Mittwoch, 4. Oktober 2023

Aufschwung Ost: Nur der Wähler kann das Wunder noch verhindern

Der Osten hat noch höhere Strompreise als der Westen, das lockt Investoren aus aller Welt, wenn die ostdeutschen Wähler nicht an der falschen stelle Kreuzchen machen.

Die Brandmauer zum Angstbegriff der Deutschen, sie hielt am Ende wirklich beinahe bis zu den Schicksalswahlen der Ampel-Koalition in Hessen und Bayern. Die Zahlen aus der Wirtschaft waren das eine, sie sahen nicht gut aus, ja, sogar denkbar schlecht. Der Kanzler und seine Minister hielten wacker mit Beschwörungen anstehender neuer Wirtschaftswunder dagegen. Grün, nachhaltig, vegan und aus regionalem Sonnenanbau würden die kommen, ein Entfesselungsakt der alternden Gesellschaft, befeuert durch die Kraft unkontrollierter Grenzen und CO2-sparender Produktionseinschränkungen.  

Auf einmal darf Krise

So lange Sommer war, hielten die großen Medien ihr Versprechen: Keine Verwendung des Begriffes "Wirtschaftskrise" für die aktuelle Wirtschaftskrise. Das Deutsche, eine Sprache von Poeten und Romantikern, lieferte Ersatzbegriffe wie "Eintrübung", "ausbleibender Aufschwung" und "vorübergehender Rückgang", der fingerflink kombiniert wurde mit der aktuellen Schrumpfungszahl von -0,6 Prozent. Allerdings unter Verzicht auf das Minuszeichen.

Von Niedergang zu reden, von Schrumpfung und Schließung und über das Ende des Wohlstandes zu klagen, das war Sache der Miesmacher, die an allem zu kritteln haben. Deutschland war, und das war so beschlossen worden, trotz allem, was dagegen sprach, wie damals bei Corona sehr gut durch die Krise gekommen, mit vollen Speichern und Bäuchen und trotz einer leichten Geldentwertung zeigte der Vergleich mit der türkischen Lira, dass der Euro nach wie vor äußert stabil war.

Geöffnete Bedeutungsschleusen

Erst mit dem hereinbrechenden Klimaherbst öffneten sich die Bedeutungssschleusen. Überall und jeden Tag war nun von der "Wirtschaftskrise" zu lesen, mit raunender Stimme nahmen junge Moderierende das ungewohnte Wort in den Mund, zaghaft noch, denn es war anfangs nicht ganz klar, wer nach einer Benutzung noch wie lange auf dem Sender bleiben würde. Mittlerweile aber ist klar, dass niemandem Konsequenzen drohen: Die Hamburger Wochenschrift "Die Zeit" etwa, die über Ankunft und Ausbruch einer Wirtschaftskrise bisher mit keiner einzigen Zeile berichtet hatte, erwähnt sie plötzlich als "schwerste Wirtschaftskrise seit Jahren" in einem aufmunternden Text mit der mutmachenden Überschrift "Wie kommen wir da wieder raus?"

Ein Trend. Auch die Süddeutsche Zeitung, derzufolge es bis vor einigen wenigen Stunden keinerlei Anzeichen für eine Wirtschaftskrise gab, weil man allenfalls sagen konnte, dass "das deutsche Wirtschaftswachstum schwächelt", ist mit einem beherzten Satz hinüber auf die Psychologencouch gewechselt. Hier wird nun erklärt, "was Boom und Rezession für die Psyche bedeuten", während bei der Taz schon Expertende gefunden hat, die sicher sind, dass "Panik übertrieben" wäre.

Warten auf den Tripple-Wumms

Es ist also nun doch eine Rezession. Sogar nun nicht mehr nur eine "technische", die wieder fortgeht, wenn der Kanzler den nächsten Triple-Wumms an die Wand malt.  Aber es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, wie der für seine verlässlichen Vorhersagen bekannte Wirtschaftsastrologe Marcel Fratzscher tröstet. Die deutsche Wirtschaft mag schrumpfen, in diesem Jahr sogar um "0,6 Prozent". Aber das sind alles in allem nur 24 Milliarden Euro, die am Bruttoinlandsprodukt fehlen. 2024 werde dann wieder alles aufwärts gehen und die deutsche Wirtschaft um 1,3 Prozent wachsen, sagt der Mann, der 2022 mit vorhergesagt hatte, dass es 2023 keine Rückgang der Wirtschaftstätigkeit geben werde. Der kam dann doch, aber "das ist keine Krise, Deutschland ist kein kranker Mann!"

Es hat ja den Osten, eine Region, die für die Wirtschaftsweise Veronika Grimm idealtypisch ist für das, was Deutschland insgesamt werden muss. Realität ausblenden, Gesundbeten und grundlos Hoffnung verbreiten, das muss nun helfen, sagte die Wissenschaftlerin. Grimm steht dabei selbst als Zeuge dafür, was möglich ist in Deutschland, wenn eine sich reinhängt und tut und macht. Die 52-Jährige ist nicht n nur ein bedeutsamer Teil des Rates der Wirtschaftsweisen, der Ende 2022 ein Wirtschaftswachstum nach umfangreichen Berechnungen von +0,2 Prozent vorhergesagt hatte, also letztlich nur um 0,8 Prozent danebenlag. 

Multifunktionärer Fleiß

Nein, Grimm ist auch noch als Professorin für Volkswirtschaftslehre und Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Uni in Nürnberg berufstätig. Und nebenher findet sie sogar noch Zeit, als Vorsitzende der Wissenschaftlichen Leitung des Energie Campus Nürnberg (EnCN), Direktorin des Laboratory for Experimental Research Nuremberg (LERN), Leiterin des Forschungsbereiches "Energiemarktdesign" am Energie Campus Nürnberg, Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung, im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), in der Expertenkommission zum Monitoringprozess „Energie der Zukunft“ am BMWK, im Zukunftskreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), im Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (BMJV) und im Energy Steering Panel des European Academies' Science Advisory Council (EASAC) tätig zu sein.

Jeder Tag hat 60 Stunden, jede Woche wäre für einen gewöhnlichen Menschen  ein Jahr. Aber Veronika Grimm ist außerdem noch eine Kennerin der Materie vor allem im Osten, der "als Wirtschaftsstandort sehr stark investiert in Forschung und Entwicklung", wie sie eine Pressemitteilung der Bundesregierung im ZDF zutreffend zusammenfasste. Zahlen zu nennen, fällt schwer, weil sie meist eine noch ungewisse Zukunft betreffen. 

Doch ungeachtet dessen machte Grimm klar, dass "der Osten zunehmend Standortvorteile hat". Durch den höheren Ausbaugrad der Erneuerbaren sind die Netzentgelte und damit die Strompreise dort höher, die Arbeitskräfte seien älter, ihre Renten aber ebenso niedriger wie die Löhne. "Der Osten hat die Krise besser überwunden, ist besser aus der Krise gekommen und das sogar trotz der signifikanten Probleme rund um die Chemiestandorte", dachte sich Veronika Grimm ein paar aufmunternde Worte aus, die nicht der Wirklichkeit entsprechen, im ZDF aber sehr positiv aufgenommen wurden.

Nur der Wähler kann das Wunder noch verhindern

Das bisschen Wachstum, was der Osten hat, verdankt er im Moment allein Tesla. Aber besser klingt es doch, wenn man wie Grimm einfach geplante Großansiedlungen wie die mit Milliarden Steuerhilfen subventionierten neuen Chipfabriken in Sachsen-Anhalt und Sachsen ähnlich wie ihr Minister Robert Habeck schon als vollendete Tatsache wertet. Daraus lässt sich auch die Warnung ableiten, dass  die Ostler am Ende selbst schuld sein werden, wenn das alles nichts wird, weil sie sich verwählen.

Veronika Grimm zufolge sind der "aufkommende Extremismus, die größere Zustimmung zu extremistischen Parteien, insbesondere der AfD", eine Gefahr für Ostdeutschland. "Grade" (ZDF) die "großen Fabriken und Start-Ups, die sich ansiedeln, brauchen hoch qualifizierte Mitarbeiter und Zuwanderung aus dem Ausland" und das "nicht nur, weil Fachkräftemangel herrscht, sondern auch, weil durch die Diversität ganz neue Impulse und Innovationskraft in den Osten kommen". Verweigern Thüringer, Sachsen, Brandenburger und Mecklenburger sich dieser helfenden Hände, dürfen sie auch nicht klagen.

Die Ankommenden: Worthülse für den Grenzkrieg

Solche Forderungen nach einer bedingungslosen Öffnung der deutschen Grenzen sind leiser geworden, aber nicht weniger wichtig.

Sie waren Ausländer und Asylanten, dann Asylbewerber, wurden zu Flüchtlingen, die sich später in Flüchtende oder auch Geflüchtete verwandelten, ehe daraus Migranten wurden, die auch als Zuwanderer oder Nochnichtsolangehierlebende bezeichnet werden durften, mit oder ohne "Migrationshintergrund", im Fall von Sportlern aber mit sogenannten Wurzeln.  

Ausgeklügelte Mechanismen

Die herrschaftsnahe Berichterstattung eilte von Euphemismus zu Euphemismus. Kaum war ein neuer Begriff in den tiefen, weiten und bis heute unergründlichen Werkhallen der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin geprägt und über die ausgeklügelten Medienmechanismen bundesweit verteilt worden, regte sich schon Widerstand bei den ersten Nutzern. Da jede neue Bezeichnung doch stets wieder dieselben Mitbürgerinnen und Mitbürger beschreiben musste, verging nie viel Zeit, bis auch diese neue und selbst die allerneueste zarte Umschreibung erneut als zutiefst abwertend empfunden wurde. Nicht bei denen zwar, die sie beschrieb. Aber bei denen, die über die zulässigen Beschreibungen gebieten.

Der "Asylant" klang auch im Nochnichtsolangehierlebenden nach. Der "Asylbewerber" konnte sogar ein "abgelehnter" sein, der "geduldet" wurde und sich damit begrifflich immer noch bewarb. "Ausländer" zu sagen verbot sich, denn man sieht es ihnen nicht an und wer sich im Inland befindet, wie kann der überhaupt einer sein? Es gab einfach kein Wort mehr, denn selbst der "Flüchtende" konnte sich am Ende einer langen und gefährlichen Flucht nicht gewertschätzt fühlen, wenn er verbal immer noch und für immer auf der Flucht bleiben muss, weil es bei den Deutschen nur zu "Geflüchteter" reicht als sei ein Mensch damit ausreichend und fair erklärt.

Dauernde Zurücksetzung 

Die Benachteiligung der Wenigen, empfunden als Zurücksetzung einer Minderheit, die sich von der Mehrheit unterscheidet, wich nicht, weder durch die Formen von Flüchtigkeit noch durch das aus der Zoologie entlehnte "Migrant" (von migrare für mit seiner Habe an einen anderen Orte ziehen, um da zu wohnen). Was gemeint ist, ändert sich ja doch nicht dadurch, dass man es mühsam anders auszudrücken versucht. Die "Euphemismus-Tretmühle", wie sie der amerikanische Sprachforscher Steven Pinker nennt, ist ein Prozess, der kein Ende kennt. Auf Ausländer folgt Migrant, auf Migrant der Mensch mit Migrationshintergrund, der Asylbewerber wird zum Flüchtling, der Flüchtling zum Geflüchteten oder Flüchtenden. 

Aber alles klingt beleidigend, ablehnend und muss deshalb schneller durch neue Begriffe ersetzt werden als der ehedem neue Begriff sich überhaupt bis in die widerstrebenden Dörfer und Kleinstädte, an die Stammtische und in die Sportvereine als verbindlich durchsprechen kann. Die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin füllt hier seit Jahren eine Schlüsselposition aus: Gejagt und zuweilen fast schon gehetzt von der Erwartungshaltung einer politischen und medialen Öffentlichkeit, die nach Sauberkeit und Unschuld verlangt, ist die BWHF gezwungen, aus dem Geist einer totalitären Spracherziehung heraus Verrat am Ideal der Emanzipation zu begehen und wider besseren Wissen eine Medizin zu liefern, die niemals helfen wird.

Auf den Moment reduziert

Eben erst wieder waren es die "Ankommenden", die nun um jeden menschlichen Zug erleichtert einfach nur noch eine Tätigkeit personifizieren. Waren die Flüchtlinge, Flüchtenden und Geflüchteten noch Zeugen ihrer eigenen und oft dramatischen Geschichte, ist der "Ankommende" als solcher nur noch reduziert auf den Moment seines Eintreffens. Er hat kein Schicksal mehr und keinen Willen, keine Ziele und keine Familie, er ist reines Dasein im Augenblick der Ankunft, der, soweit ist den Worthülsenschmieden und Sinnwortsuchern der BWHF ein genialer Streich gelungen, in der Regel ein glücklicher ist.

Ankommen bedeutet, dass Migrationsfeinde und Gegner einer ungebremsten Zuwanderung kaum mehr ausdrücken können werden, was sie an Ressentiments und unbegründeten Ängsten plagt. Eben noch hatte sich Elon Musk mit einem migrationsfeindlichen Post bei X zu Wort gemeldet - beim nächsten Mal aber wird er einen ankommensfeindlichen Spruch absetzen müssen.  Zugleich nimmt das neue Wort den negativen Zungenschlag aus der Debatte, mit dem nicht nur die Endung -ling (wie Liebling, Zwilling oder Häuptling), sondern auch das "Zu" in den von Angela Merkel favorisierten "Zustrom" und "Zuwanderung" eliminiert wird.

Dienstag, 3. Oktober 2023

Grunderbe: Das 50-Milliarden-Geschenk

"Reichtum für alle" und zwar vom 18. Geburtstag ab: Das grundlose Grunderbe soll den Osten schnell mit der Sozialdemokratie versöhnen.

Sie widerstreben, widersprechen, sind widerspenstig und drohen, spätestens im kommenden Jahr vielen verdienten Genossinnen und Genossen den Arbeitsplatz wegzunehmen. Die Ostdeutschen, vom ersten Tag ihrer Wiederaufnahme in die deutsche Mehrheitsgesellschaft kein einfacher Käfiggefährte, haben sind gerade in den zurückliegenden paar Jahren zu einem steten Ärgernis für das politische Berlin entwickelt.  

Vom trotzigen Widerspruch zum Widerstand  ist es für manchen in Sachsen nur ein kleiner Schritt. dank zum Hass aufstachelnder Bücher, die zuletzt reihenweise in westdeutschen Verlagen erschienen, glauben manche dabei auch noch, sie hätten ein recht dazu, ihre Benachteiligung laut herauszukrähen.

Auftrag Ost

Rezepte dagegen sind rar, doch es gibt sie. Carsten Schneider, als "Ostbeauftragter" der Bundesregierung im Rang eines Staatsministers zuallererst bedroht von  einem Wetterwechsel in der Hauptstadt, ist lange mit verschiedensten Vorschlägen hausieren gegangen. Man solle zuhören. Man müsse noch besser erklären. Es reiche nicht aus, Anweisungen zu erteilen, denn der Ostler als solcher möge es gern, wenn man ihm zumindest den Eindruck gibt, er könne selbst entscheiden. 

Es hat alles nicht geholfen. Die Fronten zwischen Obrigkeit und Fußvolk in Sachsen.Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg und Brandenburg sind verhärtet. Eine Brandmauer ist gewachsen zwischen Herrschenden und Beherrschten.

Integration der Quertreiber

Guter Rat ist teuer, aber Geld ist da, denn der Staat hat gut gewirtschaftet. Pünktlich zum Tag der Republik Deutschen Einheit hat Carsten Schneider ein Zwei-Punkte-Programm zur schnellen Integration ostdeutscher Quertreiber in die demokratische Gesellschaft der westdeutschen Mitte vorgelegt. 

Das vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) entwickelte Konzept sieht vor, dass jeder Deutsche mit ostdeutschen Wurzeln künftig "bis zu 20.000 Euro zum 18. Geburtstag" erbt, auch wenn es in seiner Familie keinen Nachlass zu vererben gibt. Einspringen soll hier Vater Staat, der sich die benötigten Mittel dort holt, wo der westdeutsche Wohlstandbauch die gesellschaftliche Beweglichkeit ohnehin einschränkt: Sogenannte "angehende Erbmillionäre" sollen die jährlich anfallenden rund drei Milliarden Euro danach über eine Solidarabgabe auf ihr Erbteil finanzieren, so lange weiterhin eine Vermögensungleichheit zwischen Ost und West besteht.

Reichtum für alle und zwar überall, das ist das langfristige Ziel, auf kurze Sicht aber zielt Schneiders Vorschlag vom anlass- und grundlosen "Grunderbe" auf die Heimholung der widerspenstigen Neubürger in die Mitte der Gesellschaft noch vor Anbruch des Superwahljahres 2024. Eine Versöhnung der Ostdeutschen mit der deutschen Sozialdemokratie, und koste sie auch allein für die derzeit absehbare Nachzucht der Ostdeutschen insgesamt um die 50 Milliarden Euro, ist es wert.

Deutsche Einheit: Das westdeutsche Weltgericht

ausgebeintes Haus in ostdeutschland
Das westdeutsche Weltgericht hat gesprochen: "Wie wäre denn ein 4. Reich mit neuer Mauer." (i.O.)

 Doch ich störe keck die Feier,
    Heule rasend Lob und Preiß,
Und der Herrgott hört den Schreier,
    Und ihm wird's im Kopfe heiß.

Karl Marx, Weltgericht, 1837

Er hat als einziger Landesteil seinen eigenen Beauftragten, einen echten Kümmerer von Amts wegen. Er verfügt über weite, leere Landschaften, die von hochmodernen Schnellstraßen durchschnitten werden. Er hat in vielen Belangen aufgeschlossen zu den alten, schon lange in Demokratie geübten Regionen. Und er profitiert seit Monaten zusätzlich von der großen Behördenansiedlungsoffensive der Bundesregierung und der Attraktivität Deutschlands als Standort von Zukunftsindustrien.  

Geld und Liebe für die Hilflosen

So viel Geld und Liebe hat der Westen gegeben, so viel Solidaritätszuschlag, so viele Landes- und Bundesgartenschauen, Sommerreisen der Kanzlerinnen und Kanzler, wagemutige Expeditionen an den Rand der Zivilisation. Und doch: Der Osten leert sich, schneller noch als zu DDR-Zeiten. Die Gesunden, Kräftigen, Klugen und Durchsetzungsfähigen wandern ab, die Jungen, Studierten und Zukunftsgewissen brechen auf, sich dem Kampf um die Fleischtöpfe direkt in den Wohlstandszentren der alten Länder zu stellen.

Furchtlos ist diese neue Generation Ost, ohne Dialekt und ohne falsche DDR-Romantik. Es kostet sie keine Kraft, die verlorenen Dörfer und ausgeweideten Kleinstädte hinter sich zu lassen, um dort eine Zukunft zu gewinnen, wo Pullfaktoren wie eine schnelle Terminvergabe beim Zahnarzt klappt, wo der Kaffee to-go im klimaneutralen Keramikbecher eine Selbstverständlichkeit ist und der Arbeitgeber selbstverständlich Weihnachtsgeld und Inflationsausgleich zahlt.

Das Altenheim der Republik

Im Gegenzug sinkt die Zahl der Menschen im Erwerbsalter in Ostdeutschland immer weiter. Die Region, die in den Jahren des staatlich propagierten sozialistischen Zukunftsoptimismus noch jünger war als der alte Westen, wird auch aufgrund der günstigeren Pflegeheimtarife zum Altenheim der Republik. Während alle fortziehen, die irgend können, bleibt auch die Zuwanderung in die Sozialsysteme aus dem Ausland trotz niedriger Mieten und viel Platz gering. 

Zu schlecht ist der mit Millionen Euro aus der Gebührenkasse verbreitete Ruf des Menschenschlages, der sich weiterhin in den weitgehend entleerten Landschaften versteckt hält. Rechte und Rechtsextreme sind es zumeist, rauchende Trinker ausschließlich zweierlei Geschlechts, die sich beharrlich weigern, Führungsaufgaben in Politik, Verwaltung, Industrie und Zivilgesellschaft zu übernehmen.

Es ist häufig versucht worden, die Seelenabgründe der Ostdeutschen zu erkunden, mit dem "Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit " (nur als Download, max. drei Exemplare pro Person!) forscht die Bundesregierung im Auftrag des Bundestages seit Jahrzehnten nach den Urgründen, die den Ostdeutschen daran hindern, sich an der geplanten Angleichung der sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Lebensbedingungen der Menschen im vereinten Deutschland auch emotional zu beteiligen. Ist es Trotz? Ist es Dummheit? Sind es die Einflüsterungen der aus dem Westen zugezogenen falschen Propheten? Woher kommt die Fremdenfeindlichkeit? Die Sehnsucht nach Abschottung?

Jedenfalls ist es eigene Schuld, wie ein Blick auf die differenzierten Urteile zeigt, die das bessere Deutschland nach 33 Jahren intensiver Bemühungen um die Integration der Ostdeutschen fällt. Der "Stand der deutschen Einheit" nach drei Jahrzehnten, dokumentiert in Originalzitaten aus dem westdeutschen Weltgericht.

The real Venkmann @Creeptonian: Wie wäre denn ein 4. Reich mit neuer Mauer. Vorher dürfen noch alle "Nicht-Nazis" rüber und dann wird ohne Tor verspachtelt

LangsamesDenken @LangsamesDenken: Wenn die letzten Vernünftigen aus dem Osten verschwunden sind können wir den antifaschistischen Schutzwall wieder aufbauen.

PepperCat 🇪🇺 @real_Gideon: Das Gehälter und Renten niedriger sind als im Westen ist sicherlich kaum ein Problem.

Holger Hinz #StandWithUkraine 📯 🐦 @holgereluard: National befreites Vakuum. 

William H. Bonney @Oneworld53: vorbildlich, so geht Klimarettung 

nikki1325#werAfDwählt,hätteauchAdolfgewählt @13und13: Mal ehrlich- welcher Zuwanderer aus dem Ausland, will nach Ostdeutschland? Vergleichbar mit Harakiri!

Thomas Wolf @meissen929: Mitteldeutschland lohnt sich nur als Rentner oder Student

KW @kalalewe: Wer geht da freiwillig hin ?

Jo No @jono0815: Das kommt jetzt völlig überraschend. Nicht.

@Endzeit_Archivar@troet.cafe @EndzeitArchivar: Ich wär echt irgendwann mal gerne mal nach Sachsen gefahren auf einen Kurzurlaub, Erzgebirge und so. Aber ehrlich gesagt hab ich überhaupt keinen Bock mehr drauf, ein Drittel (!) der Bürger sind da mittlerweile AfD-Wähler - da würde ich nicht mal mehr gegen Bezahlung hinfahren...

Good Seed 📯🌱🌾🌍 @KerstinPoe: Ist mir mittlerweile ziemlich scheißegal, ob es in Ostdeutschland noch irgend eine Fach-oder Hilfskraft gibt. Wenn die dann irgendwann für Arztthermine nach Westdeutschland kommen müssen, merken die vielleicht mal was..( um hier dann vor nem syrischen Arzt zu sitzen🤡).

Staaken01 - Norbert Thelemann @staaken1955: Niemand will hin. Ich kann es verstehen.

Dirk Müller -🌈🚵💚- @Save_Planet_A: Das wird noch weiter gehen, wenn die #fckafd noch stärker wird. Alle DemokratInnen, die es können, werden den Osten verlassen - Überalterung droht. Frage mich nur, wie die Infineon-, Intel- und Tesla-Fabriken dann an qualifizierte Angestellte kommen 🤔

Reinhard @Reinhar89974956: Tja, auch durch Verhinderung von Zuwanderung und den, im Reiseweltmeisterland leider häufigen blinden und offenen Ausländerhass, kann eine Volkswirtschaft zugrunde gehen. Irgendwann stirbt jeder oder fällt dauerhaft als Arbeitskraft aus. Der Osten ist ein wenig mehr Hinterwald.

Ulf Radlof @foldar: Gut so, hab ich mehr Platz.

DirtyBirdy @DirtyBirdy66: Ich dachte ohne Migranten wird alles besser?🤔

geisterblitze @geisterblitze: Und derweil widmen sich Ronny und Mandy weiter der arterhaltenden Inzucht.

Doris Streitschuster @Streitschuster: Klar ziehen die alle weg bevor es zu spät ist. Wenn die AfD da an die Macht kommen sollte, kann man die Mauer wieder hoch ziehen.

AlterSack @AlterSa56170984: Wer möchte auch schon mit Menschen dieser Gesinnung zusammen leben.

Grml @grmlX: Aber, aber, die ganzen Migranten. Die fluten doch den Osten. Gar kein Platz mehr. Sieht man auch auf dem Foto!!!

dierk schäfer @dierkschaefer: Wer will auch schon in Dunkeldeutschland wohnen?

Linksrutscher 💚🌻 linksrutscher.bsky.social @Linksrutscher: Der Osten in 10 Jahren 👇

Tanja 🇺🇦🌈🧘‍♀️🌱 @TanjaGlitzernd: Dabei habt ihr doch diese blühenden Landschaften! Zieht das als Argument alleine denn nicht? Mal im Ernst: es ist wirklich schade, das ein paar Menschen eine ganze Region nach hinten katapultiert.

Robert for sustainability - нетвойне @RobertB_Fishman: Besser ist es ;-)

Hanno Klausmeier @HannoKlausmeier: Je mehr die AfD waehlen desto schneller geht dort die Einwohnerzahl zurueck.

Fanpage24 @fanpage24: Wer will denn ernsthaft in diese Nazizone? Das machen doch nur noch Teppichhändler mit. Wir alle haben im Osten komplett versagt.

Dr. Berthold Forssman Übersetzungen @BertholdForssma: National befreit ist halt kein Standortvorteil 

ElSaboteur ®📯 @el_saboteur: Es is schon traurig es auf die Zuwanderung zu schieben , anstatt zu schauen warum die Menschen keine Kinder bekommen wollen oder können ! Ich versteh einige wenn sie sagen das es ihn zu teuer ist und sie nur für die Kids arbeiten gehen würden , sie das aber nicht möchten .

(-o-) @MerZomX: Danke #Doepfnerclan: Springer-Chef Döpfner äußerte sich abfällig über Ostdeutsche und Merkel: "Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Nazis"

Fella📯😉 @CMR_Fella: damit löst sich ein Problem von allein? 😈

Pedalier @ProPedelec: Wer mobil genug ist nach Deutschland zu kommen ist auch mobil genug sich innerhalb Deutschlands eine gute Gegend auszusuchen.

Fiete Quincke 🎈 @FritzQuincke: Was Wunder!

klaus t.k.meyer @Haching1: Verdammt und wir müssen die auffangen

Drei Rosen📯🎩🤝 @Drei_Rosen: Eigentlich ist die Abwanderung junger Menschen in den Jahren nach der Wende verantwortlich.

OldandWise 🐦📯 🇺🇦 oberhesse.bsky.social @Warum_denn_das: Wer will auch da schon hin, bei dieser ausgesprochen menschenfreundlichen Bevölkerung?

Montag, 2. Oktober 2023

Betreute Einheit: Vater, Mutter, armer Ossi

Der Ostler bliebt in hohem Maße trotzig und unbelehrbar. Mittlerweile glaubt er, das alles schon einmal erlebt zu haben.

Ehe sie sich aufmachen zum großen Festakt in der prächtigen Hamburger "Elbphilharmonie", um den Sieg der deutschen Einheit über all den Hader und Streit zu feiern, haben Divisionen von Denkern, Analysten und Politikbetreibern einen neuen Anlauf zur traditionellen Ost-Diskussion am Vorabend der Bundesparty genommen. Angela Merkel tauchte anlässlich des Termins aus der Versenkung aus. Der scheidende Linkspolitiker Dietmar Bartsch fordert nach Benzin-, Bau und Migrationseinen einen eigenen Ostler-Gipfel und der Berliner Bürgermeister Kai Wegner beklagte "zu wenig Respekt" und "fehlende Anerkennung" für Ostdeutsche.

Generation Buschzulage spricht

Man dürfe diese Menschen, die sich selbst bekanntlich nicht zu helfen vermögen, nicht den Falschen überlassen, hat Bodo Ramelow gewarnt, der wie Wegner das schwere Kreuz zu tragen hat, als gebürtiger richtiger Deutscher aus den alten Ländern eine Teil der ehemaligen DDR regieren zu müssen. Es ist naturgemäß eher eine Art Verwaltung, Anweisungen kommen aus Berlin, entweder direkt aus dem Kanzleramt und den Ministerien oder über die angeschlossenen Abspielstationen, die Wortmeldungen aus dem Osten umgehend abschreckend einzuordnen wissen. 

Besser ist es, eine amtliche Betreuungsperson wie Ramelow spricht für ihre Ossis. Der frühere Gewerkschaftsfunktionär, der als Aufbauhelfer aus Hessen nach Thüringen kam, kennt seine Klientel, ihre Eigenarten, ihren Trotz und ihre teils bizarr erscheinenden Gebräuche. Er sieht sich nach mehr als 30 Jahren unter den locals längst nicht mehr nur als deren Lehrer und Erzieher, sondern auch als Außenminister derer, die selbst keine Stimme haben. 

Im Erfurter Exil

Ramelow, der aus Osterholz-Schaarmbeck stammt und nicht nur in Erfurt lebt, sondern auch in Saalfeld, der ostdeutschen Entsprechung zur niedersächsischen Kleinstadt, weckt Verständnis für so manche "Sehnsucht nach Anerkennung und Gleichberechtigung", aber auch dafür, dass "wir", also die westdeutsche Mehrheitsgesellschaft in den Bionadevierteln, rauchfreien Coffee-to-go-Bars und großen Sende- wie Parteizentralen, das "Gefühl des Zurückgelassenseins ernster nehmen denn je", das in den heute in den weiten und weitgehend menschenleeren Regionen zwischen Rostock und Suhl "die Unzufriedenheit überkochen" (Bartsch) lässt.

Weder all die Bundes- und Landesgartenschauen zur Päppelung "blühender Landschaften" (Helmut Kohl) noch die zu einer schönen Tradition gewordenen "bunten und vielfältigen" (Mopo) Einheitsfeiern der führendsten Funktionäre von Staat, Parteien, Fördermittelvereinen und Kulturszene hat den bemitleidenswerten Ossis bisher das Gefühl nehmen können, zu wenig vertreten zu sein, zu wenig vorzukommen und ähnlich bevormundet zu werden wie seinerzeit in der DDR. Würde es helfen, die vor 33 Jahren Neuhinzugekommenen als ganz normale Zuwanderer zu begreifen? Ihnen Integrationshilfe zu geben, eine Quote vielleicht und regelmäßig übers Land verstreute Behördenbauten, aus denen heraus sie selbständig Angelegenheiten leiten und lenken dürften, bei denen sich nicht viel Schaden anrichten lässt?

Wessis im Gespräch

Das Gespräch über den Osten ist ein westdeutsches Selbstgespräch, bei dem Politiker wie Wegner, Ramelow, die Hamburger Grünen-Chefin Katharina Fegebank und die niedersächsische Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt die Betreuungspersonen im Osten in ihrer "Haltung bestärken, ihnen geschehe irgendwie Unrecht" (Handelsblatt). Die Einheit, sie ist zum 33. kein so ganz großes Thema, das wird sie erst wieder zum 35. und dann noch mal richtig zum 40. sein. Aber alle die großen westdeutschen Blätter haben den Osten nicht vergessen: Die niedrigen Löhne. Die wagemutigen Expeditionen in die Ostmenschenzonen. Der Unmut über das ausbleibende große Einheitsdenkmal, der viele ehemalige DDR-Bürger mit der neuen Heimat fremdeln lässt.

Ja, die Jahre der Teilung, sie haben "Wunden gerissen, die noch immer nicht ganz verheilt sind" (Fegebank). Aber gibt es neben Fortschritten nicht auch Handlungsbedarf, wie der selbst als sogenannter "Ostbeauftragter" fungierende Sozialdemokrat Carsten Schneider in seinem aktuellen Jahresbericht hervorgehoben hat? Selbstverständlich sind da Unterschiede. Aber die sollen ja auch bleiben. Den letzten Messungen zufolge wurden strukturelle Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland weiterhin abgebaut, die beiden Teile nähern sich unaufhaltsam weiter an, so das Katarina Fegebanks Traum sich bald erfüllen könnte, dass "die Lebensverhältnisse und das Gefühl der Zugehörigkeit überall gleich sind".

Betreuungsbedarf bundesweit

Die Zeichen stehen gut. Schon herrschen in Bayern "ostdeutsche Verhältnisse" (RND) mit "Rechtsdrall, Hass und Hetze". Schon sind "die Bayern die neuen Ossis" und ein gebürtiger Ostdeutscher darf in der Hamburger "Zeit" diagnostizieren. Dort, wo die Menschen ihr Leben bisher ganz gut im Griff hatten, stehen die Falschen plötzlich bei 30 Prozent.   Ein "Gefühl des Ausgeliefertseins" (Manager-Magazin) macht sich in westdeutschen Wohlstandsoasen breit, die bisher wie Schaum auf den Wellen von Globalisierung und Kolonialisierung schwammen. 

Auf einmal herrscht bundesweit Betreuungsbedarf, es riecht überall nach Frustration, Existenzangst und Ausweglosigkeit, die Fördermittel reichen nicht und die Zweifel wachsen, ob der Bäcker nebenan wirklich wieder aufmachen wird, wenn der Strom  durch die Erneuerbaren erst fast nichts mehr kostet und die grüne Transformation eine neues Wirtschaftswunder bewirkt wie es damals der "Aufschwung Ost" war, der Arbeitslosenzahlen und Abrissbedarf steigen ließ, während die Gesundgebetsmühlen auf Hochtouren liefen. Der Ostdeutsche glaubt mittlerweile, das alles schon einmal erlebt zu haben. Kommt es zum Ossi-Gipfel, wird es dessen erste Aufgabe sein, ein umfassendes Betreuungspaket zu schnüren, um deutlich zu machen: Es mag so aussehen. Ist aber, noch besser erklärt, etwas vollkommen anderes.

Ein Tag in Deutschland, 2023

Die Einschläge kommen näher, aber die Politik zuckt nicht.


Bei Gigaset in Bocholt und Real sind sie nicht pleite, sie bauen nur bald keine Telefone mehr und verkaufen auch sonst nichts. Für Umwelt und Klima eine weitere gute Nachricht in einem bisher guten Jahr für die Menschheit in Deutschland, die immer besser lernt, mit den kostbaren Ressourcen, die der Erde noch verbleiben, so zu wirtschaften, dass es auch für nachfolgende Generationen noch reicht. Wie ein Sturm fegt in diesen letzten Sommertagen eine weitere Welle an Versuchen durchs Land, bescheidener zu leben, weniger Energie und Rohstoffe zu verbrauchen und mit dem, was schon da ist, zurechtzukommen.  

Kurzlebige Zeichen

Während die Aktivisten der Letzten Generation noch kurzlebige Zeichen setzen, um die Bundesregierung zu mehr Anstrengungen beim Klimaschutz zu drängen, hat die Wirtschaft schon längst einen neuen Kurs eingeschlagen. Nicht mehr immer mehr. Sondern immer weniger. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpft erstmals Quartal um Quartal, ohne dass von einer Wirtschaftskrise die Rede ist. Das vorhergesagte grüne Wirtschaftswunder hält, was es versprochen hat. Neue Ziele braucht das Land, um Erderwärmung, Fachkräftemangel, russische Kriegstreiber und Rechtspopulismus gleichzeitig bekämpfen zu können. Frieden ohne Freiheit ist Unterdrückung, Wachstum ohne Schrumpfen eine gefährliche Krankheit.

Die Diskussion um "Degrowth", sie war aufgeregt, als das Konzept einer langsam zusammenschrumpelnden Wirtschaftstätigkeit noch als theoretische Möglichkeit vorgestellt wurde. Seit die praktische Umsetzung begonnen hat, streitet Talkshow-Deutschland an allen anderen Fronten. Die neue Härte von Ampel und EU bei der Abwehr von Geflüchteten, die nun wieder "Flüchtlinge" heißen. Die neue, blasse Erkennungsfarbe der CDU. Deutschlands Anspruch auf einen Sitz im Sicherheitsrat der UNO, wo bisher kein Staat vertreten ist, der konsequent für eine feministische Außenpolitik eintritt.

Mit höchster Geschwindigkeit

Ein Tag in Deutschland, 2023. Mit höchster Geschwindigkeit rast Europas größte Wirtschaftsnation auf eine Mauer aus Missverständnissen zu. Einerseits ist klar, dass ab sofort 400.000 Zuwanderer pro Jahr gebraucht werden, um die alternde Generation der Boomer mit Wärmepumpen zu versorgen, zu füttern und perspektivisch  zu windeln. Andererseits fehlt es an Platz, sie irgendwo unterzubringen, so dass eine Obergrenze von 200.000 Neuankömmlingen im Jahr unvermeidlich scheint. Es geht nicht anders, soll nicht alles anders werden.

Nach Thüringen, Sachsen und Bandenburg ist auch Mecklenburg-Vorpommern, bisher Stammland der russlandtreuen Sozialdemokratie, nach rechts weggekippt. Die EU-Wahl im kommenden Sommer droht zum Debakel für den gesamten demokratischen Block zu werden. Ursula von der Leyen, die die Wertegemeinschaft bis hierher mit strengem Blick und einem unerschöpflichen Vorrat an fantastischen Plänen ohne jede Realisierungschance geführt hat, wird zweifellos weitermachen. Als sogenannter "Spitzenkandidat" antreten und sich um ein Mandat des Wahlvolkes bewerben aber mag sie nicht: Da der Posten ohnehin im Hinterzimmer vergeben wird, würde ein gutes Abschneiden nicht helfen. Das absehbare schlechte aber schaden.

Eine unangekündigte Zeitenwende

Es herrscht Angst, es herrscht Ratlosigkeit und Verwirrung bis in die obersten Etagen, die sich plötzlich in einer Zeitenwende wiederfinden, die so nie gemeint war. Von CDU bis SPD, von den Grünen über die FDP bis zur Linkspartei war es bislang für selbstverständlich gehalten worden, dass man mit den Bürgerinnen und Bürger alles machen kann, so lange man es nur zusammen macht. Der Gemeinsinnfunk und die "privaten Medienheuschrecken" (ARD-Manual) standen bereit zur Verteidigung und zur Verurteilung von knieweichen Zweiflern. Wer meckerte, wurde ins Abseits gestellt. Wer andere Ansichten vertrat, von der Bühne gebuht.

Auf einmal nun aber brüllt ganz Berlin die populistischen Parolen. Wo gerade noch Platz war, ist nun keiner mehr. Wo jeder Hinweis darauf, dass ein begrenzter Raum nicht einmal theoretisch unbegrenzte Möglichkeiten bietet, wenn nur der gute Wille vorhanden ist, finden sich die bislang verlässlichsten Genossen ein, um zu widersprechen. Es ist genug, es geht nicht mehr, so schallt es aus dem Morgenkreis, als hätten über Nacht kryptofaschistische Körperfressen die Macht über die Grenzen des Sagbaren übernommen und einem "Obergrenze" pro Satz zur Pflichtübung gemacht. 

Grün steht für neue Härte

Die grüne Parteivorsitzende plädiert nun für Härte. Die EU plant wie immer Maßnahmen und verspricht Hilfe. Die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) produziert Deutschland-Geschosse am Fließband. Der Kanzler findet kaum mehr statt. Er will in den Sicherheitsrat, denn in innenpolitisch unsicheren Zeiten, diese Binse hat Olaf Scholz gelernt, ist Außenpolitik ein Feld, auf dem selbst der rostigste Ritter von der traurigsten Gestalt noch glänzen kann wie der Recke auf dem weißen Pferd.

Es ist kein stilles Hinterherschauen hinter den Fellen, die nicht mehr langsam, sondern in großer Eile fortschwimmen. Kein Tag ohne neue Pleitemeldung, vor allem das grüne Wirtschaftswunder meldet sich immer hektischer ab. Unklar, ob Gesundbeten diesmal helfen wird und ob der Rest Kraft noch einmal reicht, neue Rettungspakete zu schnüren. 

Ein Tag in Deutschland, 2023. Wie immer viel zu warm. Wie immer zu trocken. Wie immer zu laut und zu leise zugleich.

Sonntag, 1. Oktober 2023

Im Tal des Hitzetodes: Lauterbachs Sieg über den Sommer

In seiner neuen großen Rolle als Klimadoktor jagt Karl Lauterbach Todesursachen jenseits der Virenwelt.

Das vergangenen Jahr war schon schrecklich gewesen. Gemittelt über die Fläche Deutschlands zählte das Umweltbundesamt "etwa 17,3" sogenannte "⁠Heiße Tage⁠"(Originalschreibweise), also Tage, an denen Temperaturen von 30 °C oder mehr gemessen wurden. Das waren nicht ganz so viele wie noch 2003, 2015 und 2018, als die Belastung durch Hitze in Deutschland gemittelt zwischen 18 und 20 Tage lang anhielt. Doch im Gegensatz zu damals, als europaweit Menschen wie die Fliegen starben, Politik und Medien die Tragödie aber hartnäckig ignorierten, waren Bundesregierung, Ministerien Gemeinsinnsender und Gesellschaft nun sensibilisiert.

Sieg im Hitzekampf

Im Gegensatz etwa zu Estland, das stärker noch als Deutschland von zunehmenden Hitzewellen betroffen ist, das damit einhergehende Sterben aber seit Jahren schon für nicht weiter erwähnenswert hält, ging Deutschland deshalb diesmal mit einem Plan in die Hitzeschlacht. Der Sommer, der schließlich weltweit nicht nur heißer als der des Vorjahres, sondern der heißeste der letzten 120.000 Jahre werden würde, traf auf eine zu allem entschlossene, kühl reagierende Regierung. Schon Anfang August, die glühend heiße Jahreszeit war nicht einmal halb vorüber, sondern fing im Grunde genommen gerade erst an, stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seine Pläne für einen nationalen Hitzeschutzschild vor. 

Bürgertrinkbrunnen, Betreuungsangebote für vulnerable Gruppen, Volkskühlhallen - auch wenn der fünftheißeste deutsche Sommer der aller Zeiten es schließlich nicht einmal auf zehn Heiße Tage brachte, knapp halb so viele wie der des vergangenen Jahres, zeigen Klimamodellierungen doch klar, wie wichtig das angesichts zukünftig noch länger anhaltender Hitzeperioden und einer weiter steigenden Anzahl Heißer Tage ist. Mag auch derzeit auch für Verwirrung sorgen, weshalb nicht die heißesten Jahre die meisten Heißen Tage haben - der Sommer 2023 hatte sie auch nicht.

Lauterbach rettet unzählige Leben

Dafür aber konnten zahllose Leben gerettet werden: Starben amtlichen Angaben zufolge im vergangenen Jahr noch 4.500 Menschen infolge einer "hitzebedingten Übersterblichkeit", wie es das Robert-Koch-Institut sachlich nennt, so gelang es allein durch die Ankündigung der Erstellung von Notfallplänen einen Gutteil von Opfern  zu vermeiden. 2023 weisen die Statistiken nur noch glatt 3.100 Hitzeopfer für die Kalenderwochen 15 bis 36 aus - ein Rückgang um  mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr, ein Rückgang von 64 Prozent sogar zum besonders tödlichen Hitzejahr 2018, dem es mit einer Durchschnittstemperatur, die nur 0,05 Grad über der des Jahres 2019 lag, gelang 20 Prozent mehr Hitzetote zu fordern.

Alles Menschen, die noch leben könnte, wäre die Temperatur auch im Sommer bei 20 Grad gedeckelt, wie es RKI-Modellierungen vorsehen, mit deren Hilfe die Zahl der mutmaßlichen Hitzetoten errechnet werden muss, weil Hitzeeinwirkung nur in sehr seltenen Fällen, "zum Beispiel beim Hitzeschlag" (RKI) unmittelbar zum Tod führt, während in den meisten Fällen die Kombination aus Hitzeexposition und bereits bestehenden Vorerkrankungen tödlich ist. Daher ist Hitze oder Heißer Tag auf Totenscheinen "normalerweise nicht als die zugrunde liegende Todesursache angegeben". Stattdessen müssen statistische Methoden angewendet werden, um das Ausmaß hitzebedingter Sterbefälle abzuschätzen.

Todesspitzen abgeschnitten

Einlaufende Mortalitätsdaten des Statistischen Bundesamtes werden mit den Temperaturmessungen des Deutschen Wetterdienstes synchronisiert, wobei die Todesspitzen während der kalten Monate nicht etwa vollkommen beiseitegelassen werden. Als leichte graue Unterlegung, gut erkennbar für jeden, der länger als zwei, drei Stunden intensiv hinschaut, finden sie durchaus Platz in den Schaubildern des RKI. Für Karl Lauterbachs großes Sommerprojekt Hitzeschutz waren das die besten Voraussetzungen, die Zahl der Hitzetoten noch im laufenden Jahr 2023 unter 4.000 zu senken. 

Mit dem Tag der Ausrufung im Juli sanken die Temperaturen, mit der Klarstellung, dass in den kommenden Jahren zahllose Trinkbrunnen gebaut und Kühlräume gegraben würden, nahm sich Gevatter Tod zurück wie lange nicht mehr. Es wurde weiter gestorben, aber so, dass Lauterbach jetzt ein umfassendes Gelingen verkündigen konnte: Man habe "viele Leben gerettet", freute sich der Mann, der immer noch auf der Jagd nach einem Thema ist, das ihm seine Pandemiepopularität zurückzugeben verspricht. 

1.000 Opfer weniger diesmal, spielt das Wetter wieder mit, vielleicht schon nächstes Jahr weitere tausend weniger. Hoffnung für Millionen: Geben die Wählerinnen und Wähler Karl Lauterbach 2025 grünes Licht zur Fortsetzung seiner erfolgreichen Politik, ist in 1.000 Jahren Unsterblichkeit für alle erreicht.

Wort ist Mord: EU vor dem Musk-Verbot

Fast noch hektischer als nach Merz' kruden Zahnarztthesen schlugen die Wogen nach Musks europarechtswidriger Frage hoch.

Viel weiter hätte er es nicht treiben können. Ungeachtet aller deutschen Bemühungen, die Zahl der nach Deutschland strebenden Flüchtenden rasch zu senken, weil sie "im Moment zu hoch" sei, wie Bundeskanzler Olaf Scholz Flucht eben erst festgestellt hat, hat der amerikanische Multimilliardär, High-Tech-Unternehmer und X-Eigner Elon Musk auf der Kurznachrichtenplattform die Frage gestellt, ob der deutschen Öffentlichkeit bewusst sei, dass die Bundesregierung sogenannte Seenotrettungsorganisationen finanziert. Ein Umstand, auf den zuletzt die italienische Regierung hingewiesen hatte, die nun aber vom Auswärtigen Amt ausdrücklich verteidigt wurde. "Das rettet Leben", bestätigte das Außenministerium den unausgesprochenen Vorwurf von Musk.  

Bizarre Beschuldigungen

Für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" handelt es sich dennoch um einen sogenannten "Verschwörungsmythos". Der Account, dessen Post der Tesla- und SpaceX-Chef weiterverbreitet hatte, verbreite "offenbar regelmäßig rechtsradikale Inhalte", darunter Warnungen vor einem Ansturm aus Afrika, Bilder von verschleierten Mädchen und von einem erwachsenen Mann, der ein Kind schlage. Und die Darstellung der AfD als einzig wählbare Alternative. Blanke Hetze. Menschenfeindlichkeit. Dreiste Lügen.

Damit war Musk quasi widerlegt, auch wenn die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen parallel versuchte, mit einem hektischen  Aufnahmestopp für neuankommende Gerettete Stimmung für Musks krude Thesen zu machen. Der Rest der demokratischen Mitte steht stabil: Der "Spiegel" wies nach, dass  der Fährbetrieb aus den libyschen Küstengewässern nach Italien die illegale Migration wo wenig fördere die problemlose Vergabe von Zahnarztterminen. Mehrere Studien belegten, dass es einen sogenannten Pull-Effekt nicht gebe, nicht gegeben habe und nicht geben könne.

Durchaus Geld, aber 

Die Bundesregierung vergebe zwar "durchaus Mittel an Seenotrettungsorganisationen", hieß es weiter. Natürlich denn "dazu es unter anderem einen Bundestagsbeschluss", auch wenn sich das Auswärtige Amt aus Angst vor dem Echo aus Rom lange weigerte, ihn umzusetzen. Allerdings habe Berlin bisher immer wieder versucht, auf die Befindlichkeiten in Italien und die fremdenfeindlichen Gefühle einer großen Mehrheit der Bürger daheim der Rücksicht zu nehmen, so dass das nicht an die große Glocke gehängt wurde.

Dass Elon Musk, selbst Afrikaner und zudem bis heute Ausländer, nun auf den paar Millionen herumreitet, die der Steuerzahler gern gibt, ließ sogar die Zahnarzt-Hetze des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz in der Kulisse verschwinden. X, schon in den letzten Tagen unter dem alten Namen Twitter von allen bedeutenden Kräften des Guten verlassen, erlebte den vielleicht letzten Aufstand des Gewissen der verbliebenen paar Mutigen, die sich Musk und dem Heer derer entgegenstellten, die zu behaupten versuchen, dass Musk nur eine Frage gestellt habe, nur einen Post weitergeleitet hätte und im übrigen auch dem reichsten Mann der Welt das Recht auf Meinungsfreiheit zustehe.

Genug ist genug

Nicht mehr lange, wenn es nach dem Präsidenten der grünen Heinrich-Böll-Stiftung geht. Dessen Wortmeldung verstoße gegen ein "Neutralitätspflichten für ihn und seine Plattform, die einen freien Wettbewerb von Akteuren und Meinungen" gewährleiste. Dass sich Musk nicht daran halte, brauche es "hier behördliches Eingreifen zum Schutze dieser gesetzlichen Pflichten".  Die EU müsse handeln, weil Musk sich in die anstehenden Wahlen in Hessen und Bayern eingemischt (SZ) habe. X müsse gesperrt, der Besitzer müsse enteignet werden. Es gelte nun, Tesla aus dem Land zu werfen.

Die frühere SPD-Politikerin Sawsan Chebli wies nach, dass Musk nicht nur die Frage nach dem Kenntnisstand der deutschen Öffentlichkeit im Fachbereich Fährfinanzierung gestellt, sondern am selben Tag auch den "radikalen Republikaner Rand Paul unterstützt" habe, der für Steuersenkungen und einen schlanken Staat eintrete.

Im kleinen Hasskämmerchen

Ungeheuerlich. Ruprecht Polenz, dem Musk bei X ein kleines Hasskämmerchen eingerichtet hat,  in dem der frühere CDU-Generalsekretär seinen geistig-moralische Wende vor aller Augen ausleben darf, beklagte einerseits, dass "Multimilliardäre sich Meinungsmacht kaufen könne". Lobte aber andererseits, "dass es den #ÖRR gibt". Nur dadurch finden Haltungsbotschafter wie Stephan Anpalagan eine Plattform, auf der sie den Einflüsterungen Musks mutig widersprechen oder, wie der Möllner Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz formuliert, nur dass verhindert, dass "wir von zynischen Milliardären abhängig werden!"

Musk mag recht haben. Aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, das zu sagen. Noch steht nicht fest, ob der reichste Mann der Welt bei seinem nächsten Einreiseversuch nach Deutschland an der Grenze zurückgewiesen wird oder ob er in Gewahrsam genommen wird. Möglich wäre auch eine Auslieferung an Brüssel, wo die EU-Behörden nun schon seit zehn Monaten vergeblich auf das Erscheinen des bereits im Dezember vergangenen Jahres vorgeladenen Milliardärs warten, der sich vor den Kommissaren und dem Parlament für seine Verhaltensweisen rechtfertigen soll. 

Samstag, 30. September 2023

Zitate zur Zeit: Eine Sextillion chemischer Reaktionen

Wie kann man die Kontrolle über die verblüffend komplexen, mikroskopisch kleinen biologischen Prozesse haben, die das Leben erhalten? 

Mit jedem Herzschlag entstehen und sterben zwei Millionen Blutzellen. Bei etwa 40 Billionen Zellen im Körper laufen jede Sekunde mindestens eine Sextillion chemischer Reaktionen ab – und nicht eine einzige davon kann von irgendjemandem kontrolliert werden. 

Der Mensch ist ein unfreiwilliger Passagier in einer Achterbahn, die kaum auf den Schienen bleiben kann.

Peter Cawdron, "Kalte Augen: Erstkontakt", 2023

Kammerspiel um Klimakleber: Ein Heldengesang auf den Straßenkampf

Kurz vor dem endgültigen Auslaufen der kurzlebigen Aufstandsbewegung bietet das ZDF mit "Aufgebauscht" einen kammerspielartigen Rückblick als Heldengeschichte.

September. Hitze. Der Planet glüht. Die Gletscher schmelzen. Die Regierung hat den Klimakampf aufgegeben, die Streiks der Klimakinder sind abgeebbt, die drastischen Störaktionen der "Letzten Generation" ernten nur noch ein Achselzucken. Nichts geht mehr, weil der Trend von der Angst vor der Erderhitzung weg geht und hin zu immer mehr Furcht vor immer mehr Zuwanderung, immer mehr Rechtsextremismus, immer mehr Abschottung und immer weniger Kaufkraft und damit Wohlstand.  

Angst vor dem Abstieg

Dass sich "eine Gruppe Klimakleber", wie sie das ZDF abfällig nennt, auf eine Straße setzt und den Verkehr blockieren, ist ein Stück deutscher Protestfolklore geworden. Stehen die Richtigen in erster Reihe, entwickelt sich aus der Situation ein Großeinsatz der Polizei, die aufwendige Umleitungen veranlasst, um den verschreckten Jugendlichen und junggebliebenden Erwachsenen genug Zeit zu geben, den mitgebrachten Kleber anbinden zu lassen. Danach wird es chirurgisch. Fast schon liebevoll lösen Spezialbeamte die Patschehändchen mit Babyöl vom Asphalt. 

Nur wenn die Falschen zuerst dran sind, fällt der Protest kurz aus. Eine hochgezogene Augenbraue des noch nicht so lange hierlebenden Jungmannes. Ein schneller Schritt nach vorn. Ein unmittelbar abgebrochener Aufstand der letzten Generation. 

Zu Herzen gehende Dramaserie

Dass sich im Spannungsfeld zwischen spalterischem Aktionismus und konservativem Beharren auf dem staatlichen Gewaltmonopol eine zu Herzen gehende Dramaserie drehen lässt, hat das ZDF jetzt mit "Aufgestaut" unterstrichen, einem Sechsteiler, der den "voller Einsatz für das Klima" (ZDF) der Menschen auf der einen gegen die "Wut" der Menschen auf der anderen Seite stellt. Lena und Finn sind die sympathischen Helden, zwei Abziehbilder ihrer Generation, bis zum Kragen voller Furcht vor der Zukunft und fest entschlossen, der Mehrheitsgesellschaft ihren Willen aufzuzwingen.

Der anvisierten Zielgruppe angemessen sind die einzelnen Folgen nicht länger als eine Fußball-Halbzeitpause. Zu mehr reichen die 18,36 Euro nicht, die 45,96 Millionen Rundfunkbeitragszahler jeden Monat spendieren. Eingewebt in die von bemühten Laiendarstellern auf die Leinwand gewuchtete Handlung findet sich eine kleine Liebesgeschichte, ein bisschen Coming-of-Age-Beklemmung und die brutale Selbstbezogenheit der arbeitenden Mehrheitsbevölkerung. 

Gewalttätig gegen gemeinnützig

Altklug gegen egoistisch. Gewalttätig gegen aufopfernd. Gemeinnützig gegen ein "defektes System" wie es im Soundtrack heißt. Wer noch Zweifel daran hatte, dass der in jüngster Zeit sogar von "medienkapitalistischen Heuschrecken" (ARD) kritisierte Gemeinsinnfunk mehr ist als ein Altersversorgungssystem mit Dutzenden von angeschlossenen Fußball-, Fernsehgarten- und Hitlerdoku-Abspielstationen, wird hier eines Besseren belehrt.

Als "Bewegung von Menschen, die vor dem Hintergrund des Klimawandels mehr Klimaschutz einfordert" heroisiert, steht für die Autoren Matthias Thönnissen und Zarah Schade nicht infrage, dass das Blockieren von Straßen oder Verunreinigen von Kulturgütern eine ehrenwerte Sache sind. Ob die Proteste allerdings "aufgrund ihres Anliegens legitim sind", werde "kontrovers diskutiert".

Durchdrehende Porsche-Reifen

Der Mann, der sich am schlimmsten aufregt, ist ein charakterloses Schwein, das den um seinen Arbeitsplatz bangenden fleißigen Mitbürger mit durchdrehenden Porsche-Reifen verrät. Der ältestes Protestler ein unbeugsamer Held. Die sich um die Blockade sammelnden  Bürgerdarsteller werden von durch ein unsichtbares Virus, eine versteinernde Bakterie oder die alte deutsche Gefolgsamkeitskrankheit gelähmt. Niemand tut etwas. Keiner traut sich. Einzugreifen könne "juristisch als Nötigung ausgelegt werden", fürchtet der professorale Großvater des Jungmannes, der dem Kleben seine vielversprechende Karriere als Richter geopfert hat.

Ja, es ist nicht alles schlecht am Klimakampf. Das Kammerspiel auf der Straßenkreuzung fasst den aktuellen Stand der Diskussion in Deutschland, dem einzigen Land weltweit, in dem die "Letzte Generation" noch klebt, sympathisch zusammen: Uneinsichtig ist das tumbe Volk. Fürsorglich und professionell kümmert sich die Polizei, bis der Hexenschuss des Leitenden Beamten die Ohnmacht der Staatsmacht offenbart. Der junge, eifrige Polizist bekommt Mitleid gratis, als er Lockerungsübungen macht. Verstärkung kommt nicht. 

Wie ganz Deutschland scheint die zugeklebte Straße in einer Zeitschleife gefangen. "Schon belehrt? Dreimal aufgefordert", kündigen die schließlich durch herbeigeeilten Beamten in Folge 4 hartes Eingreifen an. Doch als der Friedensukrainer vom Paketdienst seine Chance gerade nutzen will, die Probezeit bei seinem ausbeuterischen  Zustellunternehmen doch noch zu überleben, springt der Klima-Volkssturm auf die Straße: Margot, ausgerüstet mit sechs Flaschen Feuerzeugbenzin.

Festgeklebt in der Zeitschleife

Eine Oskar Brüsewitz in tarngrün, eine Alt-68erin mit Kampferfahrung aus Wackersdorf, enttäuscht über die Genossen, die beim Marsch durch die Institutionen bis in die Regierung gescheitert sind. Sie habe doch aber "gar kein Aktionstraining", bekommt sie gesagt. Den Richterenkel drückt die Blase. Ganz hinten droht eine Frau zu entbinden. Die cellospielende Sympathisantin sieht ihre Chancen auf eine Weltkarriere schwinden. Die Altlinke Margot schwingt eine revolutionäre Rede. "Die Erde wird brennen", ruft sie und schickt sich an, sich selbst anzuzünden, um eine Zeichen zu setzen. Der ukrainische Paketfahrer, in Wirklichkeit eine Fachkraft, bringt ein gesundes Mädchen zur Welt.  Die Cellofrau absolviert ihr Vorspiel virtuell. Alle klatschen.

Gute Arbeit, lobt der Anführer der Klimakleber. Passanten bringen Kuchen vorbei und sagen "danke,d dass ihr das für uns macht." Die Hetzer und Drängler sind weg, der Kleber ist gelöst. Paradies Deutschland. Nur im Eckkiosk hält der schwarze Mann dem alten Richter einen Vortrag darüber, dass seine Generation an allem schuld ist, am Klima, am Elend, daran, dass sein Bruder nun wirtschaftlich verfolgt wird und die Mutter allein daheim sitzt. Happy End im vorübergehenden Gewahrsam: Lena, die innerlich vor Klimafieber glühende Jeanne d'Arc, lehnt ihren Kopf an die Schulter von Finn, dem Wuschelkopf mit dem Harndrang.

Beide werden später keine Kinder haben. Beide werden kein Einfamilienhaus beziehen. Beiden werden nie Urlaub machen, kein  Auto haben, mit Strom heizen oder aber mit dem, was gerade angeordnet ist. Beide werden CO2 sparen und ein Leben des Verzichts führen, aber sie werden glücklich sein. 

Freitag, 29. September 2023

#LastNightInSweden: Plötzlich Bomben auf Bullerbü

#lastnightinsweden Trump Spiegel Lüge
Die Reihen fest geschlossen gegen eine unerwünschte Wirklichkeit: 2017 konnten sich "Spiegel"-Leser noch darauf verlassen, dass in Schweden alles super war. Sechs Jahres später hat das Magazin den Kampf gegen die unerwünschte Realität aufgegeben.

Nichts war da gewesen, gar nichts Ganz Schweden ein einziges Bullerbü, beneidenswert der kräftige, gut gewachsene Sozialstaat, die hübsche sozialdemokratische Regierung, der liebevolle Umgang der Einheimischen mit Natur und Umwelt, ihre Abkehr vom Atom und ihr Krimis erst. Weltklasse. Fast schon normal, dass sich der damalige US-Präsident Donald Trump die Schweden vorgenommen hatte, um stellvertretend für das ganze, ihm so verhasste alte multikulturelle Europa ein Exempel zu statuieren. "Schaut euch an, was in Deutschland passiert, schaut euch an, was gestern Abend in Schweden passiert ist", krähte Trump vor sechs Jahren von einer Wahlkampfbühne, ohne ins Detail zu gehen.

Nichts war damals passiert

Kein großes Wagnis. Sowohl Deutschland als auch Schweden sind ausreichend bevölkert, so dass stets irgendetwas passiert. Mal ist ein Unfall auf der Autobahn, mal ein Sechser im Lotto. Mal sagt der eine was, mal der andere. Mal werden Flugblätter mit Verspätung entdeckt. Mal ist die europäische Lösung eines lange, lange Zeit untragbaren Problems nur noch 14 Tage oder 14 Monate oder 14 Jahre weit entfernt.

Was aber mit #LastNightInSweden gemeint war, wusste trotzdem jeder. Schwedens Städte wurden seinerzeit schon geraume geplagt durch das, was die Behörden allmänfarlig ödeläggelse genom sprängning nennen: Schaden durch Explosion, verursacht durch rivalisierende Banden, die einander mit Handgranaten, automatischen Waffen und selbstgebauten Bomben angriffen, um Reviere zu erobern oder zu verteidigen. Das Phänomen war weltweit so einmalig wie die Anwendung von Messern im Straßenkampf deutsch ist. Es wäre allerdings auch Wasser  auf die Mühlen der Falschen gewesen, hätten Medien darüber berichtet, dass der Sicherheitschef der Stadt Malmö, Jonas Hult, über die 200 Schwerkriminellen seiner Stadt gesagt hatte, "dass diejenigen mit einem nicht-schwedischen Hintergrund stärker vertreten sind".

Zum Glück keine belastenden Daten 

Es gab keinen Grund dafür. Deutsche Faktenchecker wiesen umgehend nach, dass es glücklicherweise gar keine Daten zur Herkunft der Täter gebe. Dem Deutschlandfunk gelang es sogar,  die gelegentlich durchdringenden Nachrichten über Bomben in Bullerbü  als "teils hysterische Debatte" zu enttarnen. Malmö etwa sei überhaupt nicht "Schwedens Chicago", denn hier würde gerade mal 3,4 Menschen pro 100.000 Einwohner pro Jahr erschossen, in Chicago seien es aber mit 28 viel mehr.

Eine neue Normalität, gemessen am deutschen Schnitt von 0,5 bis 0,8 Tötungsdelikten mit Schusswaffen pro Jahr und 100.000 Einwohner. Schwedens "wachsendes Problem mit Handgranaten" (Euronews) hatte mit nichts zu tun, die Tage, an denen "die Zahl der Bombenanschläge" auch in der Berichterstattung "stark anstieg" (Tagesspiegel), sie lagen noch weit in der Zukunft. Noch suchte der Deutschlandfunk keinen Ausweg aus der "Gewaltspirale", weil es sie gar nicht geben konnte. Noch war auch die Hamburger "Zeit" nicht geschockt durch die "Gangs of Stockholm" (Zeit), die Schweden vorerst noch vom "Vorzeige- in eine Wegschau-Land" (SWR) verwandelt hatten.

Brandmauer gegen die Wirklichkeit

Gegen Trumps Behauptungen, da stimme doch was nicht, standen alle gemeinsam wie eine Brandmauer gegen die Wirklichkeit. "Schwedische Medien kontern Trump - mit Fakten", schwurbelte das ehemalige Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", das in seinen besseren Zeiten Reporter nach Schweden geschickt hätte, um nachzuschauen. Nun aber froh war, Trump mit Hilfe des gewerkschaftsnahen schwedischen Blattes "Aftonbladet" der Lüge überführen zu können. Das, schon im Zweiten Weltkrieg ein verlässlicher Vertreter deutscher Interessen, wies nach, dass Waffengewalt in den letzten Jahren sogar zurückgegangen sei.

Kann es denn schöner kommen?  Mit einem schlag war die Achse Deutschland-Schweden gestärkt, die Demokratie verteidigt, Trump schlagend widerlegt und den Falschen das Wasser von der Mühle geleitet. Im Hamburger "Spiegel"-Hochhaus war man sich sicher, dass niemand in Deutschland schwedische Medien konsumiert, die seinerzeit schon den Verdacht äußerten, Idyllien verwandle sich gerade in Kollapsistan. Beim "Spiegel" beschlossen sie, dass die Widerlegung Trumps für alle Zeiten ausreichen muss. Schweden, die Handgranaten, die Toten, die Morde, sie kamen nun einfach nie mehr vor.

Beharrlicher Breichterstattungsboykott

Bis jetzt zumindest. Zum Leidwesen der deutschen Medien lässt sich der Bandenboykott mittlerweile nicht mehr durchhalten. Seit Trumps #lastnightinsweden hat der tägliche Terror einen Regierungswechsel bewirkt, Schweden veranlasst, jede Menge Gesetze zu verschärfen und die ähnlich wie Deutschland lange zur Verleugnung bestimmter Probleme neigende schwedische Gesellschaft zu einer so offener Worte gemacht, dass selbst die deutsche "Tagesschau" Mühe hatte, die "schwedische Epidemie" so wolkig zu umschreiben, dass das Wort "Integrationsproblem" hätte vermeiden werden können.

Nun, wo die Wirklichkeit erneut einen Sieg über die Behauptung feiert, ist auch der "Spiegel" wieder am Ball. Mittendrin statt nur am Zeitungsständer mit den schwedischen Postillen schreibt das Magazin von einer "Welle der Gewalt", wegen der "Schwedens Regierungschef das Militär gegen Bandenkriminalität einsetzen" wolle. Elf Tote in einem Monat sind allerdings kein Grund, übertrieben emsig nach Ursachen zu forschen, die ausschlaggebenden Milieus ins Visier zu nehmen oder nach den Tätern zu fragen. Beim "Spiegel", der ja völlig neu ist im Metier, geht es um "mutmaßliche Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten kriminellen Banden", das "kriminelle Foxtrot-Netzwerk, das im Zentrum der jüngsten Gewaltwelle" steht, und um "junge Männer oder Minderjährige", die sterben, dem Bericht zufolge zum Glück noch, ohne dass es Täter oder auch nur Vermutungen über mögliche Verdächtige gibt.

Die Zahnfee: Die Radikalisierung des Friedrich M.

Die Zahnfee der CDU: Mit seiner Gebissstrategie versucht sich Friedrich Merz an einer Wurzelnkanalbehandlung. Abb: Kümram, Aquarell, Wasserfarben

Man hatte ihn gewarnt. Aber nun hat er es doch wieder getan. Friedrich Merz geht auf der Suche nach künftigen Mehrheiten zwar Kompromisse ein, doch in der Regel nie den gesamten Weg zurück: Er prescht vor, zieht den Schwanz ein, entschuldigt sich zur Not auch mal. Setzt aber schon Tage oder Wochen später nach. Die "kleinen Paschas", die Aussage, dass es so nicht weitergehen könne, Regierungskritik, die Forderung nach einer Begrenzung der Zuwanderung - das "Zündeln", wie es die Süddeutsche Zeitung in einer Analyse nannte, gehörte schon immer zum "Mann mit den Schwefelhölzern" (SZ), von dem unvergessen geblieben ist, wie er schon damals, im Frieden, versuchte, die allseits beliebte Bundeskanzlerin Angela Merkel anzugreifen.

Neues Leben, neue Zähne

Seitdem ist nicht nur Friedrich Merz härter geworden, die Zeiten sind es auch. Wenigstens aber ist es leichter geworden, den politischen Gegner auf die Palme zu bringen. Dass sich viel Nochnichtsolangehierlebende nach ihrer glücklichen Ankunft in Deutschland  gern auch "die Zähne neu machen lassen", wie Merz jetzt behauptet hat, war schon schon kurz nach dem großen Asylkompromiss von 1992 Anlass, die Bezahlung von Krankenversicherungsleistungen für Nichtversicherte  an die "nach § 10 bestimmte örtlich zuständige Behörde zu delegieren, "in deren Bereich der Leistungsberechtigte nach dem Asylgesetz oder Aufenthaltsgesetz verteilt oder zugewiesen worden ist oder für deren Bereich für den Leistungsberechtigten eine Wohnsitzauflage besteht."

Das 30 Jahre später unbefangen auszusprechen gleicht dem Versuch, Schlagzeilen von vor fünf Jahren noch einmal mit Betonung vorlesen zu wollen. Damals drohte ein Zahnärztemangel, vor allem auf dem Land. Seitdem kamen knapp zwei Millionen potenzielle Patienten neu ins Land. Aber im selben Zeitraum ist es auch gelungen, dafür zu sorgen, dass "man beim Zahnarzt in der Regel problemlos einen Termin bekommt". In der Regel, wenn auch vielleicht nicht gleich. Wer das bestreitet, hetzt, denn erst "nach den ersten 18 Monaten des Aufenthalts werden Asylbewerber und Geduldete von den gesetzlichen Krankenkassen betreut". So dass sie auch erst dann Anspruch auf den vollen Leistungskatalog haben.

Zähne oder alle Zähne

Merz scheinen solche Fakten aber mittlerweile vollkommen gleichgültig zu sein. Früh hatten Faktenchecker dem CDU-Chef nachgewiesen, dass seine Aussagen gelogen seien, sobald man sie auch nur ein wenig drehe und wende. Zahnersatz werde gar nicht bezahlt, widerlegte das ZDF, was Merz nie behauptet hatte. Das teilstaatliche Portal T-Online erweiterte dessen Aussage von "die Zähne neu machen" auf  "alle Zähne neu machen" und hatte ihn sofort wieder bei einer Lüge ertappt. Auch die Illustrierte "Stern" musste nur "reihenweise" einfügen, um Merz als üblen Provokateur zu enttarnen. 

Bundesinnenminister Nancy Faeser habe recht, wenn sei Merz "erbärmlichen Populismus auf dem Rücken der Schwächsten" vorwerfe: "Asylsuchende werden nur behandelt, wenn sie akut erkrankt sind oder unter Schmerzen leiden." Niemand kommt der Zähne wegen, wies die SZ nach. Das zu behaupten, auch wenn Merz es nicht getan hatte, treibe der AfD noch mehr Menschen in die Arme. Bodo Ramelow, der scheidende thüringische Ministerpräsident, brachte es auf einen Punkt: Hätte Merz nicht gesagt, dass Zuwanderer zum Zahnarzt gingen, liefen nicht seit Jahren schon immer mehr Leute zum Rechtsextremismus über.

Das von der Frankfurter Rundschau seit Jahren geführte Sündenregister des Friedrich Merz  ist damit um einen Eintrag reicher. Lange, vielleicht allzu lange, haben ihm die demokratischen Wettbewerber, die unabhängigen Medien und selbst bis zu einem Drittel der Wählerinnen und Wähler seien Eskapaden zum rechten Rand noch verziehen. Zwinkernd aus einem komplizenhaften Einverständnis meinte so mancher, das sei nun eben Merz' Rolle. Der 67-Jährige habe nur noch bei der nächsten Bundestagswahl die Chance, sich den Traum vom Einzug ins Kanzleramt zu erfüllen. Und eben im Unterschied zum früheren Kanzler Gerhard Schröder oder dessen Nachfolgerin Merkel weder Bild noch Bams noch die Programmersteller für die Gemeinsinnglotze hinter sich.

Radikalisierung  im Sauerland

Doch allmählich bewegt sich der Sauerländer in ein Grenzgebiet, in das ihm womöglich von andauernden Asylkompromissen, stationären Grenzkontrollen, Schleierfahndung und der Beschwörung fortlaufender Überforderung genervte Wutbürger, nicht aber die entscheidenden Teile der politischen Klasse folgen werden. Wer sich dorthin begibt, das weiß jeder Volksvertreter, "muss die Sorgen der Bürger ernst nehmen" (FAZ), statt jeden, der Sorgen hat, als Opfer übler Einflüsterer abzutun. Friedrich Merz sieht sich wohl durch Umfragen in seiner gefährlichen Strategie bestätigt: Was die AfD gewinnt, verlieren SPD, Grüne und FDP, nicht aber seine Union. 

So ist anzunehmen, dass er in den nächsten Monaten trotz aller Kritik aus dem demokratischen Lager festhalten wird an seinem Kurs ins Abseits. Munition für die nächsten Salven auf die Brandmauer hat der frühere Blackrock-Manager und Einflüsterer, die ihm schon zur nächsten Ungeheuerlichkeit geraten haben. Merz könne doch sagen: "Wir haben über 300.000 Illegale und Ausreisepflichtige im Land, die den Steuerzahler Milliarden kosten, unseren Sozialstaat belasten und wirklich Schutzbedürftigen den Platz wegnehmen". Dann wäre aber erst was los.