weiter aktuell: Born to run

Am Ende schossen sie aus allen Lagen, aus allen Richtungen und mit allen Kalibern. Bis er sturmreif war. Joe Biden, von Bundeskanzler Olaf Scholz eben noch zu einem kernigen Kerl ernannt, der das "kann", gab dem Druck nach, der aus den eigenen Reihen auf ihn ausgeübt wurde, als sei er und nicht sein Konkurrent Donald Trump das Verhängnis, das Amerika und damit der Welt droht. 

Die Getreuen in der demokratischen Partei wandten sich ab. Die Verbündeten verließen die Stellung. Bis nach Hamurg, Berlin und Frakfurt, wo bis zuletzt Durchhalten gepredigt worden war, streckten die Freunde Feindes aller Feinde der westlichen Demokratien widerstandslos die Waffen.

Ungebrochener Mut

Biden war erledigt. Selbst dort, wo die peinlichen Auftritte des mächtigsten Mannes der Welt gerade noch als Manifestationen ungebrochenen Mutes im Angesicht des Bösen gefeiert worden waren. drehten sie kolonnenweise die Kanonen um. Biden galt nun als weitere Gefahr für den Weltfrieden. 

Der 81.Jährige, der beim Nato-Gipfel noch einen Auftritt hingelegt hatte, der als tadellos gewürdigt worden war, schließlich hatte er nur Seljenski mit Putin und seine Vizepräsidentin mit Donald Trump verwechselt, verwandelte sich binnen Stunden vom letzten Wächter auf den Mauern rund um die Reiche der Menschen zu einem Greis, von dem selbst die wackersten Faktenchecker nicht mehr beschördne wollten, dass er bei den Olympischen Spielen in Paris auch sehr gut um das so begehrte 100-Meter-Gold hätte laufen können, wenn er nur rechtzeitig gemeldet hätte.

Elmar Theveßen schwieg still. Die Männer und Frauen, die dem Präsidenten ihre Achtung gezollt hatte, weil er ungeachtet der irritierenden Wirkung seiner Geste bei den Feierlichkeiten anlässlich des Sieges der Westalliierten über Hitler auch denunsichtbaren Soldaten seinen Salut entboten hatte, schwiegen verschämt. Biden gingen nicht nur die Argumente für eine zweite Amtszeit aus, sondern auch die Verbündeten, die ihm die Stange zu halten bereit waren.

Wo ist Elmar Thevesen


Der ehemalige Vize von Barack Obama, mangels zugkräftiger Alternativen vor vier Jahren endlich doch noch zum Kandidaten gekürt, weil sich kein anderer hatte finden wollen, feiert nun noch im Gehen eine Premiere: Hatte Donald Trump vor vier Jahren noch vergebens versucht, das Wahlergebnis in Zweifel zu ziehen, sägt die Partei des Gewinners dem Stuhl ihre Triumphators über den Bedroher von Freiheit, Frieden und Demokratie nun selbst die Beine ab. 

Allein auf weiter Flur kämpfte der von allen guten Geistern verlassene Mann im Weißen Haus einen titanischen Kampf ums Überleben. Er wollte nicht gehen und als mächtigster Mann der Welt musste er auch nicht. Und musste doch, denn jede Macht endet dort, wo eine noch mächtigere auftaucht.

Eine Weltpremiere

Eine Lektion, die zum ersten Mal erteilt wird. Nie zuvor ist ein amerikanischer Präsident gegen seinen erklärtten Willen aus dem Rennen um eine zweite Legislaturperiode genommen worden. Nie zuvor hat eine Medienlandschaft das Ende eines keineswegs vollkommen ausssichtlosen Traums von weiteren vier Jahren im Dienst der Menschen und des Fortschritts so erleichtert und ohne jedes Anzeichen von Bedauern oder gar Bedenken zur Kenntnis genommen. 

Biden, noch im Amt und allen Bekundungen aller auf jeden Fall fit genug dafür, den Atomkoffer noch weitere sechs Monate scharf im hellwachenAuge zu behalten, wird nach einem stillen Staatsstreich beiläufig aus dem Amt gefegt. Nicht gleich, denn noch kann er stehen und auf X Briefe schreiben (zu lassen). Aber bald, denn länger darauf zu vertrauen, dass Joe Biden noch weiß, was er tut, wäre fahrlässig. Gnadenlos wird der verdienstvolle Greis abgeräumt, der noch vor wenigen Tagen das letzte Wort hatte, wenn es um  das Schicksal der Menschheit ging. 

Aus den "Alterserscheinungen" (Spiegel) sind beinahe über Nacht ernsthafte gesundheitliche Einschränkungen geworden. Der Start in Paris käme nun zur Unzeit. Übernehmen wird die Frau, die der "Spiegel" schon vor Monaten als richtige Adresse empfahl, verlieren zu lernen.  Sie bietet nun die Gewähr für einen Neustart in diesem Wahlkampf.

Sonntag, 21. Juli 2024

Plätschern der Beliebigkeit: Der Tod des Radios


Nun reicht nicht einmal mehr das Geld. Hatte die ARD als Deutschlands größter Medienkonzern und Platzhirsch auf dem Radiomarkt in den zurückliegenden Jahren eher aus Geschmacksgründen immer mehr klassische Moderatorensendungen abgebaut, kommt jetzt auch noch der Druck dazu, sparen zu müssen. Selbst wenn es noch einmal gelingen sollte, eine Gebührenerhöhung durchzusetzen, wird es auf lange Zeit die letzte sein. Und sie wird wohl kaum hoch genug ausfallen, die wachsenden Ruhestandsverpflichtungen zu bedienen.

Die große Zusammenlegung

Statt weiterhin nur an der Originalität zu kürzen, geht es nun um eine große Zusammenlegung, die zur Vereinheitlichung der Radiolandschaft führen soll. Die zahllosen Regionalstudios sparen sich die letzten paar Radiooriginale. Mit dem angekündigten abendlichen Einheitsprogramm bei den Info- und Kultursendungen bleibt die gesetzliche geforderte Grundversorgung gewährleistet, es stirbt nur das Moderatoren-Radio, eine Kinderkrankheit des Mediums, die international mit Stimmen wie der von Howard Stern, Allan Freed und John Peel assoziiert wird und in Deutschland verbunden ist mit Figuren wie Werner Reinke, Thomas Gottschalk, Alan Bangs oder Frank Laufenberg.

Seit über einem Jahrhundert begleitet das Radio Menschen mit Musik, Nachrichten, Unterhaltung und Bildung durch Tag und Nacht. Doch je mehr es zu einem Dudel-Medium wurde, bei dem belanglose Musik unterbrochen wird von belanglosen Verkehrshinweisen, Wettervermutungen und auf zwei Sätze zusammengekürzten Nachrichten, desto mehr hat es an Bedeutung verloren. Es dudelt immer noch und überall, aber am Mikrophon sitzen immer seltener Charakterstimmen, wie sie das alte klassische Moderatoren-Radio prägten. Abgelöst hat sie eine Generation von geföhnten Ansagern mit Sonnenscheinstimmen, die die verbliebenen Zuhörer ungefragt Duzen, ihre knappen Wortbeiträge vom Teleprompter ablesen und die Musikauswahl einem Computerprogramm zu überlassen haben.

Das Ende der Radio-Revolution

Die Radio-Revolution, sie endet wie alle Revolutionen: Nach Heinrich Hertz, Nikola Tesla und Guglielmo Marconi, den Erfindern und Entwicklern der technischen Grundlagen, kamen die Handwerker, die die Möglichkeiten entdeckten und popularisierten. Doch 100 Jahre nach der ersten Rundfunksendung in Deutschland spielt das Radio gesellschaftlich keine Rolle mehr: In den 30er Jahren Machtmittel der Nazis, nach dem Krieg Werkzeug der Umerziehung in beiden Teilen Deutschlands und mit Beginn der Ära der Popmusik ein Schlachtfeld im Kampf der Geschmäcker der verschiedenen Generationen, ist das ehemals so wichtige Informations- und Unterhaltungsmedium heute nur noch ein Schatten seiner selbst. 

Nicht einmal als Propagandamedium taugt es mehr, denn die, die noch zuhören, hören längst nicht mehr hin. Zu sehr gleicht sich das, was die Sender abspulen, um die Stille zu füllen: Dieselben 15 Hits auf allen Kanälen, dort, wo diese 15 Hits vermieden werden sollen, sind es dann eben die 15 Hits von vor 15, vor 25 oder 35 Jahren. Wer gelegentlich und unvorbereitet - etwa bei einer längeren Autofahrt - in das Reich der Radiosendenden gerät, ist häufig bereits nach einer halben Stunde versucht, rechts ranzufahren und seinem Auto die Antenne vom Dach zu reißen.

Die unüberschaubare Vielfalt an Programmen und Genres, die Hörspiele, Indie-Rock-Sendungen, Hitparaden der Gesänge fremder Völkerschaften und die raunenden Reisereportagen, sie sind verschwunden, weggeschwemmt durch einen Einheitsbrei aus Einfalt und eintönigem Superstargesinge.

Die gleiche traurige Fröhlichkeit

Vom Radio als Medium der Rebellion, das immer etwas mehr wagte als das Fernsehen, ist nichts übrig, vor allem keine Charakterstimmen. War Radio in seiner Blütezeit vor allem ein Medium der Moderatoren, die mit ihrer Stimme, ihrem Humor, ihrem Wissen und ihrer Persönlichkeit die Hörer faszinierten, ist es heute das ganze Gegenteil. Auf allen Frequenzen derselbe Ton, die gleiche traurige Fröhlichkeit, angelernt in denselben öden Sprecher*innenschulen, überzuckert mit stampfender Tristesse in Dur. 

Im Konkurrenzkampf mit dem Fernsehen, das von den 80er Jahren an immer mehr Publikum abspenstig machte, reagierten die Radiomacher mit einer Anpassung an den Zeitgeist, mit mehr Musik, weniger Wortbeiträgen und mehr Werbung. Dabei gab es seine Bedeutung auf: Radio wurde zu einem Hintergrundmedium, das Menschen allenfalls noch nebenbei anschalten, ohne die Absicht zu haben, dem Plätschern der Beliebigkeit zuzuhören.

Ein trübes Einheitsangebot

Das Radio ist heute ein Einheitsmedium, bei dem sich Jugendwelle, Gemeinsinnsender und Privatfunkstation nur noch marginal voreinander unterscheiden. Mit diesem trüben Angebot konkurrieren die Sender auch noch mit einer Vielzahl von neuen Medien, die den Nutzern mehr Auswahl, Interaktivität und Individualität bieten. Wer zuhören will, tut das bei Podcasts. Wer Wortbeiträge haben möchte, sucht sich seinen Stammtisch. 

Das Massenradio, das früher selbst Stars hervorbracht, ist nur noch ein Randmedium ohne Relevanz, Attraktivität und Zukunft. Mit der Bedeutung sinken die Hörerzahlen, mit den Marktanteilen das Bemühen, Qualität zu liefern. Wie in anderen Bereichen der Medienlandschaft auch, gefährdet ausgerechnet die Originalität, die nötig wäre, um relevant zu sein, den Programmauftrag, bloß nicht als lebendig, kritisch und unterhaltsam aufzufallen. Hundert Jahre nach dem Beginn seines Aufstieges zum ersten elektronischen Massenmedium steht das Radio vor den letzten Jahren seines Niedergangs. Am Ende wartet ein leider Tod. Nicht einmal Kränze und Blumengebinde wird es noch geben.

Der Klimamörder ist immer der Gärtner

Dass der eigene Garten dem Klima hilft, ist eine Illusion, die großen Schaden anrichtet.

Selber Bohnen ziehen. Die eigenen Kartoffeln ernten. Erdbeeren aus dem Vorgarten essen. Und Gemüse nicht mehr aus dem global versorgten Supermarkt holen, sondern vom Beet, das mit dem eigenen Schweiß gedüngt wurde. Der Traum von der Selbstversorgung, er war jahrelang eine feste Domäne von verrückten Preppern und Angehörigen regierungsfeindlicher Landkommunen. Erst mit der Pandemie, den gerissenen Lieferketten nach Spanien und Fernost erreichte die Mode auch die Bionade-Viertel der Republik. Der eigene Garten galt nun nicht mehr als kleinbürgerliches Rudiment der Zeit, als der Leipziger Mediziner Daniel Schreber den geplagten Arbeitern der Frühzeit der Industrialisierung etwas Gutes tun wollte. Sondern als Beitrag zu Regionalwirtschaft und Klimarettung.

Zweifel am Kleingarten als Klimaretter

Doch eine der University of Michigan weckt nun ernste Zweifel am Vermögen der Kleinparzellen, der Welt zurück auf die richtige Bahn zu helfen. Den Ergebnissen der Untersuchung, die prüfte, wie viel CO2 beim Anbau von Lebensmitteln in verschiedenen Anbauformen entsteht, und kam zu dem Ergebnis, dass eine Portion Lebensmittel aus traditionellen Bauernhöfen im Durchschnitt 0,07 Kilogramm CO2 erzeugt - dieselbe Menge an Lebensmitteln, gezogen in einem Schrebergarten, aber mit 0,34 Kilogramm pro Portion aber fast fünfmal höher ist.

Der Kleingärtner als Klimakiller? Der eigene Garten, gut gepflegt und gehegt, als Tropfen, der das atmosphärische Fass zum Überlaufen bringt? Wenn der CO2-Fußabdruck der selbst angebauten Kohlrabis, Radieschen und Möhren fünfmal größer ist als der von Produkten aus konventioneller Landwirtschaft wären die Auswirkungen der Kleinfeldbewirtschaftung geradezu verheerend in Zeiten, in denen es auf jedes Kilogramm ankommt, um die Umwelt für Kinder und Enkel zu bewahren. Je mehr Menschen zurückfinden zur eigenen Scholle, im festen Glauben, damit einen Beitrag zur Versorgung mit gesunden, regionalen und damit klimaschonenden Lebensmitteln leisten, desto fürchterlicher wären die Auswirkungen.

Tödlicher Irrtum

Denn der Großteil der Emissionen aus den kleinen Gärten entsteht nicht durch den Anbau der Lebensmittel selbst, sondern durch die Infrastruktur rundherum. Individueller Anbau, die Menschen im Mittelalter mit ihren Handtuchfeldern wussten das, ist aufwendig, mühsam und bringt wenig Ertrag.  Jake Hawes, der Autor der Studie, wischt alle Illusionen beiseite, dass sich das durch kluges Kleingartenmanagement ändern lässt: "Der bedeutendste Verursacher der Kohlenstoffemissionen war die Infrastruktur, die für den Nahrungsmittelanbau genutzt wurde – von Hochbeeten über Gartenschuppen bis hin zu Wegen." In Konstruktionen, die den Ertrag erhöhen soll, werde viel Kohlenstoff investiert. Dazu kämen Unkenntnisse im Umgang mit Kompost und Gewächshäuser, die die Vegetationsperiode verlängern sollen. 

Gut gemeint. Mit erschütterndem Ertrag. Für die in der Fachzeitschrift Nature Cities veröffentlichte Studie wurden 73 städtische Landwirtschaftsstandorte auf der ganzen Welt untersucht und dabei der gesamte Lebenszyklus von Infrastruktur, Bewässerung und Versorgung des Standorts betrachtet. Die Ergebnisse legen nahe, sogenannte Schrebergärten künftig zu behandeln wie klimaschädliche SUV-Limousinen: Kleingartenobst etwa ist 8,6 Mal klimaschädlicher als Obst aus konventionellem Anbau,  Gemüse aus dem Schrebergarten belastet die Atmosphäre 5,8-mal schwerer als Gemüse vom professionellen Bauern. 

Ausnahme Tomate

Ausnahmen sind Tomaten und Spargel, denen die Forscher attestieren, einen geringeren CO2-Fußabdruck zu haben, so lange sie von Menschen mit grünem Daumen angepflanzt und betreut würden. Eine Portion Stadttomaten vom Mini-Beet verursacht danach durchschnittlich nur 0,17 Kilogramm CO2 verglichen mit 0,27 Kilogramm im professionellen Anbau, zumindest wenn der in einem energieintensives Gewächshaus stattfindet. Ebenso ist verhält es sich bei Spargel. Vorausgesetzt allerdings, er wird über Tausende von Flugmeilen eingeflogen.