Montag, 21. Oktober 2024

Grüne Jugend: Hoffnung für den Haustierausstieg

Von wegen niedlich: Hunde produzieren jährlich etwa 700 Millionen Tonnen des Klimagiftes CO₂.

Nach dem Rechtsruck an der Parteispitze, betrieben von Klimawirtschaftsminister Robert Habeck, hatte die Vorstandsetage der Grünen Jugend die Waffen gestreckt. Diese Grünen, das sei nicht mehr ihre Partei, teilte zahlreiche Funktionäre des Nachwuchsverbandes mit, der als Kaderschmiede für künftige Abgeordnete und Ministeriumsbeamte gilt.  

Während die Svenja Appuhn, schon im jungen Alter Trägerin der Verdienstmedaille des Bundesverdienstkreuzes, und die studierte Meteorologin Katharina Stolla den Kampf für eine "klassenorientierte Politik" in einer weiteren neuen Partei mit klar linkem Profil weiterführen wollen, hatte die Grüne Jugend (GJ) keine Probleme, Nachfolger zu finden. 

Sprung an die Spitze

Zwar gibt es aufgrund der abbröckelnden Umfragewerte der Mutterpartei keinen Automatismus mehr, der Nachwuchsfunktionären der GJ automatisch ein Auskommen im Bundestag sichert. Doch für die neuen Vereinsvorstände Jette Nietzard und Jakob Blasel bedeutet der Sprung an die Spitze des offiziell um die 16.000 Mitglieder zählenden Vereins die Chance, eigene scharfe Forderungen an die eigene Partei und die Mehrheitsgesellschaft zu richten. Die Verantwortung dafür tragen, so weit das über die vom grünen Familienministerium finanziert verbandseigene Homepage geschieht, weiterhin die bereits vor einem Jahr abgetretenen GJ-Chefs Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus.

Nicht alles muss immer neu. Aber mit dem dritten neuen Vorstand im laufenden Jahr weht ein frischer linker Wind durch die "junggrüne Politik" (GJ). Nietzard etwa steht für eine großzügigere Asylpolitik und die Beendigung der Kinderarmut. Blasel, wie seine Kollegin Mitte 20, startete seine politische Laufbahn mit 19 bei der damals angesagten Bewegung "Fridays for Future", avancierte zum deutschen Adjutanten der Gründerin Greta Thunberg und absolvierte inzwischen auch das vorgeschriebene Praktikum im Büro einer Bundestagesabgeordneten seiner Partei. Er deckt die Klimaflanke ab, predigt das 1,5-Grad-Ziel als Hauptaufgabe der Boomergeneration und würde, wenn er könnte, heute schon ohne Kohlekraftwerke leben.

Der Tabubrecher

Bekannt allerdings wurde der Student aus Kiel durch den Bruch eines Tabus, das in den politischen Parteien weit über den demokratischen Block hinaus als heilig gilt. So gut erforscht die klimazerstörende Wirkung der Haustierhaltung ist, so furchtsam gehen nicht nur CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und die beiden ganz linken Parteien, sondern auch die in Teilen gesichert rechtsextreme AfD mit dem Fakt um, dass aus reiner Bequemlichkeit gehaltene Haustiere ohne Ernährungs- oder sonstigen Nutzen Deutschlands Klimabilanz Jahr für Jahr mit fast 18 Millionen Tonnen CO2 belasten. Eine Menge, die exakt der von den Klimaplänen abweichenden Überlast entspricht, die die Ampel trotz industriellem Rückbau nicht in den Griff bekommt.

Jakob Blasel hält davon nichts. In offenem Widerspruch zu Greta Thunberg, die sich immer wieder gern in Begleitung sogenannter Klimahunde fotografieren lässt, kündigte der 25-Jährige schon vor Jahren einen harten Kurs gegen Haustiere an. "Das ist ein ziemlicher Umwelt- und CO2-Luxus, den wir uns da leisten", analysiert er mit Blick auf falsche Vorbilder, die vor allem die klimaschädliche Hundehaltung verherrlichen. Blasel will dieses Feld beackern: "Wir brauchen sie eigentlich nicht. Deshalb sollte es verboten werden, Tiere unnötig zu züchten".

Verherrlichte Hunde

Blaser plattiert die Grüne Jugend damit geschickt in einer Vertretungslücke, in die sich bisher nicht einmal die Wagenknecht-Bewegung gewagt hat.  Obwohl die Angst vor Hunden gesellschaftlich hohe Akzeptanz genießt, so durfte sich etwas die frühere Bundeskanzlerin der einer breiten Solidarität gewiss sein, als Putin bei einem Besuch in Moskau versuchte, sie mit einem Hund zu verunsichern, gilt die Verehrung der als "älteste Begleiters des Menschen" verherrlichten Zuchttiere im politischen Meinungskampf als sakrosankt. Hundehasser müssen ihre Gefühle verbergen, denn der Staat füllt sich mit Hundesteuern die Taschen, während die klimatischen Folgen der privaten Vorlieben für Hunde - wie auch für Katzen - vergesellschaftet werden.

Trotz Fachkräftemangel in der Medizin werden Ärzte und medizinisches Personal für die "Lieblinge" der Haustierhalter vorgehalten. Trotz Nahrungsmangels und Hungers in der Welt produziert eine ganze Industrie spezielle Lebensmittel für Hasso und Bello. Unternehmen, die Zubehör für die private Haustierhaltung herstellen, freuen sich Jahr für Jahr über Milliardenumsätze.

Weg was nicht nützlich ist

Jakob Blasel ist die erste wichtige politische Stimme, die dieses Problem entschlossen adressiert und seinem Verband damit einen Alleinvertretungsanspruch sichert.  Mit dem klaren Bekenntnis, dass die Grüne Jugend keine "gottlosen Kompromisse" mit ihrer Partei machen werde an. Ähnlich wie Nietzard, die in ihrer Bewerbungsrede das Ende aller Abschiebungen und noch freieren Zuzug für Geflüchtete gefordert hatte, ist der Student der Rechts- und Umweltwissenschaften der Ausreden müde, die einem Haustierausstieg im Wege stehen. 

Nlasel weiß: Nur radikale Lösungen haben eine Chance, gehört zu werden. Nur radikale Lösungen können im Angesicht der Klimakrise eine neue Dynamik in die erlahmte Diskussion um Verbote und Einschränkungen bringen. Alle Menschen sollten ohne Sorgen in die Zukunft blicken können – Hunde und Katzen nannte er ausdrücklich nicht.

Zweite Wahl: Hintermann des Höllenfürsten

Nicht alles an Musks großem Plan zur "Zersetzung" (MfS) liegt schon offen, aber das Raunen ist beunruhigend genug.

Zuletzt zweimal Kamala Harris, aber seit Juli nicht ein einziges Titelblatt mehr zu Trump. Das ehemalige Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schien den so lange so energisch geführten Kampf gegen das Böse in Menschengestalt schon aufgegeben zu haben. Die mahnenden, warnenden und alarmierenden Artikel, es gab sie zwar noch. Doch verglichen mit den großen Zeiten, als die Hamburger Wochenschrift ihren gesamten publizistischen Ruf in den Dienst der guten Sache stellte und Trump Woche für Woche zum Gefecht, waren sie spürbar leiser und schüchterner.

Die große Geschichte

Ähnlich wie das politische Berlin versuchte sich das Magazin augenscheinlich auf mögliche weitere vier Jahre Leiden unter dem "irren" (FR) "Hassprediger" (Steinmeier) einzurichten. Doch weit gefehlt. Der "Spiegel" war an etwas Großem dran, einer Geschichte, die endlich aufdeckt, wer hinter dem "Milliardär" steht, der über den deep state schimpft und doch selbst nur an Strippen gezogen wird. Einen entscheidenden Hintermann des Höllenfürsten hat Hamburg nun ausgemacht: Der "Staatsfeind Nummer 2" heißt Elon Musk, der Name ist lautmalerisch Programm, denn hinter der Maske des Mannes, der Besitzer von "mächtigen Firmen, Raketen, Satelliten und dem Netzwerk X ist, steckt Trump.

Beide zusammen planen nichts weniger als "die Zersetzung der liberalen Demokratie", haben Markus Becker, Simon Book, Max Hoppenstedt und Marcel Rosenbach herausgefunden. Ihr Enthüllungstext, der sich den Titel von einem Buch des britischen Autors Anthony Horowitz borgt, belässt es nicht dabei, Musks Finanzierung des Trump-Wahlkampfes aufzudecken. 

Beschrieben werden auch Musks unbeholfene Witze, seine "Dark MAGA"-Kappe, Make America Great Again in schwarzen Lettern auf schwarzem Grund und sein Vorwurf, das Harris-Lager wolle die Wahl stehlen und die Demokratie abschaffen. Damit heize der "völlig neuen Typus des Magnaten" mit der "streng rechten Weltsicht"  den Online-Mob an, um "einen harten Kurs in der Migrationsfrage und möglichst wenig Regulierung" durchzusetzen. 

Was Franklin Foer für "The Atlantic" ganz zufällig im gleichen Augenblick unter der Überschrift "What Elon Musk Really Wants" aufblättert - ZDF wird aus der Agenturvermutung, Musk "könne" eines Tages der König der Welt werden, dessen fester Wille -, stricken die vier von der Waterkant zu einer opulenten Verschwörungstheorie um. Was er denkt, ist schlimm. Was er tut, ist schrecklich. Was er will, muss Angst machen. Der Fachbegriff "Zersetzung", beliebt im Dritten Reich und bei der Stasi der DDR, kommt hier zu neuen Ehren.

Der Troll-in-Chief

Was für ein Zufall.
Sollte das nicht verboten sein? Ist es nicht verboten? Der "Staatsfeind", ehemals eine Bezeichnung, die Anarchisten, Aufrührer, Rebellen, Umstürzler und Revolutionäre mit einigem Stolz trugen, ist hier, was Alfred Hugenberg für Hitler war. Ein medialer Steigbügelhalter des größten anzunehmendes Übels, das über ein Gemeinwesen kommt, das doch eigentlich niemandem Anlass zu Kritik oder Gegnerschaft mehr bietet. 

Romantische Träume vom Umbau des Staates, von einer "anderen Republik" und mehr Klassenkampf für ein neues planwirtschaftliches System, sie sind das eine. Der Wunsch aber, weniger Staat zu haben, weniger Regulierung, Vorschriften, weniger Bürokratie, Verordnungen, Richtlinien, Behörden, Auflagen und Gesetze, er rührt ans Allerheiligste: Ein Staat, der nicht mehr wächst, sich nicht mehr ausbreitet und immer weitere Bereiche unter seine Kontrolle bringt, wird auch seine Fans und Freunde eines Tages nicht mehr ernähren können.

Vater des Wachstums

Der "Troll-in-Chief" (Spiegel), dessen Tesla-Fabrik in Brandenburg für vier Fünftel des verblüffenden Wachstums in Ostdeutschland verantwortlich ist, habe sich in den vergangenen Jahren radikalisiert, schreibt der "Spiegel". Belege sind nicht schwer zu finden: "Washington DC ist zu einem immer größer werdenden Meer aus Bremspedalen geworden, die den Fortschritt aufhalten", hetzt Musk und er fordert Unerhörtes: "Lasst uns diese Bremspedale in Gaspedale umwandeln, damit wir in Amerika Großes leisten und eine raumfahrende Zivilisation werden können!"

Aus Dr. Jekyll, der im Unterschied zu Europa und der Nasa Raketen ins All schießen kann und sie sogar wieder landen lässt oder auffängt, wurde offensichtlich Mr. Hyde. Musk setze alles daran, die Welt "chaotischer und unsicherer" zu machen, ist das Autorenquartett aus Hamburg sicher. Hätte Robert Habeck diese Information im Sommer schon gehabt, er hätte das "besonders starke Wachstum durch Unternehmen in Ostdeutschland" sicher nicht so unbefangen gelobt.

Unzufrieden mit dem, was ist

Ein "autoritärer Guru", und leider, leider unfassbar erfolgreich. Mit jedem Satz und jedem angerufenen Zeugen für die heraufbeschworene Gefahr, dass Musk "Chef eines neuen Gremiums" der nächsten Trump-Administration werden könnte, "dass die Effizienz von Regierungshandeln überprüfen soll" (im Original), verrät der Text, wie unzufrieden die Autoren damit sind, nicht mehr tun zu können, um den "Angriff auf die Demokratie" (Spiegel) zu stoppen, den Musk mit Trump zusammen plant.

Eine Übersetzung aus der MMM in Mainz.

Es ist "sein größtes Projekt". Und es besteht nach allem, was der "Spiegel" herausbekommen hat, daraus, dass Musk "auf X gegen illegale Migranten, etablierte Medien und den woken Zeitgeist" hetze, irreführende oder falsche Beiträge über die US-Wahl poste und der Ansicht sei, "dass Wahlmaschinen und Briefwahl zu unsicher seien und nur eine persönliche Stimmabgabe erlaubt sein sollte". Dazu kommt die Möglichkeit, dass er alle Tesla weltweit stilllegen könnte, ebenso alle Starlink-Satelliten und ohne seine Raketen Nasa noch die europäische ESA keinen Astronauten mehr hochbekommen. 

Schlimm genug. Aber noch schlimmer ist doch, dass der "reichste Mann der Welt, ausgestattet mit einem großen Mundwerk", dreimal pro Woche zeigt, woran das liegen könnte.

Sonntag, 20. Oktober 2024

Der Winter kommt: Ofen aus ohne Führerschein

Um ein solches brennendes Monster zu betreiben, braucht es eine umfassende Grundausbildung.


Vor hunderttausenden von Jahren gelang es dem Menschen, aus dem Tierreich aufzusteigen, indem er das Feuer zähmte. Sprache entstand, weil sich die Angehörigen der ersten Sippen über die Feuerwache verständigen mussten. Mathematik kam in die Welt, als die ersten Feuerhüter begannen, die vorrätigen Holzscheite zu zählen. Niemand wusste damals, welche Gefahr für die Umwelt durch offenes Feuer heraufbeschworen wird. Niemand ahnte, dass mit dem lustig brennenden Haufen Holz die Saat für Hochofen, Dampfmaschine und Wohlstandskamin gelegt war.  

Sträuben gegen die Sitten

Wie schwer es ist, Menschen lange geübte Gewohnheiten wieder auszutreiben, erlebt Einheitsdeutschland seit Jahrzehnten in seinen Ostgebieten. Die Beigetretenen dort sträuben sich gegen viele gute Sitten, sie pflegen ihr Misstrauen gegen Institutionen, die das Beste für sie wollen. Und wählen Parteien, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen, statt auf Grün zu setzen.

Es ist viel Kleinarbeit nötig, auch um Schaden von denen abzuwenden, die die Gebräche früherer Generationen als Brauchtum weiterpflegen ohne über die Kenntnisse und Fertigkeiten der Menschen zu verfügen, die noch acht Jahre Volksschule besucht haben und danach meist in Lehrjahre gezwungen wurden, die keine Herrenjahre waren. 

Kuschelige Flammen

Gehalten haben sich aus jenen Zeiten Traditionen wie die, daheim ganz in der Nähe der klimaneutralen elektrischen Fußbodenheizung ein Feuer anzuzünden. Gerade in den aufgeklärten, über Rauchgas, Schadstoffeintrag und Klimaschaden gut informierten Bionadevierteln der Republik gehört der qualmende Kamin zu guten Ton: Zeig mir, ob Dein Ofen raucht, und ich zeige Dir, wie es Dir geht, heißt es dort.

Die Umerziehung soll nun einerseits durch härtere Auflagen und strengere Regeln erfolgen, mit denen die armen Ofenbetreiber von den finanzstarken Kaminbesitzern getrennt werden. Umbau oder Stilllegung, Ofen aus oder teure Strafe, so hat es die Bundesregierung auf Anregung aus Brüssel für vier Millionen Feuerteufel beschlossen, die bisher an den deutschen Klimazielen zündeln. Eher kleinteilig ergänzen die Landkreise: Wer weiterhin dem atavistischen Brauch folgen und in der eigenen Heimstatt Feuer legen will, soll - vorerst freiwillig - einen Ofen-Führerschein erwerben.

Online ans Feuer

Der Qualifizierungsprozess für diesen besteht aus einem anderthalbstündigen Online-Workshop, den etwa der westdeutsche Wohlstandskreis Unna mit insgesamt 15.000 Euro fördert, die für 700 Ofen-Bücherscheine ausreichen solle. Mit 21 Euro pro Teilnehmer ist der Ofen-Führer deutlich günstiger als der Erwerb einer Fahrerlaubnis für das Auto, zudem zahlt die von sensibilisierten Kommune im Rahmen der Informationskampagne "Das Rein-Heiz-Gebot" geförderte Schulung als Teil der nachgewiesenen Umweltanstrengungen auf die amtlichen Klimaschutzpläne ein.

Ein Anfang, aus dem bald mehr werden könnte. Die ersten Experten fordern bereits, den Ofen-Führerschein für die Ofen- und Kaminbetreiber verpflichtend zu machen, die nach dem Inkrafttreten der nächsten Stufe des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorübergehend noch weiterbetrieben werden dürfen. Wer gelernt habe, seinen Ofen richtig zu heizen, zu säubern und das Feuerholz richtig zu lagern, der spare Emissionen ein und schone damit die Umwelt, betont der Kreis Unna.

Deutsche bei der US-Wahl: Unsere Frau im Weißen Haus

Deutschland ist sicher: Schafft es Kamala Harris trotzdem nicht, kann die sympathische Demokratin jederzeit in Deutschland kandidieren.

Siehste, geht doch! In einer Umfrage, die der Sender selbst hat anstellen lassen, gelingt dem ZDF ein beeindruckender Nachweis. Ja, die jahrelange unermüdliche Arbeit von Korrespondenten, Kommentatoren und Reportern zu Errichtung einer alternativen Welt, sie hat sich ausgezahlt. Und ja, entgegen allen Unkenrufen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem einen immensen Vertrauensverlust nachgrölen, glauben die Menschen draußen im Land weiter zuversichtlich an das, was "Heute"-Ansager und Tagesschausprecher sagen.

Ganz starkes Zeichen

Und was ist das für ein Statement! Offiziell scheint das Ergebnis der US-Wahlen zu knapp ausfallen, als dass heute schon niemand sagen kann, ob mit Kamala Harris eine Frau ins Weiße Haus einzieht, mit der Deutschland problemlos weiterarbeiten könnte. Oder ob der frühere US-Präsident Donald Trump zurückkehrt, der erst einmal eingenordet und auf die gemeinsamen Werte eingeschworen werden müsste, wie es Angela Merkel 2016 so beeindruckend getan hatte.

Die vom ZDF befragten Zuschauer haben entschieden. 72 Prozent sind sicher, dass Harris das Rennen  macht. Nur 23 Prozent geben Trump eine Chance - das sind Zahlen, die die Vizepräsidentin und Überraschungskandidatin der Demokraten nicht einmal im superreichen Kalifornien erreicht, das sie auf jeden Fall gewinnen wird. 

Das ZDF hängt sie denn auch stolz an die große Glocke: Die hauseigene Meisterwerkstatt für mediale Manipulation (MMM) hat eine Grafik angefertigt, die das amtliche Ergebnis auf einen Blick sichtbar macht. Trump ist chancenlos. Harris Königin der Herzen. Fakten, die den Feind ins Herz treffen. Elon Musk wusste sich nicht anders zu helfen als zu jammern: "Das passiert, wenn Menschen mit staatlicher Propaganda gefüttert werden".

Versüßter Abschied

Der Ausnutzer und Ausschlachter deutscher Meinunsfreiheitsrechte, er leidet. Es hat sich also gelohnt, nach dem für alle deutschen Leitmedien völlig überraschenden Aus für den bis dahin eifrig favorisierten Joe Biden umgehend auf die 59-Jährige umzusatteln. Beim Zuschauer des Zweiten trägt die Saat jetzt schon reiche Früchte. Der Wunsch ist der Vater des Gedanken, die Prophezeiung, so träumt ganz Mainz, wird sich dann schon selbst erfüllen. Das Publikum draußen, es wird die Redaktion des "Politbarometers" wie die Senderspitze selbst am meisten erstaunt haben, es glaubt immer noch sehr gern an das, was gesendet wird.

Deutschland steht zwei Wochen vor Ultimo nahezu geschlossen hinter der Demokratin, von der niemand sagen kann, was sie genau tun wird, wenn sie gewinnt. Aber vorsichtshalber wird Trumps Wahlprogramm hierzulande auch geheim gehalten. Zu viel ist zu senden und zu schreiben über das, was der Republikaner gesagt hat und was er damit vielleicht gemeint haben könnte. Die Menschen, die noch ZDF schauen, mögen das nicht weniger als sie es mochten, wie Biden Trump staatsmännisch souverän als "als Trottel, Verlierer und Lügner" bezeichnet hatte.

Fest im Sattel abgeworfen

Damals saß Biden zumindest in Mainz noch "fest im Sattel", wie Elmar Theveßen kurz vor erzwungenen Rückzug des greisen Präsidenten aus Washington kabelte. Heute füllt Kamala Harris diese Rolle des Hoffnungsträgers aus. Eine Rolle, die durch deutsche Medien offenbar glaubhaft vermittelt wird: Alles in allem erscheint Harris in den Reportagen, Nachrichten und Kommentaren als eine Art Saskia Esken ohne deren verbiesterte Verkniffenheit. Auch Harris will den Darbenden geben und den Überreichen nehmen. Wenn auch ihre Vorstellung von Reichtum dort anfängt, wo der neue westdeutsche Chef der ostdeutschen Linkspartei Jan van Aken am liebsten die Polizei schicken würde, um alles zu beschlagnahmen.

Die frühere Staatsanwältin kommt irgendwie fortschrittlich rüber, unbeschreiblich weiblich, sogar verglichen mit der früheren Kanzlerin Angela Merkel, und fest verankert in der Traumwelt derer, daran glauben, dass die USA nur eine Art größere Bundesrepublik Deutschland sind, deren Trachten und Sinnen ganz der Klimaneutralität, nachhaltiger Mobilität und dem Wunsch nach Wärmepumpen gilt.

Aus allen Wolken

Das wird eine Überraschung werden am 5. November, der in Europa auf den 6. fällt, den Tag, an dem  Ronald Reagan vor 40 Jahren so deutlich gegen den Demokraten Walter Mondale siegtem dass dem nur ein einziger Bundesstaat zufiel. 72 Prozent der ZDF-Zuschauer würden aus allen Wolken fallen, käme es auch nur zu einem ähnlichen Ausgang. Das wäre sicher nicht mehr die ZDF-Art der amerikanischen Demokratie!

Die Bundesregierung müsste dann eilig schauen, wie sie mit jemanden klarkommen kann, den zu bekämpfen sie ein Gutteil ihrer Zeit aufwendet. Denn Trump könnte Deutschland anderenfalls Fürchterliches antun und das größte Land Europas noch linkser liegen lassen, als es Vorgänger getan hat, der erst im vierten Jahr seiner Präsidentschaft Zeit fand, dem wichtigsten europäischen Verbündeten einen offiziellen Besuch abzustatten.

Partner, Mentor, väterlicher Freund

Es wird schwer, denn der "große Freund Deutschlands, Partner, Mentor, väterliche Freund und mehr als nur gute Verbündete" (Tagesschau) musste dazu mit einem Orden gelockt werden. Biden ist der 110. Träger der "Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik", die abgesehen von allen deutschen Bundespräsidenten nur Staatsoberhäupter wie Josip Broz Tito, George W.H. Bush und der äthiopische Kaiser Haile Selassie verliehen bekommen.

Außerhalb der Redaktion des "Politbarometers" ist unklar, ob "die Erlöserin" (Stern) Kamala Harris jemals eine Chance bekommt, in den Kreis der Anwärter für den begehrten "achtspitzigen Bruststern am Schulter­band mit handgesticktem Adler" aufzusteigen. Aber angesichts ihrer Beliebtheit in Deutschland und des akuten Mangels, den die demokratischen Parteien an Personal leiden, das Bürgerinnen und Bürger im kommenden Jahr noch mal an die Urne und zum gewohnten Kreuzchen locken könnte, stehen Kamala Harris alle deutschen Türen offen. 

Die Demokratin wäre sowohl für SPD als auch für CDU oder die Grünen, und für die FDP und die Linke sowieso, eine sichere Bank, die den Einzug ins Kanzleramt garantieren würde. An der fehlenden deutschen Staatsbürgerschaft wird es nicht scheitern. Hier gibt es bereit ermutigende Präzedenzfälle, die zeigen, dass Turboeinbürgerungen möglich sind.

Samstag, 19. Oktober 2024

Zitate zur Zeit: Vom falschen Humor

Illegale Anspielungen, obrigkeitsfeindlicher Hohn: Die Gefahr, dass als Humor getarnte Angriffe auf Staatsorgane richtig verstanden werden, ist durch die strengere Witzgesetzgebung immer mit im Raum.

Es kursiert die verständliche Angst, dass sie mit zu viel Witz ein PR-Desaster auslösen könnten. In Wirklichkeit ist nicht der Humor das Problem, sondern die falsche Art von Humor. 

Andrew Robertson, Chef der Werbeagentur BBDO Worldwide, würde gern lustiger werben, traut sich aber wegen der neuen Hohngesetze nicht

Spalter Partei Deutschlands: Narrenschiff auf Neidkurs

Der Wahlkampf der SPD setzt auf das Prinzip "Teile und herrsche".

Die Idee ist schon älter, sie stammt noch von Kevin Kühnert, dem inzwischen aus gesundheitlichen Gründen abgetretenen SPD-Generalsekretär, der vorerst nur noch einfacher Bundestagsabgeordneter sein will. Im Frühjahr, als die Umfragewerte der deutschen Sozialdemokratie keine freundliche Reaktion auf die Wahlkampagne mit Katarina Barley als "stärkster Stimme Europas" zeigten, kam der gewiefte Stratege Kühnert auf den Einfall, es stattdessen mit dem alten römischen Rat Divide et impera zu versuchen.

Teile und herrsche

Teile und herrsche, zuletzt von der kapitalismuskritischen Bewegung Occupy Wall Street verwendet, um eine gefühlte Mehrheit für die Hinwendung des Westens zum Sozialismus zu simulieren, wurde in den letzten Tagen des EU-Wahlkampfes auf Großplakate gedruckt. "Politik für die unteren 99 Prozent" versprach die SPD von oben herab. Wenigen nur werde es schlechter gehen, vielen aber besser.

Die SPD zielte klar auf eine Mehrheit, die sie am breiten unteren Rand der Gesellschaft vermutete. Angesichts der Zustimmungsraten, die die frühere Arbeiterpartei in Umfragen erreicht, ein cleverer Schachzug: Wenn nur die Hälfte der Adressaten der frohen Botschaft die SPD wieder wählen würde, könnte sie im Bund allein regieren. Dass das eine übrige Prozent sie auf keinen Fall wählen wird, spielt dann keine Rolle.

Kühnerts Rettungsplan

Kühnerts kluger Rettungsplan ging nicht im ersten Anlauf auf. Das Versprechen an die 99 Prozent kam zu spät, die Massen ließen sich so kurzfristig nicht mehr erreichen. Womöglich spielte auch der Umstand eine Rolle, dass nicht jeder glücklich damit ist, von Sozialdemokraten zu den unteren Gesellschaftsschichten gezählt zu werden, nur weil er weniger verdient als Bundestagsabgeordneter. 

Doch diese Betreuungsbedürftigen machen aus Sicht der deutschen Sozialdemokratie 99 Prozent der Bürgerinnen und Bürger aus - genug Menschen, um im kommenden Jahr eine absolute Mehrheit bei der Bundestagswahl zu erobern, wenn nur die Hälfte von ihnen zurückgelockt wird auf das, was CDU-Chef Friedrich Merz vor zwei Jahren vergeblich als "Narrenschiff" zu denunzieren versucht hatte.

Der Weg zur Macht

Der Weg zur Macht, er führt über Mehrheiten, das hat die SPD-Zentrale in 36 Monaten experimental ermittelt, in denen die Ampel entschlossen gegen die Mehrheit regiert hat. Bei der letzten Bundestagswahl hatte die Partei mit dem Versprechen eines Klimageldes und eines Mindestlohnes auf Jungfacharbeiterniveau überraschende Erfolge erzielt. 

Diesmal nun sollen Steuersenkungsversprechen und Staatsgeschenke für nahezu alle und fast jeden das Ruder herumreißen. Vorbild sind die Sozialisten in Litauen, denen das Versprechen, mit höheren Steuern für "Wohlhabendere" Mehrausgaben für das Gesundheits- und das Sozialwesen zu finanzieren, gerade einen Wahlsieg beschert hat. 

Für 95 Prozent der Menschen plant die SPD niedrigere Steuern, wenn sie endlich den Kanzler stellt und regiert. Vier Prozent dürfen behalten, was sie heute haben. Und das eine Prozent, das übrig bleibt, soll die Ausfälle kompensieren, in dem es "etwas stärker zu Verantwortung gezogen" (Matthias Miersch) wird.

Mediale Begeisterung

Medial ist die Begeisterung gewaltig. Endlich wieder eine Partei, die sich um die kleinen Leute kümmert. Endlich eine Partei, die gegen den überbordenden Reichtum am oberen Rand vorgeht. Dort wo unanständige Nettoeinkommen von und über 170.000 Euro im Jahr bezogen werden - das ist der monatliche Durchschnittsverdienst der Menschen aus dem reichsten einen Prozents -, wird die SPD ohnehin nicht gewählt, ebenso wie weiter unten. Aber das Zugewinnversprechen für viele wird einige überzeugen, für den SPD-Plan zu stimmen.

Denn selbstverständlich braucht heute kein Mensch in Deutschland ein Jahreseinkommen von mehr als 66.000 Euro. Die es doch haben, und dazu womöglich noch sogenanntes "Vermögen" oder ein nicht selbst erarbeitetes Erbe, müssen in Bälde abgeben: Wie Kollegin Kamala Harris in den USA die Steuern für alle erhöhen will, die Einkünfte von mehr als 400.000 Dollar im Jahr haben, zielt die Sozialdemokratie auf alle, die als Fach- und Führungskräfte, Mittelständler und Freiberufler weniger hart arbeiten. 

Mehrheit gegen Minderheit

Das oberste Prozent der Verdiener trägt derzeit nur knapp 25 Prozent zum Aufkommen der Lohn- und Einkommensteuer bei und nur 60 Prozent vom verewigten Solidaritätszuschlag. Um die deutlich größere Gruppe der unteren 95 Prozent spürbar zu entlasten, wird die nächste SPD-geführte Bundesregierung den Spitzensteuersatz auf 59 Prozent erhöhen - ein Schritt, der sich problemlos gehen lässt, denn die Minderheit der Betroffenen wird sich zumindest an der Wahlurne nicht wirksam wehren können.

Teile und herrsche, so geht Steuer-Populismus. Neid schüren, den Hass auf andere, denen es besser geht. Und den Rahm der Missgunst dann auf Flaschen ziehen. Mit der Axt des Fiskus spaltet die SPD das Land entlang eines in Aussicht gestellten persönlichen Vorteils. Was Franz Müntefering einst die "Manager" und "Spekulanten" waren, ist seinem Nachfolger Matthias Miersch die hart arbeitende Mitte oberhalb der Armutsgrenze.

Jeder Gerechtigkeitswahlkampf braucht einen Bösen, Gierigen, dem es ans Leder gehen soll, das weiß Miersch, der neue Kühnert, und noch besser weiß es Parteichef Lars Klingbeil, der den "Kampf gegen rechts" als Zugnummer lange ausprobiert, nun aber umgesattelt hat.

Zurück beim "Welterklärer"

In Bad Godesberg hatte die SPD Karl Marx vor 65 Jahren unsanft vor die Tür gesetzt, der Klassenkampf musste gleich mit gehen.2018 feierte sie den Inspirator von Massenmorden, eingesperrten Völkern und schon als ihren Ahnen, der "ein Welterklärer" gewesen sei und zu "unserer kulturell-intellektuellen DNA gehört". Mit dem Wahlprogramm - nationalistisch blinkender Arbeitstitel "Wir kämpfen für Deutschlands Zukunft: Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze sichern, Beschäftigte entlasten" - ist die Partei nun  wieder zurück im Schoß des bärtigen Philosophen mit dem ausgeprägten Judenhass, der so viel "wissenschaftlich" vorhergesagt hat, dass er nahezu allem irrte.

Freitag, 18. Oktober 2024

Stille Trauer um Sinwar: Was soll nur aus dem Terror werden?

Wäre es nach Deutschland gegangen, würde Yahya Sinwar noch leben.

Er hätte nicht sterben müssen. Lange hatten sich Annalena Baerbock, Kamala Harris, die Uno, die gesamte deutsche Linke und große Teile der deutschen Medienlandschaft für Yahya Sinwar verwendet. Israel dürfe keinesfalls gegen die Hamas im Gazastreifen vorgehen, schon gar nicht dürfe sie das in Rafah tun, jener Stadt im Herrschaftsbereich der Terrororganisation, in der der israelische Geheimdienst den Planer des Terroranschlages vom 7. Oktober vergangenen Jahres vermutete.

Die Moral von Antisemiten

Die Moral, die den Strategen in Washington, Berlin und Paris im Falle Russlands rät, keinen Fußbreit nachzugeben und koste es am Ende auch die ganze Ukraine, sie kennt im Bezug zu Israel vom ersten Augenblick nach dem ersten Entsetzen über die Grausamkeit der Hamas-Angriffe nur einen guten Rat: Im Kampf gegen seine eingeschworenen Feinde müsse sich Israel mäßigen. Ein Waffenstillstand mit den Männern, die einen heiligen Krieg zur Vernichtung des Judenstaates führen, sei das Mindeste, was die einzige Demokratie im Nahen Osten ihren Verbündeten im Westen schuldig sei.

Niemand, der nicht warnte, dass jede Hinrichtung eines der Chefs der Terrortruppe die berühmte "Spirale der Gewalt" (ZDF, ARD, Spiegel) weiterdrehen werde. Niemand, der hinter dem Versuch Israels, den Krieg mit der Hamas diesmal nicht nur einzugrenzen, sondern zu beenden, nicht eine Methode der "ultrarechten" (Tagesschau) Regierung von Benjamin Netanyahu sah, ihre Macht gegen Kritiker zu behaupten.

Nur verbale Unterstützung

So sehr Israel sich zumindest am Anfang auf die verbale Unterstützung der deutschen Politik verlassen konnte, so eilig verließen Linke und Rechte das eine Boot, in dem Deutschland und Israel seit dem Holocaust sitzen. Kaum waren die Tränen über die Mord-, Vergewaltigungs- und Entführungsstrategie der Hamas getrocknet, erklang der alte Sound, der immer nur einen Verantwortlichen für alles Unglück kennt. 

Deutschland weiß es besser.

Die Logik, nach der Kommentatoren, Hamas-Fans und Verständnisprediger vorgehen, ist unbestechlich: Danach handelt es sich bei den Palästinensern um Menschen, die leider nicht anders können, als sie wollen. Ihre fehlende Impulskontrolle entspringt dem harten Schicksal, von der Uno seit Generationen als "Flüchtling" geführt zu werden, abgelehnt durch die Aufnahmeländer, ungewollte selbst bei Glaubensbrüdern und deshalb störrisch darauf beharrend, von der Weltgemeinschaft unterhalten und beköstigt  zu werden.

Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als bockig darauf zu beharren, das Land vom "River" bis zur "Sea" als ihres übereignet zu bekommen. Israel hingegen hätte alle Möglichkeit bis hin zu der, ganz Israel einfach kampflos an die Palästinenser zu übergeben, am besten gegen die Zusicherung von Hamas- und Hisbollah-Führung, dass fünf Millionen Juden anschließend fromm und frei im neuen Heimatland leben dürfen. Nutze sie aber leider nicht.

Das Leid der Zivilbevölkerung, es war schon Tage nach dem Hamas-Angriff bedeutsamer als die Frage, warum diese Zivilbevölkerung sich Anführer gewählt hat, deren Wahlprogramm ausschließlich aus dem Versprechen bestand, den ewigen Krieg gegen den Judenstaat bis zum letzten arabischen Kind führen zu wollen.

Bitte lasst den Terror in Frieden

Die israelischen Streitkräfte konnten ihren Krieg gegen den Terror führen wie sie wollten, es war immer falsch. Nach allem, was deutsche Medien berichteten, trafen Luftangriffe nahezu ausschließlich Kinder, Krankenhäuser und Pferde. Bodentruppen aber waren noch schlimmer, den Soldaten passten schon alleinplatzmäßig nicht nach Gaza, ein Gebiet, das den Namen Gaza-Streifen auch aus Gründen der Außendarstellung als "größtes Gefängnis der Welt" trägt.

Enge, Wassermangel, kein Essen, keine Medikamente. Schon vor Weihnachten 2023 bestand aufgrund der Berichte aus der als "palästinensisches Gesundheitsministerium" bezeichneten Propagandaabteilung der Terrorarmee kein Zweifel daran, dass der Jude wieder mit Völkermord zu tun hatte. Die Bundesregierung setzte Waffenlieferungen aus. Erst müsse Israel schwören, dass es mit deutscher Munition ausschließlich die Richtigen treffen werde. Die Solidarität war unverbrüchlich. Aber die Bundesregierung muss natürlich schauen, dass die Dinge weltweit so laufen, wie sie in Berlin beschlossen werden.

Taube Ohren in Jerusalem

Dass die IDF Yahya Sinwar, einen der letzten Überlebenden der Hamas-Spitze, die die Angriffe vom 7. Oktober 2023 geplant und befohlen hatte, nun ausgerechnet in Rafah finden und eliminieren konnte, kommt in Deutschland nur so mittelgut an. Israel hat alle guten Ratschläge aus Berlin zwölf Monate lang nicht nur ignoriert, sondern immer genau das Gegenteil getan. Selbst die Mahnungen nach der Hinrichtung Ismail Hanijas und Hassan Nasrallah, dass man nicht alle Massenmörder töten dürfe, weil sie noch als Verhandlungspartner gebraucht würden, stieß auf taube Ohren.

Nach Sinwars Tod blieb der Kanzler ist still. Er fühlt immer noch "mit allen Opfern von Bomben und Zerstörung im Nahen Osten", denn "das gebietet uns die Humanität", lautet der letzte Eintrag zur Lage im Nahen Osten. Annalena Baerbock, die Außenministerin, die Ermahnungen an Jerusalem seit einem Jahr zu ihrer Hauptaufgabe gemacht hat, schweigt. Ihr Ministerium nennt Sinwar nun mutig einen "brutalen Mörder und Terroristen, der Israel und seine Menschen vernichten wollte". Braucht aber dann doch nur zwei Sätze, um klarzustellen, was; nun, wo der Hamas-Hitler tot ist, zu geschehen hat: "Die Hamas muss jetzt sofort alle Geiseln freilassen und die Waffen niederlegen, das Leid der Menschen in Gaza muss endlich aufhören."

Es wird keine zwei Tage brauchen, bis das politische Berlin entdeckt, dass die Hamas nicht mitmacht. Und daraus den Schluss zieht, dass es deshalb Israel sei, das sofort die Waffen strecken müsse. #ceasefirenow - nur die Begründungen wechseln, die Forderung bleibt seit Jahren dieselbe. Der Angegriffene soll aufgeben. Nun sei es aber genug. Zweistaatenlösung sofort. Was will Natanjahu denn noch.

Meinungsfreiheitsschutz: Nicht nur sauber, sondern rein

Ein bisschen Schwund ist immer, aber prinzipiell bleibt es beim freiheitlichen Rechtsstaat.

Er stand zumindest als Pate an der Wiege der ersten Hassmeldestellen, avancierte zum Gründungsdirektor des Bundesblogampelamtes im mecklenburgischen Warin (BBAA) und gilt bis heute als einer der führenden Experten für erweiterten Meinungsfreiheitsschutz. Herrnfried Hegenzecht schaut deshalb irritiert auf die aktuelle Diskussion um die neuen, lizenzierten Meldestellen nach den Vorgaben des Digital Service Acts der EU.  

"Statt froh zu sein, dass unser freiheitlicher Rechtsstaat nicht wie in Frankreich selbst eine Zensur- und Ordnungsbehörde für Meinungen und Ansichten unterhält, wird über die neugegründeten oder ausgebauten Start Ups zur Sauberhaltung des Internets gemeckert", ärgert sich der langjährige BBAA-Chef über eine "typisch deutsche Reaktion". Eine gute Sache werde so schlecht geredet, eine europäische Idee diskreditiert. "Das allein zeigt mir schon, wie wichtig ein strenges Vorgehen gegen die ist, die in jedem Apfel eine Made finden wollen."

In einem Gastbeitrag für PPQ hat Herrnfried Hegenzecht dargelegt, wie korrekt auf die aktuellen Entwicklungen zur besseren Kontrolle und Überwachung der Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung geschaut werden muss. Das Versprechen, in diesem Bereich deutlich nachzuschärfen, habe vor Jahren zwar der damalige Justizminister Heiko Maas abgegeben. "Doch zum großen Glück für unser demokratisches Gemeinwesen haben auch seine Nachfolger weit über das zuständige Ministerium hinaus eingesehen, wie wichtig das Gefühl eines formierten Meinungsbildes für die Gesamtgesellschaft ist. 

Von Herrnfried Hegenzecht

Sie lernen es nicht, Sie reagieren reflexhaft, ohne Nachdenken, auf rein instinktiver Basis. Als hätten die üblen Verfehlungen der Jahre, in denen Deutschland eine Serie von Mordanschlägen als "Döner-Morde" bezeichnete, überhaupt kein schlechtes Gewissen hinterlassen, ist es heute die "Mocro-Mafia", mit der dieselben Adressen dieselben atavistischen Reflexe kitzeln. Wie in den Jahren vor der Selbstenttarnung der rechten Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) soll sein, was sein soll:  Sicherheitsbehörden und Presse lamentieren nicht mehr über die eigene Borniertheit, den Rassismus, die Vertuschung und Verdrängung bis zum  eigenen Versagen. Sondern sie bedienen einfache Vorurteile und verorten die Täter wieder so gut wie ausschließlich in einem bestimmten Umfeld.

Ja, die Trusted Flagger, die die EU  für alle Mitgliedsstaaten zur Pflicht gemacht hat, weil in den meisten der Partnerländer grundrechtliche Bedenken gegen eine umfassende staatliche Zensur sprechen, können solche meinungsleitenden Bezichtigungen weder löschen noch die Verursacher schnell und hart bestrafen. Ihnen bleibt nur, solchen oft geschickt verpackten Hass zu melden und darauf zu hoffen, dass eine von sensibilisierten Kolleg:Innen vorgenommene Überprüfung zur umgehenden unbürokratischen Löschung führt. 

Meckern und mäkeln

Typisch: Die geplante Umsetzung der EU-Verordnung, die hilft, durchzusetzen, was keine deutsche Regierung als nationales Gesetz durch den Bundestag bekommen hätte, sorgt nur in Deutschland für heftige Kontroversen. Gemäkelt wird über "schwammige Formulierungen" bei der Verbotsliste, obwohl die doch Kernstück des Konzepts sind. Ein Jammer hat eingesetzt über die zertifizierten Meldestellen, die berufen sind, über legal, illegal, irregulär oder rechtswidrig zu entscheiden.

Doch was ist das schon für ein Fortschritt! Als wir hier beim BBAA im mecklenburgischen Warin vor 15 Jahren antraten, eine Kontrollbehörde für die damals aus dem Boden schießenden und weitgehend unregulierten privaten Meinungsseiten im Netz aus dem Boden zu stampfen, schien es einer breiten Öffentlichkeit noch unerhört und grundgesetzwidrig zu sein, dass eine selbstbewusste Bundesregierung das probate Mittel des Verbots wiederentdeckt, um ihren Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: Dies hier ist ein Verhalten, das toleriert die Gesellschaft, also wir, und dies hier, ist eines, das tolerieren wir nicht, weil das einfach nicht in Ordnung ist, bestimmte Dinge zu sagen oder zu denken, die sich gegen die Regierung richten oder gegen andere gesellschaftliche Minderheiten.

Zögerliche Ost-Kanzlerin

Es waren schwere Jahre anfangs, denn die neuen Meinungsregeln hatten lange provisorischen und vor allem auch informativen Charakter. So groß die Regierungsleistung von Angela Merkel war, die Deutschland den Atomausstieg, die Klimawende und eine nie gekannte Popularität in der Welt bescherte, so vorsichtig zeigte die Christdemokratin sich lange, wenn es um die Einschränkung von Freiheitsrechten ging. Merkel, in Hamburg geboren, aber in der DDR aufgewachsen, scheute sich, dort einzugreifen, wo Widerspruch gärte oder Menschen sich nicht einverstanden zeigten mit alternativlosen Entscheidungen.

Ein Fehler, das wissen wir heute. Noch 2014 oder 2015 wäre es ein Leichtes gewesen, die AfD zu verbieten. Selbst als wir in Warin 2018 die ersten Hassmeldestellen einrichteten, um den erweiterten Meinungsfreiheitsschutz für alle gesetzlich zu gewähren, hätte der Bund ein Problem wie das Portal twitter, heute X, gemeinsam mit Europa mit einem Federstrich lösen können: Die Kosten einer Übernahme etwa durch ARD oder ZDF oder die Bundeszentrale für Politische Bildung lagen zeitweise bei unter 20 Milliarden - gerechnet in Sondervermögen nicht einmal ein Fünftel.

Ein schwerer Weg zum Tugendgesetz

Die Einsicht war nicht da, das muss man heute leider so sagen. Als jemand, der in den zurückliegenden Monaten an der Beratung und Verabschiedung der sogenannten Giftliste für verbotene Themen und  illegale Aussagen mitgearbeitet hat, die das neue Bundestugendgesetz erst praktikabel macht, weiß ich, wie schwer der Weg war, den wir gehen mussten.

Bedenkenträger stellten sich jeder Reform in den Weg. Spitzfindig wurde gefragt, was denn daran illegal sei, wenn jemand auf Twitter über Flüchtlinge schreibe? Wie man denn jemanden belangen solle, der in einem sozialen Netzwerk ein Bild teilt, auf dem Inder Schachteln mit Hakenkreuz-Aufdruck in die Kamera halten? Und wo man hinkommen werde, wenn ein Poster, der Deutschland als "Allahs Paradies" bezeichne, wegen rassistischer Fremdenfeindlichkeit in die Illegalität abrutsche.

Für uns Beamte beim BBAA war das nie eine Frage. Ich habe meinen Mitarbeitern immer gesagt, schaut auf die DDR, schaut euch an, was damals passiert ist und warum. Viele, viele Jahre lang waren die wirtschaftlichen Zahlen dort schlecht, der Lebensstandard erreichte nie ein Level, wie es sich die fleißige und hart arbeitende Mitte der Bevölkerung verdient hatte. Die staatstragende Nationale Front hatte mutmaßlich schon ab Anfang der 80er Jahre keine Mehrheit mehr hinter sich, der Geheimdienst kämpfte mit einem beständig wachsenden Aufwand darum, Abweichler, Gegner und Zweifler zu diskreditieren und zu disziplinieren.

Bewährte Strategie

Und die Geschichte zeigt: Mit Erfolg. Bis zum Herbst 1989 konnte sich das Regime relativ unbedrängt halten, es managte seine immer wiederkehrenden Legitimationskrisen mit Hilfe von Fake News, Versprechungen und der Bezichtigung, dunkle Mächte aus dem Ausland stünden hinter jedem Kritiker und jeder Kritik. 

Heute wissen wir, dass diese Strategie nur so gut durchgreifen sein konnte, weil es der herrschenden Einheitspartei SED und ihrem treuen Staatsapparat gelungen war, die Kommunikationswege zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen weitgehend abzuschneiden. Die später als "Linkspartei" und "BSW" rehabilitierte Staatspartei hatte alle Medien und Verständigungsmethoden unter ihrer Kontrolle, abgesehen vom Kneipenstammtisch, über dem jedoch eine Drohung lag: Leise reden und nur hier.

Ein inneres Gespräch in der DDR war nur noch über Auslandssender möglich. Dadurch konnten sich gleichermaßen kritisch gesinnte Bürgerinnen und Bürger nicht darauf verständigen, dass es so nicht mehr weitergehen könne. Ja, sie konnten nicht einmal in Erfahrung bringen, in welchem Maße sie für eine wie große Minderheit oder eventuell sogar Mehrheit sprachen. 

Spürbarer Fortschritt

Aus unserer fachlichen Sicht beim BBAA ist das Meinungskontrolle per exzellence! Früh schon haben wir immer wieder auf diesen einfachen Effekt von wirklich Öffentlicher Kontrolle im Sinne einer Veröffentlichkeitskontrolle hingewiesen. Schließlich sind wir beauftragt, Ansichten und Äußerungen in Deutschland nicht über die Stränge schlagen zu lassen! 

Dass es nun endlich mit der Verabschiedung der Einführungsverordnungen zu den Trusted Flaggers durch das Tugendgesetz so weit ist, erfreut uns natürlich. Schade ist, wie bestimmte Kreise diesen spürbaren Fortschritt kaputtreden wollen. Gerade Echo, das sie damit finden, zeigt uns aber genau, wie richtig die Entscheidung war, es nicht mehr beim Vorgehen gegen strafbare Inhalte zu belassen, sondern auch rechtswidrige, fragwürdige und illegale Einträge zu regulieren.

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Gasförmiges Quantenphänomen: Billigeres Teuer

Erdgas wird im kommenden Jahr teurer und billiger zugleich.

Sie fallen, aber sie steigen zugleich auch. Es wird günstiger, aber im selben Moment teurer. Die Gastarife sinken, "doch Heizen könnte teurer werden". Einerseits kostet alles mehr, wie es die Bundesregierung langfristig geplant hat, um Zögerliche zum Umstieg auf teure Wärmepumpen zu bewegen. Andererseits kommt von überallher Trost: Die kommende Heizperiode wird "günstiger" (Tagesschau), denn "bereits in der vergangenen Heizsaison seien die Gaspreise schon deutlich von ihren Rekordständen im Jahr 2022 entfernt gewesen und "diese Entwicklung setzt sich nun offenbar fort".

Bereits schon

Nun deutet die Kombination von "bereits" und "schon" in einem Satz bereits schon immer auf eine gewisse Formulierungsunschärfe hin. Während im Hamburg noch gefeiert wird, klagt München schon, dass die Gaspreise deutlich steigen könnten. Mit "25 Prozent mehr" müssten Verbraucher rechnen, die den Startschuss zum Ausstieg aus den Fossilen immer noch nicht gehört haben. Eine "Preisklatsche" hört der "Focus" knallen und auch die "Tagesschau" hält sich nicht zurück. Die Gaskosten seien um vier Prozent gestiegen, auch wenn sie jetzt bald fallen, würden sie steigen, denn ab Januar erhöht sich die neue Steuer auf Kohlendioxid um zehn Euro auf 55 Euro pro Tonne.

Da es weiterhin so heftige Auszahlungsschwierigkeiten beim Klimageld gibt, dass im politischen Berlin  nicht einmal mehr darüber geredet wird, müssen die Bürgerinnen und Bürger die Belastung selbst schultern. Doch das fällt vielen leicht: Durch die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung, die die Netzentgelte beim Strom ab kommendem Jahr gerechter verteilt, bleibt bei vielen Menschen genug in der Kasse, um die steigenden Netzentgelte bei Erdgas aufbringen zu können.  

Gasförmiges Quantenphänomen

Es ist ein gasförmiges Quantenphänomen, das sich vor aller Augen abspielt. Hier und doch nicht da, höher und doch niedriger, vielleicht, wobei, man weiß es nicht und währenddessen ist vollkommen klar: Die Preise sinken, die Verbraucher werden entlastet und die Stimmung vor der anstehenden Bundestagswahl kann steigen. 

Vor allem "Verbraucher im ländlichen Raum", dort also, wo die Plakatkleber der demokratischen Parteien nie hinkommen, "dürften von der neuen Kostenverteilung des Stromnetzausbaus profitieren" (Der Spiegel). Andere dagegen müssen sich wohl tiefer in die Tasche greifen, weil die Stromkosten für Haushalte steigen werden, wie die vier großen Netzbetreiber bekanntgegeben haben. Fest steht, dass es billiger wird oder teurer, auf jeden Fall aber je mehr, desto und umso deutlicher weil.

Alles zugleich

Selten war so viel zugleich, selbst in kleinsten Einheiten. In Bayern etwa "wird Strom teurer, aber gleichzeitig wird er auch "günstiger". Im Osten, der im Moment einen Solizuschlag auf jede Kilowattstunde bezahlt, um den Westen mit gesundem Windstrom zu versorgen, seien dagegen "günstige Preise gerechtfertigt", die mit knapp über 27 Cent pro Kilowattstunde nur noch leicht über dem Niveau von 2019 liegen. Wer jetzt nicht wechselt, baut kein Haus mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. Und sich fragen: Bin nicht selber schuld?

Der Abräumer: Banaszak und die grünen Lebenslügen

Die Hosen kurz, der Blick ins Ungewisse gerichtet: Der neue Grünen-Chef Felix Banaszak hat politische Inszenierung über zehn Jahre direkt im parteieigenen Funktionärsinkubator studiert. Abb: Kümram, Kreide auf Acryl

Er trägt diese bübischen kurzen Hosen, die vor Jahren von "Sportschau"-Moderatoren populär gemacht wurden. Dazu die Altentasche als Insigne größerer Pläne, ein Augenzwinkern Richtung Olaf Scholz, der ein solches Stück Tierleder zum Reichsapfel seiner Kanzlerschaft erklärt hatte. Daneben der Zug, das korrekte Mittel der Wahl, wenn es um Mobilität geht. Hinten symbolisch zwei große "A" wie Anfang".

Ein Künstler aus dem Parteiapparat

Felix Banaszak, studierter Künstler und nach allen geltenden Vorschriften für die Ausbildung von Nachwuchskadern über Jahre im Parteiapparat geschult und aufgezogen, ist ein Mann, der nicht nur nie außerhalb grüner Organisationen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Er hat auf seinen Ausbildungsstationen als Politiker auch gelernt, wie politische Inszenierung geht. Von der Pike auf ging Banaszak in die grüne Lehre - erst bei einem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, dann bei den Europaabgeordneten Terry Reintke und Sven Giegold

Er bekam beigebracht, wie gefloskelt wird, er weiß zu interpretieren, ohne dass es direkt gelogen ist. Er kann einen Auftritt vor der Kamera hinlegen fast wie Robert Habeck. Bubenhaft das Lächeln. Verwuschelt die Frisur, weil anderes wichtiger ist als sich morgens zu kämmen. Ein Bild, das der junge Maler Kümram von ihm auf Acrylfarben gemalt hat, zeigt den Hoffnungsträger einer ganzen Parteigeneration: Ein Fuß ist leicht vorgestellt und sagt "Jetzt geht es los". Der Blick ist ins Ferne, Ungewisse gerichtet und verspricht dem Wählenden: Ich sehe was, was Du nicht siehst. Und ich führe Dich dorthin, denn es ist das gelobte Land.

Paukenschlag zur Produkteinführung

Zuerst einmal aber muss sich ein neuer Spieler auf jeder Bühne Beachtung verschaffen, am besten mit einem Paukenschlag. Felix Banaszak gehört zum letzten Aufgebot der Grünen, er sprang auf Wunsch von Robert Habeck wie Kai aus der Kiste, nachdem Omid Nouripour und Ricarda Lang stellvertretend für grüne Minister, Fraktionschefs und Lautsprecher als Schuldige für die Serie an Wahlniederlagen ausgemacht und ausgewechselt worden waren. 

Doch unbeschriebene Blätter wie Banaszak und seine designierte Co-Vorsitzende Franziska Brantner sind der einzige Trumpf, den der aufs Kanzleramt schielende Bundesklimawirtschaftsminister noch ziehen kann. Die komplette aktuelle erste Reihe der Partei ist auserzählt. Und die, die wie die früheren Parteichefs  Cem Özdemir und Anton Hofreiter ausdauernd eine Art Nebenpolitik in eigener Sache betreiben, verdienen es aus Sicht der Habecker natürlich nicht, dafür nun auch noch belohnt zu werden.

Unschuldiger Neuanfang

Den Neuanfang kann nur ein Unschuldiger verkörpern. Und diesem Prinzip folgend hat die Parteispitze auch das Drehbuch zur Produkteinführung schreiben lassen. Felix Banaszak, eben noch für den Schauspieler Christian Ulmen gehalten, etablierte sich nahezu binnen Stunden, nachdem die informelle grüne Führung hatte erkennen lassen, dass der anstehende Parteitag keine andere Wahl haben werde als ihn und Brandtner zu wählen. 

Und der 35-Jährige, ein Jahrgangsgenosse des gerade erst von fast allen Ämtern zurückgetretenen SPD-Vordenkers Kevin Kühnert, führt sich auch gleich mit einem Paukenschlag ein. "Eine Politik, die nur in Glaubenssätzen und in Programmen, die man mal aufgeschrieben hat, denkt und nicht sieht, wie sich die Welt verändert hat, die ist nicht in der Lage auf diese Welt zu reagieren", hat Banaszak gleich bei einem seiner ersten Auftritte mit mindestens zehn Jahren grüner Illusionsbeschwörung aufgeräumt.

Die Partei als Legostein

Ohne die "feministische Außenpolitik", die desaströs verlaufene Heizungswende oder fantastische Ideen wie das "Wasserstoffbeschleunigungsgesetz" beim Namen zu nennen, verschafft sich Banaszak damit auf Anhieb Beinfreiheit. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Und wer sich nicht klarmacht, was wann möglich und was wann nicht ist, den bestraft der Wähler. Das soll Felix Banaszak verhindern, mit allen Mitteln der politischen Heuristik: Die Grünen sollen konservativer wirken, sie wollen eine Partei sein, die wie ein Legostein überall Anschluss finden kann. 

Macht statt Ideologie, eine Merkelisierung, die mit dem Wind geht, statt sich ihm stur entgegenzustellen. Die Namensgeberin dieser Strategie hatte ihren Start als starke Frau der CDU einst ähnlich smart zelebriert. "Vielleicht ist es nach einem so langen politischen Leben, wie Helmut Kohl es geführt hat, wirklich zu viel verlangt, von heute auf morgen alle Ämter niederzulegen, sich völlig aus der Politik zurückzuziehen und den Nachfolgern, den Jüngeren, das Feld schnell ganz zu überlassen", schrieb sie in ihrem berühmt gewordenen Bewerbungsschreiben mit dem zentralen Satz" "Wir kommen nicht umhin, unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen."

Abrechnung mit grüner Geschichte 

25 Jahre später schlüpft Felix Banaszak in dieselben Schuhe, bereit zum Marsch durch die grünen Institutionen und ebenso bereit, unterwegs mit den Lebenslügen einer Partei aufzuräumen, die sich eingerichtet hat im selbstverliehenen Nimbus, alles immer besser zu wissen, nie zu irren und durch festen Glauben an das Gute selbst Naturgesetze bezwingen zu können. Banaszaks Abrechnung mit den grünen Träumen von der Weltenrettung durch ein deutsches Tempolimit und der Vorstellung, man müsse Menschen nur zu ihrem Glück zwingen, dann würden sie einen auch lieben lernen, ist von den deutschen Medien weitgehend achselzuckend aufgenommen worden.

Gut für den neuen Mann, denn "ein solcher Prozess geht nicht ohne Wunden, ohne Verletzungen", hatte Angela Merkel vor 25 Jahren beschrieben, wie schwer es ihr fiel, ihren Ziehvater Helmut Kohl, das Tafelsilber der CDU, auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Wie Merkel weiß auch Banaszak: "Wie wir in der Partei aber damit umgehen, ob wir dieses scheinbar Undenkbare als Treuebruch verteufeln oder als notwendige, fließende Weiterentwicklung, das wird über unsere Chancen bei den nächsten Wahlen entscheiden".

Mittwoch, 16. Oktober 2024

EU-Plan gegen Flüchtlinge: Re-Migration nach Punkten

In Hemdsärmeln besuchte Ursula von der Leyen vor einem Jahr Lampedusa, um ihren damaligen Zehn-Punkte-Plan in angemessenem Ambiente vorzustellen.

Nur ganz knapp länger als ein Jahr hat der letzte Zehn-Punkte-Plan gehalten, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im September 2023 bei ihrem legendären Hemdsärmel-Besuch auf Lampedusa vorgelegt hatte. Damals ging es der um ihre Wiederwahl kämpfenden CDU-Politikerin darum, "den hohen Zustrom von Migranten zu bewältigen". Von der Leyen hatte den entscheidenden Punkt mit sicherem Gespür ausgemacht: "Die irreguläre Migration ist eine europäische Herausforderung und sie braucht eine europäische Antwort."

Siebtes Mal 10-Punkte-Plan

Worte wie Donnerhall. Leyens Zehn-Punkte-Plan, es war der insgesamt siebte seit dem 2018 von der EU bei der "Mutter aller Gipfel" in Sachen Migration beschlossenen, der den Zehn-Punkte-Plan zur Migration von 2015 abgelöst hatte, enthielt die Absicht, verstärkt gegen Schleuser vorzugehen. Dazu sollten Migranten aber auch "echte Alternativen" angeboten werden, damit sie sicher nach Europa kommen können. Im Oktober 2023 einigten sich die EU-Staaten auf einen Durchbruch zu einer gemeinsamen Position zur Krisenverordnung. Nur Monate später stimmte auch das EU-Parlament der "humanen Begrenzung von irregulärer Migration" zu. 

Ein "Durchbruch" (Die Zeit), den sogar die italienischen "Postfaschisten" (Der Spiegel) feierten, was wiederum für große Zufriedenheit bei den deutschen Medien sorgte. Seit 2015 nervte das Thema. So sehr es auch gemieden wurde, so sehr drängte es sich selbst immer wieder in die Schlagzeilen. Selbst die abenteuerlichen Konstruktionen, die die Wertegemeinschaft EU plant, um "schnelle Asylverfahren an den EU-Außengrenzen" mit Hilfe einer "legal fiction of non-entry" durchführen zu können, bekamen Beifall.

So sehr die Briten für ihre Idee der Ruanda-Lösung verbal verprügelt worden waren, so laut klatschten die Schläger angesichts der Ankündigung, dass die Gemeinschaft künftig Lager an den Außengrenzen unterhalten werde, um Flüchtlinge abzuschrecken.

Verpuffte Reform

Seitdem ist viel passiert und nichts geschehen. Außer dass ganz EU-Europa nach rechts gerückt ist, als wollte es sich von den Vertröstungen der Kommission und der hinhaltend abwartenden Regierungen distanzieren. Die "Asylreform" ist verpufft, ein Papiertiger, der nicht springen musste, um als genau der bürokratische Bettvorleger zu landen, der er vom ersten Tag an gewesen war. 

Den Ankündigungsdurst der Ursula von der Leyen kann das freilich nicht bremsen: In einem Brief an die 27 Staats- und Regierungschefs hat sie den nächsten Zehn-Punkte-Plan vorgestellt, diesmal ausdrücklich mit "innovativen Ideen" angeüllt. Auch er soll wieder helfen, "die Zahl der in Europa ankommenden Migranten zu vermindern und abgelehnte Asylbewerber schneller zur Ausreise zu zwingen".

Auch er enthält wieder den Vorschlag, "Abschiebezentren außerhalb der EU" zu bauen. Auch er ist in etwa so ernst gemeint wie Nancy Faesers Versprechen, die britische "Ruanda-Lösung" zu prüfen. Das gab die Bundesinnenministerin vor acht Monaten. Die Prüfung erfolgt offenbar sehr, sehr gründlich, denn seitdem war nie mehr etwas davon zu hören.

Vorübergehend für immer


Das gemeinsame Asylrecht, das es nie gegeben hat, weil sich niemand daran hielt, fliegt seit Wochen  wie min Zeitlupe auseinander. Die Grenzkontrollen sind zurück, in Deutschland, das teilweise seit 2015 kontrolliert, als "vorübergehend" bezeichnet. Polen ist aus dem gemeinsamen System ausgestiegen, Ungarn ohnehin, auch die Niederlande. Italien lagert Asylverfahren nach Albanien aus, auf eigene Faust und ohne auf die EU zu warten. 

Von der Leyen versucht nun mit ihrem neuen "Zehn-Punkte-Plan", die Davoneilenden einzuholen. Das Konzept "sicherer Drittstaaten", eine teure Idee, die Staaten dafür bezahlt, keine Flüchtlinge durchzulassen, soll "rechtlich neu geregelt" werden, im kommenden Jahr. Auch die "Abschiebezentren", bisher von der EU-Kommission strikt abgelehnt, werden als Zückerchen ausgelegt. 

Postfaschistin als Vorbild

Die "Postfaschistin" Giorgia Meloni ist inzwischen Vorbild, nicht mehr der neue Mussolini. Afrikanische Staaten sollen die Ankommenden umgehend übernehmen. Das Thema wäre aus den Augen, aus dem Sinn, aus der Wahlkabine. Ursula von der Leyen, noch im EU-Wahlkampf hatte sie sich als Verteidiger der ewigen europäischen Werte inszeniert und die heute so beliebten "schärferen Regeln" für Zuströmende zurückgewiesen, stört sich neuerdings daran, dass "nur 20 Prozent der abgelehnten Asylbewerber Europa wirklich verlassen" müssen. Von der Leyen will mehr Re-Migration und schneller soll sie gehen.

Den Betroffenen will von der Leyen mit Blick auf die seit neun Jahren anhaltende Kritik am fortwährend hilflos versagenden EU-Asylsystem deshalb "strengere Pflichten" auferlegen. Ein Zeichen gegen den bedrohlichen Rechtsruck, das ergänzt werden soll durch einen "sofortigen Start" der mit der großen "Asylreform" vom Frühjahr geplanten "umfassende Registrierung und Sicherheitsüberprüfung von Flüchtlingen". Verantwortlich für das Asylverfahren wäre dann wie bisher auch der Staat, in der ein Flüchtling europäischen Boden erreicht hat. Damit sich alle daran halten, sollen die Grenzstaaten überzählige Asylbewerber dann aber an Länder wie Deutschland, Polen und Dänemark offiziell weiterreichen dürfen.