Zehn Prozent Einsparung geht immer, aber das Einsparvolumen wird immer kleiner. |
Die Idee ist uralt, jeder, der schon jemals mit einem der großen Beratungsunternehmen wie Deloitte, PricewaterhouseCoopers, KPMG oder McKinsey zu tun hatte, kennt die Zehn-Prozent-Regel. Egal, wie groß eine Firma ist, egal, in welcher Branche sie sich zu behaupten versucht, und egal, seit wann sie das tut und wie die Geschäfte gerade laufen: Zehn Prozent der Belegschaft lassen sich immer ohne Folgen entlassen, der Rest macht dann einfach mehr und entwickelt so im Regelfall nach den Maßgaben der marktwirtschaftlichen Ökonomik neue Innovationskraft und eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit.
Produktiver und zufriedener
Unternehmen werden so jünger, agiler und produktiver, von der Angst getrieben, in der nächsten Runde gehen zu müssen, schaffen weniger mehr und die Verbundenheit mit der Firma verstärkt sich im Kampf um das gemeinsame Ziel, höhere Gewinne zu machen, um die Sicherheit der Arbeitsplätze zu erhöhen. Kommt es dann zum sogenannten Zweitrundeneffekt, nachdem Unternehmensberater bei einer Evaluierung der ersten Entlassungsrunde festgestellt haben, dass problemlos weitere zehn Prozent der Belegschaft gegangen werden können, ist das Staunen oft groß: Erneut zeigt sich, dass die Folgen der Ausdünnung durchweg positiv sind. Mehr in Platz in Büros, mehr Verantwortung für jeden einzelnen verbliebenen Mitarbeiter, schlankere Strukturen, höhere Gewinne.
Das bewährte Prinzip konsequent auf den Überlebenskampf der Menschheit im Klimakrieg zu übertragen, gelang dennoch nie. Statt mit harten Zehn-Prozent-Minderungsquoten zu arbeiten, verständigten sich die Staaten immer wieder auf windelweiche "Klimaziele" in ferner Zukunft, deren Umsetzung nicht einmal durch bindende Fünf-Prozent-Sparpläne untersetzt war.
Erst die Zeitenwende durch den russischen Angriff auf die Demokratie und die dadurch bekanntgewordene Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Importen aus dem Aggressorstaat führte in Berlin zu einem Umdenken. Und ausgerechnet Robert Habeck, der als Grüner aus einer Partei kommt, die Effizienzgewinne aus Verschlankungsprozessen generell ablehnt, war es, der die Zehn-Prozent-Regel zur Anwendung im Energieverschwendungsbereich empfahl.
Faustformer zehn Prozent
Als "Faustformel" (Habeck) vermeintlich spontan mit dem Satz "zehn Prozent Einsparung geht immer" rührt der studierte Philosoph mit seiner Energiediätformel an gleich zwei Naturphänomene, die bis heute weitgehend ungeklärt sind. Einerseits ist da der Umstand, dass aller wirtschaftlichen Erfahrung der großen Beratungsunternhmen nach tatsächlich auch wiederholte Zehn-Prozent-Sparrunden nur sehr selten zum Zusammenbruch ganzer Firmen führen. Meist geht es auf niedrigem Niveau irgendwie doch weiter, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spuren besser, Vorgesetzte haben ihre kleiner gewordenen Läden besser im Griff, die Zahlen sehen gut aus und mit ihrer Hilfe lassen sich auch wieder Investoren finden.
Andererseits bleibt Fakt, dass selbst eine bis in alle Unendlichkeit fortgeführte Folge von Einsparrunden um je zehn Prozent nie zu einer sauberen Null führen wird. Es bleibt immer ein Rest - und noch schlimmer: Der Grenznutzen jeder einzelnen Diätmaßnahme sinkt. So rutscht der Energieverbrauch eines Landes mit einer kollektiven Anstrengung durch Heizungsherunterdrehen, weniger und langsamer Fahren, Haustiere abschaffen und Standby-Betriebe einstellen im ersten Anlauf von ehemals 100 Prozent auf nur noch 90. Kommt es wenige Wochen später aber zu einer Wiederholung der Aktion, bringt diese selbst bei vollem Erfolg nur noch 90 Prozent der Klima- und Russlandwirksamkeit der Premiere.
Mangels Masse
Mangels Masse können die runden zehn Prozent Erstrundeneffekt bei den absoluten Einsparzahlen auch in der Folge nie mehr erreicht werden. Selbst mit verdoppeltem oder verdreifachten Spareifer vermindern sich die Auswirkungen fortlaufend weiter. Habecks Rechnung, dass "zehn Prozent Einsparung immer" gehe, bleibt mathematisch wie volkswirtschaftlich richtig. Nur entsprechen die ersten zehn Prozent bei einem Energieeinsatz von 1.000 Gigawatt noch 100 Gigawatt. In einer der späteren Sparrunden aber liegt der noch vorhandene Energieverbrauch aber wegen der vorherigen Energiediätbemühungen nur noch bei 500 Gigawatt. Und ein Festziehen des Verbrauchsgürtels um weitere zehn Prozent bringt damit nur noch die Hälfte der ursprünglichen Energiesparmenge.
Die berauschende Schönheit der Zehn-Prozent-Idee von Robert Habeck liegt in ihrer überzeugenden Einfachheit, ihre Tragik im Umstand, dass aus Gründen der bis heute nicht überarbeiteten physikalischen Gesetze immer höhere Anstrengungen benötigt werden, um immer geringere Erfolge zu erzielen.
Jeder Mieter oder Hausbesitzer kennt das oder wird es in Zukunft kennenlernen: Dreht man den Thermostaten um zehn Prozent herunter, ergibt sich sofort eine beachtliche Einsparung von bis zu zwölf Prozent Energieeinsatz. Um aber auf eine Raumtemperatur von neutral Null zu kommen und 100 Prozent Ersparnis zu erreichen, reicht ein Herunterdrehen in Zehn-Prozent-Schritten unter den klimatischen Bedingungen in Deutschland nicht aus. Nötig ist hier je nach Jahreszeit sogar eine Kühlung des Raumes.
7 Kommentare:
Die regel galt doch schon in der DDR, bis nichts mehr ging.
Aus unseren Betrieben ist noch viel mehr rauszuholen. Anschließend holte sich die Treuhand die Filetstücke raus und ds war es dann gewesen.
OT
Bild über das jüngste Engagement eines Schauspielers
"Kevin Spacey spielt das Unschuldslamm"
Die EU-Kommission sitzt inzwischen an der Planung des siebten (!) Sanktionspakets – ohne auch nur einmal zu verifizieren, ob diese Methode denn die erwünschte Wirkung erzeugt. ---------------------------------------------------------------------------------
PIPI nu wieder. Die gewünschte Wirkung wird durchaus erzeugt. Nur müßte man halt wissen, was denn eigentlich die gewünschte Wirkung sei.
Die Energiespartipps liegen fertiggeschrieben in den Ordnern, man muss bloß jeweils das Datum und die Namen anpassen.
Energiespartipps bei Fefe, der kennt sich aus.
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https://blog.fefe.de/?ts=9c311339
Im Moment gehen ja wieder Investitionen in Atomstrom hoch, jedenfalls in anderen Ländern. Hier ist ein Beispiel aus Kanada. Bemerkenswert daran ist meiner Meinung nach, WIE teuer Atomstrom ist ...
Auch bemerkenswert ist, dass sie 300 MW für einen "kleinen, modularen Reaktor" halten. Ein regulärer Block im AKW Greifswald liegt bei 400 MW.
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Ich hingegen finde bemerkenswert, daß der Coder immer noch dumm wie grünes Brot ist. Was ich noch bemerkenswert über andere Länder finde, das verrate ich nicht. Es ließe den Computerjunkie in schlechtem Licht erscheinen.
Den Gürtel engerschnallen? Das führte zu mancherlei Vorschlägen, bei wem damit anfangen.
>Es ließe den Computerjunkie in schlechtem Licht erscheinen.
Das wollen wir nicht. Stattdessen sollte er nach Kanada fahren und die Atomingenieure darüber belehren, dass 300MW Leistung einen modularen Betrieb nach seiner weisen Ansicht ausschließen, wegen Greifswald und so.
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