Montag, 20. November 2017

Kohleausstieg: Wie man einen Bus verlässt, in dem man gar nicht sitzt

Um aus einem Bus auszusteigen, muss man erstmal drinsitzen. Anders verhält sich das offenbar bei der Braunkohle – um hier die Ausstiegstrompeten zu blasen, kommt es nicht darauf an, ob man jemals Braunkohle als Energieträger verwendet hat.


"Zwanzig Staaten verkünden den Ausstieg aus der Kohle“, jubelt es auch so, etwa in Richtung Angola, dessen heimische Energieindustrie sich nicht nur dadurch auszeichnet, dass sie unzuverlässig ist und das Land noch nie stabil mit Strom versorgen konnte. Sondern auch dadurch, dass sie zur Versorgung ausschließlich auf Gas- und Wasserkräftewerke setzt, die während der regelmäßigen Stromausfälle Unterstützung durch den Betrieb teurer Generatoren bekommen. 

Aussteiger, die nie drin waren


Da ist gut aussteigen aus der Kohle und begeisterten Applaus kassieren. Dachten sich wohl auch die Belgier, die die nur drei Braunkohlekraftwerke haben und den Großteil des benötigten Stroms mit zwei Atom- und einem Dutzend Gaskraftwerken erzeugen. Kurz entschlossen verkündeten auch sie einen Phantomausstieg aus einer Art der Stromerzeugung, die für Belgien bedeutungslos ist. Besser noch geht es den Fidschi-Inseln, die sich dem Ausstiegsbeschluss ebenfalls angeschlossen haben. Sie, die nie ein Kohlekraftwerk besaßen, dürfen danach weiter Wasserkraft mit Dieselverbrennung ergänzen – Diesel ist schließlich keine Kohle. Und auch Costa Rica bleibt der gute alte Diesel erhalten, ebenso den Marshallinseln, die traditionell ganz auf Diesel setzen.

Merke: Wo kein Kohlekraftwerk genutzt wird, lässt es sich prima aus der Kohlenutzung aussteigen, sogar von jetzt auf gleich und ohne Schmerzen.

Ausstieg mit Atomkraft


Die Welt, das weiß auch Emmanuel Macron, der französische Obama, verlangt nach entschiedenen Symbolhandlungen. Sofort hat deshalb erklärt, auch Frankreich werde aus Kohle aussteigen. Frankreich kann das, denn dank seiner übermächtigen Atomindustrie erzeugen Kohlekraftwerke nur vier Prozent des im Land verbrauchten Stromes. 80 Prozent kommen aus der Kernkraft, die Deutschland, das sich zu 40 Prozent mit Braunkohlestrom versorgt, zielgerichtet verlässt, weil die Sicherheit des deutschen KKW Phillipsburg niemals den hohen Standard des französischen KKW Cattenom oder die des grenznahen belgischen Meilers Tihange hätte erreichen können.

Hauptsache, raus aus der Kohle, auch wer nie drin saß.

Die Schweiz steigt so leichten Fußes aus der Kohle aus, die für die Energieerzeugung im Land sowieso nie eine Rolle spielte. Aber auch, wer doch, kann bei der Gelegenheit zum zweiten Mal ankündigen, dass er raus ist. Einmal ist kein Mal, wer zweimal aussteigt, ist der Retter der Welt, nicht mehr nur Vorreiter, sondern Vorbild. Dass die ursprünglichen Ankündigungen selbstverständlich längst Makulatur sind, weil es am ende doch gewisse Sorgen gibt, dass die Lichter ohne Kohle ausgehen, muss man ja - wie Neuseeland gerade zeigt - nicht dazusagen.

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