Donnerstag, 23. Januar 2025

Malen ohne Zahlen: Kasse machen

Die geheimgehaltenen ARD-Algorithmen bescherten sowohl Annelena Baerbock (r.) als auch Robert Habeck in dieser Woche Sendezeit, um die grünen Enteignungspläne für Sparer zu verteidigen.

Es sollte ein Aufschlag werden, um aus dem Umfrageghetto herauszukommen, in dem die grüne Wahlkampagne seit Woche wie festgemauert steckt. Zwölf Prozent billigen die Institute dem Team Habeck zu, vielleicht 13 oder 14. Selbst die optimistischen Vorhersagen bei der persönlichen Beliebtheit sehen Habeck nur gleichauf mit Friedrich Merz, einem Unionsspitzenkandidaten, wie er beinahe nicht unbeliebter vorstellbar ist. Habeck wagte also, was alle anderen Kandidaten tunlichst vermeiden: Er ließ in einem eher unbeobachteten Moment einen  Blick in Planung der Vorhaben seiner Kanzlerschaft zu.

Spontane Eingebung?

War es eine spontane Eingebung? War es ein Testballon, um zu sehen, wie viel Sozialneid sich zapfen und auf die eigenen Mühlen leiten lässt? Als der 55-Jährige im "Bericht aus Berlin" angekündigte, er wolle die "Beitragsbasis" für die Krankenversicherung "erweitern", um noch "mehr Solidarität" herzustellen, brauchte es nur wenige Minuten, bis die Volksseele kochte.

Entmenschlichung ist eine Grundlage von Propaganda.

Wer auch nur ein paar Euro auf irgendeinem Festgeldkonto liegen hat, um die sichere, aber absehbar unzureichende Rente im Alter aufzubessern, fürchtete schlagartig um sein Erspartes und das bisschen Ertrag, das es abwirft, nachdem es einmal vor der Einzahlung einmal nach der Auszahlung mit Steuern belegt wird.

Ein Aufschrei ging durchs Land, der alle grünen Spitzen aufs Parkett verlangte: Von Habecks selbst über die Parteivorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak bis zu den Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann marschierte auf, was Funktion und Reichweite hat, um den Vorschlag zurückzuholen. In grünen Kacheln versuchte die Parteileitung, die Idee des Kanzlerkandidaten als Strafaktion für "Kapitalhaie" (Grüne) zu verkaufen.

Unterwegs ins Chaos

Gelungen ist das nicht. Vielmehr wurde das Chaos immer größer. Dass "Kleinsparer" nicht betroffen seien, so nennen führende Grüne ganz gewöhnliche Leute mit ein paar Euro auf der hohen Kante herablassen, wurde beteuert, allerdings konnte oder wollte  niemand definieren, was genau ein "Kleinsparer" ist. Kein "Millionär" hieß es schließlich, wobei "Millionär" nicht den kleinen Millionär meine, sondern eigentlich eher den Multimillionär, der "nie gearbeitet hat", wie Annalena Baerrbocjk schließlich nach einer Woche intensiver  Diskussionen um Möglichkeiten der Schadensminimierung verkündete.

Bei Caren Miosga, einer Sendung, bei der Grüne stets zu Gast bei Freunden sind, verhedderte sich die frühere Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin im Abschluss dann aber so schwer im Dickicht der eigenen Kenntnisfreiheit, dass die Unklarheiten über den grünen Plan zur Krankenversicherung mit jedem Satz größer wurden. Nach Baerbocks Überzeugung ist es ungerecht, dass Kassenpatienten höhere Beiträge bezahlen müssen. 

Entsolidarisierung

Dass Privatversicherte nicht nur teilweise noch höhere zahlen und zudem über hohe Selbstbehalte für medizinische Leistungen teilweise direkt aufkommen, weiß sie nicht. 41,2 Milliarden Euro flossen 2022 durch Privatpatienten in das deutsche Gesundheitssystem. Wären sie alle gesetzlich versichert, wären es 12,33 Milliarden Euro weniger gewesen. Dieses Drittel hätte die dann größere Einheitssolidargemeinschaft aller Versicherten finanzieren müssen - für die Privatpatienten würden die Beiträge sinken. Für die Kassenpatienten hingegen steigen. 

Aber gerechter wäre es, beharrte Baerbock. Jetzt müssten ja Kassenpatienten länger warten, Privatpatienten dagegen kämen schneller dran. Eine zweite öffentliche Vorlesung in grüner Mathematik: Derzeit behandeln 100 Prozent aller Ärzte 100 Prozent aller Patienten, die 100 Prozent aller Arztbesuche absolvieren. Würden die 8,7 Millionen privaten Krankenvollversicherten länger warten, würde sich das auf die 75 Millionen Kassenpatienten kaum spürbar auswirken: Weil Privatpatienten weniger häufig zum Arzt gehen, würden sich die Wartezeiten um weniger als zehn Prozent verkürzen. Statt 25 Tage auf einen Facharzttermin zu warten, wären es dann nur noch 22.

Die Details der Enteignung kommen später

Darum aber geht es Robert Habeck nicht, wie er im Gespräch mit Sandra Maischberger noch einmal klargemacht hat. Ohne Umschweife gestand der grüne Kanzlerkandidat im Gespräch mit der ARD-Talkmasterin, dass er selbst nicht wisse, was er eigentlich gewollt habe und wieso er selbst nicht verstehe, wie eine Umsetzung funktionieren könne, bei der viel Geld mobilisiert werde, ohne dass viele Menschen betroffen seien. Klar sei, wenn die Bürgerinnen und Bürger ihn wählten, werde er eine Möglichkeit finden, an das Geld heranzukommen, das Sparer derzeit noch vor dem Staat versteckt halten.

Habeck will ran an die, die "hohe Kapitaleinkünfte haben" - Multimillionäre etwa, die nicht in der gesetzlichen Krankversicherung sind. "Wie wir es dann im Detail machen, das können wir uns später überlegen", gesteht der Kanzlerkandidat, dass er weiter auch noch nicht gedacht hat. Oder aber nicht bereit ist, die Krankenkassenkatze schon aus dem Sack zu lassen, bevor er die Stimmen der Bürger an der Urne eingesammelt hat. Sandra Maischberger hat schließlich ein Einsehen. Sie lässt den Kandidaten mit ein paar geschwurbelten Sätzen über "Superreiche", "solidarische Beteiligung ohne Beitragsbemessungsgrenze" und die "Laufrichtung, die wir politisch einschlagen wollen" entkommen.

Eine überforderte Ministerin

Eine Verabredung. Auch Caren Miosga hat ein Nachsehen mit der sichtlich überforderten Ministerin, die bei ihr zu Gast ist. Sie fragt nicht nach Zahlen, nicht nach Fakten, sie lässt Baerbock von einem "Systemwechsel" schwurbeln, der eigentlich von Anfang an gemeint gewesen sei. Habecks Drohung, den Bürgerinnen und Bürger auf noch eine geschickte Weise in die Tasche zu fassen, hat es nach vier Minuten Hochgeschwindigkeitsgewetter der Außenministerin nie gegeben. "Die arbeitende Bevölkerung arbeitet hart", sagt Baerbock, und dass sie es "ein bisschen komisch" finde, "dass gesetzlich Versicherte mehr zahlen und andere nicht".

Das stimmt nun vorn und hinten nicht, ist aber Grundlage der gesamten Gedankenwelt dieser Frau. Statt Details des Planes zum "Systemwechsel" preiszugeben, der auf die gute alte "Bürgerversicherung" hinausläuft, nur diesmal finanziert von "Millionären", plappert die Mühle wie ein rauschender Bach: Das berühmte "reiche Land" ist wieder da, irgendwas von Effizienz, die gemacht werden muss, und dass man die zur Kasse bitten werde, "die nie arbeiten in ihrem Leben",

Rechtsrutsch bei den Grünen

Harte Zeiten für Bürgergeldempfänger? Rechtsrutsch bei den Grünen? So war das nicht gemeint, sondern nur, "dass die Privatversicherung die gesetzliche Versicherung mehr unterstützt". Ein paar Gesetze verhindern zwar, dass man den Privatversicherten schlagartig die Rücklagen nimmt und sie ins gesetzliche System eingliedert. Das sei alles "hochkomplex", sagt Baerbock, doch sie versichert, dass sich niemand Gedanken machen müsse. "Die normale Bevölkerung, wenn man dann neben seinem hart verdienten Einkommen noch was in Aktien investiert, ist überhaupt gar nicht betroffen", versichert die zweite Spitze von Team Habeck: "Da gebe ich Ihnen hiermit mein Wort".

Neue Härte: Das mit den Fähnchen, jetzt aber wirklich

Im Kanzleramt brannte noch um 21 Uhr Licht. Der Kanzler traf sich mit den Chefs der vielen Sicherheitsbehörden, Bundesinnenministerin Faeser und einem Regierungsfotografen, um Zeichen zu setzen. Abb. Kümram, Buntstift auf Vielfaltspapier

Wieder Einmann, wieder kein Terror. Das Aufatmen im politischen Berlin ließ nicht lange auf sich warten. Und unmittelbar danach folgten die üblichen Beschwörungen. Die Außenministerin spürte Niedertracht und Mitgefühl. Die Innenministerin griff diesmal wieder zur "Erschütterung", aber "Mitgefühl", das entdeckte auch sie in sich. Der Bundeskanzler wollte da nicht zurückstehen, aber es auch nicht dabei belassen. Mitgefühl, ja, gern, wie immer.  

 Floskeln und vertrösten

Aber wenn Robert Habeck, der schärfste Konkurrent um Platz 3 bei der Bundestagswahl, schon mal den Mund hielt und Friedrich Merz nur von "Erschütterung" floskelte und nicht wie sonst die große Frage stellte, "warum werden wir diese Leute nicht los", dann wollte Scholz wenigstens punkten. "Ich bin es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen", redete der Kanzlerkandidat dem Kanzler nach dem Doppelmord von Aschaffenburg ins Gewissen. Er fordere jetzt "Aufklärung von den Behörden, warum der Täter noch in Deutschland war." Wenn es denn dann eines Tages "gewonnene Erkenntnisse" (Scholz) gebe, dann "müssten sofort Konsequenzen folgen - es reicht nicht zu reden."

Das "es reicht nicht zu reden" war in der Pressemitteilung wörtlich so enthalten, so dass die Nation ratlos zurückblieb. Reicht es, nicht zu reden? Oder reicht es nicht, zu reden? Ist Schweigen Gold oder  ist die "unfassbare Terror-Tat", wie Scholz die Ermordung eines zweijährigen Kindes nannte, ein guter Anlass, "falsch verstandene Toleranz" als "völlig unangebracht" zu bezeichnen? 

Habeck meldet sich dann doch noch über den Dienstaccount. Mur nichts verpassen. Auch bei ihm spricht Eile aus den Sätzen. Fürchterlich. Der Tod "des kleinen Jungen und des Mannes erschüttert micht zutiefst." Aber: "Gut, dass die Polizei schnell gehandelt hat".

Die Hirnhütte brennt

Wortwahl und Grammatik, Inhalt und Rechtschreibung legen die Vermutung nahe, dass im politischen Berlin, in Person von Scholz kurzzeitig zum Anti-Trump-Gipfel nach Davos verlegt, die Hirnhütte brennt. Der Vizekanzler findet kaum Worte und dann nur die von vielem Gebrauch abgenutzten.  Der Oppositionsführer ist entsetzt, die halbe Regierung halb erschüttert, halb voller Mitgefühl. Niemand mehr auf dem Spielfeld, der davor warnt, voreilige Schlüsse zu ziehen, der fordert, doch bitte erstmal die Ermittlungen abzuwarten und die schreckliche Tat nicht von rechtsextremen Gruppen instrumentalisieren zu lassen, die sich dann ideologieübergreifend vor ein Kind mit "Migrationshintergrund" (Tilo Jung) stellen müssten.
 
Das einst so vielfältige und weltoffene Land, indem engagiert darüber debattiert wurde, ob die Nationalität mutmaßlicher Täter besser nicht genannt werden darf, fällt nach einer Reihe bedauerlicher Einzelfälle zurück in die atavistische Zeit des "all the news that's fit to print", als Nachrichten noch nicht nach Nützlichkeit gefiltert wurden. Scholz unter Druck. Was hätte er fordern können, zwischen Tür und Angel der Weltbühne - gerade noch dabei, zu trauern, nun schon mit dem nicht weniger angeschlagenen Emmanuel Macron für ein "offenes, starkes und wirtschaftlich erfolgreiches Europa" eintretend, "denn auf uns kommt es in diesen herausfordernden Zeiten an - darin sind wir uns einig."

Die alte neue Härte

Nicht mehr lange, und Scholz ahnt es. Seit der scheidende Kanzler seine "neue Härte" in der Flüchtlingspolitik verkündete, die "irreguläre Migration" im Zentralorgan "Spiegel" wieder in "illegale Migration" umbenannt wurde und "endlich im großen Stil" (Scholz) abgeschoben wird, ist ein einsamer Flieger mit Straftätern nach Kabul abgegangen. Ein klares Zeichen an die Bürgerinnen und Bürger, das so gut ankam, dass es nicht einmal wiederholt werden musste.
 
Seitdem kam auch der mutmaßliche Täter von Aschaffenburg nach Deutschland. Ohne Chance auf Anerkennung als Asylbewerber. Und trotz Ausreisepflicht immer noch hier. Vermutlich stehen die Chancen gut, dass der 28-Jährige auch seine Asylbewerberleistungen für den Januar nach bezogen hat, obwohl er seit Mitte Dezember abgelehnt war und hätte ausreisen müssen. Es fehlten aber noch "Papiere", heißt es im Bayrischen Rundfunk, in dem eine derangierte Reporterin von einem "gestorbenen" Kind spricht, das für Aschaffenburg eine "spannende und interessante Frage" sei.

Klare Kante im Kanzleramt

Scholz haut auf den Tisch. Wäre er verantwortlich für das Land oder würde er eine Bundesinnenministerin haben, die für die innere Sicherheit verantwortlich wäre, dann dürften die Betreffenden sich jetzt auf etwas gefasst machen. So hat war er gezwungen, sich direkt nach seiner Rückkehr aus Paris mit den Chefs der Sicherheitsbehörden, Bundesinnenministerin Faeser und einem Regierungsfotografen zu treffen. Klare Kante nach kurzem Prozess, weißer Rauch aus dem Kanzleramt: ""Wir werden diesen Fall schnell aufklären und die nötigen Konsequenzen ziehen. Jetzt." 
 
Mehr aber wird noch nicht verraten. Es soll ja eine Überraschung werden. Aber: Vielleicht machen sie wieder das mit den Fähnchen.
 
Wenigstens gibt es keine Hinweise auf islamistischen Terror, der Anschlag von Aschaffenburg ist damit typisch für die untypischen Einmann-Morde der vergangenen Wochen. "Es ist ein Abgrund, der Schmerz kaum vorstellbar", hat Katrin Göring-Eckhardt ihre wertvollen Gefühle über die Sachlage öffentlich gemacht. Migration habe "mit dem Alltag der Menschen verdammt wenig zu tun", hatte die Bundestagsvizepräsidentin vor wenigen Tagen erst allen versichert, die nach Magdeburg schon fast daran gezweifelt hätten. 

Jetzt sind es noch zwei weniger.
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Mittwoch, 22. Januar 2025

Wehrhafte Geschichtsschreibung: Kein Musk im Museum

Noch vor seinem schiefgegangenen Hitlergruß wurde Elon Musk aus dem Deutschen Museum in München getilgt.

Als hätten es die Kuratoren im Deutsches Museum in der früheren Hauptstadt der Bewegung geahnt. Noch ehe Elon Musk in Washington ausholte, um sein Herz mit einem seitlich weggerutschten Hitlergruß in die Menge zu werfen, zogen die Damen und Herren der Geschichtsschreibung nach Wohlgefallen Konsequenzen. Musk, nicht nur der bedeutendste Raumfahrunternehmer der Menschheitsgeschichte, sondern auch "Staatsfeind Nummer 2", wurde aus einer Glastafel, in der Raumfahrt-Abteilung, die die "Visionäre aus Vergangenheit und Gegenwart" präsentierte, ausradiert.

Ausradiertes Konterfei

Das hat er nun davon, der Afrikaner mit dem Hang zum Rechtspopulismus. Nachdem sich bereits reihenweise deutsche Behörden, Ministerien und Gemeinsinnsender von seinem Kurznachrichtenportal X abgemeldet hatten, fehlt in der Geschichte der Raumfahrt, Version Deutsches Museum München, nun auch das Konterfei des Mannes, der bis heute mit seiner Firma SpaceX mehr Raketen ins All geschickt hat als Deutschland, die USA, China und all die anderen Raumfahrtnationen zusammen.

Historisches Vorbild: Stalin.
Selbst schuld. Wie der Deutsche Wernher von Braun, Erfinder der Rakete, mit der die Menschheit zum ersten Mal kurz im All anklopfte, ist auch Musk nicht mehr "hoffähig". Natürlich, von Brauns Rakete, besser bekannt als Vergeltungswaffe V1 und V2, war als Waffe entwickelt und verwendet worden. Dass der Mann aus Posen später für die Amerikaner deren Nasa-Weltraumprogramm zum Laufen brachte, zählt dagegen wenig. Musk aber hat bisher nicht mehr getan als die Elektromobilität, die Raumfahrt und die Internetkommunikation jenseits der in Deutschland als Zukunftstechnologie gefeierten steinzeitlichen Glasfasertechnik zu revolutionieren.

Weniger wichtig als der Illustrator

Weder hat Musk Zwangsarbeiter beschäftigt noch je mit Hitler parliert, er hat London nicht beschossen und seinen Ingenieuren nicht höchstpersönlich Druck gemacht, endlich eine Interkontinentalrakete zu entwickeln, um auch New York von Peenemünde aus beschießen zu können. 

Fast könnte der Eindruck entstehen, dass seine Leistungen für die Entwicklung der Raumfahrt sogar größer sind als die des Illustrators Erik Theodor Lässig, der viele Bilder von Fantasieraumschiffen malte und 1965 die Raumfahrthalle der Internationalen Verkehrsausstellung (IVA) gestaltet hatte. Auch ob Max Valier, der fasziniert war von Raketenautos, tatsächlich mehr für die Eroberung des Weltraums getan hat als Musk, steht dahin. Valier starb schon mit 35 Jahren. Ohne jemals eine Rakete in den Himmel geschossen zu haben.

Es geht ums Prinzip

Auf solche Nebensächlichkeiten aber kommt es nicht an, wenn es ums Prinzip geht. Eine "Ausstellungsinstallation" in Deutschland 2025 ist nicht denkbar ohne Vorkontrolle des Hintergrunds desjenigen, dem eine technische oder unternehmerische Leistung zugerechnet werden muss. Ein Held, der etwas zählt, hat nicht nur sauber zu sein, sondern porentief rein. Ist er es nicht, "entfernt man die ganze Tafel" mit seinem Bild und hinterlässt eine leere Fläche, die wie ein Schatten an den eben noch Geehrten erinnert.

"Die technische Leistung ist das eine, die Verstrickung in die NS-Diktatur und deren Zwangsarbeitersystem das andere", verweist die Süddeutsche Zeitung ausdrücklich auf das Beispiel Wernher von Braun. Ein Museum muss in dieser Lesart nicht Geschichte erzählen, wie sie war, mit all ihren Widersprüchen und Brüchen, sondern junge Menschen davon abhalten, Musk für seine technischen Leistungen zu bewundern und so Gefahr zu laufen, auf seine rechtspopulistischen Parolen hereinzufallen. 

Eine eigene Geschichtsschreibung

Die einen geben ihren Tesla zurück. Die anderen melden sich mutig bei X ab. Wer ein Museum hat, kann aber eben noch mehr tun. Wenn schon die "Vermögenskonzentration in den Händen einiger Superreicher", die die "politischen Institutionen untergräbt", sich von Deutschland aus nicht aufhalten lässt, dann kann eine gut sortierte Zivilgesellschaft den Tätern wenigstens die Ehre verweigern, in der Geschichtsschreibung Spuren zu hinterlassen. Mag Musk eines Tages auf dem Mars landen. Dann  aber ohne uns.

Auch Stalin hat die, die anderer Ansicht waren, nach und nach aus der öffentlichen Erinnerung getilgt. Die verwaiste Glasfront im Deutschen Museum ist derzeit nur abgedeckt. Der Platz soll aber nicht dauerhaft leer bleiben. Sobald eine tote Person gefunden worden sei, die es lohne, "an so prominenter Stelle in einer Ausstellung zu würdigen", nachdem ihre "Lebensleistung in der Rückschau" abschließen "korrekt  beurteilt" werden konnte, soll an der Stelle ein neues Exponat gezeigt werden.

Liebesgrüße aus Berlin: Stolz und Vorurteil

Im Kampf gegen Trump setzt Bundespräsident Steinmeier klare Prioritäten.

Als George Bush im Januar 1989 sein Amt als US-Präsident antrat, erreichte ihn ein langes Telegram aus Berlin. "Sehr geehrter Herr Präsident", schrieb der deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker, „zur Übernahme des Amtes des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika sende ich Ihnen des deutschen Volkes und meine ganz persönlichen, herzlichen Glückwünsche.“ Bush trete, so Weizsäcker, „heute an die Spitze ihres großen Landes, das seit mehr als 200 Jahren für die hohen Ideale der Würde und Freiheit des Menschen, der Herrschaft des Rechts und der Durchsetzung von Frieden und Demokratie in der Welt eintritt“.  

Beide Völker Seite an Seite

Im Streben nach der Verwirklichung dieser Werte finden sich „unsere beiden Völker Seite an Seite“. Eine solide Freundschaft und Partnerschaft habe sich zwischen Deutschen und Amerikanern entwickelt, „auf die wir bei der Bewältigung der Herausforderungen, die uns bevorstehen, bauen können“. Von Weizsäcker, im Zweiten Weltkrieg Oberleutnant und als Ordonnanzoffizier beim Oberkommando des Heeres (OKH) in Mauerwald in Ostpreußen direkt am Unternehmen „Barbarossa“ beteiligt, schrieb an Bush, der im gleichen Krieg als jüngster Navy-Flieger im Fernen Osten gekämpft hatte. 

Jedes Wort war Respekt. Jeder Satz hatte Stil. Auch bei Bundeskanzler Helmut Kohl, dem dem neuen Mann im Weißen Haus schrieb: „Sehr geehrter Herr Präsident, lieber George, zu Ihrer heutigen Amtseinführung übermittle ich Ihnen meine besten Wünsche für eine erfolgreiche Regierungszeit.
Ich freue mich auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihnen, die sich auf unsere langjährige persönliche Wertschätzung und Freundschaft gründet.“

Liebesgrüße aus Berlin

Dreieinhalb Jahrzehnte später klingen die Liebesgrüße aus Berlin zähneknirschend und schmallippig. Der Bundeskanzler belässt es bei einem Satz, der Bundespräsident erspart sich die Glückwünsche ganz. Wo Walter Steinmeier Joe Biden noch mit einer Videobotschaft applaudiert hatte, denn „heute ist ein guter Tag für die Demokratie“, schweigt Deutschlands Staatsoberhaupt auch am zweiten Tag nach Trumps Amtseinführung, als gingen ihn die Gepflogenheiten der internationalen Diplomatie nichts an.

Steinmeier, bei Trump seit seiner Beschimpfung des alten und neuen Präsidenten als „Hassprediger“ ähnlich beliebt wie wegen seiner festen Freundschaft mit Kreml in Kiew, hatte Donald Trump im November noch zum Wahlsieg gratuliert, wenn auch auf die neue deutsche Art, indem er ihm Belehrungen zukommen ließ. „Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass sich die Menschen in unseren Ländern zugewandt und mit Offenheit begegnen“, flunkerte Steinmeier zudem. Womöglich um darüber hinwegzutäuschen, dass er keineswegs vorhatte, irgendetwas in dieser Hinsicht zu tun.

Lieber die "Sterne des Sports"

Und zur Amtseinführung gleich gar nicht. Während selbst Wladimir Putin die höfliche Geste Richtung Washington nicht scheute, verleih der Bundespräsident lieber die "Sterne des Sports", unter anderem an einen Verein, der den Mangel an Turnhallen zur Tugend erklärt und "Outdoor-Sportangebot in den landschaftsprägenden Weinbergen" von Gengenbach anbietet. Gold gab ich für Eisen.

Wer Steinmeiers Chuzpe nicht hat und nicht anders kann oder sich nicht anders zu handeln traut, der hält es wie Hendrik Wüst, der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Der herzliche Satz "Ich gratuliere US-Präsident Trump zur Amtseinführung" muss reichen, ehe es im Kasernenhofton an die Mahnungen geht, auch nach innen: "Wir müssen entschlossen auf ,America First' antworten: mit mehr Europa, Selbstbewusstsein & einer echten EU-Verteidigungsunion."

Wie Scholz sendet auch Wüst eher eine Nachricht ans Inland als einen Glückwunsch nach Amerika.  Jeder soll wissen, dass beide nur der Form halber so tun, als wollten sie gratulieren. Deshalb geschieht es ohne jeden Stil.

Trauertelegramme aus Berlin

So klingen sie alle, die Trauertelegramme aus dem politischen Berlin Richtung Washington. Das alte Europa, angesichts der neuen Administration in Washington befallen vom Hauch einer Ahnung, dass die Herausforderung zum friedlichen Wettstreit der Systeme zu groß sein könnte, um sie mit den üblichen Versprechen und Durchhalteparolen zu überstehen, gefällt sich in Belehrungen. Was Amerika alles zu sein habe, wie Amerika zu sein habe und wie es mit Deutschland weitergehen müsse, um im alten Trott bleiben zu können, obwohl dort drüben, jenseits des Atlantik, vielleicht wirklich ein neues Kapitel aufgeschlagen wird.

In Deutschland, der bräsigen Hauptstadt einer Staatengemeinschaft, die seit Jahren wie auf eingeschlafenen Füßen herumtorkelt, ist man stolz darauf, gar nicht gratuliert zu haben oder aber so,  dass einem niemand nachsagen kann, man habe nett und freundlich geklungen. 

Wenn schon Kotau, dann so verpackt, dass die Fankurve weiß: Man hat es nicht so gemeint. Von Elmar Theveßen, studierter Journalist, Biden-Kenner und ZDF-Korrespondent, wurde Trumps Rede umgehend auf Völkerrechtsverstöße geprüft. Iris Schwertner, vielleicht schon die letzte Vorsitzende der Linkspartei, entdeckte bei Elon Musk das, was sie für einen Hitlergruß hält. Der "Spiegel" hatte 19 Reporter am Puls der Zeit, die herausfanden, dass Trump "eigentümlich" getanzt habe.

Kein Vergessen, kein "sorry"

Deutschland, das ist sicher, wird auch nach der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten seine Linie durchzuziehen. Kein Vergessen, kein Neuanfang. Kein "sorry", vielleicht haben wir uns mit der Konfrontation verrannt. Stattdessen werden die Reihen fest geschlossen. Europa werde Trump "nur dann trotzen können, wenn es sich auf seine eigene Kraft besinnt", fabelt es im "Spiegel", wo weiterhin die Illusion lebt, dass Europa eine eigene Kraft hat.

Alle Fakten sprechen dagegen. Europa ist wirtschaftlich auf dem Weg ins Abseits, technologisch bereits abgehängt, militärisch noch immer eine Summe von Nullen und politisch wie weltanschaulich gespalten. Die Infrastruktur ist hinüber, der Wert der "stabilen" Gemeinschaftswährung bröckelt im Eiltempo. Das einzige, was in der Wertegemeinschaft noch funktioniert, ist die Bürokratiefabrik in Brüssel und Produktion höchster moralischer Ansprüche.

Dabei soll es blieben. Wie die EU ist auch Deutschland entschlossen, sich weiterhin etwas vorzumachen. "Wenn die USA versagen, muss Europa die Verantwortung für den Planeten übernehmen",  der grünen EU-Abgeordnete Michael Bloss als neuen Kurs ausgegeben. Klimaschutz dürfe "nicht an nationalem Egoismus eines Größenwahnsinnigen scheitern", begründet der Mann aus Stuttgart seine Entscheidung über das Schicksal der Welt. 

Bloss muss es wissen. Sein Weg in die Politik führte wie vorgeschrieben über ein Studium und die Mitarbeit in einem grünen Abgeordnetenbüro. Ohne den Umweg über irgendeine Erwerbstätigkeit außerhalb der Politblase direkt in die Weltregierung.

Der Schwanz wackelt mit dem Hund

Der Schwanz ist fest entschlossen, mit dem Hund zu wackeln. Trump will zum Mars, die deutschen Parteiführer streiten wie die Kesselflicker darum, wer wen vergackeiert hat, wer richtig entlastet und wer falsch, und ob das fehlende Geld an der Schuldenbremse vorbei mit diesen oder jenem Trick unauffälliger aus irgendeinem Schattenhaushalt abgeknapst werden kann, um sich noch eine Weile an der Macht zu halten.

Steckt ein großer Plan dahinter? Oder nur Verzweiflung? Ist es Verunsicherung, die die Strategie bestimmt? Ist es überhaupt eine Strategie? Oder nur die Angst davor, als Hochstapler und Versager aufzufliegen, wenn Trumps Pläne aufgehen?

Dienstag, 21. Januar 2025

Audretsch-Affäre: Verschwörung gegen Deutschland

Profitierte anfangs von den Belästigungsvorwürfen gegen Stefan Gelbhaar, rückt deshalb nun aber selbst ins Visier der Empörungskampagne: Habeck-Wahlkampfstratege Andreas Audretsch. Abb: Kümram, Permanentmarker auf Büttenpapier

Die Affäre, sie begann als Provinzposse. Ein paar unbewiesene Vorwürfe. Ein verdutzter Beschuldigter. Hilflose Verteidigungsversuche und ein ganz erschrockener Rücktritt. Und ein flott gefälltes Urteil. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar, erst kurz zuvor mit 98,4 Prozent von seinem Kreisverband als Direktkandidat für den Bundestag gewählt, bekam seine Kandidatur aberkannt.  

Den Platz auf der Landesliste hatte der aus dem Osten stammende ehemalige Landesvorsitzende der Grünen in Berlin zuvor schon abgegeben - in der Hoffnung, es möge ihm bei der Betrachtung der Schuldfrage angerechnet werde. 

Der Asket greift an

Doch das Landesschiedsgericht wies seinen Einspruch zurück. Es wurde neu gewählt und nun war Platz für den Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch, erst im Herbst vom Kanzlerkandidaten Robert Habeck aus der dritten Reihe ganz nach vorn geholt, um aus Bündnis 90 /Die Grünen das #teamhabeck zu machen. Audretsch, ein Mann mit dem Habitus eines Asketen, dessen Lebenlauf mit dem Tag beginnt, an dem er zum Studium nach Münster ging, wird nun sicher in den nächsten Bundestag einziehen.

Ein Machtwechsel, der schnell und ohne unnötiges öffentliches Aufheben über die Bühne gegangen zu sein schien. Auch in solchen Fragen zeigen sie die Grünen gereift, statt langer, quälender Diskussionen, die der ganzen Sache nur schaden, wird schnell operiert und auch vor grünen Urgesteinen wie Gelbhaar nicht zurückgeschreckt, wenn sie dem Fortschritt im Wege stehen. 

Operation Großer Austausch

Das im politischen Berlin ironisch als  "Operation Großer Austausch" bezeichnete Revirement in der kommenden Bundestagsfraktion wurde angefeuert durch spät, aber passend vor der Bundestagswahl angezeigten Missbrauch von K.-o.-Tropfen, einen Grapsch-Übergriff und einen erzwungenen Kuss. Alles ging anfangs reibungslos über die Bühne. Nicht einmal das Opfer, als Kronzeugin "Anne K." genannt, hatte sich zeigen müssen. 

Nach den Buchstaben der rechtlichen Vorschriften wählten die Grünen flott einen neuen, diesmal sauberen und lauteren Direktkandidaten für den Wahlkreis 75/Pankow. Habecks Wahlkampfstratege Andreas Audretsch übernahm den Platz auf der Landesliste. Sollte sich Stefan Gelbhaar später doch noch als unschuldig herausstellen, hätte sein Nachfolger selbst mit einem großen Blumenstrauß um Verzeihung bitten können.

Dass sich hinter dem "Großen Austausch" aber weit mehr verbirgt als nur die Räumung des Gefechtsfeldes vor einem notwendigen Angriff aus anfangs nicht geplanter Richtung, das zeigen die Ereignisse, die nach dem eigentlich bereits verkündeten Ende der Aktion dafür sorgten, dass aus dem Täter Gelbhaar ein Opfer wurde. Und aus der Parteiführung, die sich zumindest offiziell aus dem Gerangel um die begehrte Kandidatur herausgehalten hatte, eine mutmaßliche Tätergruppe.  

Hintermänner und Opferlämmer

Mit hintergründig gelegten Beschuldigungen gegen Hintermänner der Belästigungsaffäre versuchen die üblichen Verdächtigen, den "linken Parteiflügel" und damit über Andreas Audretsch vor allem den Spitzenkandidaten Robert Habeck zu beschädigen. Dessen Erfolge sowohl als Kanzlerkandidat - Habeck ist mittlerweile beliebter als Olaf Scholz und Friedrich Merz - wie auch als Buchator - sein neues Werk "Den Bach rauf" steht auf Platz eins der Bestsellerliste - sollen torpediert und unterminiert werden. 

Die Strategie ist leicht zu erkennen: Erst wurde das vermeintliche Opfer "Anna K." als Kronzeugin gegen Stefan Gelbhaar präsentiert. Nach getaner Arbeit aber verschwand die Frau spurlos. Und eine Strippenzieherin hinter den Angriffen auf Gelbhaar musste ihr Amt räumen. Ein Manöber voller "Niedertracht, gravierend und auch schockierend", wie es Robert Habeck nach einigen tagen der Besinnung genannt hat.

Ganz normale Manöver, um eine ehemals fast anarchisch agierende Partei zu einer Kaderpartei neues Typs umzubauen? Etwas Verschnitt auf dem Weg, eine über Jahrzehnte festgebackene innerparteiliche Kultur locker zu klopfen und dem an der grünen Basis liebevoll "Politbüro" genannten Team Habeck mit ein paar heimtückischen, aber unumgänglichen Interventionen mehr Beinfreiheit zu verschaffen? Oder doch mehr? Ein Versuch vielleicht, die bundesweit so erfolgreiche Wahlkampagne der Grünen zu torpedieren? Und damit unzulässig in den deutschen Wahlkampf einzugreifen.

Die Handschrift des KGB

Beweise gibt es noch nicht, doch alle Indizien sprechen dafür. Ablauf und umgehende Instrumentierung der Ereignisse von Berlin erinnern zwar von fern an den verrückte Rammstein-Sommer von 2023, als Gemeinsinnmedien und privatkapitalistische Medienheuschrecken auf einer Peniskanone zu einem Klick-Coup mit bis heute unbelegten Vorwürfen gegen eine deutsche Musikformation ritten. 

Die politische Dimension des grünen Intrigienstadels aber legt nahe, dass es diesmal um mehr geht. Die vermeintliche Provinzposse, ihren Regisseuren unglücklich außer Kontrolle geraten und im Moment im Begriff, alle Erfolge der von Andreas Audretsch komponierten Team-Habeck-Kampagne zunichtezumachen, riecht, schmeckt und fühlt sich an wie ein hybrider Angriff Marke Moskau. Trotz aller Warnungen von Experten und Geheimdiensten könnte es dem Kreml mit perfiden Tricks und einem mehrfachen Spiel über Bande erneut gelungen sein, die Integrität von Wahlen im Westen anzugreifen und das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in den demokratischen Gang der Dinge zu beschädigen.

Regieanweisungen aus Moskau?

Das größere Bild spreche jedenfalls dafür, heißt es im politischen Berlin. Andreas Audretsch genießt  das Vertrauen Robert Habecks. Ihm Ränkespiele vorzuwerfen wäre gleichbedeutend mit Zweifeln an der Lauterkeit des grünen Hoffnungsträgers. Der RBB aber ist ein öffentlich-rechtlicher Sender, unverdächtig, Fake News zu verbreiten. Und Recherchefehler? Es wäre ein Wunder, käme so etwas in einem so große Haus vor.

Schon der Augenschein zeigt zudem, dass es den Organisatoren der Intrige offenbar an geeignetem Personal mangelte: Shirin Kreße, die queerpolitische Sprecherin der Grünen in Berlin, die mittlerweile als Hauptverantwortliche gelten soll, ist auf den ersten Blick als sogenannte 4b-Besetzung auf der "Basic-Instinkt"-Skala zu erkennen.

Während Russland in der Ostsee zur Ablenkung Unterseekabel zerstörte und damit sehenden Auges riskierte, dass die Schiffe seiner Schattenflotte auffliegen, zielte der eigentliche Schlag auf Berlin, das Herz der deutschen Demokratie: Die russische Matroschka-Strategie ließ erst "mehrere Frauen" auftauchen, die dem Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar schwere Vorwürfe machten.

Handzahme Medien wurden mit Informationen gefüttert, wonach sich diese dann auch noch "verdichteten". Warnungen, beim Vorgehen gegen einen bisher unbescholtenen Bürger rechtsstaatliche Prinzipien einzuhalten, verhallten.

Ob im direkten Zusammenwirken mit der Grünen-Führung oder von dieser nur als Gelegenheit genutzt, wurde der Beschuldigte trotz Unschuldsvermutung aussortiert. Nur um die Affäre in der nächsten Stufe als parteiinterne "Intrige" (ZDF) um "mutmaßlich erfundene Vorwürfe" gegen die Parteiführung zu instrumentalisieren.

Das Kreml-Spiel über Bande

Eine "Verschwörung gegen Deutschland" (Correctiv), deren Inszenierung genau nach KGB-Drehbuch vorgenommen wurde. Ziel ist es dabei typischerweise nicht nur, alle Beteiligten zu beschädigen, sondern auch den Eindruck zu vermitteln, man dürfe gar nichts mehr glauben. Ein Unschuldiger wird abgestraft. 

Ein auf einen sicheren Listenplatz angewiesener Parteiaufsteiger profitiert. Zeugen verschwinden, Medien löschen aufwendig recherchierte Vorwürfe. Eine Funktionärin tritt zurück, die mit nichts zu tun gehabt hatte, aber irgendwie doch. Andreas Audretsch hat ja früher auch beim RBB gearbeitet, dem Skandalsender, der die Skandalvorwürfe als erster verbreitet hatte. Jetzt hat er nach Angaben von Annale Baerboch vermutlich nicht einmal was von den Vorfällen gehört, höchstens davon, dass der zuständige Kreisverband Pankow sich weigert, erneut über das Direktmandat für den Bundestag abzustimmen. 

Eine typische Geheimdienst-Aktion

Da passt alles, da zeigt sich, wie Russlands Geheimdienste arbeiten. Es gibt keinen direkten Weg zum Tor, sondern das typische Spiel des Kreml über Bande. Was anfangs wie das Ziel aussieht, ist nur eine Wegmarke unterwegs zur Verwirklichung der tatsächlichen Absicht. Um die Grünen und das handfeste Gerangel unter deren Funktionären um die absehbar rarer werdenden Versorgungsposten geht es den Kremlagenten nur am Rande. In Wirklichkeit will Kreml-Chef Wladimir Putin, der die "Операция Великая замена" (Operatsiya Velikaya zamena) wie immer selbst genehmigt haben dürfte, Verunsicherung schüren und beweisen, dass seine hybriden Schattenkrieger zuschlagen können, wo immer er es befiehlt.

Selbst Annalena Baerbock, als Außenministerin vertraut wie kaum jemand sonst mit den russischen Methoden, vermochte in der Fernsehensendung "Berlin direkt" nicht zu erklären, welche Kabale hinter den Kulissen abgelaufen sind und immer noch ablaufen. Sie sei nicht zuständig, habe "als Außenministerin" dazu "nichts zu sagen." 

Schüsse aus dem Hinterhalt

Auch die Frage, ob dem aus dem Hinterhalt abgeschossenen Stefan Gelbhaar, dem die Inszenierung der Missbrauchsvorwürfe durch einen mutmaßlich russischen Hybrid-Angriff erst die Direktkandidatur und dann auch den sicheren Platz im nächsten Bundestag gekostet haben, denn jetzt rehabilitiert werden könne, wich Annalena Baerbock schnippisch aus. 

"Da gibt es Gremien, die kümmern sich darum", sagte sie und folgte dem grünen Kanzlerkandidaten Habeck damit auf seinem Kurs, sich von der Affäre fernzuhalten, obgleich sie den Grünen heißersehnte Entlastung bei der Abwendung einer neuen verheerenden "Veggie Day"-Debatte rund um den geplanten Aderlass für Millionen Kleinanleger brachte. 

Das Zittern und Zagen in der Kampagne, die unter Führung des erst 40 Jahre alten studierten Politologen, Soziologen und Publizisten Audretsch aufgebrochen war, die vergangene Wirklichkeit hinter sich zu lassen und die Wählerinnen und Wähler mit frischen Versprechen zu locken, droht an den Klippen einer womöglich vom Kreml geplanten und über hybride Helfershelfer durchgeführten Operation zu zerschellen, die mit dem Abschuss des Opfers abgeschlossen schien.

Jüngster Tag: Der Anfang vom Ende Europas

Das alte Klischee, vom BR aufgewärmt, diesmal mit Elon Musk als Strippenzieher.

Zuguterletzt feiert Deutschland auf seine Weise. gnatzig darüber, dass anderswo ein anderer gewählt wurde als man selbst gern gehabt hätte, fällt die jüngere deutsche Demokratie zurück in regressive Muster. Mit dem Filmchen "Trump, Weidel, Meloni: Wie sieht Musks neue Weltordnung aus?" lässt der Bayrische Rundfunk die Maske fallen. Wie 1924, als die Nazis in Deutschland einen Judebn als Strippenzieher hinter den Weltläufen zeigten, lässt Dominic Possoch in BR24 diesmal Elon Musk als Kronzeugen für eine neue Variante der alten Verschwörungstheorie über die "Neue Weltordnung" auftreten.

Düstere Prognose

Vom BR nachgestellte Nazi-Proganda
Musk, mal "Staatsfeind Nummer 2" (Spiegel) als Finanzier hinter Trump, mal selbst unterwegs nicht zum Mars, sondern ins Weiße Haus, tritt als Gesicht einer digitalen Eliten auf, die den rechtschaffenen Demokratien mit Meinungsfreiheit, Bürokratiezerstörung und technischer Innovation das Leben schwer machen will. Während sich Donald Trump in Washington auf Martin Luther King beruft, orgelt der Sender aus München von "Geheimgesellschaften" raunt und andere Adressen lassen durch eine amerikanische KI eine "Düstere Prognose zu Republikaner-Herrschaft in den USA" erstellen.

Es ist der letzte Kampf einer untergehenden Ära, mit Folgen, die in Deutschland noch keine der im Kleinklein-Modus wahlkämpfenden Parteien begriffen hat. Trump bemüht sich, die Kräfte des Marktes zu entfesseln, er kündigt an, die freie Meinungsäußerung wieder so herzustellen, wie die Väter der amerikanischen Verfassung sie sich vorgestellt hatten. 

Zurück auf Los

"Nie wieder wird die große Macht des Staates verwendet werden, um politische Gegner zu bekämpfen  eine farbenblinde Gesellschaft wolle er schaffen, bei der die Hautfarbe in keinem Bereich mehr eine Rolle spiele. Die offizielle Politik der USA werde es zudem sein, dass es wieder nur zwei Geschlechter gebe. Den Golf von Mexiko werde er umbenennen in "Golf von Amerika". Den Mount Kinley, 2015 auf "Denali" getauft, würden künftige Generationen wieder unter diesem Namen kennen.

Planwirtschaftliche Abgasvorgaben, Bestrafungen für Menschen, die sich in der Pandemiezeit nicht haben impfen lassen. Er wolle "Friedensstifter und Einiger" sein, sagt Trump, aber Kompromisse plant er nicht. Als erstes soll der Panamakanal wieder unter amerikanische Verwaltung, dann der Mars. "Hochgesteckte Ziele", sagt Trump, seien das "Lebenselexier Amerikas". "Wenn wir gemeinsam arbeiten, gibt es nichts, was wir nicht erreichen können." Er stehe jetzt hier und nach einem unglaublichen Comeback. "Ich bin der Beweis dafür, dass nichts unmöglich ist."

Windig und halbseiden

Statt einer Million Menschen, die 2017 noch gegen den neuen Präsidenten demonstrierten, sind diesmal nur 5.000 gekommen. Weit mehr wollen Trump zujubeln. Wie das im politischen Berlin ankommt, wo nicht einmal die Union und die FDP ein Hehl daraus machen, dass sie diesen Quereinsteiger für windig und halbseiden halten, lässt sich denken. Fürchterlich haben sie es sich vorgestellt, noch fürchterlicher droht es zu werden - allerdings für sie. 

Der neue Geist, den Trump in eine Welt tragen will, die wütend und kriegerisch ist, er wird die mitnehmen, die sich mitnehmen lassen wollen. Den anderen aber ruft Trump zu: "Wir werden gewinnen wie niemals zuvor und wir werden nicht scheitern".

Heute schon, nach den vier Biden-Jahren, die die meisten Amerikaner als Jahre des Wohlstandverlustes wahrgenommen haben, steht es um die Wirtschaft der USA deutlich besser als um die Europas. Das Wirtschaftswachstum ist solide, der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für die USA ein Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent im Jahr 2025. 

Ohnehin schon mit Vorsprung

Die USA haben einen uneinholbaren Vorsprung bei Forschung und Entwicklung, US-Konzerne beherrschen die digitale Welt und der Produktivitätsgewinn, den das zur Folge hat, beschrieb der von der EU mit einer Untersuchung beauftragte frühere EZB-Chef Mario Draghi als eine "große Lücke": Das "verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in den USA ist seit 2000 fast doppelt so schnell gestiegen wie in der EU". Bezahlt hätten "die europäischen Haushalte den Preis in Form eines entgangenen Lebensstandards".

Wie lange werden die Europäer das noch hinnehmen? Wie lange lassen sich fehlende Ambitionen noch hinter immer neuen Plänen verbergen und der Rückfall ins zweite Glied der Weltwirtschaft mit gezielt geschürten Schuldzuweisungen in Richtung von "Milliardären" und "Millionären" bemänteln? Das Beispiel Amerika, wo der Konsum nie so schwach war wie in Deutschland und die Industriekrise nie so tief, zeigt, wohin es führt, wenn Politik eine Gesellschaft immer weiter in die Irre führt und mangelnde Erfolge der Strategie daruf schiebt, dass es leider noch nicht schnell genug gehe.

EU unter Druck

Die Rückkehr von Trump ins Weiße Haus setzt die EU, ohnehin in einem m´bemitleidenswerten Zustand, weiter unter Druck. Alles, was als Grundlage der Planwirtschaft festgezurrt galt, die die Gesellschaften bis 2050 leiten sollte, steht wieder infrage. Handels- und Migrationspolitik, Wirtschaftspolitik, Klimapolitik - die EU, die abgesehen von Ursula von der Leyen im Moment weder Gesicht noch gemeinsame Ambitionen hat, würde in ihrem derzeitigen Zustand von einer noch dynamischeren USA im Staub zurückgelassen werden. 

Noch sträuben sich Berlin und Brüssel, ihren Kurs auf immer mehr Regulierung und eine immer beklemmendere Bürokratie zu ändern. Stur halten die Institutionen daran fest, Investitionen und wirtschaftliche Dynamik zu behindern, höhere Energiekosten für eine Waffe gegen den Klimawandel zu halten und Ersatzinvestitionen in neue Energieträger und Energienetze, die keinerlei Produktivitätsgewinne bringen, als segensreiche Investitionen zu feiern.

Sticheln als Selbstbild

Das Sticheln und Verdammen Trumps ist leiser geworden, aber es ist fester Bestandteil des Selbstbildes der europäischen, vor allem aber deutschen Politik. Wie sich Wahlkämpfer mangels irgendeiner Idee, wie sich das Leben der Bürgerinnen und Bürger verbessern lässt, jahrelang parteiübergreifend darauf einigen konnten, den Kampf gegen ein paar verwirrte Rechtsextreme zum zentralen Punkt ihrer politischen Angebote zu machen, muss Trump weiterhin als Popanz für das herhalten, was man selbst nicht will.

Am Ende aber gewinnt immer die Wirklichkeit, je später, desto schrecklicher wird die Niederlage der Illusion. Schafft es Trump, auch nur die Hälfte dessen umzusetzen, was er seinen Amerikaner versprochen hat, wird es die behäbige, lustlose und traurig auf reine Schadensminimierung orientierte europäische Art der Politik in drei, vier oder fünf Jahren nicht mehr geben. 

Oder aber es wird die EU nicht mehr geben.

Montag, 20. Januar 2025

Ignoriertes EU-Imperium: Trumpfest und rückgratlos

Die EU ist zerstritten, niemand kann für die gemeinschaft strechen, um Trump zu mahnen
Bedauernde Blicke: Derzeit hat Europa keinen einzigen Politiker, der Donald Trump vor seiner falschen Politik warnen könnte.

Donald Trump kommt heute ins Amt. Der 78-Jährige will bereits am Tag seiner Vereidigung Dutzende Präsidialdekrete unterzeichnen, um Wahlkampfversprechen umzusetzen. Seine Anhänger feiern die "Machtübernahme", wie es der "Spiegel" mit Verweis auf die deutsche Geschichte und Hitlers Amtsantritt augenzwinkernd nennt. In Hannover ist schon bekannt, dass die USA jetzt "am Abgrund" stehen. Spricht sich das bis zur Riege der "Rückgratlosen" (RND) herum, die den Hassprediger, Irren, Psychopathen und Faschisten jetzt hofieren, dann war es das mit Trumps Triumph.

Freude hoffentlich von kurzer Dauer

Ja, zum Glück könnte "die Freude" nach dem Dafürhalten ausgezeichneter Kenner der Lage "von kurzer Dauer sein". Noch vor dem Ablegen des Amtseides erinnerte Olaf Scholz den Amerikaner mit mahnenden Worten an die Einhaltung seiner transatlantischen Verpflichtungen - vieles daran erinnert an den aufrechten Gang, mit dem Vorgängerin Angela Merkel 2016 vor den Thron trat und dem Amerikaner unmissverständlich klarmachte, dass Deutschland als Verbündeter Bedingungen stelle,  wollten die USA weiterhin einen Platz an der Seite des wichtigsten Staates unter Brüsseler Verwaltung haben.

Es ging um gemeinsame Werte wie "Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung". Merkel leuchtete Trump heim, der "Horrorclown" wurde handzahm, bemüht versuchte Trump damals, sich mit einem Europa zu arrangieren, das von aufgeklärten Linken wie Merkel, Macron und Gentiloni in eine strahlende Zukunft geführt wurde.

Abgetaucht und überlebt

Macron plante damals gerade eine große Reform der erfolgreichsten Staatengemeinschaft der Weltgeschichte. Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament waren sich einig, dass Wachstum in der EU weiterhin wichtigstes Ziel bleibe und die Beseitigung von Investitionshindernissen, Bürokratie und die "intelligentere Nutzung neuer und bestehender finanzieller Ressourcen Europa" nicht nur wohlhabend, sondern auch nachhaltig, barrierefrei und sicher machen werde. Fast unbeschadet überstanden alle 440 Millionen EU-Europäer die erste Amtszeit Trumps. 

Als Biden übernahm, war der "große Bruder" (Stern) endlich wieder da. Eine schützende Hand für einen Kontinent, in dessen Morgengebeten die Hinwendung zu Eigenverantwortung, Resilienz und Selbstbewusstsein dieselbe Rolle spielt wie der demnächst erfolgende Bürokratieabbau und die unmittelbar bevorstehende Rückkehr auf den Wachstumpfad in der politischen Folklore der Bundesregierungen aller Farben. 

Erneute Überwinterung

Die Frage ist nun aber, ob sich das Kunststück einer Überwinterung in der Stasis der Beschwörung der eigenen Bedeutung wiederholen lässt. Gefragt sind starke Stimmen aus Europa, stärkste Stimmen, wie sie nicht zuletzt die SPD  mit Katarina Barley nach Straßburg geschickt hatte. Von dort aus hatte sich die 56-Jährige zuletzt zwei Tage vor Trumps Wiederwahl warnend zu Wort gemeldet. Der Amerikaner "verachtet alles, wofür die EU steht", sagte sie damals. Um anschließend komplett von der Bildfläche zu verschwinden - vielleicht geschockt, vielleicht in eine tiefe Depression gefallen angesichts des millionenfachen Verrats der amerikanischen Wähler an den Leitgedanken der EU.

Scholz hat es versucht. Barley fällt offensichtlich aus. Welche starke Stimmen aus Europa aber gibt es noch, die "ihn" (DPA) aufhalten könnten? PPQ hat amerikanische KI-Systeme dazu befragt und eine klare und deutliche Auskunft bekommen: In einer "spannenden und herausfordernden Zeit für Europa", so die KI Aria, sei eine der stärksten Stimmen aus Europa, die in dieser Situation hervorsticht, die der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Die Deutsche habe sich als eine "bedeutende Figur etabliert, die Europa in schwierigen Zeiten zusammenhält", erst kürzlich sei ihr der renommierte Karlspreis verliehen worden, "was ihre Rolle als starke Stimme Europas unterstreicht". Die von von der Leyen eingerichtete "Trump-Task-Force" sei seit Wochen dabei, die EU trumpfest zu machen. Zum Dank dafür wurde die 66-Jährige alte und neue Führerin des vereinigten Europas nicht zu Trumps Amtseinführung eingeladen.

Der Spalter Europas

Liegt es am Wahlkampf. Liegt es am Rechtsruck, liegt es Bürokratieabbau, der im Gegensatz zum Demokratieabbau kaum vorankommt?  Die Frauen und Männer, die für mehr als 400 Europäer sprechen müssten, sind sich nicht einig. Meloni und Orban gelten als Trump-Getreue, für den deutschen Bundespräsidenten hingegen ist Trump ein "Hassprediger" und der grüne Spitzenkandidat sieht ihn dabei, "Europa zu spalten", quasi entlang der unterschiedlichen Ansichten, die es in den einzelnen Mitgliedstaaten gibt. Deutschland etwa, hat die FAZ attestiert, sei trotz von der Leyens Vorbereitungsstrategie "so verwundbar wie nie". Ungarn und Italien hingegen frohlocken. Wie knftig auch Amerika werden diese beiden Ländern von "Faschisten" (Die Zeit) regiert.

Deutschland hat nur Demokraten, eher stille Verwalter zum Wohl des Volkes wie Scholz, Wissing oder Paus. Ob Robert Habeck, der bei weitem bekannteste und erfolgreichste unter ihnen, in Übersee gehört wird, ist allerdings unklar. So gern die Stimme des scheidenden Klimawirtschaftsministers in den deutschen Medien zitiert wird - Habeck gilt als Mann, der knallhart sagt, dass er Trump nicht unterwürfig entgegentreten würde -, so sehr scheint das politische Amerika den Mann aus Heikendorf zu ignorieren. Nur ein einziges Mal schaffte es Habeck zumindest mit seinem Namen in den vergangenen sieben Tagen in ein US-Medium. Bloomberg berichtete über Habecks verzweifelte Versuche, Dieselfahrer und Wohlhabende von einer Stimmabgabe für seine Partei zu überzeugen. 

Keiner, der gehört wird

Die Zeiten, als deutsche Außenminister im Weißen Haus anriefen und ohne Nachfrage zum Präsidenten durchgestellt wurden, sind vorbei. Annalena Baerbock hat die Nummer nicht, dafür aber einen Botschafter in Washington, der mit einer öffentlich gewordenen Geheimwarnung vor Trump, die alle Belastungsmaterialien enthält, die seit neun Jahren wöchentlich im "Spiegel" stehen, auch die letzten Kabel zwischen Berlin und Washington durchgeschnitten haben dürfte.

Da sich Baerbock zudem derzeit hauptsächlich um den Nahen Osten und die nach der Bundestagswahl anstehende Verschmelzung aller gesetzlichen und privaten Krankenkassen zu einem einheitlichen medizinischen Mangelsystem kümmert, fällt auch sie aus, die beim bekennenden Macho Trump zumindest aus optischen Gründen womöglich Gehör gefunden hätte.

Merkel muss es machen

Für Grok, die vom fragwürdigen Meinungsfreiheitsverständnis des US-Milliardärs Elon Musk geprägte KI der X-Plattform, kommt am ehesten Angela Merkel infrage. "Obwohl sie nicht mehr im Amt ist, hat Angela Merkel als ehemalige deutsche Bundeskanzlerin und eine der einflussreichsten Figuren in der europäischen Politik einen bedeutenden Einfluss", stellt die Künstliche Intelligenz mit Blick auf das zur Verfügung stehende europäische Personal fest. Merkels Stimme könne "im Rahmen internationaler Dialoge und durch ihre Erfahrung in diplomatischen Angelegenheiten Gehör finden". 

Mehr zumindest als die des Franzosen Emmanuel Macron, der sich in der Vergangenheit kritisch zu Trump geäußert habe und deshalb wohl kein offenes Ohr mehr in Washington finden werde. Friedrich Merz, trotz eines rasanten Rückgangs der Umfragezahlen seiner Union zumindest vorerst noch mit den größten Chancen, nächster deutscher Kanzlerkandidat zu werden, hat schon erkennen lassen, dass er realistischerweise nicht damit rechnet, Trump von irgendetwas überzeugen oder ihn von irgendetwas abhalten zu können. 

Who is Friedrich Merz

Friedrich Merz ist in den USA vollkommen unbekannt. Seit Mitte Dezember, als die "New York Times" fragte "Who is Friedrich Merz?", hat kein großes amerikanisches Blatt mehr Notiz vom Favoriten der deutschen Wähler genommen. Statt darüber zu jammern, hat Merz entschieden, Trumps Amtsantritt zur "Chance für Europa" zu erklären. Der neue Mann im Weißen Haus biete der in sich zerstrittenen und nicht einmal in den politischen Lagern selbst von gemeinsamen Auffassungen geleiteten Union die Gelegenheit "sich stärker und autonomer aufzustellen"


Zeitenwende: Erdbeben im Elfenbeinturm

Der "Spiegel" sieht bei Donald Trump ein "Banditengesicht"
Ein "Banditengesicht" immerhin lässt sich noch entdecken. Darüber hinaus aber scheuen deutsche Medien aus Angst vor dem neuen Mann in Washington klare Bezeichnungen wie die eigentlich üblichen "Hetzer", "Rassist" und "böser Clown",

Der Hass wird ihn nicht mehr verlassen, bis er eines Tages diese Erde verlässt. In den letzten Stunden vor der Rückkehr ins Weiße Hause brach der Zorn der Medien über die im Herbst verlorene Wahlschlacht noch einmal aus. Der "Spiegel" lieferte eine "Bildanalyse", die Donald Trump "bösewichtiges" Schauen nachwies. Der "Stern" barmte verzweifelt "Wer kann ihn  jetzt noch stoppen?" n-tv sah einen "Psychopathen" ins Amt kommen. Bei der Tazn verließ Amerika "den demokratischen Sektor". Und beim ZDF warnten "renommierte Psycholog*innen" vor "den gesellschaftlichen Folgen seiner Macht".

Rückkehr des großen Bruders

Der große Bruder ist weg.
Der Elfenbeinturm, er bebte noch einmal. Als hätte es die Rückzugsgefechte der letzten Monate nicht gegeben, gaben alle noch einmal alles. War die Amtseinführung von Joe Biden vor vier Jahren noch als die "Rückkehr des großen Bruders" (Stern) gefeiert worden, der Deutschland auf dem Titelbild der Illustrierten "Stern" liebevoll bei der Hand nahm, um die Deutschen in eine strahlende Zukunft zu führen, ist jetzt wieder Angst angesagt. "Imperialismus, Autoritarismus, Egoismus" stünden bevor, denn "ab morgen leben wir in der Trump-Welt", sagte Dirk Kurbjuweit in "Spiegel" voraus.

Kurbjuweit weit genau, wie schlimm es steht. Er war es, der nach Trumps erstem Wahlsieg vor acht Jahren auf ein "Epochenjahr" zurückgeschaut und den alten, weißem Mann zum Feindbild erklärt hatte. Trump, der "Schurke unserer Zeit", ein "böser Clown", (Kurbjuweit) sei von eben diesen "alten, weißen Männern" freudig gewählt worden und habe das genutzt, um gegen die Hälfte der Bevölkerung "eine eigene Definition von Volkswillen durchzusetzen".

Böses vom Bösen

Wird es schlimm? Oder noch schlimmer?  Elmar Theveßen ahnt Böses vom Bösen. Schon Tage vor dem Tag X hatte der ZDF-Amerikakorrespondenten zumindest alle die beruhigt, die gefürchtet hatten, nach Trumps Amtseinführung könne schon am ersten Tag der Frieden ausbrechen. Die gute Nachricht: Dazu werde es nicht kommen, davon abgesehen aber drohe eine "düstere Präsidentschaft".

Die Deutschen insbesondere müssen sich wie immer "rüsten". Schon die amerikanischen Angriffe auf die besondere europäische Auslegung der Meinungsfreiheit  deuten an, was noch kommen kann. Welche Steine bleiben aufeinander? Hält wenigstens in Europa, in Deutschland, die sagenumwobene "Brandmauer", jenes unsichtbare Bauwerk, das seit seiner Erfindung im Mai 2023 zwischen denen steht, die zusammenstehen und sich "unterhaken" (Olaf Scholz), und denen, die dem "Beginn einer neuen Ära" (FR) zujubeln. 

Nach den Jahren der Stagnation

Wird der deutsche Bundespräsident sich auch diesmal unter sie mischen?  Wie wird die EU weiter gegen die "Prostitution à la Bezos und Gates" (Taz) vorgehen? Kann sich das "Establishment, also vor allem etablierte Politiker, Journalisten, aber eigentlich alle, die halbwegs arriviert sind und nicht rechts der Mitte stehen", den Trend brechen, dass eine sehr gute Politik nicht gewürdigt wird, weil der "Volksempfänger Internet" mit den Algorithmen von Elon Musk den "Erfolg des Rechtspopulismus  ermöglicht?

Die Verzweiflung in den Denkerstuben, den Parteizentralen und den dreifach vor der Wirklichkeit abgedämmten Bürokratiepalästen ist mit Händen zu greifen. Donald Trump habe "den Willen und die Wucht, die Welt zu verändern", ist Dirk Kurbjuweit überzeugt. Der neue Präsident werde sie so machen, wie sein Amerika sie seiner Meinung nach braucht, "mit einem gefügigen Kanada, einem gefügigen Mexiko, einem gefügigen Grönland, einem Panamakanal unter US-Kontrolle, einer Nato, deren europäische Mitgliedsländer entweder Unsummen in die Rüstung investieren oder schutzlos dastehen, mit einem minimalen Klimaschutz, mit einer radikalen Durchsetzung amerikanischer Geschäftsinteressen, zum Beispiel über Zölle, mit einer schrankenlosen Kommunikation in sozialen Netzwerken zum Nachteil der Schwächeren und womöglich mit einer US-Demokratie, die autoritäre Züge zeigt". 

Auf einmal "womöglich"

Das "womöglich" lässt aufhorchen, denn vor Wochen stand das noch fest. Trump sollte damals als "Diktator" agieren, nie wieder würde der 78-jährige "Faschist" (Die Zeit) Wahlen zulassen, weil er "seine Agenda unkontrollierter als in der ersten Amtszeit verfolgen wird" (Deutschlandfunk). Doch selbst der "Spiegel"-Titel, in den großen Zeiten, in denen noch richtig gegen Trump gekämpft wurde, eine Plakatwand der Niedertracht und Entmenschlichung, erscheint der "Hassprediger" (Walter Steinmeier) im gnädigen Licht vorsichtigen Verstehens. 

Trump verschlingt nicht mehr die Welt, er trägt keine Waffe, er köpft nicht die Freiheitsstatue, trägt kein Ku-Klux-Klan-Kostüm und er wird nicht als menschliche Tsunamiwelle gezeigt, die sich anschickt, Amerika wegzuspülen. Sanft und zart fast fasst ihn auch Kurbjuweit an. Dem kommenden US-Präsidenten bleiben die eigentlich üblichen Bezeichnungen als "Rassist" und "Hetzer erspart, er ist kein russischer "Doppelagent" (Spiegel) mehr und vom "Ende des Westens" nach seinem "Trump des Willens" ist schon gar nicht die Rede. Vielleicht mache er "die Welt auch hier und dort besser, trägt womöglich zu einem Frieden in der Ukraine bei", fürchtet Dirk Kurbjuweit.

Diese Zeitenwende ist, anders als die des deutschen Bundeskanzlern, vielleicht gekommen, um zu bleiben. "Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen. Nach all den Jahren der Stagnation. Der geistigen, wirtschaftlichen, politischen. Den Jahren von Dumpfheit und Mief. Von Phrasengewäsch und bürokratischer Willkür. Von amtlicher Blindheit und Taubheit", hatte der Schriftsteller Stephan Heym sich am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz über das Ende einer Ära gefreut. 

Ein weitsichtiger Mann.

Sonntag, 19. Januar 2025

Verpuffte Verwarnung: Digitale Kriegserklärung

Henna Virkkunen Europas neue oberste Meinungsfreiheitsschützerin
Henna Virkkunen ist die neue starke Frau der EU für die Durchsetzung der europäischen Variante der Meinungsfreiheit im Netz. Abb: Kümram, Buntstift auf Butterbrotpapier

Der Warnschuss ist verpufft. Die große Geste hat alle Luft gelassen. Obwohl die neue EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen nur wenige Wochen nach Dienstantritt einen Rückzieher vom Rückzieher bei der Genehmigung von Posts von US-Milliardär Elon Musk auf seiner Plattform X gemacht hat, bleibt die erwünschte Wirkung aus.  

Nach der öffentlichen Beteuerung von Facebook-Chef Mark Zuckerberg, die Meinungsfreiheit auch gegen den Widerstand Europas wiederherstellen zu wollen, hat auch der Suchmaschinenkonzern Alphabet der EU-Kommission mitgeteilt, dass es keine Pläne gebe, sogenannte "Faktenprüfungen" in Suchergebnisse und YouTube-Videos einzubauen. Unter Berufung auf den häufig als EU-Gesetz bezeichneten Digital Service Act hatte die EU das als "Anforderung" bezeichnet, die US-Konzerne erfüllen müssten. 

Ultimatum an X

Um dem Verlangen Nachdruck zu verleihen, war das seit mehr als einem Jahr laufende Verfahren gegen die Kurznachrichtenplattform X verschärft worden - Henna Virkkunen, EU-Exekutiv-Vizepräsidentin  für technische Souveränität und Digitale- und Grenztechnologien, hatte X-Besitzer Elon Musk aufgefordert, interne Dokumente zur Verfügung zu stellen, die Auskunft über "Änderungen an Algorithmen" geben.

Sollten die Informationen bis Mitte Februar nicht herausgegeben und der Behörde Zugang zu bestimmten Programmierschnittstellen gewährt worden sein, drohte die EU dem Unternehmen mit der Verhängung einer Geldbuße in Höhe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

Kommissionschefin Ursula von der Leyen folgt damit ihrer Strategie, der EU einen "Weg in eine neue digitale Welt" zu ebnen, indem die umfassenden europäischen Regeln genutzt werden, um die ausländischen Multis zu melken. Befürchtungen, dass die Kommission trotz vieler Forderungen aus der Zivil- und Mediengesellschaft vor den Tech-Konzernen einknicken könnte, hatten zuletzt Zweifel geweckt, ob das gegen den sich formierenden Widerstand aus den USA weiterhin möglich sein wird. 

Symbolische Friedensgeste

Als symbolische Friedensgeste Richtung Washington hatte von der Leyen noch vor dem Dienstbeginn der neuen Kommission den als Scharfmacher geltenden Franzosen Thierry Breton aussortiert - in der Hoffnung, dass die freien Meinungsextremisten Musk, Zuckerberg und der hinter ihnen vermutete Donald Trump sich damit beruhigen lassen und auf eine offene Kraftprobe im digitalen Raum verzichten.

Ein Irrtum. Erst nutzte der "Staatsfeind Nummer 2" (Spiegel) Elon Musk den gewährten Spielraum weit über Gebühr aus. Dann schloss sich der bis dahin handzahme Mark Zuckerburg mit einer unverblümten Kriegserklärung, in der er sich zur Behauptung verstieg, er müsse die "freie Meinungsäußerung wiederherstellen" und im Zuge dieser Restauration der Grundrechte auch die „institutionalisierte Zensur“ in der EU beenden.

Verweigerung von Google

Henna Virkkunen, ausgebildete Philosophin und Trägerin des "Energy Award" der EU-Parlamentszeitschrift, blieb in dieser Situation kaum etwas anderes übrig, als ein Zeichen zu setzen. Die Hoffnung aber zerstob, bei den Multi-Billionen-Konzerten damit ein Umdenken zu erzwingen. Weder hat X bisher auf das Ultimatum reagiert noch hat sich Zuckerberg hin zum Einlenken entschlossen. Ganz im Gegenteil: In einem Schreiben an Renate Nikolay, die stellvertretende Generaldirektorin der Abteilung für Inhalte und Technologie der Europäischen Kommission, hat nun auch noch die Alphabet-Tochter Google erklärt, die im neuen EU-"Verhaltenskodex für Desinformation" geforderte Integration von Faktenprüfungen nicht umsetzen zu wollen.

Ein demonstrativer Affront, galt doch die in Europa mehr noch als in den USA dominierende Suchmaschinenfirma bisher als willigster Partner der Gemeinschaft bei der Umsetzung von Plänen, die Verbreitung von "ungefilterten Meinungen" (Roman Poseck) zu verhindern. Jetzt aber behauptet Google, dass die Befassung von Faktencheckern "für unsere Dienste nicht angemessen oder effektiv" sei. Wie X und Facebook werde eine von Nutzern übernommene Kollektivbewertung, die immer vergangenen Jahr bei YouTube eingeführt wurde, vielleicht ausgebaut, so dass Benutzern selbst kontextbezogene Notizen zu Videos hinzufügen könnten. 

Mangel an eigener Infrastruktur

Für die Pläne der EU, die seit 2018 als "freiwillig" geltenden Schutzmaßnahmen für richtige Meinungen mit einem offiziellen Verhaltenskodex im Rahmen des DSA verpflichtend zu machen, ist das ein schrecklicher Rückschlag. Da die EU selbst über keinerlei digitale Infrastruktur wie Videoplattformen, Kurznachrichtendienste oder irgendwelche sozialen Netzwerke verfügt, sind die Hebel der Kommissare kurz, die US-Anbieter zu disziplinieren. Kaum eine Regierung in einem EU-Land wird es wagen, in einem Nahkampf mit den digitalen Giganten einen Krieg mit der eigenen Bevölkerung zu riskieren, indem sie eine Sperrung der Dienste nach brasilianischem Vorbild verfügt.