Mittwoch, 24. Dezember 2025

Fröhliche Weihnacht allen Lesern!

Auf so manchem Gabentisch darf auch wieder Wehrwilligkeitsspielzeug liegen. Doch Experten empfehlen, Holzpanzer zu verschwenken.

Angesichts all des Unfriedens in der Welt, angesichts der Kriege in unserer Nähe, ist das Wort ‚Und Friede auf Erden‘ in diesem Jahr ganz sicher Millionen von Menschen besonders tief ins Herz gedrungen. 

Es weckt unsere Wünsche und ist Teil unserer Sehnsucht. Und wir spüren: Dieses Wort vom Frieden, es meint uns. Es sucht unseren Mut, unsere Verantwortungsbereitschaft, auch unsere Weisheit und unsere Fähigkeit, Mitmensch zu sein.

Denn wir wissen: Friede auf Erden will erst noch werden. 

Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Weihnachtsansprache in den Zeiten der Unsicherheit, 2016

Weihnachten in Familie: Die geheimen Jahre des Jesus Christus

In seiner kleinen Werkstatt in Nazareth baute der junge Zimmermann Jesus unter anderen die Bundeslade, damals gedacht als Weihnachtsgeschenk an seinen Stiefvater Josef.


Ein kleines Dorf im heiligen Land, abgelegen, nicht angebunden an die großen Handelsrouten und als Teil des länlichen Hinterlandes von den Bewohnern der Metropolen beargwöhnt und verspottet. Ein junger Mann, kräftig gebaut, sportlich und voller Spannkraft, mit sztarken Händen, die auch so sanft sein können. Sie mögen ihn in seinem Heimatdorf, diesen Jesus, der noch nicht den Beinamen von Nazareth trägt, weil in Nazareth jeder der 300 oder 400 Einwohner Nazarether ist.

Schwirrende Gerüchte 

Und sie alle sind Nachbarn, die zusammenhalten, sich nicht spalten lassen und den Sohn des Zimmermanns Josef behandeln wie einen der Ihren. Obwohl Jesus nicht in Nazareth geboren wurde. Obwohl Gerüchte herumschwirren, dass Josef nicht sein richtiger Vater ist. Und obwohl seine Mutter Maria ihren Josef erst geheiratet hat, nachdem ihre Schwangerschaft nicht mehr zu übersehen war. 

Es ist in dieser Familiengeschichte aus jener längst vergangenen Zeit vor 2000 Jahren viel herauszulesen über Menschen, Zivilisationstugenden und Social-Media-Effekte. Vor allem aber ist zu erkennen, welche Geheimnisse die großen Kirchen, das bigotte Papsttum und auch die wissenschaftliche Theologie samt der Historiker und Archäologen vor den Blicken der Menschheit zu verstecken versuchen.

Die Geschichte eines Kindes 

Die Geschichte eines Kindes, das in einer Patchwork-Familie behütet heranwuchs. Die Geschichte eines anstelligen, fleißigen Handwerkers, der zeitlebens wenig Aufsehen von sich machte. Und die Geschichte eines Predigers, Propheten und Märtyrers, dem sein früher Tod einbrachte, was er nie hatte haben wollen: Den Ruf eines Heiligen. 

Als er starb, war Jesus bekannter als die meisten Menschen, berühmter sogar als John Lennon und die anderen Beatles. Die Tage von Jerusalem, in denen sich seine Martyrium abspielte, sind in Gänze erforscht, Minutiös haben sich Generationen von Mönchen, Detektiven der Glaubenskongretgation und  Naturwissenschaftler über Jesu' Leichentuch gebeugt, sie haben Holzsplitter und Knochenstückchen analysiert und nach der Grabhöhle gesucht. 

Ein Gottessohn auf Erden 

Ähnlich verhält es sich mit den ersten Stunden und Tagen, in denen der Gottessohn auf Erden weilte. Elisabeth, die Mutter von Johannes dem Täufer und eine Verwandte von Maria, verkündet die Ankunft Jesu schon, als Maria von der "Heimsuchung" (Lukas 1) noch nichts ahnt. Elisabeth aber spricht aus, dass Maria die Mutter des Sohnes des Herrn wird und sie weiß, dass "das Kind in ihrem Leib vor Freude hüpft". 

Es folgt die Episode mit den drei Königen, die Geburt im Stall, die Reise nach Afrika und die Rückkehr nach Hause, in ein besetztes Land. Judää, viele, viele hundert Jahre später in "Palästine" umgetauft, wird damals von der Legio X Fretensis beherrscht, einer  römische Legion, die als ihren Namen der Straße von Messina verdankt und unter Titus später Jerusalem erobern wird. 

Nebel über den Kindheitstagen 

In den Kindheitstagen des jungen Jesus liegt dieses Geschehen noch in weiter Zukunft. Die Lage im Heiligen Land ist einfach: Unter der Knute des europäischen Imperiums herrschen Hader und Streit, ein Glaubenkrieg brodelt im Verborgenen und eine gewisse Unruhe macht sich Luft, als der Kaiser zu einer Volkszählung auffordert. Wie viele Jahre später in Deutschland kommt es zu Protesten, ehe die Bürgerinnen und Bürger sich dem Verlangen der Obrigkeit doch beugen. 

Nur weil alle Welt geschätzt werden soll, um höhere Steuern erheben zu können, wird das Jesus-Kindlerin in Bethlehem geboren, nicht im Hinterwäldlerkaff Nazareth. Nur weil der weg dorthin weit und die Verkehrsinfrastruktur beklagenswert schlecht ist, trifft die kleine Reisegruppe unterwegs die drei als "Könige" oder "die Weisen aus dem Morgenland" bekannten Caspar, Melchior und Balthasar, die dem Kind in der Krippe eine große Zukunft weissagen und ihn mit Gold, Weihrauch und Myrrhe beschenken.

Drei Zauberer und ein Baby 

Das Bemerkenswerte an der Biografie dieses Jesus, einem in der Wiege liegenden Baby, das drei offenbar angesehene Experten als "neugeborenen König der Juden" bezeichnen, ist die Geschwindigkeit, mit der diese Vorschusslorbeeren anschließend verwelken. Eben noch behaupten die drei Mágos-Zauberer, sie hätten "seinen Stern aufgehen sehen". 

Doch schon mit dem nächsten abenteuerlichen Kapitel endet der erste Teil der Erfolgsgeschichte: Stiefvater Josef erscheint im Traum ein Engel des Herrn, der ihm einredet, er müsse mit dem Kind und seiner Mutter nach Ägypten fliehen, weil König Herodes den kleinen Jesus aus Neid auf dessen Stern töten wolle. 

120 Kilometer in einer Nacth 

Josef zögert nicht lange. Noch in derselben Nacht, so heißt es in der Bibel, legt er die die 120 Kilometer bis nach Ägypten zurück, Frau und das kostbare Kind im Schlepptau. Erst als Herodes stirb, kann die Familie zurückkehren. Doch so viele Details auch über Jesus' Geburt bekannt sind - wie lange die Flucht nach Ägypten, Jesus' Aufenthalt in Afrika und der Rückmarsch nach Nazareth dauerte, verrät keine Quelle (Mt 2,19–23).

Wie das Leben des Gottessohnes und Königs der Juden den Zeitgenossen überhaupt vollkommen aus dem Interesse geriet. Kaum eine Notiz findet sich in den Unterlagen, die die Kirche eifersüchtlig hütet. Jesus von Nazareth, so genannt, obwohl er ja aus Bethlehem stammt und aus Afrika nach Nazareth gekommen war, führte ein unauffälliges Leben. Als Kind sorgte er ein einziges Mal für Aufregung: Bei einem Tempelbesuch im zwei Tagesmärsche entfernten Jerusalem sei er seinen Eltern entwischt. Statt mit Hause zu laufen, berichtet Lukas 2,41–52, habe der Zwölfjährige mit den Gelehrten im Tempel diskutiert. 

Verrückt vor Sorge 

Drei Tage lang bleibt Jesus verschollen. Josef und Marie müssen verrückt vor Sorge gewesen sein, aber nicht besorgt genug, um den Heimweg nach Nazareth nicht ohne das Kind anzutreten. Jesus wird schließlich gefunden. Er entschuldigt sich nicht für den Ärger, den er verursacht hat, denn für ihn ist die Lage klar: "Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?". Im Buch Lukas, der einzigen Quelle, die über die Jahre von Jesus Christus als Kind, Teenager und junger Mann berichtet, vermied der Heranwachsende jedoch danach ähnliche Aktionen."Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und Gnade bei Gott und den Menschen", steht bei Lukas 2,52 geschrieben.

In  den Jshrzehnten danach verliert sich Jesus' Spur. So viele Details auch über die wunderbare Geburt des Gottessohnes überliefert worden sind, so groß ist die Lücke, die in den Berichten über die formativen Jahre des späteren Propheten und Wanderpredigers klafft. Über die Zeit, in der aus dem offenbar neugierigen und sich seiner Mission früh bewussten Jungen ein kräftiger junger Mann wird, felhen alle Belege. Niemand scheint ihn damals beobachtet zu haben, kein Chronist befand es für wert, aufzuschreiben, wie "König der Juden" groß wurde.

Ein unauffälliger junger Mann 

Stellte er sich smart an in der Schule? War er verliebt in eine Nachbarstochter? In einen Jungen? Gar verpartnert oder verheiratet? Welchem Geschlecht fühlte er sich angehörig? Lasen ihn Freunde und Bekannte als Mann oder Frau oder als trans Person? Jesus vermied alles Aufsehen. Sicherlich stellte er sich gechickt an in seinem Handwerk als Zimmermann, doch ein Meister seines Faches kann er nicht gewesen sein. 

In Markus 6,3 etwa loben die Leute aus Nazareth ihn nicht wegen seiner fein ziselierten Tische, seine schönen Truhen und hübschen Balken. Nein, in Matthäus 13,55 heißt es "Ist das nicht des Zimmermanns Sohn?" – Jesus wird allein auf seine Rolle als Josephs Junge reduziert. Auch bei anderer Gelegenheit sprechen Besucher über Jesus als "der Zimmermann", der doch "der Sohn der Maria und Bruder des Jakobus und Joses und Judas und Simon" sei.

Baustellen statt Bürgergeld 

Das legt nahe, dass Jesus zwar als Handwerker bekannt war - ein Tekton, wie er genannt wurde. Vorwürfe, er sei einer der ersten Bürgergeld-Empfänger gewesen, genährt von fehlenden Steuerunterlagen und allen Hinweisen auf Baustellen im heiligen Land, ann denen er tätig war, dürften jeder Grundlage entbehren. 

Keines der vier kanonischen Evangelien des Neuen Testaments liefert Hinweise darauf, dass Jesus in seinen 18 "versteckten Jahren" als Handwerker nicht fleißig war und seinem Vater, der Mutter und den Geschwistern half, ein Leben zu führen, wie es damals in der hart arbeitenden Mitte der Gesellschaft üblich war. Jesusens waren gut situiert, Ziehvater Joseph war such als Handwerker tätig, vermutlich selbständig und so zufrieden mit seinem Beruf, dass er seinen angenommenen Stiefsohn anlernte und ausbildete. 

Viele Jahre ohne Schlagzeilen 

Mindestens 15 Jahre lang schlug sich Jesus wohl als Zimmerer durch, unauffällig, ohne Schlagzeilen zu machen. Historiker wie Robert Van Voorst und John Dominic Crossan sind der Überzeugung, dass Jesus ein einfacher, arbeitender Mensch war, der sich mit dem Alltag der unteren Schichten identifizierte.  Ein Rätsel ist es bis heute, was ihn dazu trieb, dieses einfache, aber ehrliche Leben gegen Ende seiner Zeit als Twen aufzugeben. 

War es die Erinnerung an die Prognose drei vermeintlichen "König"? War es, wie apokryphe Schriften behaupten, die Taufe durch Johannes den Täufer im Jordan? Oder der Gedanke, dass der glückliche Zufall einer Geburt im Stall eine kaum zu übertreffende Vorlage für ein Leben als Legende bietet? 

Ohne Hilfe einer Hebamme

Keine glatte Hausgeburt, geschweige denn ein Kaiserschnitt in einem Krankenhäuser der römischen Besatzer hätte Jesu' Geschichte vom einen ähnlich mystischen Anstrich geben können wie die von seiner Ankunft in der Welt unter fürchterlichen hygienischen Bedingungen, ohne Hilfe einer Hebamme, geboren von einer alleinstehenden Frau, die nicht nur religions- sondern auch Biologiegeschichte schreibt, weil sie gebärt, ohne je von einem Mann berührt worden zu sein.

Jesu' Gründe sind ein Geheimnis, seine Tricks sind es auch. Der junge Mann, dem es viele Jahre gereicht hatte, Häuser und einfache Hütten zu bauen, Tische zu zimmern und Garderobenhaken, entdeckt sein Talent, Essen und Getränke herbeizaubern zu können. Er füttert große Menschenmengen und sammelt ein treues Gefolge um sich. Er predigt Liebe und verbreitet - aus der Sicht der Herrschenden - Hetze, Hass und Regierungskritik. 

Heiland und Störenfried 

Ein Heiland für die einen. Ein Revolutionär für andere. Ein Störenfried und Leugner der Macht Roms. Die wenigstens Menschen, denen die abgerissen gekleidete, aber sauber gewaschene Gestalt unterwegs begegnet, lieben den ruhelos durchs Land ziehenden Tekton, der jetzt nicht mehr Schrönke baut, kleine Bundesladen und Kniehocker. Sondern das eigene Königreich, das ihm versprochen worden war.

Es war wohl eine richtige Entscheidung. All die Türen, Fenster, Pflüge, Jochen und Möbel, die Jesus in seiner Werksztatt gefertigt hat, sind längst vergangen und vergessen.  Kein einziges Artefakt aus seiner Tischlerzeit hat sich erhalten, kein Gebäude hat die beinahe 2000 Jahre seit seinem Berufsstart überstanden. 

Ganz anders sieht es aus mit den Spänen, die Fans und Freunde des Messias vom Kreuz schabten, an das ihn die um ihre Macht fürchtenden Itaiener nagelten. Wissenschaftlichen Berechnungen zufolge übertrifft das Gewicht aller nachgewiesen echten Splitter von diesem Marterpfahl das aller Bäume im Forstgutsbezirk Sachsenwald. 

Dienstag, 23. Dezember 2025

Parteien des Jahres: Grüner die Glocken nie klangen

Robert Habeck, Grüne Krise, Bundestagswahl 2025 Grüne, Ricarda Lang Comeback, Grüne Parteiführung, Habeck Niederlage, Bündnis 90/Die Grünen Umfragen.
Der Bündniskanzler nahm die Zuversicht am Wahlabend mit. Danach hieß es: Kein Mensch mehr und kein Wort.


Das Jahr 2025 war nicht nur ein Jahr der Unsicherheit, der Neuordnung der Meinungslandschaft und der Aufkündigung alter Freundschaften. Es war auch ein Jahr der alteingesessenen Parteien, die bewiesen, dass in einer Demokratie nicht alle Stimmen gleich viel wiegen. Um die Handlungsfähigkeit des Staates in einer Zeit multipler Herausforderungen zu sichern, haben die Parteien wichtige Schritte unternommen, um ihre Position als Herz, Kopf und Gesicht der Demokratie zu festigen.  

Eine Brandmauer stärkt die innere Stabilität. Neue Allianzen über die alten ideologischen Gräben hinweg haben Vertrauen zurückgewonnen. Neue Leute reagieren mit bewährten Maßnahmen auf Veränderungen, die sie oft selbst nicht verstehen. Lager sind zerfallen. Wer eben noch Mitte war, ist heute schon rechts. Die gewachsene Bedeutung der Parteien hat die traditionelle Demokratie umgestaltet zur modernen Parteiendemokratie. 

Die liefert Democracy at its best. Parteienzentralen sind heute das Rückgrat des Systems, doch wie der Blick ins zurückliegende Jahr zeigt: Zu ihrem Besten ist das nicht.

Niedergeschmettert. Entkernt. Ausgehöhlt. Ernüchtert. Um 18 Uhr am Abend der Bundestagswahl im Februar endete eine Ära. Es war Zeitenwende bei Grünens daheim. Brachial war eine Gesellschaftsvision mit einer Gesellschaft kollidiert, die wirklich existiert. Der Traum prallte auf die Wirklichkeit.  

Der "Bündniskanzler", im Wahlkampf strenger Klimawirtschaftsminister und frecher Pirat zugleich, hatte dem gewendeten Zeitgeist noch ganze 11,6 Prozent abringen können. Mehr als drei Prozent weniger als seine Spitzenkandidatenvorgängerin in ihrer skandalumwitterten Kampagne drei Jahre zuvor zustande gebracht hatte.

Die großen Lehrer der Völker 

Er war nicht der Erste, der das nicht überstand. Die Geschichte ist voll von großen Lehrern der Völker, denen die Klasse schließlich den Stuhl vor die Tür stellte. Doch wie all die Lenins, Maos und Maduros, die Honeckers, Castros und Titos am Ende ihrer Tage entsetzt feststellen mussten, dass die Massen nie wirklich überzeugt und begeistert hatten, so stand auch Robert Habeck unversehens inmitten einer Welt, auf die ihn die heiligen Wahlkampfmessen im Kreise seiner Gläubigen nicht vorbereitet hatten. 

Aus "Ein Mensch, ein Wort" wurde im Handumdrehen "Ein Mensch, kein Wort". Die Abschiedsworte des Hoffnungsträgers aus Henkendorf hatten Hollywoodhöhe. "Bleibt dabei, behaltet den Mut, eure Kraft und Zuversicht", richtete der geschlagene Held die Truppen auf, "das braucht unser Land, das braucht die Welt vielleicht mehr denn je." Sein munteres "bis bald" verklang. Ein letzter Gruß, ehe die noch von ihm selbst handverlesenen Erben übernahmen.

Jeder Vierte wandte sich ab 

Sie fanden eine Partei vor, die wie alle anderen zu einem Kanzlerwahlverein umgeschmiedet worden und mit ihrem Heilsbringer untergegangen war. Die Botschaft vom glückbringenden Schrumpfen, von kostenloser Transformation und grünem Wachstum, die Annalena Baerbock noch so gern abgekauft worden war, sie hatte trotz Habecks deutlich mitreißender Erzählung keine zusätzlichen Anhänger gefunden. Im Gegenteil. Die strahlende Zukunftsvision hatte ein knappes Viertel der Begeisterten abgeschreckt. 

Für eine Partei, die sich im Besitz der einzigen zulässigen Wahrheit wähnt, sind das erschütternde Nachrichten. Für eine Parteiführung aber, die sich bis dahin hinter den beiden Menschenfängern auf den Plakaten verstecken konnte, ergeben sich daraus unlösbare strategische Konflikte. das Gute daran, man ist Übervater und Übermutter mit einem Schlag los. Das Schlimme aber: Sturmfrei heißt nicht nur endlose Party, sondern auch selbst einkaufen, saubermachen, eigene Finanzplanung und niemand, der einen morgens aus dem Bett scheucht.

Abgesang an eine Ära 

Wie bei den übrigen Parteien steht es auch bei den Grünen, über Jahrzehnte die jüngste und agilste der deutschen Parteien, schlecht um den Nachwuchs. Das, was Robert Habeck noch mit eigener Hand in den Maschinenraum gesetzt hatte, erwies sich binnen weniger   Stunden als untauglich, das lecke Schiff zu steuern. Felix Banaszak, ein Habeck für Arme, ist nett, aber unbedarft. 

Seine Kollegin an der Parteispitze, eine Frau namens Brandtner, ein Schatten ihrer Vorgängerinnen, aber ein unsichtbarer. In der Fraktion sieht es nicht besser aus. Katharina Dröge, wie der Name schon sagt. Britta Haßelmann. Auch da kommen zwei entscheidende Probleme, gerade von den Grünen vielthematisiert, der Gegenwart im Namen zusammen. 

Ungezielte Rundumschläge 

Wo sich erfolgversprechend platzieren in einer Welt, die urgrüne Ideen wie den Energieausstieg immer energischer ablehnt? Und Verboten wie Steuern, den beiden Zügeln grüner Regierungskunst, zunehmend skeptisch gegenüberstehen? In den ersten Wochen nach dem Aufschlag in der Realität einer Republik, in der mehr als 88 Prozent der Wählerinnen und Wähler glauben, auf die Grünen verzichten zu können, versuchte es die neue Führung mit ungezielten Rundumschlägen.

Banaszak verhöhnte Merz, Dröge beschimpfte Söder, Haßelmann ging mit dem Begriff "KleiKo" hausieren, die sich die Wahlkampfstrategen der Partei als rufschädigende Bezeichnung für die neue Kleine Koalition aus SPD, CDU und CDU ausgedacht hatten. Genauso hatten Rechte, Konservative und Linksradikale in den 20ern Jahren auch Friedrich Ebert und die junge deutsche Demokratie verächtlich gemacht.

Niemand macht mit 

Zum Glcük machte niemand mit. Der bösartige Versuch, eine Regierung schon vor ihrem ersten Tag im Amt zu beschädigen, fruchtete nicht. Kein ernsthaftes Medium stieg ein. Nicht einmal die Blätter, auf die sich die Bundesgeschäftsstelle immer hatte verlassen könne, wollten nach dem Machtverlust weiter mitmachen. Die Grünen aber mussten: Dieselbe Bundesregierung, der eben noch faschistische Tendenzen vorgeworfen hatten, statteten sie mit hunderten von Milliarden aus. Demselben Kanzler, dem sie nachtragen, die klugen Ideen ihres Bewerbers um das Spitzenamt immer torpediert zu haben, kreiden sie nun an, dass er die Ideen seines gescheiterten Konkurrenten Punkt für Punkt umsetzt.

Politische Überlebenslogik heißt, immer zuerst auf die Partei zu schauen, dann erst aufs Land.  Dieselbe politische Überlebenslogik erfordert aber auch, es immer danach aussehen zu lassen, als schaue man zuerst aufs Land und danach erst auf die Partei. Die Grünen wirkten im Verlauf des Jahres zunehmend, als seien sie weder zu dem einen noch zu irgendetwas anderem in der Lage. Banaszak funktionierte nicht als Sympathieträger. Audretsch nicht als Einpeitscher. Brandtner, Dröge und Haßelmann nicht als Mischung aus Flintenweib und Jeanne d'Arc. 

Hass schüren oder Anpassen 

Auch zwölf Monate nach Habecks Kopfsprung in eine Wahlkampagne, die der große Egomane mit seiner Partei weder besprochen noch gar abgestimmt hatte, steht Bündnis90/Die Grünen inhaltlich noch ebenso entleert da. Gleichzeitig aber herrscht Uneinigkeit darüber, welche Medizin wohl am besten gegen die eigene Unbeliebtheit zu verabreichen wäre. Hass auf den Gegner schüren und ihn bezichtigen, alle klugen Ideen aus dem eigenen Parolenschrank gestohlen haben, hat die eigenen Umfragewerte bisher nicht einen einzigen Millimeter nach oben bewegt. Die Androhung höherer Steuern hat nicht geholfen, die Aussicht, dass der Wohlstand noch schneller abgebaut werden könnte, brachte keine Wende.

Auch die noch von Habeck verfügte Rückkehr in die "rechtsradikale Jauchegrube" (SZ) der Musk-Plattform X  legte mehr Probleme offen als sie zu bewältigen half: Die komplette aktuelle Parteispitze kommt dort, wo "die Stimmen der Vernunft fliehen" (SZ), zusammen nicht auf so viele Follower wie die frühere Parteichefin Ricarda Lang allein bespaßt, indem sie Trump einen "narzisstisch gestörten Widerling" nennt und ihre Überzeugung teilt, dass "wir gerade das Ende vom Ende der Geschichte erleben".

Zwischen Parlament und Lesereise 

Die ehemals mit ihrem Körper vollkommen zufriedene Frau aus Filderstadt schwebt wie ein ungeheurer Schatten über ihren Nachfolger*innen, wie sie im Parteisprech heißen. Lang ist nur noch einfache Abgeordnete, die zehrende Tätigkeit mit dem ständigen Pendeln zwischen Parlamentssaal, Ausschüssen, Wahlkreisbüro und Privatleben lässt ihr gerade so genug Zeit, nebenbei Bücher zu schreiben und auf Lesereisen zu gehen. Ricarda Lang hat es dennoch geschafft, die beiden Spitzenfunktionäre Haßelmann und Audretsch bei den Talkshowauftritten zu überflügeln. Seit sie nicht mehr Parteivorsitzende sei, sagt die 31-Jährige, trete sie kürzer.

Lang ist jung, sie hat sich in Schwung gebracht, sie hat abgenommen und sich Gedanken gemacht, wie Grünsein wieder populär werden könnte. Die überernährte Aufsteigerin, die aus dem wenigen, was sie an Lebenserfahrung hatte sammeln können, versucht hatte, eine Lebenslaufbahn zu machen, ist eine gewiefte Taktikerin geworden. Ricarda Lang hält sich vorerst nur im Gespräch, sie spielt die unideologische Grüne, die sich von keinem Tabu  daran hindern lässt, die Wahrheit auszusprechen.

Sie wartet auf den Neuanfang 

Lang weiß, dass ihre Stunde erst kommt, vermutlich schon in nächsten Jahr. Wenn die Landtagswahl in Baden-Württemberg in die Hose geht, die in Rheinland-Pfalz ins blaue Auge und es in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nicht zum Parlamentseinzug reicht, könnten die ersten Stimmen laut werden, die nach einer Erneuerung an der Parteispitze rufen.

Cem Özdemir, das Gesicht der Wahlniederlage in Wahl Baden-Württemberg, kommt nicht in Betracht. Eher schon Annalena Baerbock, deren Anschlussverwendung als Sitzungsleiterin bei den Vereinten Nationen im September endet. Auf jeden Fall aber steht Ricarda Lang bereit, frisch und dynamisch und ideologisch mittlerweile auf Gelenkigkeit trainiert.

Angriff der Altvorderen 

Um den Angriff der Altvorderen abzuwehren, müssen ihre Nachfolger sich entscheiden: Sind mehr Wähler zu erreichen, wenn die Grünen ihren Markenkern polieren? Und trotzig an der Behauptung festhalten, die Klimakatastrophe sei das größte Problem der Gegenwart und ehe Deutschland nicht dafür gesorgt habe, dass sie gelöst werde, müsse über alles andere nicht diskutiert werden? Oder bringt es die guten alten Zeiten als Fast-Volkspartei schneller zurück, wenn man das Klimathema für erledigt erklärt wie Greta Thunberg? Und wie Linkspartei und SPD behauptet, man müsse nur ordentlicher umverteilen, damit es niemandem mehr an nichts fehle?

"Ein Blick zurück, ein Blick nach vorne!", hat die derzeitig noch amtierende Parteiführung ein Strategiepapier genannt, dass den Stolz, das Land drei Jahre regiert zu haben, nicht leugnet. Britta Haßelmann und Katharina Dröge gestehen aber zugleich ein, dass "es in Deutschland aktuell keine Mehrheit für eine progressive Politik gibt". Warum auch immer, seis drum, nach gründen zu suchen istt brotlose Kunst. "Jetzt ist keine Zeit für Pessimismus", heißt es da und ja, der Osten, um den Parteichef Banaszak an einem selbstgebauten "Fenster zum Osten" kämpft, kommt auch vor: Zweimal. Im Wort "HeizkOsten".

Das Jahr ohne Sommer: Mai der Sehnsucht

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In diesem Mai blüht Deutschland auf. Bis zum Sommer, verspricht der neue Kanzler, werde ein Stimmungsumschwung das Land wie neu machen.

You've got troubles on your own, no need to face them all alone
We can all swing together, my oh my
 
James Lea und Neville Holder, 1983

Es war ein Jahr zum Vergessen und vielen gelang das außerordentlich gut. Der neue Kanzler wusste schon nach Wochen nicht mehr, was er versprochen hatte. Seine Hilfstruppen von der SPD hatten verdrängt, dass sie wiedermal eine Wahl verloren hatten. In der Welt draußen wendete sich einiges zum Besseren. Deutschland aber blieb mit klarem Kompass auf Kurs. 

Der Rückblick auf 2025 zeigt zwölf Monate, die es in sich hatten. Nie mehr wird es so sein wie vorher.

Der Wonnemonat. Das erste Aufblühen. Die Befreiung nach zwei dumpfen Jahrzehnten Bräsigkeit und Kleinmut. Kaum ist der sechste Monat nach dem Zerbrechen der Ampelkoalition angebrochen, stellt sich Deutschland völlig neu auf. Mit Friedrich Merz und Lars Klingbeil schwören zwei Macher den Amtseid, die sich als Retter sehen. Wie hat alles nur so weit kommen können? Wer ist verantwortlich dafür, dass ein ehemals blühendes Land verluderte und vergammelte?

Frische Männer braucht das Land 

Auch die beiden frischen Männer in Kanzleramt und Finanzministerium wissen es nicht zu sagen. Es ist auch vergossene Milch. Merz und Klingbeil, Wadephul, Pistorius und Bas, sie alle sind angetreten, es endlich besser zu machen. Alles bleibt, wie es war. Niemandem wird es schlechter gehen, vielen aber wieder besser. Bei den traditionellen Maikundgebungen in Berlin, zu denen der DGB wie gewohnt die Reste der revolutionären Arbeiterbewegung karrt, offenbart SPD-Chef Lars Klingbeil seine Vision für die hart arbeitende Mitte. 

Keine Beitragserhöhungen, keine Kürzungen, einfach ein Land, das funktioniert. Der "Hüne mit Rocksänger-Vergangenheit", wie ihn eine Illustrierte nennt, distanziert sich vom Kurs seiner Partei und auch er verspricht Reformen, diesmal welche, die selbst die Mathematik überlisten werden.

Begehrlichkeiten durch frische Billionen


Immer mehr rein in die Steuerkasse, aber immer noch mehr raus. Wie jeder Familienvater, der die Begehrlichkeiten seiner Schutzbefohlenen im Zaum zu halten hat, muss auch die neue Koalition bremsen. Die gewaltigen Sondervermögen, Geld ohne Aggregatzustand, geborgt von Generationen, die noch nicht einmal auf der Welt sind, wecken Begehrlichkeiten. Und sie bremsen jeden Reformeifer. 

Mit dem Handelsstreit, den US-Präsident Donald Trump losgetreten hat, findet sich ein neues Argument, warum vieles gerade jetzt nicht geht. Die Lage ist gespannt, einmal mehr steckt Deutschland in der schwierigsten Situation seit dem Mauerbau. Deren Abriss war nur vorübergehend. An die Stelle des Ulbricht-Bauwerks ist eine sinnbildliche Mentalmauer getreten. Hinter der steckt ein Viertel der Bevölkerung fest, Ewiggestrige, die eben noch gegen die Impfpflicht waren und nun die russische Gefahr verharmlosen. 

Verrat der Jugend 

Ausgerechnet die Jugend und ausgerechnet die weibliche enttäuschen ihre Eltern, lehrer und die Macher von KiKa und Maus. In Sachsen explodiert der "Ostmulle"-Trend auf TikTok. Im Fahrwasser der linken Influencerin Heidi Reichinnek lypsincen junge ostdeutsche Frauen zu Hardtekk und Rechtsrock, umrahmt von Pegida-Flaggen und Lorbeer-Tattoos. Es fallen alle Schamgrenzen. Große Medienhäuser  wie "Die Zeit" feiern den Aufstand der in der Genderdebatte Vergessenen als den von "tribalen Underdogs", die einzig von der Sehnsucht beseelt seien, gesehen zu werden.

So macht das die moderne Rechte. So unterläuft die gefürchtete AfD-Propaganda die Demokratiefilter der großen Rundfunkanstalten. Es mangelt aber auch auf der anderen Seite des Spektrums an Respekt vor den Institutionen des demokratischen Rechtsstaates. Jette Nietzard, eine erst seit kurzem amtierende  Vorsitzende des grünen Nachwuchsverbandes, löst mit einem Pullover, der zum Hass auf die Polizei auffordert, eine Medienhysterie aus, die der um die Syltsänger ein Jahr zuvor kaum nachsteht.

Eine Feier der ostdeutschen Ignoranz der westdeutsch dominierten Meinungslandschaft. "Zeit"-Reporter reisen ins tiefste Hinterland der ostdeutschen Ödnis und notieren Beobachtungen über Nasenringe und Bionade. Winfried Kretschmann, der große, stille alte Mann der Grünen, warnt mit Blick auf die Affäre Schmidt: "Der Rechtsruck bedroht uns."

Staatsbegräbnis für das Klimageld 

Merz macht es den erklärten Feinden der in der Verfassung festgeschriebenen vertrauenwürdigen Parteien der Mitte aber auch leicht. Das Klimageld, die über Jahre immer wieder vorgezeigte Wurst für alle, die fleißig CO₂ sparen, muss zugunsten anderer wichtiger staatlicher Investitionen gestrichen werden. 18,5 Milliarden Euro aus dem Verkauf von sogenannten Emissionsrechten an die Bürgerinnen und Bürger, sollen nun Brücken sanieren und Wohnungen bauen. Lisa Badum, auch sie eine junge, engagierte Grüne wie Nietzard, lobt: "Der Staat investiert besser als der Bürger – aber für Krieg?" dahitler steht natürlich die Befürchtung, dass Putin kommt, wenn alles fertig ist. 

Trump tweetet: "EU pays for green dreams!". Wieder lügt der Präsident. Denn es sind die EU-Bürger, die bezahlen. Merz ist zu Besuch bei den hochgerüsteten Nordeuropäern, die so kleine Armeen haben, dass die Hamburger Bereitschaftspolizei Putin mehr Angst einjagt. Anlassangepasst spricht der neue Kanzler in Vilnius über seinen "Traum vom Frieden", der wahrt werden könne, weil er "uneingeschränkte Taurus-Lieferungen an die Ukraine, ohne Reichweitenbeschränkung" erlauben werde, um Russland zu brechen. 

Der Außenkanzler läuft sich warm 

Mit dem Koalitionsvertrag und dem Amtseid sind die Dinge daheim fürs Erste geordnet. Friedrich Merz macht sich auf, seine eigentliche Rolle zu füllen. Der Mann aus dem Münsterland ist ein Außenstürmer, er jettet um die Welt, sucht den Schulterschluss mit Macron, Tusk und Starmer; Meloni und Frederiksen. Migrationskontrolle ruft er aus und sein Innenminister Alexander Dobrindt macht Ernst. Die vorübergehenden Grenzkontrollen, die seit 2015 durchgeführt werden, verwandelt er in permante. Die Hauptfahrbahn der Autobahn nach Polen wird gesperrt. Autofahrer müssen abfahren, vorbei an drei Bundespolizisten mit schweren Waffen der leichten Bauart. Blick ins Fahrzeug. Kalte Schweißausbrüche im Fahrerraum. "Danke, Sie können weiterfahren." 

Ein freies Land, das abschiebt, wie es Olaf Scholz angedroht hatte. Dem Ex-Kanzler, der seine Partei nahezu halbiert hat, spendiert ein Parteigericht in Hamburg einen Freispruch. Ein Steuerschlupfloch zu verteidigen, das die linksliberale "Zeit" als "Alternative Altersvorsorge" und "breite Spielwiese für Anleger" angepriesen hat, kann doch keine Sünde sein! Und eine Volkspartei herunterzuwirtschaften erst recht nicht. Oder ist die SPD nicht wieder in der Regierung? Und dort fast mächtiger als in der letzten? 

Weniger gut kommt Altkanzler Helmut Schmidt weg. Dessen Positionen ordnet ein Geheimgutachten von Forschenden aus Frankfurt an der Oder ganz am Rand an: Gemessen an den Kriterien des Verfassungsschutz-Gutachtens, das die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" einstuft, habe es sich beim fünften Bundeskanzler der Republik um einen nachweislich "weit rechts im rechtsextremistischen Spektrum" stehenden Politiker, heißt es in dem Schriftsatz.

Der stellt Schmidts Aussage  "Es war sicher ein Fehler, so viele Ausländer ins Land zu lassen" auf eine Stufe mit Parolen, die beim "Flügel" der AfD oder der Identitären Bewegung gängig sind. Wie die AfD aber kann auch Schmidt nicht mehr verboten werden: Bei den Rechtsextremisten liegt es am Fehlen des Bemühens, "planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beseitigen" und das auf "aktiv-kämpferische, aggressive Weise" zu tun. Bei Schmidt an seinem Tod zehn Jahre zuvor.

Grober Keil im Pullover 

Es bewegt sich etwas, überall, wo es um nichts geht. Jette Nietzard legt unter den groben Keil ihres Pullovers einen groben Klotz. Die "freie Radikale" fordert, die reichen aufzuessen. "Krawallgurke" nennt sie die Süddeutsche und der "Spiegel" analysiert ihr "Geschäftsmodell Provokation"als "Gefährdung der Wahlkampfstrategie der Partei im Südwesten". Hoffnung bringt Christine Lagarde aus Straßburg: Es ist beschlossene Sache, dass der Euro die neuen Weltleitwährung wird.   Es seit Zeit für ein "global euro moment", wie es die gelernte Juristin nennt. 

Ein "tieferer, liquiderer Kapitalmarkt", die "größere militärische Stärke" und die Sicherheit einer Region, die ihre Sicherheit "mit harter Macht bewahren" kann, würden Anleger aus aller Herren Länder in die Gemeinschaftswährung locken. Jetzt schon, erklärt die vorbestrafte Französin, sei die "Rolle des Dollar" so rückläufig, dass der Greenback mittlerweile "nur noch 58 Prozent der internationalen Reserven" ausmache. Der niedrigste Stand seit Jahrzehnten, aber der Anteil des Euro liege schon bei 20 Prozent - nach mehr als 25 Prozent vor 15 Jahren.

Auf dem Verschiebebahnhof der Verantwortung 

Die Koalition als Kabarett, in dem sich die Verantwortung wie auf einem computergesteuerten Verschiebebahnhof hin- und herbewegt. Es gibt auch im Inland keine Reichweitenbegrenzung mehr für  politische Symbolhandlungen. Als Deutschland den "Tag des Herrenmenschen" feiert, sind die langen Linien zu sehen, die das Land über Jahrzehnte zu einem Musterbeispiel für ein gut organisiertes Gemeinwesen gemacht hatten. Die Leitkultur wurzelt in christlicher Mythologie, der Erzählung von Jesu' Himmelfahrt und dem Fleiß der Einwanderer, die das Wirtschaftswunder möglich machten. Ohne Zweistaatenlösung im Nahen Osten aber, auch hier setzt die neue Koalition die kluge Politik der alten fort, sind diese Errungenschaften gefährdet. 

Kaum gewonnen, schon zerronnen. Der kluge Politiker*in sorgt für den Fall aller Fälle immer vor. Er notiert seine Versprechungen auch in kein privates Tagebuch und lässt, um den Steuerzahlenden Mehrbelastungen zu ersparen, seinen Handyspeicher regelmäßig automatisiert löschen. Ursula von der Leyen lebt in Brüssel vor, wie rückstandsfrei regiert wird. Am Ende einer langen Jagd auf die verlorengegangenen Inhalte ist die größte Staatengemeinschaft der Weltgeschichte dem Kern der Dinge etwas nähergekommen: Es sei erwiesen, dass es Nachrichten gegeben habe. Es stehe fest, dass sie niemals hätten gelöscht werden dürfen. Der Rechtsstaat siegt nach drei langen Jahren aufwendiger Ermittlungen gegen seine mächtige Verächterin.

Ursula von der Leyens Strafe, festgeschrieben unter Aktenzeichen T-36/23: Keine.

Kurz vor knapp wird alles abgesagt: 





Montag, 22. Dezember 2025

"Schwarzer Orden": Ein deutscher Weihnachtsfilm

Schwarzer Orden, Jasmina Kuhnke Drehbuch, Afrodeutscher NS-Zeit, Rassismus im Nationalsozialismus, ZDF Adventsvierteiler Satire, Coming-of-Age NS-Deutschland, Afro-Deutscher SS-Traum
Die ersten Schritte sind getan, demnächst beginnen die Dreharbeiten für den aufrüttelnden Abenteuer-Vierteiler "Schwarzer Orden".

Wer erinnert sich nicht an die Großtaten des deutschen Films zu den Feiertagen, als es noch Grund zum Feiern gab. 16 Adventsvierteiler schuf der Film- und Fernsehproduzent Walter Ulbrich - nicht verwandt, nicht verschwägert und nicht zu verwechseln. Als Vorlage dienten anfangs Klassiker der Weltliteratur wie "Die Schatzinsel" und "Die Abenteuer des Tom Sawyer". 

Hinter der Kamera standen große Regisseure wie Wolfgang Staudte oder Wolfgang Liebeneiner, davor spielten spätere Stars wie Hellmut Lange als "Lederstrumpf", Raimund Harmstorf als kartoffelzerquetschender "Seewolf" oder David McCallum, der in "Die Abenteuer des David Balfour" en unverbesserlichen schottischen Nationalisten Alan Breck gab.

Mangel an Vorlagen

Bis zum Ende der 80er Jahre erhielt sich die Tradition, obwohl das ZDF bereits 1983 seine Bemühungen um Nachschub eingestellt hatte. Es mangelte an brauchbaren Vorlagen, es fehlte an kundigen Regisseuren und Komponisten, denen es gelang, die sich Stunde um Stunde von Abenteuer zu Abenteuer hangelnden Geschichten mit einem Soundteppich zu unterlegen wie Vladimir Cosma und Hans Posegga, deren Werke Produzent Walter Ulbricht so gefielen, dass er die "Schatzinsel"-Musik für den "Ledestrumpf" noch einmal benutzte.

Die große Zeit des deutschen Pantofelkinos, sie war vorüber, als Hollywood mit seinen Festtagskomödien in den Markt drängte. "Santa Clause – Eine schöne Bescherung", das "Nightmare Before Christmas" und Bill Murray in die "Geister, die ich rief", waren günstig einzukaufen. Wer es ein wenig rasanter wollte, nahm "Stirb langsam" und für eine Prise Humors orgte "Kevn allein zu Haus". Deutschland war keine Werkbank mehr für Weihnachtsmärchen, sondern die Ladentheke der amerikanischen Filmindustrie.

Königsdisziplin Kulturimport 

Ein Zustand, den Kulturminister über Jahrzehnte schweigend duldeten. Der Kulturimport galt als deutscher Beitrag zur notwendigen Globalisierung. Die Resilienz der deutschen Filmindustrie wurde durch die Förderung von Drehbüchern für kunstsinnige "kleine Fernsehspiele" gewahrt, die erst sogenannte Dump-money-Abschreibunsgfonds deutscher Zahnärzte übernahmen. Später dann Vater Staat direkt.

Die schon von der Ampelkoalition vorgelegte Deutsche Strategie zur Stärkung der Resilienz (DSSR - Resilienzstrategie) läutete jedoch auch an der Kunstfront eine Zeitenwende ein. Geschlossen vornagehend, setzte erstmals eine Bundesregierung einen strategischen Rahmen für den ganzheitlichen Umgang mit Risiken. Das Filmhandwerk zähle dabei zu den sogenannten "kritischen Dienstleistungen für die Gesellschaft", aus deren Krise gelernt werden sollte, um "sie für transformative Entwicklungen einer nachhaltigen Zukunft zu nutzen".

Auch wenn Rot-Grün-Gelb und Rot-Schwarz in vielen Dingen nicht immer ganz einer Mienung sind, hier trifft sich eine ganz große Koaliton der Vernunf der Mitte: Deutschland müsse angesichts der globalen Krisen resilienter werden und sich flexibler anpassen können, hat Bundekanzler Friedrich Merz erst im Oktober klargestellt, wohl damals schon mit Blick auf eine weitere Weihnachtssaison, in der im Fernsehen amerikanische Überfremdung herrschen wird - abgesehen von Aschenbrödel und ihren Haselnüssen. 

Belehrende Fabeln 

Gesucht werden originelle Geschichten, die auch als Fabel funktionieren, gern mit Kindern und Heranwachsenden besetzt. Eine solche hat die aus den sozialen Netzwerken bekannte Drehbuch- und Bestsellerautorin Jasmina Kuhnke bei der Bundesdrehbuchförderungsanstant eingereicht. Unter dem Arbeitstitel "Schwarzer Orden" beschreibt die provokante Coming-of-Age-Geschichte das Schicksal eines Afro-Deutschen, der in der Weihnachtszeit des Jahres 1940 beschließt, SS-Offizier zu werden. Kein leichter Weg für einen jungen Mann, der von seiner Umgebung regelmäßig mit dem N-Wort beleidigt wird. 

Erste Auszüge aus dem Plot zeigen, noch roh und etwas ungeschlacht, welch große erzieherische Wirkung gerade auf in den sozialen Netzwerke Marke USA und China sozialisierte Jugendliche der fertige Film ausüben könnte. PPQ dokumentiert Teile der Entwurfsplanung. Drehbeginn soll im kommenden Jahr sein, der Vierteiler wird dann im Advent 2026 im ZDF laufen.

Filmgenre: Historisches Drama / Coming-of-Age / Provokatives Porträt Laufzeit: Ca. 4x90 Minuten (geeignet für Nachmittagsprogramm, 1 bis 4 Advent oder kompakt als Doppelfolgen am 1.und 2. Weihnachtsfeiertag, FSK 7) Produktionsform: Fernsehfilm, Drehort: Wuppertal, Bauzten und Umgebung (Rekonstruktion 1940er-Jahre), Budgetrahmen: 3-4 Mio. € (Förderung: ZDF, DFFF, MFG Baden-Württemberg) Autorin: Jasmina Kuhnke (Drehbuch- und Bestsellerautorin, u.a. "Die Farbe der Nacht" – Spiegel-Bestseller) Regie-Vorschlag: Caroline Link (Oscar-prämierte Regisseurin für sensible Dramen wie "Nirgendwo in Afrika") Besetzungsvorschläge (Hauptrollen):

  • Sayid (Protagonist, 16 Jahre): Newcomer-Darsteller afrikanisch-deutscher Herkunft, z.B. ein junges Talent aus der Theater-Szene NRW, divers).
  • Hans Berger (Vater): Uwe Ochsenknecht – als autoritärer, innerlich zerrissener NS-Funktionär, der seinen Sohn in die Partei drängen will.
  • Onkel Karl (Mentor): Tony Marshall – als alternder, heimlich dissidenter Arbeiter, der Sayid die Augen öffnet.
  • Elisabeth (Lehrerin und erste Liebe): Veronika Ferres – als ambivalente Figur, die zwischen Anpassung und Mitgefühl schwankt.

Logline: In Wuppertal 1940 träumt ein afro-deutscher Junge vom SS-Offiziersrock, doch Rassismus, Krieg und verbotene Liebe zwingen ihn, die Lügen des Reiches zu durchschauen – der zwischen Liebe zum Vaterland und Selbsthass hin- und hergerissene Held geht auf eine brutale Reise zur Selbstfindung und gerät dabei in die Fänge eines menschenverachtenden systems.

Zusammenfassung: "Schwarzer Orden" ist eine provokante Coming-of-Age-Geschichte, die den Alltag eines Mischlings im NS-Deutschland entlarvt. Sayid Berger, 16, Sohn eines deutschen Vaters und einer verstorbenen senegalesischen Mutter, wächst in Wuppertal auf – einer westdeutschen Industriestadt, in der damals noch die Schweißhütten rauchen und die Propagandatrompeten gellen. Beeinflusst von Hitlers Reden und dem straffen Drill der Hitlerjugend, strebt Sayid nach Anerkennung. Er will SS-Offizier werden wie der stramme vater siens Freundes Otto, um zu beweisen, dass er ins Stadtbild passt. Doch die Realität holt ihn ein: Schulkameraden prügeln ihn wegen seiner Hautfarbe, Nachbarn flüstern "Rassenschande", und der Vater, ein ehrgeiziger SA-Mann, verbirgt die Affäre mit Sayids Mutter als "Partyunfall".

Als Sayid eine jüdische Mitschülerin rettet und in Onkel Karls geheimen Untergrundkreis gerät, zerbricht seine Welt. Die Lehrerin Elisabeth, eine Witwe mit eigenen Geheimnissen, weckt in ihm erste Zweifel – und verbotene Gefühle. Im Schatten der Wuppertaler Schwebebahn, inmitten von Bombenangriffen und Deportationen, muss Sayid wählen: Anpassung oder Aufbegehren? Der Film mischt harte Historie basierend auf realen Berichten afro-deutscher NS-Opfer mit emotionaler Intensität, thematisiert Rassismus als Alltagsterror und die Zerbrechlichkeit jugendlicher Ideale.

Themen und Relevanz: Rassismus ist in deutschland ein allgegenwärtiges problem. Häufig wird das Ausmaß derzeit als schlimmer als immer beschrieben. Dazu kommt hier ein Identitätskonflikt vor dem Hintergrund der Verführungskraft totalitärer Ideologien. Provokant zeigt der Film auch explizite Szenen von Gewalt und Sexualität wie Sayids Demütigung in der reinweißen HJ und seine erste Liebesnacht mit Elisabeth in einem Bombenkeller. Der Plot ist ideal geeignet für das ZDF-Familienprogramm. Er bietet Diskussionsanstöße für verschiedene Generationen, ergänzt Informationsangebote wie "Monitor" und "Miosga" und hat das Potenzial für den Grimme-Preis.

Förderungspotenzial: Jasmina Kuhnkes Debüt im historischen Dramafach ist innovativ durch den diversen Protagonisten und die kritische NS-Darstellung. Durch eine Kooperation mit dem Wuppertaler Stadtarchiv wird die Authentizität gewahrt. Wissenschaftliche Begleitung der Dreharbeiten durch Forschende der Universität der Bundeswehr (München).

Drehbuch: "Schwarzer Orden"

FADE IN:

EXT. WUPPERTAL – Schwebebahn – TAG – 1940

Die Schwebebahn gleitet wie ein stählerner Drache über die Wupper. Unten: Fabriken spucken braunen Rauch, Arbeiter in Uniformen marschieren. Im Vordergrund: SAYID BERGER (16, schlank, dunkle Haut, kurze Locken), in zerknitterter HJ-Uniform, starrt hoch. Seine Augen brennen vor Ehrgeiz. Im Hintergrund: "Deutschland erwache!" – Plakate mit Hakenkreuzen (Zeigegenehmigung wäre über Kulturstaatsminister einzuholen).

SAYID (flammend, zu sich) Ich werde fliegen. Höher als das da. SS – das ist mein Orden. Schwarz wie ich, stark wie Stahl.

Er rennt los, die Treppe hinunter in die Enge der Altstadt.

CUT TO:

INT. BERGER-WOHNUNG – KÜCHE – ABEND

HANS BERGER (45, breitschultrig, Uwe Ochsenknecht – harte Züge, SA-Abzeichen am Revers) schlägt die Zeitung auf. "Der Stürmer" titelt: "Siege an allen Fronten!" Sayid betritt, atemlos.

HANS (grollend) Wo warst du? Wieder mit den Bälgern rumhängen? Die HJ wartet nicht auf Bastarde.

SAYID (steif) Vater, ich war beim Appell. Der Führer sagt: Jeder kann arisch sein, wenn er kämpft. Ich melde mich für die SS-Ausbildung.

Hans lacht bitter, mustert Sayids Gesicht – dunkle Augen, Erbe der Senegalesin, die er 1919 in einer Kaserne "erobert" hat. Sie starb bei Sayids Geburt.

HANS SS? Du? Die lachen dich aus, Junge. Deine Mutter war... eine Laune des Krieges. Aber du bist mein Blut. Beweis es. Oder ich schick dich in die Kolonien zurück.

Sayid ballt Fäuste. Die Uhr tickt – Kriegstrompeten im Radio. Der Wehrmachtsbericht. Die "Tagesschau" der damaligen Zeit.

CUT TO:

EXT. SCHULHOF – TAG

Sayid umringt von HJ-Jungen. Einer, FRITZ (17, picklig, fanatisch), spuckt ihm vor die Füße.

FRITZ Schwarzer! Dein Vater vögelt Affenweiber, und du willst Führer spielen?

Prügel regnen. Sayid wehrt sich, Blut am Mund. Die Glocke läutet. ELISABETH (38, Veronika Ferres – elegant, rote Lippen, Lehrerin mit verborgenem Kummer) eilt herbei, scheucht die Meute weg. Harte Augen. Weicher Blick.

ELISABETH Genug! Sayid, ins Büro. Die anderen: Appell!

Im Lehrerzimmer tupft sie seine Wunde. Ihre Finger zittern – Witwe eines Deserteurs, sie hasst den Krieg, aber passt sich an.

SAYID (schüchtern) Frau Lehrerin, warum hassen sie mich? Ich bin Deutscher. Mein Vater sagt, der Führer liebt alle Krieger.

ELISABETH (weich, provokant) Der Führer lügt, Sayid. Hautfarbe ist kein Verbrechen. Aber hier... hier ist sie eines. Lies das. (Gibt ihm heimlich ein Buch: "Der Judenstaat" von Herzl, verboten.) Denk selbst.

Ihre Blicke treffen sich – Funke. Sayid errötet.

CUT TO:

INT. ONKEL KARLS WERKSTATT – NACHT

KARB (50, Tony Marshall – wettergegerbtes Gesicht, Mechaniker mit Dialekt, heimlicher Kommunist, schraubt an einem Radio. Sayid schleicht rein, sucht Schutz.

KARB Junge, du siehst aus wie 'n Boxer nach 'nem Schlagabtausch. Die Nazis ham dich erwischt?

SAYID Onkel Karl, ich will stark sein. SS – das wäre mein Ding.

Karl lacht dröhnend, gießt ihm Tee ein. Im Hintergrund: Flüstern von Widerständlern – Flugblätter drucken.

KARB Dein Ding? Die missbrauchen dich, machen dich kaputt. Deine Mutter, Awa, war 'ne Königin aus Dakar. Hat für mich gesungen, bevor dein Alter sie brach. Der Krieg frisst uns alle, Sayid. Schau: (Zeigt Foto von Awa, lachend.) Das war Liebe, kein Schande. Und die SS? Die schneiden dir die Eier ab, wenn du nicht blond bist.

Sayid starrt das Foto an – erste Risse in seinem Traum. Draußen heult eine Sirene: Luftalarm.

CUT TO:

EXT. WUPPERTAL – WUPPERUFER – NACHT

Bomben fallen. Sayid und Elisabeth ducken sich in einem Bunker. Panik. Ein Mädchen, RACHEL (15, ängstlich, Stern an der Brust), weint. Sayid teilt sein Brot mit ihr.

RACHEL Danke. Sie sagen, wir sind Feinde. Aber du... du bist anders.

Elisabeth beobachtet, eifersüchtig? Später, allein:

ELISABETH (hauchend) Du bist mutig, Sayid. Nicht wie die anderen. Komm näher.

Sie küssen sich – erster, verzweifelter Kuss. Seine Hand auf ihrer Brust. Provokant: Schüsse in der Ferne, Liebe im Krieg.

SAYID (keuchend) Das ist Sünde. Rassenschande.

ELISABETH (lächelnd) Oder Freiheit.

CUT TO:

INT. HJ-GELÄNDE – TAG

SS-Rekrutierung. Sayid drillt, schwitzt. Der OFFIZIER (streng, ohne Namen) mustert ihn.

OFFIZIER Berger? Der Mohr? Du willst dienen? Beweis es: Sag, warum N-Wort-Menschen das Reich vergiften.

Sayid stockt. Erinnerungen: Karls Worte, Elisabeths Kuss, Rachels Tränen. Er flüstert:

SAYID Weil... weil sie unschuldig sind?

Schläge. Demütigung vor allen. "Raus, Mischling!"

CUT TO:

INT. BERGER-WOHNUNG – NACHT

Hans tobt, prügelt Sayid.

HANS Idiot! Ich hab dich großgezogen, und du sabotiert? Die Partei weiß von deiner Hure-Mutter. Ich verlier alles!

Sayid bricht zusammen.

SAYID Du hast sie geliebt, oder? Warum hasst du mich dafür?

Hans erstarrt – Tränentränen.

HANS (zerbrochen) Weil ich schwach war. Und du... du bist der Beweis. Flieh, Junge. Bevor sie dich holen.

CUT TO:

EXT. WUPPERTAL – FABRIK – DAWN

Sayid bei Karl. Widerständler planen Sabotage: Eine Bombe für die SS-Kaserne. Rachel ist dabei – Deportation droht.

KARB Letzte Chance, Sayid. Bleib oder geh.

SAYID (entschlossen) Ich bleib. Für Mutter. Für mich. Für Deutschland.

Explosion in der Ferne. Sayid rennt, rettet Rachel – Schüsse streifen ihn. Ein glatter Durchschuss. Elisabeth wartet, umarmt ihn.

ELISABETH Du bist frei. Schwarzer Orden oder nicht – du bist du.

Sayid lächelt, blutig, aber lebendig. Die Schwebebahn fährt vorbei – Symbol der Flucht.

FADE OUT.

ENDE

Nachwort der Autorin: Dieses Drehbuch (ca. 13.800 Zeichen inkl. Leerzeichen) entlarvt den NS-Terror durch die Linse eines Vergessenen. Basierend auf Archiven (z.B. "Africans in Nazi Germany"). Provokation als Katharsis – für das ZDF wäre es ein Meilenstein.

Das Jahr ohne Sommer: April der Erwartungen

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Diesmal wieder mit der CDU zusammen: Die SPD regierte Deutschland in 23 der letzten 27 Jahre. Mit Friedrich Merz hat sie aber erstmals wieder einen Kanzler gefunden, der wirklich Sozialdemokrat ist.

 You look so tired, unhappy
Bring down the government
They don't, they don't speak for us

No Surprise, Radiohead, 1997

Es war ein Jahr zum Vergessen und vielen gelang das außerordentlich gut. Der neue Kanzler wusste schon nach Wochen nicht mehr, was er versprochen hatte. Seine Hilfstruppen von der SPD hatten verdrängt, dass sie wiedermal eine Wahl verloren hatten. In der Welt draußen wendete sich einiges zum Besseren. Deutschland aber blieb mit klarem Kompass auf Kurs. 

Der Rückblick auf 2025 zeigt zwölf Monate, die es in sich hatten. Nie mehr wird es so sein wie vorher.
 

Es ist ein Neustart mit alten Gesichtern, eine Hoffnung, die nicht lange braucht, um zu enttäuschen. Im April, erst ein halbes Jahr ist seit der neuerlichen Zeitenwende vergangen, die das Auseinanderbrechen der rot-grün-gelben Fortschrittskoalition für Deutschland, Europa, die Welt und das globale Klima, mit sich brachte. Doch Deutschland hat sich geschüttelt. Die demokratischen Parteien fanden in der größten Stunde der Not wie ein Mann zusammen, um neue Schuldenhaushalte zu schaffen, Schuldenhaushalte von einer Dimension, die früher lebenden Generationen überhaupt nicht vermittelbar gewesen wären.

Es sind nur Nullen 

Doch es sind nur Nullen, viele zwar, so viele sogar, dass der einfache Mann auf der Straße nicht auf Anhieb zu sagen vermag, wie viele eigentlich und welcher Anteil dabei auf ihn fällt. Die richtige Antwort wäre 15.000 Euro, zumindest was die laufenden Sondervermögen anbelangt. 45.000 Euro kämen aus Altverpflichtungen hinzu. Ein Betrag, der in der Diskussion gern unerwähnt bleibt, weil er für viele Armutsgefährdete, aber auch für Teile der hart arbeitenden Mitte nach Überreichtum klingt.

Was muss, das muss. Friedrich Merz, der seinen Marsch zur Macht über fast zwei Jahrzehnte hinweg penibel geplant hat, begeht nicht den Fehler von Robert Habeck und seinem Kanzler Olaf Scholz, die finanziell unzureichend ausgestattet in die "sozialdemokratische Ära" (Scholz) gestartet waren. Ohne Moos nicht los. Ohne Klimasondervermögen kein Spielraum, die notwendigen Härten bei der unumgänglichen Transformation einer Industrienation zu einer wunderbar behördlich regulierten Ladentheke für chinesische Waren  so weit auszugleichen, dass der Frosch nicht aus Kochwasser hüpft bevor er gar ist.

Handreichung der Grünen 

Die Union rüstet sich mit Hilfe der Grünen und der Linken für die Kanzlerschaft, die neue SPD-Führung, auf eigenen Beschluss gebildet aus den Überlebenden der Ampelzeit, zögert nicht, die Genossen von der Basis per Mitgliedervotum einzubinden. Lars Klingbeil, der neue und einzige starke Mann der deutschen Sozialdemokratie, weiß um die Verfassung Partei in solchen Momenten. Die steht zuverlässig für einen Platz am Lagerfeuer der Legislative. Ehe sie in die Opposition geht, geht sie lieber unter.

Was da kommt, ist die nächste Regierung der Ratlosen, so viel ist schon vor der Ableistung des Amtseides der beiden blutigen Neulinge in Staatsgeschäften zu sehen. In den Koalitionsverhandlungen spielen sich die künftigen Partner gegenseitig am Gemächt: Die eine Seite wünscht ein Lügenverbot und die staatliche Kontrolle der Wahrheit. Die andere ist entschlossen, lieber die Jugend in den Schuldenturm zu sperren als den eigenen Wählern reinen Wein einzuschenken über die desaströsen Zukunftsaussichten eines Landes, das sich sein Geschäftsmodell selbst zerstört.

Es erwacht kein Frühling 

In diesem April erwacht kein Frühling. In diesem April regt sich nicht die Hoffnung, Friedrich Merz könnte mit seiner Ankündigung einer großen Stimmungswende "bis zum Sommer" etwas anderes getan haben als jeder furchtsame Wanderer, der im dunklen Wald vorsichtshalber vor sich hin pfeift. Wie vom Donner gerührt steht das politische Berlin an der Seite es politischen EU-Europa, als Donald Trump in Washington seine neuen Zölle ankündigt. 

Weder Berlin noch Brüssel haben Diplomaten, Informanten oder Geheimdienstquellen in den Vereinigten Staaten, die sie über solche jähen Wendungen vorab ins Bild setzen. Auch im April erstarrt wieder ein ganzer Kontinent vor Schrecken. Bis Ursula von der Leyen, die keinen Ruf mehr zu verlieren hat, beherzt aus der Kulisse tritt und eine eilig zusammengesuchte Handvoll Worthülsen verteilt: Ein schwerer Schlag für die Weltwirtschaft. "Ich bedauere diese Entscheidung zutiefst." Immense Folgen. "Die Weltwirtschaft wird massiv leiden." Unsicherheiten werden zunehmen. Und, wie zuletzt schon bei den drastischen Abschottungsmaßnahmen, die die EU gegen andere Wirtschaftsräume getroffen hatte: "Der Protektionismus wird weiter angeheizt".

Der nächste Wiederaufbauplan 

Vier Jahre nach der Verkündigung des prächtigen Europäischen Wiederaufbauplanes "Next Generation EU" kann es nur um Wiederaufbau gehen. Nur wie? Nur was? Wer und weswegen? Die Kungelrunden der künftigen Koalition arbeiten quälend langsam, füttern die Öffentlichkeit aber mit vielversprechenden Ankündigungen. Alles wird anders. Die Wirtschaftsflaute wird beendet. Der AfD-Höhenflug auch. Die Grenzen können nun doch geschützt werden. Und die neue Mannschaft in Berlin, sie wird einmal mehr kräftig Bürokratie abbauen, durchdigitalisieren, entschlacken und zeigen, dass sie es kann.

Am 28. April stellte CDU-Chef Friedrich Merz seine Kabinettsliste vor: Katherina Reiche ist seine Wirtschaftsministerin, Johann Wadephul geht ins Auswärtige Amt, Mediamarkt-Boss Karsten Wildberger übernimmt das Digitalressort. Lars Klingbeil, ausgebildeter Politikwissenschaftler, löst den ausgebildeten Philosophen Robert Habeck als Vizekanzler und den ausgebildeten Politikwissenschaftler und Philosophen Christian Lindner als Finanzminister ab. 

Ein Mann der Überzeugungen 

Klingbeil, 47 Jahre alt, ist kein Herr der Löcher, sondern ein Mann mit Überzeugungen. Politik besteht aus Kompromissen, die aus Versprechungen in der Regel Vertröstungen machen. Für den Niedersachsen, ähnlich groß gewachsen wie Friedrich Merz, bedeutet das gleich zum Start ein ehrliches Bekenntnis: Die Stromsteuersenkung, die viele Unionswähler überzeugt hatte, wird es nicht geben, denn das Geld hat schon ein anderer. 

Das sei "eine Botschaft ans Land: Kompetenz statt Chaos", loben Union-Kreise, um das Protestgeschrei zu übertönen. Natürlich winkt der CDU-Parteitag den Koalitionsvertrag durch. Natürlich sind auch die noch verbliebenen SPD dafür, den Schalthebeln der Macht nahe zu bleiben. Abgesehen von vier Jahren schwarz-gelber Koalition regiert die Partei der Bebels, Brandts und Schröders 23 der letzten 27 Jahre mit. Kopfschüttelnd kommt Klingbeil ins Amt. Kopfschüttelnd muss der Mann, der erst seit 20 Jahren im Bundestag sitzt und nicht einmal zehn Jahre Spitzenämter in seiner Partei ausübte, Notiz vom traurigen Zustand des Staates nehmen. 

Aus der Funktionärsschule ins Finanzamt 

Viele Monate später wird er das alles als "peinlich" bezeichnen, im April aber ist die Freude noch groß, die ungeliebte und den meisten Bürgerinnen und Bürger grundunsympathische Saskia Esken als Co-Parteichefin losgeworden zu sein. Bärbel Bas, einer der letzten als Frau gelesenen SPD-Politiker, der vom Nimbus einer Basisnähe durch Geburt umweht wird, soll künftig neben dem Niedersachsen amtieren, der den vorschriftsmäßigen Funktionärsweg durch das Parteischulungssystem gegangen ist. Ein Duo, das sich alles zutraut, genauso wieder Merz und Söder, die beiden unumschränkten Beherrscher der Union, die sich gegenseitig belauern, den miserablen Zustand des Landes aber für einen  Startvorteil halten.

Null Wachstum. Ein Volk, das null Erwartungen hat. Eine Medienlandschaft, die in der Vorstellung lebt, dass Deutschland das Zentrum der Welt und die rechte Gefahr das zentrale Problem der Gegenwart ist. Dazu Trump, der für jede Verzögerung des angesagten Neustarts verantwortlich gemacht werden kann. Niemand braucht bei einer solchen Ausgangsposition mehr als die Chuzpe, Strukturreformen anzukündigen, von demnächst kommenden  Wachstumsrezepte zu flunkern und einen nahen Boom in allen Branchen vorherzusagen, der durch Staatsausgaben auskömmlich finanziert sein werde.

Vasallen in den Verlagen 

Zumindest die treuen Vasallen in den Verlagen wollen nicht zu früh zweifeln. Die Inflation flaue schon ab, sehen sie Licht am Ende des Tunnels aus fünf Jahren tiefer Depression. Die "Rhein-Zeitung" jubelt gar über "Innovative Betriebe, starke Wirtschaft – jetzt bohrt die neue Koalition dicke Bretter!" Das große Glück der gesamten Nation hängt an den 9.500 Stimmen, die Sahra Wagenknecht BSW  laut amtlichem Endergebnis für den Einzug in den Bundestag fehlen. Wären die Querfrontler drin, wäre Merz draußen. Wenigstens können die Parteien im Parlament selbst bestimmen, ob noch einmal nachgezählt werden soll. Die Entscheidung fällt mit der deutlichen Mehrheit aller Demokraten der Mitte: Besser nicht. 

Was Deutschland braucht, ist Stabilität, ist ein weiteres Weiterso, ist eine Merkel, die wieder Pragmatismus predigt, während sie ideologisch regiert. Der Papst ist tot, es lebe der Papst, Merz ist Merkel und Friedrich der Größte. Das Lügenverbot, das die SPD gefordert hatte, kann der CDU-Chef aus dem Koalitionsvertrag verhandeln. Strafrechtsexperten zufolge entgeht Merz damit einer drohenden Gefängnisstrafe wegen seiner Wahlkampfversprechen, die der Sauerländer zum Teil sogar in Gebärdensprache abgegeben hatte.  Merz' Zusagen wie "Grenzen zu" und "Steuern runter" sterben auf dem Tisch, an dem die Koalition um die eigenen Pfründe pokert. Niemand kann alles haben. Aber alle nichts.

Von den echten Demokraten verhöhnt 

Das erste Opfer jeder Regierungsbildung ist die Wahrheit. Der erste Feind, gegen den sich politisch Gegner gemeinsam wenden, ist die Meinungsfreiheit. Rot-schwarz, von den Grünen in den Sattel gehoben und zugleich als "Kleine Koalition" verhöhnt, führen ihren Meinungskrieg mit der Klage über die US-Plattformen, die das in der EU vorgeschriebene "Factchecking" beenden. Tränen tropfen im politischen Berlin, als die Hassrausch-Industrie kollabiert. Hämisch grinsen die Täter von Sylt, denn ein erschütterndes Update zur Staatsaffäre aus dem Frühjahr 2024 ergibt, dass kein einziger Sänger noch in U-Haft, niemand angeklagt und keiner verurteilt wurde.

Deutschlands Rechtsruck, er manifestiert sich in solchen Momenten. Elite-Rassismus bleibt unbestraft, die AfD unverboten. Statt knallharte Kante gegen Russland, China und Amerika zu zeigen, die rechten Regierungen in Europa zum Austritt aus der EU zu zwingen und die extremistischen Parteien im eigenen Land nicht nur hinter eine Brandmauer, sondern in eine Zelle zu stecken, setzt rot-schwarz den kompromisslerischen Kurs beim Kampf gegen  rechts fort. 

Anlauf zur Enttäuschung - der April im Rückblick 

Medien in der Zeitenwende: Kritiker der Kritiker
Tempolimit: Längere Fahrzeit, geringere Standzeit
Anklage wegen Gedankendelikt: Erster Traumverbrecher vor Gericht
Sylt-Krise: Wie viele Sänger sind noch in Haft?
Politische Evolution: Überleben auf Abwegen
Friedrich der Größte: Aufstieg zur Macht
Ende eines Traums: Tod eines Faktencheckers
Verheerende Bilanz: Der ökologische Fußabdruck von Bargeld
Zitate zur Zeit: Unheimliche Geräusche
Ausgestellte Leiche, tiefe Verbeugungen: Knicks vor einem Konservativen
Abschied vom Aufschwung: Die Null muss stehen


Sonntag, 21. Dezember 2025

An und zu Weihnachten: Brutale Übersetzungen

Der Trend zum "an" ist unaufhaltsam.

Das sind so Erklärungsversuche, die fehlgehen, weil der Suchansatz nicht stimmt. Wie beim fürchterlichen "macht Sinn" folgt auch das "an Weihnachten" oder das noch schlimmer missverstandene "an Silvester" einem Vorbild aus dem Englischen. Wie "make sense" als Brutalübersetzung das früher gebräuchliche "hat Sinn" verdrängt hat, schiebt sich das halbverdaute "at christmas" seit Jahren langsam wie ein Schreitbagger über das traditionelle deutsche "zu Weihnachten". Es hat keinen Sinn. Denglischt sich aber ohne eine Silbe Englisch an die Macht.

Aus zu wird an 

Kann man noch hinnehmen, weil Amerikaner mit "at christmas" eben nicht den Weihnachtstag, sondern die Weihnachtszeit meinen. Bei Silvester wird es dann aber kompliziert, der 31. ist halt nur ein Tag und deshalb wäre "on" richtig. Deutschland aber ist das längst alles egal. Aus "zu" wird "an". Der Sprachverstand setzt aus. 

Ob Süd, Nord, Ost, West spielt dabei - subjektiv beobachtet - eher die kleinere Rolle. Mode ist ausschlaggebend: Wer "macht Sinn" sagt, sagt auch "an Weinachten", wer genau hinhört, wird drumherum übrigens jede Menge Begriffe wie "genau", "absolut" und "tatsächlich" bemerken. Ein Gebimmel an Leerformeln unterm Baum, die aus dem Englischen, das mehr oder weniger das Amerikanische ist, in die Jugendsprache sickern. Und von dort aus den Sprachgebrauch der älteren Generationen verseuchen, die es ursprünglich einmal besser gewusst haben.   

Die Tradition liegt noch vorn 

Noch liegt das althergebrachte "zu Weihnachten" knapp vorn. Doch während die europäischen Institutionen, Parteien und Regierungen sich anschicken, in einen Unabhängigkeitskrieg mit den Vereinigten Staaten zu ziehen, geht das Kräftemessen an der Sprachfront verloren. In den Metropolen staunen die Alteingesessenen mit den günstigen Mietverträgen, dass ihnen nach dem Stadtbild auch das Sprachbild verloren geht

In den Alltag außerhalb schwappen die modernistischen Sprechübungen der Fernsehansager. Was mit *innen im ersten Anlauf nicht klappen wollten, weil Sprechpausen und Fantasiesatzzeichen von zu vielen als von oben erzwungene Unterwerfungsgesten empfunden wurden, verläuft beim An-wanzen ans Amerikanische heimlich, still, leise und reibungslos.

Definitionsmacht eines Trendwortes 

Der kleine sprachliche Unterschied hat große Definitionsmacht. Zwischen "an Weihnachten" und "zu Weihnachten" verläuft ein Graben, der früher geografischer Natur war. Der Duden verortet "an Weihnachten" im Süden, "zu Weihnachten" im Norden. Beide Präpositionen zulässig, die nördliche Variante dominierte lange, ihr Übergewicht aber endet langsam. An Weihnachten ist heute nichts mehr  zu. Langsam schwingen sich die Verwendungskurven des "an" auf, die des "zu" fallen ab. 

Wer auf der Höhe der Zeit sein will, feiert an Weihnachten. Wer unterm Baum richtig zulangt, ist am späteren Heiligabend ordentlich "zu", wie die Ostdeutschen den Zustand nennen, der keine tiefsinnigen Gespräche über den Wandel der Sprache in unsicheren Zeiten mehr zulässt. Zwischen der An-Armee und der Zu-Zivilisation klafft längst auch ein Bildungsgraben: Handwerker, Angestelltinnen und Krankenschwestern tendieren zum zu. Höhergebildete, die politische Magazine schauen und den "Spiegel" lesen. Bis zum Jahr 2000 lag "zu Weihnachten" dort mit 3.800 Verwendungsfällen deutlich vor "an Weihnachten". Mittlerweile werden beide Fügungen gleich oft verwendet.

Der Süden gewinnt 

Der Tod der Feierlichkeiten zu Weihnachten ist nahe. Ein Gemeinplätzchen, das auf dem bunten Teller  liegt, zwischen Lebkuchen und der alten Weisheit "Ostern und Pfingsten sind die Geschenke am geringsten." Der Sprachsüden hat sich mit dem Drang der Deutschen zur globalen Verbrüderung verbündet und gemeinsam verhöhnen sie die letzten Sprachsensiblen, die ihr gewohntes "zu" kaum noch gegen das trendige "an" verteidigen können. 

Lange wird der Jubel über den Sieg nicht währen. Aktuelle Präpositionsbewegungen deuten auf eine salomonische Lösung. Weder "zu" noch "an" haben noch eine große Zukunft, selbst wenn  Weihnachten als eines der großen Winterfeste überleben sollte. Im Zuge des allgemeinen Kulturverfalls sagen die einen "an Weihnachten bin ich zu Hause". Die anderen greifen zum doppelten zu. Immer mehr Menschen aber lassen die zum Verständnis der Kernbotschaft letztlich überflüssige Präposition einfach weg: Es heißt dann schlicht: "Weihnachten bin isch Mama" und "Silvester von isch Neuköln".

Das Jahr ohne Sommer: Der März des Erwachens

Ein neuer Mann, vor Tatkraft strahlend: Mit Friedrich Merz legte sich Deutschland im März wieder einen Kanzer zu, der zupacken wollte.

Bedenken verfliegen
in milderem Wind
die Sonne zeigt sich
ungefährdet
Horizonte weiten sich
nach Süden
wir atmen wieder 
freier auf 

Ende Merz, Hans-Christoph Neuert 

Es war ein Jahr zum Vergessen und vielen gelang das außerordentlich gut. Der neue Kanzler wusste schon nach Wochen nicht mehr, was er versprochen hatte. Seine Hilfstruppen von der SPD hatten verdrängt, dass sie wiedermal eine Wahl verloren hatten. In der Welt draußen wendete sich einiges zum Besseren. Deutschland aber blieb mit klarem Kompass auf Kurs. 

Der Rückblick auf 2025 zeigt zwölf Monate, die es in sich hatten. Nie mehr wird es so sein wie vorher.
 

Der Wonnemonat für alle die, die noch hoffen. März 2025, ein Neubeginn. Gewählt, noch nicht im Amt. Friedrich Merz hat noch Dinge zu ordnen, bevor seine frisch geschmierte Maschine aus Kompromissen loslegen kann. Symbolisch startet Europa seine Hoffnungsrakete zu Monatsbeginn: 30.330 Tage nach dem gelungenen ersten Vordringen eines menschengemachten Gegenstandes ins Weltall schafft es der deutsche Nostalgie-Nachbau von Isar Aerospace, "Spectrum" genannt, bis in schwindelerregende 500 Meter Höhe. Dann stürzt das High-Tech-Geschoss erfolgreich in den Ozean vor Norwegen.

Ein majestätischer Absturz 

Ein majestätischer Absturz außerhalb der EU. Isar Aerospace hatte ins freie Skandinavien ausweichen müssen, um Europas Ambitionen" auf die Eroberung des Alls zu untermauern. Die Sicherheits- und Umweltschutzregeln in der EU ließen Start nicht zu. Nach der Ariane 6 vom Airbus-Staatskonzern hat Europa nun einen zweiten Mann im Spiel, um die leidige Abhängigkeit von SpaceX zu beenden. Nur noch fliegen muss das Teil.

So ist das mit allen Ambitionen, die von Bürokraten ausgedacht werden. Schöner scheitern, gezahlt wird später, geschützt von Regeln, die Lügen verbieten, und Steuern, die ewig währen. "Leistung muss bestraft werden", flüstert die SPD in den Koalitionsgesprächen, gestützt auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, dass der Soli bleiben darf, bis die Einheit vollendet ist. Als Termin wird  2030 festgelegt. Dann ist die DDR ein halbes Jahrhundert her und eine Generation Pleite trägt die Last, die Honecker, Mittag, Mielke und Konsorten nicht einmal mehr aus dem Schulunterricht kennen. 

Das Lachen bleibt im Halse stecken, denn Deutschland ist von allen Seiten unter Feuer. Trump will Zölle, die EU will viel mehr Geld. Die Ukraine braucht Waffen.  Das Klima jeden Einzelnen. Nach drei Jahren Krieg an der Ostflanke kommt die Botschaft in Deutschland endlich an, dass eine Zeitenwende nicht bedeutet, dass sich die Zeit wendet und alles andere so weitergeht.

Gegenkurs zum Bundeswehr-Bashing 

Mit hektischem Eifer steuern die Sender und Postillen Gegenkurs zum jahrzehntelangen Bundeswehr-Bashing: Die vormilitärische Erziehung, Wehrtüchtigkeit, Nachrüstung und solide Sondervermögen für den Wiederaufbau einer prächtigen Panzerarmee - das alles ist keine üble NATO-Propaganda mehr, sondern Wunsch und Wille einer über Nacht entstandenen Mehrheit.

Keiner hat im Wahlkampf davon gesprochen. Eine besondere Absurdität in bewegten Zeiten: All das, was wichtig ist, darf nicht erwähnt werden. Es könnte Teile der Bevölkerung verunsichern. All das, was keine Rolle spielt, wird auf der Bühne verhandelt: Man werde die Grenzen sofort schließen, heißt es. Bis zum Sommer einen Stimmungsumschwung befehlen. Das werde dem "Frust", der der AfD als Treibstoff diene, die Luft abdrücken. 

Kein Plan, aber eine letzte Chance 

Ein Rezept, das alternativlos ist, denn einen Plan für seine erste Amtszeit hat Friedrich Merz so wenig wie Olaf Scholz einen für seine zweite gehabt hätte. Erstmal ankommen. Erstmal umschauen. Merz sagt, er sehe in sich die "letzte Chance der Mitte". Genauso startet er: Der Richtige zur richtigen Zeit, jederzeit bereit, für die Macht ein Linsengericht aus winzigen sozialdemokratischen Zugeständnisseen zu schlucken.

Hätte ihn nicht schon Scholz von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin erfinden lassen, hätte der Schulden-Euphemismus "Sondervermögen" ein echter Merz werden können. Nachdem er aus dem Bett gestiegen ist, in das er sich mit der Linkspartei gelegt hatte, um die finanzielle Basis für seine ersten vier Amtsjahre zu schaffen, geht der CDU-Vorsitzende als strahlender Sieger in die Koalitionsverhandlungen. Die Hetze der grünen Wahlverlierer, die versuchen, sein Bündnis als "Kleiko" zu verhöhnen, um die Grundwerte der Demokratie infrage zu stellen, kommentiert er nicht einmal. Merz erkennt Neid, wenn er ihn sieht.

Es hagelt Hiobsbotschaften 

Draußen vor der Tür hagelt es üble Nachrichten, wie ein Bombenteppich regnet es Pleitemeldungen und Mitteilungen über Massenentlassungen. Keine Stunde, in der die Führer der früheren Volksparteien beieinandersitzen, ohne dass irgendein Großunternehmen bekanntgibt, tausende Mitarbeiter entlassen zu wollen. Insolvenzen überall. Zaghaftigkeit bei Investoren. Laute Klagen. Ein Feuersturm der Vernichtung, der eine Wirtschaft trifft, die nach drei Jahren Corona-Notstand und zwei Jahren Kriegszustand schon ein ganzes halbes Jahrzehnt lang kein Wachstum mehr generiert hatte.

Es braucht einen wie Merz, der die Aufgabe annimmt. Kanzler! Wie lange hat er davon geträumt. Dem Vorurteil, dass es mehr nie gewesen ist, tritt er entschlossen entgegen: Festlich begeht die Republik die alljährliche "Stunde der Dunkelheit", auf Medienberlinerisch "Earth Hour". Der Letzte macht das Licht aus, wenn es vorüber ist, erscheint die allgemeine Trübnis wie strahlender Sonnenschein.

Die Koalition des Aufbruchs 

Psychologie, das ist alles, womit die Koalition des Aufbruchs, die auf die "Fortschrittskoalition" folgt,  gegen die Wirklichkeit ankämpfen kann. Das Versprechen steht, dass jetzt alles aufgearbeitet wird, was so viele verletzt hat. Wie konnte es zu den 551 Fragen kommen? Was ritt Klingbeil, als er an der Brandmauer klagte, der Konservative habe verbotenerweise im Bundestag abstimmen lassen, obwohl er wusste, dass die Falschen ihm beipflichten werden? Und was, viele fragen sich auch das, wird mit Karl Lauterbach?

Das C in CDU stand für "Corona", das P in SPD für Pandemie, das G in Grüne für Herdenimmunität und das F in FDP für "Durchimpfung" (DPA). Doch es ging um mehr bei dem großen Gesellschaftsexperiment. Es ging um die wichtige Erkenntnis, wie viel Macht sich mit wie viel Druck ausüben lässt, ohne dass sie selbst kaputtgeht. Fünf Jahre danach, nach dem zweiten Regierungswechsel wieder zurück in der ursprünglichen Farbkombination, steht fest: Keiner tut einem was. 

Großmacht der Grundrechte 

Deutschland, die Großmacht der unveräußerlichen Grundrechte, war eines der Länder, das in der allerersten Not am entschiedensten Bürgerrechte beschnitt, Grenzen sogar innerhalb des Landes schloss und seine Medien gleichschaltete. Doch der Jubel darüber, dass eine Kanzlerin nach Beratungen in einem von der Verfassung nicht einmal erwähnten Gremium sogenannte "Einschränkungen" verkündete, weil "wir in einer Zeit leben, wo der Primat der Wissenschaft gilt" (Armin Laschet), schallt sogar weiter, nachdem diese Kanzlerin der Feme ihrer Partei verfallen ist.

Wissenschaft. Wenn man nur wüsste. Die einen sagen dies, die anderen sagen das. Alle sind einig, dass die Energiepreise wohl doch zu hoch sein, ein bisschen. Aber erwiesen ist, dass  Robert Habeck sie gesenkt hat und Europa bereitsteht, zu helfen, wo es kann. Solange Deutschland Geld bereitstellt. 

Der Russe kommt 

Die ernsthaftesten Vorschläge, an die Wurzel der Probleme zu gehen, finden den geringsten Widerhall in einer Atmosphäre, in der das Kriegsgeschrei aus den Büros der Ministerien gellt. Binnen wenigen Tage haben sich alle Pandemieexperten, die zu Kampfgegenrechts- und Klimaexperten umgeschult hatten, in Militärstragen verwandelt. Sie fordern, dass der Rüstungsgigant Rheinmetall seine Panzerproduktion schnell hochfahren müsse. Der Russe komme, heißt es erstmals fest terminiert, spätestens 2030. Mit einer Jahresproduktion von 50 Leoparden lässt sich Putins Schrottlawine nicht aufhalten. Ältere erinnern sich: 1944 verließen 10.000 leichte und rund 17.000 mittelschwere und schwere Panzer deutsche Fabriken. Und selbst das reichte nicht.

Trotzdem verweigert das politische Berlin jede Diskussion um den Plan B, den ein Team aus Militärökologen im März vorlegt: Statt die Rüstungsbillarde für Waffen und Munition zu verpulvern, um einen Krieg zu führen, der nicht einen Knochen eines preußischen Grenadiers wert ist, schlagen sie eine typisch russische Lösung vor: Die mehr als 300 Milliarden Euro, die Europa jährlich in seine Streitkräfte stecke, ohne je verteidigungsbereit oder gar kriegstüchtig zu werden, ließen sich effizienter verwenden.

Eine Friedensprämie für Putins Soldaten

Und zwar, in dem jedem der 1,35 Millionen Offiziere und Soldaten Putins ein lukrativer Teil der ohnehin als frische Schulden aufgenommenen Summen als Friedensprämie gezahlt werde. Natürlich nur so lange, wie er bei einem Angriff nicht mitmacht. Das wären pro Kopf etwa 250.000 Euro und das nicht einmalig, sondern jedes Jahr.

Weniger Blut. Mehr Sicherheit. Die ausgelobte Belohnung liege beim Siebzehnfachen des russischen Durchschnittslohnes von etwa 14.000 Euro. Tun müssten der einfache Muschik wie sein vorgesetzter Offizier dafür im wortwörtlichsten Sinne "einfach gar nichts". Doch so überzeugend das Konzept, so unwillig reagierte die Politik in Berlin wie in Brüssel. Die beiden großen Dampfer waren gerade erst auf Abfangkurs gesetzt worden. Eine erneute jähe Wendung, so zumindest glaubten die noch nicht einmal ins Amt gewählten Verantwortungsträger, drohe die letzten Reste von Vertrauen  in die eigenen Fähigkeiten zu Lenkung der Welt und der Gestaltung der Zukunft infrage zu stellen.

Alle im Chor 

Europa, das versicherten alle im Chor, ist bereit, bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen. Geld genug ist nach dem Abriss der Brandmauer nach links da, selbst wenn sich niemand so in einen Rüstungsrausch steigern mögen, wie es die Deutschen tun. Der Pazifismus hat sich an den linken und an den rechten Rand zurückgezogen. Ein Hufeisen aus würdeloser Wehrlosigkeit. Die Mitte steht fest. Nie wieder ist jetzt, das Jahr ohne Sonne hat gerade erst begonnen. 

Ein März ganz anderer Art: