Freitag, 30. Juni 2023

Strom von der Autobahn: Nichts ist unmöglich

Volker Wissing Hegau-Ost Einweihung Solaranlage
Ein kleines Dach, aber ein großer Schritt für die Menschheit: Das solare Pilotprojekt "PV-Süd".

Kaum jemand hätte damals für möglich gehalten, dass es gelingt. Ein Dach, beinahe frei schwebend. Obendrauf hochmoderne Solarpanele, gehalten von nachhaltig geernteten Stahlstreben, die auf Trägern ruhen, die deutsche Ingenieurskunst einbetoniert hat in den Grünstreifen an einer typisch deutschen Autobahn. Meterlang zieht sich die kühne Konstruktion, die mehrere Meter hoch aufragt, um auch größere Lieferfahrzeuge wie Lkws problemlos passieren zu lassen.  

Trotzdem: Das jetzt von  Bundesverkehrsminister Volker Wissing offiziell eröffnete erste deutsche Fernstraßen-Sonnenstrom-Kraftwerk (FSSS-K) straft alle Zweifler Lügen, die die einst vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl erfundenen und entwickelten "Stromautobahnen" für technisch zu anspruchsvoll und in der Realität nicht umsetzbar erklärt hatten.

Zukunft in fünf Metern Höhe

In fünfjähriger Planungs-, Konstruktions- und Bauzeit konnte das Fraunhofer Institut aus Freiburg jetzt gemeinsam mit dem Verkehrstechnikunternehmern Forster und dem Austrian Institute of Technology jetzt den Gegenbeweis antreten: Und es bewegt sich doch! Direkt an der Rastanlage Hegau-Ost an der A81 in Baden-Württemberg steht sie, die erste deutsche Stromautobahn. 14 Meter lang, läuft das Pilotprojekt "PV-Süd" mit voller Kraft, sobald die Sonne scheint. Noch ist der insgesamt sogar zwölf mal 14 Meter große sogenannte Demonstrator noch im Testbetrieb, aber schon entlastet die - im Vergleich zu den ersten Plänen leicht geschrumpfte - Dachfläche in 5,50 Metern Höhe mit ihren Photovoltaik-Modulen die deutsche CO2-Bilanz um ein gerüttelt Maß. Nur noch ein Monat für den Feinschliff, dann kann die wegweisende Anlage bei entsprechend optimierter Witterung bis zu 40.000 kWh Strom im Jahr liefern - das entspricht der Leistung von mehr als sogenannten 130 Balkonkraftwerken.

Ein kleiner Schritt für private Bastler, ein großer für den Bund als Betreiber der Autobahnen. Während die Sonnenernte auf Balkonen meist auf Fertigteile aus dem Baumarkt zurückgreift, entwickelten die Fraunhofer-Spezialisten für die Stromautobahn-Demonstrator eine Überkopfkonstruktion. Dazu wählen sie den richtigen Modultyp - unter "Berücksichtigung der statischen Vorgaben, Einbauart (Befestigungsart) und Design" fiel die Wahl auf "eine kristalline hocheffiziente Modultechnologie", die "auf der begrenzten Fläche der Überdachung ein Maximum an Energie" zu gewinnen verspricht.

Erstes Bundesautobahndach

Das ist ein revolutionäres Konzept. Zwar ist über die Kosten der ersten solarfähigen Überdachung direkt neben einer Autobahn nichts bekannt, doch Beobachter gehen zuversichtlich davon aus, dass die Summe von 70.000 bis 80.000 Euro, die Balkonkraftwerke mit der gleichen Leistung gekostet hätten, weit übertroffen worden sein dürften. Stolz erklärte der inzwischen für das wagemutige Konzept zuständige Minister Wissing, dass "Photovoltaik an und auf Bundesfernstraßen als wichtiger Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität künftig immer mitgedacht" werde. 

Die 168 Quadratmeter Sonnentankstelle über der Schwerlastspur zur Raststätte sind nur ein Anfang: Nach und nach und demnächst noch zusätzlich unterstützt durch das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz (GBG) werden die übrigen knapp 500.000.000 Quadratmeter über den 13.500 Kilometern Autobahn im Land  mit entsprechenden Solardächern versehen. Nach dem Endausbau läge die jährliche Stromernte bei bis zu 130.000.000.000 kWh - das entspricht der Leistung von zehn abgeschalteten Kernkraftwerken. 

Es soll nun auch alles ganz schnell gehen. Die Autobahn GmbH des Bundes prüfe bereits, wo Solaranlagen entstehen können, verriet Volker Wissing. Ehe aber das Vorhaben umgesetzt wird, bis 2040 Klimaneutralität in Unterhaltung und Betrieb von Autobahnen zu erreichen, soll in Hegau-Ost noch eine wissenschaftlich begleitete Betriebsphase genauen Aufschluss darüber geben, ob die Erzeugung von Solarstrom mehrere Meter über den Köpfen von Autofahrerinnen und Autofahrern auch in der Realität funktioniert. 

Kühnes Konzept im wissenschaftlichen Test

2019, als das erste Konzept für das Projekt vorgelegt worden war, schien das nur eine theoretisch denkbare Möglichkeit, inzwischen aber deutet vieles darauf hin, dass die "photovoltaischen Module" (Fraunhofer) flexibel im "hochrangigen Straßennetz" eingesetzt werden können, darunter auch an Rastplätzen, Mautanlagen, Verkehrskontrollplätzen, Brücken oder über Tunnelportalen. Fest steht schon, dass sich Solarmodule auch auf Wiesen neben Tunneleingängen aufstellen lassen. Macht das deutsche Beispiel Schule, könnte der Export entsprechender Hightech-Anlagen eines der so dringen gesuchten neuen Standbeine für die deutsche Schwerindustrie werden.

Deutschlands Zukunft: Das großes Sterben

Die Kluft zwischen Nachgeborenen und Wegsterbenden wird immer größer. Noch 250 Jahre, dann ist Deutschland weg.

Ein stilles, verschwiegenes Jubiläum, kaum irgendwo gefeiert und öffentlich nicht einmal mit Gedenkstunden geehrt. Schon ein halbes Jahrhundert lang wird in Deutschland mehr gestorben als zur Welt gekommen, zuletzt erreichte das vom Statistischen Bundesamt notierte Geburtendefizit sogar einen neuen Tiefpunkt. 14 Jahre nach der von der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen ausgerufenen Trendwende wurden nur noch 739.000 Babys geboren - kaum mehr als zwei Drittel der 1,1 Millionen, die 1950 zur Welt gekommen waren. Dafür aber wurde mehr gestorben: Um 327.000 Personen nahm die schonlängerhierlebende Bevölkerung ab.

Noch ein Vierteljahrhundert

Ohne Zuzug wäre in 250 Jahren Schluss, ein Zeitraum, der zwar nicht nach Augenblick klingt, aber von heute aus gesehen auch nicht weiter entfernt liegt als das Jahr, als Goethe seinen "Götz von Berlichingen" fertigstellte. Nichts mit "Boom, Baby" wie die von Ursula von der Leyen mit guten Nachrichten gefütterte Süddeutsche Zeitung  noch 2010 träumte. Kinder sind teuer und unbequem, sie stehen der Selbstverwirklichung der Eltern zumindest eine ganze Reihe von Jahren störend im Weg. 

Kinder kosten die Karriere und neuerdings kosten sie die Menschheit sogar die Zukunft: Echte Klimakinder sind Kinderkiller, sie entscheiden sich vorsorglich und rechtzeitig gegen eigenen Nachwuchs, der ja doch nur in der Hitzehölle sterben müssen würde. Drei Millionen hierzulande bekennen einer Umfrage zufolge bereits, das Kinderkriegen im Kontext der Klimakrise kritisch zu sehen und selbst lieber verzichten wollen.

Selbstsüchtige Boomer

Hinten raus wird es deshalb dünn. Nach den Boomern, jenen lebensgierigen Selbstsüchtigen, die das Land durch Konsum zerstört und sich angewöhnt haben, Wohlstand als etwas wohlverdientes anzusehen, kommt nicht mehr viel. Vom "Pillenknick" Anfang der 70er Jahre hat sich das Gemeinwesen nicht nur nie mehr erholt, es ist sogar auf dem besten Wege, den Negativrekord von 1946, als nur 662.700 Kinder zur Welt kamen, demnächst einzustellen. Im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021 sank die Geborenenzahl zuletzt um 5,5 Prozent. Und das trotz einer in den offiziellen Grafiken unübersehbaren Injektion von frischem Blut um das Jahr 2015 herum, nach deren Ursachen noch immer gesucht wird.

Bei den etwa sechs Millionen sogenannten "Traditionalisten", der Generation, die zwischen 1922 und 1945 geboren wurde, spazieren die Jüngsten und Vitalsten auf die 80 zu. Die Boomer aus den geburtenstärksten Jahrgänge dahinter gehen inzwischen in Rente, anschließend steht auch bei diesen 13 Millionen Menschen nur noch das sozialverträgliche Ableben an, möglichst spät, um nach einem viel zu arbeitsreichen Leben noch ein bisschen genießen zu können. Und möglichst früh, um die knappen Rentenkassen zu entlasten.

Vieles ist nicht gewiss

Ob es bis 2050, wenn sie alle weg sein werden, klappt mit dem Heizungsgesetz, der Durchsetzung der Gendersprache, der großen ARD-Reform, dem Halten der Brandmauern nach rechts und dem Wiedererstarken der Linken, ist so wenig gewiss wie die dann gültigen Klimaziele, die Frontverläufe im Osten und die Größe der EU. Unabwendbar aber ist der Rest der Zukunft: Jede längerhierlebende Alterskohorte, die noch kommt, ist kleiner als die vor ihr. Jede Generation verschwindet ein wenig mehr, weil sie ein wenig weniger ist. Waren es gestern noch sechs Erwachsene, die einen Verstorbenen begraben konnten, liegt das Verhältnis heute schon bei 3:1. 

In Bälde wird es sich umkehren: Die Generation Z zählt nur noch elf Millionen Mitglieder, die Hälfte Frauen, von denen sich aber 1,5 Millionen bereits gegen Kinder entschieden haben. Bleiben vier Millionen und bei einer durchschnittlichen Kinderzahl von 1,5 pro Frau schmilzt die Schar schon in der nächsten Generation auf nur noch sechs Millionen. Fortsetzung folgt, aber nicht mehr lange.

Donnerstag, 29. Juni 2023

Stern-Stunden: Von Menschen und Monstern

Stern-Titelbilder: Von Menschen und Monstern
Die "Stern"-Welt gleicht dem Marvel-Universum: Es gibt finstere Bösewichter und strahlende Heldengestalten.

Mit Rechten reden ist natürlich verboten, seit das gleichnamige Fachbuch vor Jahren abschließend regelte, mit wem anständige Deutsche noch in den Gedankenaustausch gehen dürfen und mit wem sie dies tunlichst vermeiden müssen. Rechts kontaminiert wie Weihwasser oder japanischer KKW-Ausfluss. Rechte haben - wie russische Trollfabriken - geheime Rezepte, mittels derer es ihnen Untersuchungen zufolge mit zirka zweiundsiebzigmal wirkungsvoller als ARD, ZDF, "Spiegel", "BZ" und "FR" gelingt, Andersdenkende mit falschen Narrativen zu füttern und sie umzudrehen. Nur Abstand halten hilft gegen die Infektion mit kruden Thesen und verkehrten Gedanken. Schon professionelle Nähe kann und darf unmittelbar als Infektion und der Infizierte nachfolgend als gesamtgesellschaftliche Gesundheitsgefahr betrachtet werden.

Wagemut mit Weidel

Wagemut gehört dazu, gegen diesen breiten Konsens in den Bionadevierteln zu verstoßen. Andererseits hat das Magazin "Stern" profunde Expertise im Umgang mit alten und neuen Rechten: Die Hamburger Illustrierte wurde weltweit bekannt durch ihre Dokumentation der Hitlertagebücher, "Stern"-Reporter führten bereits Interviews mit Markus Söder und Helmut Kohl und "Stern"-Kolumnisten lebten über Jahre hinweg von den Untaten des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Nun da der "Stern" sinkt wie ein Kleinst-U-Boot auf dem Weg zur "Titanic" ist es überdies auch egal, wer mit wem. Nur knallen muss es, ein Wumms, der selbst dort noch zu hören ist, wo allenfalls noch Bilderbücher gelesen werden.

Also Alice Weidel auf den Titel, die bürgerliche Fratze der Höcke-Partei, eine Frau ohne Eigenschaften, der schon auf dem Cover die entscheidende Frage gestellt wird: "Was können Sie eigent­lich außer Hass, Frau Weidel?". Die Logik der Fragestellung folgt der des Thüringer Treuetests für Wahlsieger: Entweder, Weidel pariert, indem sie vor den Augen der Reporter ein paar Socken stopft, ein Haus baut oder spontan Faust I und II in voller 4,5-Stunden-Länge als Solo spielt. Oder sie gesteht kleinlaut. Nichts. Ich kann nichts. Es ist wirklich nur Hass. Ich bin gar kein Mensch. Nur eine Beule aus fleischgewordener Hetze, sich tief drinnen sehnend nach einem scharfen Messer und einem entschlossenen Chirurgen, der mich aufsticht und die Gesellschaft von meinem Gift erlöst.

Beipackzettel statt Cover

Zu jeder Medizin, so schreibt es auch die vor Jahren als "Projekt Hera" angekündigte EU-Gesundheitsunion vor, gehört ein Beipackzettel, der je warnender gestaltet sein muss, je kreuzgefährlicher der Inhalt ist. Der "Stern" setzt diese Vorgabe seit Jahrzehnten mit traumwandlerischer Sicherheit in Aktivismus um, der nie Zweifel lässt, wer in welchem Gesinnungsbunker sitzt und aus welchem Schützengraben auf wen schießt. Helmut Kohl, der verachteten "Birne", dichtete die Redaktion an, Chef eines "CDU-Staates" zu sein, der verlachte und verhöhnte Pfälzer bekam eine Pickelhaube verpasst und die Zeile spendiert, er sei der "hässliche Deutsche" und "gefährde die Einheit". Kohls CSU-Kollege Franz-Joseph Strauß war hier der "Puppenspieler", der die ganze Republik an Stricken führte, US-Präsident Ronald Reagan war "gefährlich" bis zum "Totlachen".

Die Stern-Sympathien sind stets klar verteilt. Chinas Despot Mao war der "Vorsitzende" und seine unveröffentlichten Worte wichtig genug für eine Titelseite. Die DDR war das "Deutschland, das den Krieg gewann". Der Chef eines konkurrierenden Medienunternehmens wurde zum "Querdenker", der Präsident eines Nato-Partnerstaates zum "Brandstifter" und die Präsidentin eines schon vor 90 Jahren eng verbündeten EU-Mitgliedes zur "gefährlichsten Frau Europas". Sternstunden der Aufklärung, Sternstunden der Menschheit. Denn wenn der "Stern" erst auszieht, für klare Verhältnisse zu sorgen, dann tut er das nach dem Arbeitsprinzip kanadischer Holzfäller: Der Baum wird nicht nur von einer Seite gehackt, sondern stets von beiden.

Menschenmonster aus dem Stern-Universum

Und so gibt es nicht nur Feinde in dieser Welt, Menschenmonster, von denen sich jeder fortschrittlich, friedlich und freiheitlich gesinnte Geist möglichst fern hält. Sondern auch die anderen Figuren, Kameraden wie aus dem Marvel-Universum. Da war "Die Kämpferin" Angela Merkel und die bibbernde Vorfreude auf Annalena Baerbock, die "endlich anders" sein würde. Es gab den "Eroberer" (Stern) Martin Schulz, einen drögen SPD-Hinterbänkler, der zeitweise als "St. Martin" berufen war, die Welt zu retten. Die USA kam in Person von Joe Biden als liebevoller und besorgter "großer Bruder" zurück, endlich wieder, nach Jahren ohne Barack Obama, der der "Erlöser" und der "Retter in der Not" gewesen war, mit einer "lässigen First Lady" an seiner Seite.

Hoffnung für Amerika, Hoffnung für die Welt, vor allem anderen aber klare Rollenzuschreibungen. Verglichen mit den Hochzeiten der Hass-Titelbilder, als der "Spiegel", die andere große Illustrierte aus Hamburg, Woche für Woche neue Bilder für die Beschreibung des Unerträglichen fand, mutet das Gesicht des "Stern" zwar geradezu subtil an. Die innere Überzeugung aber ist da, sie ist unübersehbar, eine frohe Botschaft. Robert Habeck war fast "unser nächster Kanzler", dann aber wenigstens "Der Steuermann". Die Ampel trompetete "Wir schaffen das", für die britische Queen, Erbverwalterin eines unter hohem Blutzoll zusammengeraubten Imperiums, wurde gebetet,  der alten Kanzlerin eine Plattform geboten, um sich für all das zu rechtfertigen, was man ihr nach dem Ausscheiden aus dem Amt endlich als Fehler und Versäumnisse anzukreiden wagt. 

Grausame Grübchen

Angela Merkel lächelt auf diesem, ihrem vielleicht schon vorletzten Titelbild sanft, aber verschmitzt, sie hat nicht die betonartigen Gesichtszüge wie Alice Weidel, die nur vermeintlich offen in die Kamera schaut, mit den kleinen, tiefen, grausamen Grübchen in den Mundwinkeln aber unwillentlich verrät, wes Geistes Kind sie wirklich ist. Zehn Jahre nach der Gründung der Schwefelpartei, die ganz rechts außen startete und seitdem immer weiter nach rechts rückte, während sie sich radikalisierte und immer erweisen extremistischer wurde, hat es die 44-Jährige dorthin geschafft, wo bisher nur CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP auftreten durften.

Weidel steht nun auf einer Stufe mit Grönemeyer, Westernhagen und Dieter Bohlen, so wie Sachsen es als "dunkelstes Bundesland" (Stern) schon vor sieben Jahren aufs Titelblatt schaffte, platziert sie sich dort als finsterster Star. Fast sind sie erschrocken vor der eigenen verwegenen Idee. Die Teufelin auf dem Titelblatt. "Darf man das – ein Gespräch mit Alice Weidel aufs Cover heben, Fraktionsvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) und bald womöglich deren erste Kanzlerkandidatin?", stellte sich Chefredakteur Gregor Peter Schmitz quälende Fragen. Was wird passieren? Gibt es Demonstrationen?  Proteste? Verliert der "Stern" seine im Juli 1948 von der britischen Militärregierung ausgestellte Lizenz. Oder fällt die beliebteste deutsche Warteraumpostille der Feme ihrer letzten paar Leser anheim? Wenden sich die Anzeigenkunden ab? Oder ist der Aufmerksamkeitseffekt das Risiko wert? 

In einem freien Land mit freien Medien mögen das Fragen sollen sein, die sich niemand stellen würde. Im besten Deutschland aller Zeiten aber verlangen sie nach Antworten, Argumentation und Begründung. Die "Strategie der Nicht­beachtung" der AfD, heißt es im Risikohinweis des "Stern" über eine öffentlich bisher nie bestätigte Verabredung unter den großen Verlagen und Gemeinsinnsendern, habe keine Erfolge gezeitigt. Deshalb sei es nun "die Aufgabe der Medien, mit allen zu sprechen, die an die Macht wollen".

Deutschland bangt: Besteht der Nazi den Treuetest?

Sonneberger Wutsonntag als Großgemälde: Der junge Maler Kümram, bekanntgeworden als Merkel-Porträtist, hat die Ereignisse im Thüringen Wald mit breitem Pinsel auf Palettenholz gestrichen.

Die Brandmauer, sie ist nun nur noch ein schmaler Sims, verteidigt von einem früheren Kommunisten. Die letzte Linie zwischen Demokratie und dem Rückfall in dunkelste Zeiten, sie schien den Feinden der regelbasierten Werteordnung schon mit dem fatalen Wahlakt vom Sonneberger Wutsonntag besiegt: Mehrheit für Rechtsaußen in einem Bundesland, das seit Jahr und Tag instabil von Linksaußen regiert wird. Robert Sesselmann, der als vermeintlich bürgerlicher Extremist verkleidete Anwalt, ausgebildet an den demokratischen Bildungseinrichtungen der Republik und später dennoch dem früheren westdeutschen Lehrer Björn Höcke verfallen, ordnete im Triumph des gefühlten Sieges bereits seine Siebensachen, um nach der Machtergreifung mit Fackelzug und Fanfaren ins Landratsamt an der Bahnhofsstraße einzuziehen.

Rutscht ganz Thüringen hinterher

In Erfurt, mit dem Auto über verschlungene Bergpfade in knapp zwei Stunden zu erreichen, mit dem ICE nach mehrfachen Umsteigen unter anderem im bayrischen Coburg in zweieinhalb, tagten die Krisenstäbe in Permanenz. Fällt Sonneberg ab, rutscht Thüringen im kommenden Jahr bei den mit vier Jahren Verzögerung anstehenden Landtagswahlen womöglich komplett hinterher. Das grüne Herz in der braunen Soße. Städte wie Weimar und Jena, Hochburgen der Zivilgesellschaft, devastiert. Die letzten Wälder bedroht von den Motorsägen der Prepper und Kaminbesitzer. Die vor dem Verschwinden stehende Linkspartei verlöre ihre letzte Machtbastion. Der Wiederaufbau des Sozialismus in Deutschland seine homebase. Die Völker der Welt von Kuba über Berlin bis Nordkorea einen Hoffnungsort.

Doch die Demokratie, auch wenn sie im Erfurter Parlament keine Mehrheit hat, sie ist doch wehrhaft. Auch Robert Sesselmann und seine fragwürdigen bis offen faschistischen Anhänger muss das jetzt erfahren. Statt einfach so widerstandslos ins neue Amt einziehen zu können, um dort damit zu beginnen, die gemeinsamen europäischen Asylregeln, den Green Deal, den Chips Act, die legendären Maastricht-Kriterien samt Schuldengrenze und Bundesschuldenbremse und demnächst auch das neue Heizungsgesetz zu unterminieren, muss der AfD-Mann noch einmal bangen: Ein vom Thüringer Kommunalwahlgesetz vorgesehener "Demokratie-Check" wird den 50-Jährigen zuvor noch auf Herz und Nieren, illegale Verbindungen und verbotene Überzeugungen prüfen. Erst wenn das Ergebnis wider Erwarten positiv ausfällt, kann Sesselmann sein Amt antreten.

Die Ex-SED prüft die neuen Extremisten

Den sogenannten Treuetest vornehmen wird Frank Roßner, ein früheres Mitglied der SED, das später über die kurzlebige DDR-Bürgerbewegung Neue Forum noch rechtzeitig zur SPD wechselte, um später selbst Landrat werden zu können. Nach mehreren verlorenen Wahlen und Referentenstellen in Regierungsinstitutionen und Ministerien fand sich eine dauerhafte und angemessene Anschlussverwendung als Chef des Landesverwaltungsamtes. Roßner musste sich dazu keiner Konkurrenz stellen, auch einen Demokratiecheck absolvierte der Vielparteienpolitiker nicht - wer hätte ihn auch vornehmen sollen, das er selbst ja noch nicht im Amt war.

Der Demokratie-Check des Robert Sesselmann, nach Aktenlage der erste überhaupt, der in Thüringen durchgeführt wird, wird auch vor diesem Hintergrund besonders spannend. Einerseits drohen Aufstände und neue Umfrageergebnisse, sollte nach Auffinden einer Sammlung mit Hitlerfigürchen, Videokassetten mit Kriegsfilmen und russischsprachigen Büchern entschieden werden müssen, dass eine Übergabe Sonnebergs an den gelernten Anwalt vor dem Hintergrund der angespannten Weltlage zu gefährlich wäre. Andererseits könnte ein Unbedenklichkeitsattest einer SPD-geführten Behörde für das bekennende Mitglied einer vom Verfassungsschutz teilweise als gesichert rechtsextrem geführten Partei sämtliche Bemühungen konterkarieren, noch wankende Wählerinnen und Wähler mit eindringlichen Appellen und deutlichen Hinweisen auf die Ereignisse von 1933 davon abzuhalten, noch einmal auf einen Führer mit H hereinzufallen.

Jede Antwort ist falsch

Wie auch immer die bange Frage beantwortet wird, ob der Nazi den Treue-Test besteht, es wird falsch sein. Versagt Roßners Behörde dem Wahlsieger die Bestätigung der Befähigung, eine Wahlbeamtenstelle antreten zu dürfen, werden Sesselmanns Wählerinnen und Wähler darin ein politisches Urteil sehen, gefällt von einem Richter im Auftrag einer kleinen konkurrierenden Partei, die fürchtet, von den Futtertrögen vertrieben zu werden. Räumt das Verwaltungsamt aber nach der tiefgründigen Einzelfallüberprüfung von Äußerungen, Ansichten, Verbindungen und inneren Überzeugungen des Amtsanwärters offiziell ein, dass Sesselmann die "die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt", wie es das Gesetz verlangt, dann drohte dieser Persilschein Millionen von bisher zögernden Bürgerinnen und Bürgern zu irritieren. 

Die betreffenden, vor allem in Ostdeutschland und speziell in Thüringen kaum darin geübt, Zwischentöne wahrzunehmen, wären wohl schlagartig überzeugt, dass die AfD am Ende doch nicht plant, die gewohnte Werterepublik abzureißen, ARD und ZDF zu enteignen, die Bundeswehr an den Westwall zu verlegen und aus dem Euro auszutreten. Die Quittung für die kleine Heiligsprechung könnte der demokratische Block bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr erhalten - mit großen Folgen für die gesamte Republik, die mit Blick auf die EU-Wahlen ("Europawahlen") und die darauffolgende nächste Bundestagswahl heute schon vor jeder Art Veränderung zittert. Wie auch immer das Ergebnis des Gesinnungstests ausfallen wird, das Verfahren ist so verfahren, dass es nach hinten loszugehen droht.

Mittwoch, 28. Juni 2023

Sieg vor der Sommerpause: Zukunftszentrum Zentralheizung

Noch ist es nur ein erster Entwurf, aber so ähnlich könnte die künftige Transformationszentrale aussehen: Nach dem Vorbild eines Heizlüfters designt, sendet das Zukunftszentrum Zentralheizung eine klare Botschaft aus.

Auf einmal passt alles zusammen, auf einmal stimmen die Anschlüsse, die bisher für viele einfache Menschen so unübersichtlich erscheinenden Pläne ergeben einen Sinn und was bisher als Geldverschwendung, zögerliche Klimapolitik und Ampelstreit kritisiert wurde, zeigt die Grundzüge einer geradezu genialen Strategie. Wie versprochen noch vor der parlamentarischen Sommerpause, die auch in diesem Jahr wieder nur zwei schmale Monate dauern wird, haben sich die Koalitionäre in Berlin tatsächlich noch auf einen gemeinsamen Vorschlag für ein neues Bundesheizungsbeschleunigungsgesetz geeinigt: Sozialer als der erste Entwurf, ökologischer als die zwischenzeitlich bekanntgewordenen "Leitplanken", mit mehr Geld für alle, aber auch einer großzügigen Verschiebung der weltweiten Pariser Wärmepumpenziele auf das Jahr 2029.

Ein Ruck in Rohren

Der plötzliche Durchbruch beim Gute-Heizungen-Gesetz lässt aber nun alle Teile des Schiebepuzzles mit einem Ruck an die richtige Stelle gleiten. Galt schon der erste Entwurf als so überaus ausgezeichnet, dass er in zwei, drei Stunden im Bundestag unzweifelhaft in ein perfektes Gesetz hätte verwandelt werden können, ist die neue Vorlage nun selbst schon nahe an der Vollkommenheit. Alles hier glänzt vor Weitsicht, alle Oberflächen sind auf Perfektion poliert. Selbst die letzten Details, die bislang offen waren, "sind nun geklärt", es gibt zur Modernisierungsumlage bald eine zweite Modernisierungsumlage, für Arme einen Sozialzuschlag und Mieter dürfen sich mit einem bestimmten Betrag an den "Investitionen" (Tagesschau) beteiligen. 

Zehn Prozent der Kosten bekommen Vermieter zurück, wenn sie eine staatliche Förderung in Anspruch nimmt, die allerdings nur gewährt wird, wenn die nicht Einkommen und Außentemperaturen nicht zu hoch sind. Statt wie bisher acht Prozent, dürfen künftig zehn Prozent der Ausgaben für die sogenannte "energetische Sanierung" auf die Mieter umgelegt werden. Zugleich wird eine sogenannte Kappungsgrenze eingeführt: Die Jahresmiete soll sich wegen des Einbaus einer neuen Heizung auch bei einer Umlage von zehn Prozent um nicht mehr als 50 Cent je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen dürfen, pro Monat vermutlich. 

Die 80-Jahre-Grenze für nicht mehr kreditwürdige "Hochaltrige" (Karl Lauterbach), deren Anwesenheit bislang als äußert lästiger Umstand galt, fällt ersatzlos weg. Betroffenen wird freigestellt, sich auch durch Flaschensammeln oder eiserne Sparsamkeit wieder schufawürdig zu machen. Erwogen wird aber auch, Kreditanträge nach dem Vorbild der erfolgreichen anonymen Bewerbungen  zuzulassen. Dabei könnten die Kreditinstitute keine Rückschlüsse auf Alter und Kreditwürdigkeit der Antragsteller mehr ziehen. Das letzte Wort haben hier wie immer Parlament und Bundespräsident.

Das letzte Geschenk der Kanzlerin

All das ruft nach Antragsverfahren, nach Papierbergen und notwendigen Kontrollmechanismen. Und hier zeigt sich nun, welche Weitsicht die frühere Bundeskanzlerin Angela Merken an den Tag legte, als sie im Sommer ihres Abschieds den Bau des Zukunftszentrums für Transformation beschloss. Damals selbst im Rahmen der Behördenansiedlungsinitiative argwöhnisch beobachtet, vor allem in den alten Bundesländern, in denen sich viele fragten, was der braune Sumpf denn mit einem nagelneuen Behördendschungel anfangen solle, entwickelte sich die - natürlich von Anfang an vom Ende her gedachte - Idee eines letzten Geschenks der Dauerkanzlerin an ihr Volk zu einer materiellen Gewalt. Niemand konnte mehr zurück. Im Frühjahr wurde schließlich der Zuschlag erteilt.

Der Spott aber ließ nicht nach. Als "Elfenbeiturm" und "Leuchturm der Leere" wurde das künftig höchste Gebäude Ostdeutschland verhöhnt. Zentrumsleugner ätzten im Internet gegen den 200 Millionen-Euro-Bau, ihr Hauptangriffspunkt war immer wieder die bisher geheimgehaltene Aufgabe des neuen Riesen, der zwar zuversichtlich als "großes, repräsentatives Zentrum" und "Mischung aus Museum und Veranstaltungshaus" beschrieben wurde. 

Eine Million Besucher

Von dem allerdings niemand zu sagen wusste, was genau in ihm gedacht, getan und beschlossen werden sollte. Der Name "Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation" klang nach Politbürokratie. Dass der Ort mit der "Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen" eine Million Besucher im Jahr anlocken würde, hielt mancher nur für möglich, wenn Rammstein täglich viermal auf ihrer Peniskanone durch Foyer reiten, statt dass dort lähmende Belehrungen im in einem "Wissenschafts-, einem Kultur- sowie einem Dialog- und  einem  Begegnungsbereich" stattfinden.

Die Ampel aber hat nun eine Lösung für das Rätsel gefunden, was eigentlich die vielen, vielen Menschen anziehen wird. Wie der Name schon sagt, wird aus dem Zukunftszentrum in Zukunft die Transformation der deutschen Heizungen gelenkt und geleitet: Die Lawine der Modernisierungsumlageanträge, die Flut der Zuschussverfahrensformulare, die Berge an Bitten um Sozialzuschlag I, II und III und die Gebirge an Nachweisführungen zu EU-Konformitätserklärungsvordrucken und WHO-Einverständnisbeschlüssen - im mehr als 140 Meter hohen Palast, der ersten Entwürfen (oben) zufolge architektonisch nach dem Vorbild einer handelsüblichen Konvektorheizung gestaltet sein soll, ist für alle das mehr als reichlich Platz.

Neubau gegen den braunen Bodensatz

Geschickt schlägt die Koalition angesichts des Drucks, den "20 Prozent brauner Bodensatz im Osten" ausüben, noch eine zweite Fliege ohne zusätzliche Kosten. Schlüssel zum Erfolg bei der Besucherzahl sind die Antragsteller, die nach Verabschiedung der neuen Heizungsregeln Tag für Tag zur Bundesheizungszentrale pilgern werden, um sich ihrer Teil an Fördermitteln zu holen. Die Kapazität der verschiedenen Begrüßungscenter im Erdgeschoss des größten Neubaus, den sich die Republik in Kriegs- und Klimakrisenzeiten jemals geleistet, liegt bei etwa 5.000 Personen. Auch mit den behördenüblichen Schließzeiten über die Weihnachtsferien und die parlamentarische Sommerpause reicht das, um die notwendigen Besucherströme dauerhaft sicherzustellen.

Suche nach Sündenbock: Medientrupps hören Klopfgeräusche

Sonneberg in Thüringen: Landschaft ohne Licht
Fahles Licht und verstockte Einheimische: Auf der Suche nach den Gründen für den Zusammenbruch der Nachkriegsordnung durchforsten Medientrupps das Outback rund um Sonneberg.

Es scheint wie eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Der Wald ist dicht, fast sieht man ihn vor lauter Bäumen nicht. Die Sonne steht tief, das Unkraut ist hoch, die Wege hier im Osten sind in den letzten 30 Jahren fortschreitender Entvölkerung weitgehend zugewachsen. Die Burgen und die Fabriken, die Gutshäuser und die großen Genossenschaften, sie stehen leer, der Wind spielt mit rostigen Fensterläden, während ein Zug von Versorgungsfahrzeugen mit Brot, Butterersatz und Bargeld für die zurückgebliebenen auf die von den Stahlarbeitern und Chemiewerkern an Saar und Ruhr solidarisch finanzierten frisch geteerten Straßen rollt.  

Ein schläfriger Sommermorgen

Alles scheint ganz normal in Sonneberg, 48 Stunden danach. Ein schläfriger Sommermorgen mehr in einer Region, die nicht nur wegen der Temperaturen auf verblüffende Weise dem Südsudan gleicht. Ohne Entwicklungshilfe geht hier seit Jahren nichts mehr. Wer kann, zieht weg. Die übrigen, meist Alte, von Jahren unter der Knute der Diktatoren zeichnet, lehnen an der Fensterbank, an Bushaltestellen und vor den Abgabetischen der Tafel. Aus müden Augen beobachten sie das Leben beim Sterben. Wer noch jung ist und dazu in der Lage, verdingt bei den Helfern von außerhalb, die die wenigen Immobilien in guter Lage gemietet oder - in Erwartung eines länger dauernden Einsatzes - gleich angekauft haben.

Hier, wo der Dammbruch der Landratswahl größere Verheerungen angerichtet hat als die Explosion am Kachowka-Staudamm, spielt sich in diesen Tagen und Stunden ein Drama ab. Kaum war die heilsame Brandmauer gegen Hass und Hetze von den entmenschten Horden der Thüringer niedergerissen worden, begann die Suche nach den Ursachen der Explosion von Rechtsextremismus, Queerfeindlichkeit und Berlinablehnung. War es Materialermüdung, wie das teilstaatliche Portal T-Online vermutet? Oder wirken hier weiterhin Kräfte, die Mutwillen und Trotz mit zulässiger Kritik verwechseln?

Erfolgreicher Nachfolger

Inzwischen sind in den dunklen Wäldern rund um Sonneberg Hunderte Helfer im Einsatz, um den oder die Sündenböcke zu finden, die an allem Schuld sind. Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass mit der sogenannten AfD eine neue Alternative auftauchte, die die bis dahin für Rassenhass, Europafeindlichkeit und Kriegstreiberei hauptverantwortliche NPD ersetzte. Gerade noch rechtzeitig, ehe das Bundesverfassungsgericht eine Auflösung der Mini-Partei von Amts wegen  wegen erwiesener Bedeutungslosigkeit ablehnte. Die gute Nachricht: es fand sich unmittelbar Ersatz. Vor allem für betroffene Medienarbeiter und Akteure im politischen Berlin eine große Erleichterung: So lange ein gemeinsamer Feind eint, steht außer Frage, dass es keine eigene Verantwortung für irgendwelche Um- oder Zustände gibt. Sondern allein die Aufgabe, ihn  zu bekämpfen.

Aber erst mal finden. Seit Sonntagabend schon durchkämmen mediale Suchtrupps und Ketten politischer Fußsoldaten das Gebiet zwischen Thüringer Wald und Bayern, in dem es zum Dammbruch kam. Es gebe Anhaltspunkte, dass im Suchgebiet bereits Beweise dafür gefunden worden werden sein könnten, dass es sich bei dem Dammbruch in Wirklichkeit um einen Zivilisationsbruch handelt, hat der ARD-Aktivist Georg Restle direkt aus der am schlimmsten betroffenen Region gekabelt: "Falls noch jemand Fragen hat, wer da in Sonneberg orchestriert hat: Sonneberg ist ein Sieg der organisierten Rechtsextremisten im Land", meldete der wagemutige Rechercheur, dem es in der Vergangenheit gelungen war, die Politik des Westens gegenüber Russland als "aggressiv" (Monitor) anzuprangern.

Schimmelbrot statt Chancenkarte

Doch wer ist Wladimir Putin verglichen mit Robert Sesselmann? Und wenn das Brot an einer Stelle schimmelt, muss dann nicht der gesamte Laib sofort entsorgt werden, weil er versucht ist mit unsichtbaren Sporen?  Sieben Millionen Deutsche sind heute bereits entschlossen, den Landkreis Sonneberg zu verlassen und zu Mastodon umzuziehen. Viele Fachkräfte, die die neue Chancenkarte eigentlich nutzen wollten, Deutschlands wankender Wirtschaft unter die geriatrischen Winkearme zu greifen, zögern seit dem Bekanntwerden des Wahlergebnisses mit der Abreise.

Eile tut Not. Den Besatzungen in den sommerlich stickigen Talkshowstudios geht langsam der Sauerstoff aus. Im Berliner Zentrum, wo die Wege kurz sind und die Mieten hoch, mangelt es an Argumentativen und - auch aufgrund der anstehenden Sommerferien - an neuen, schlanken und griffigen Worthülsen. Derweil konzentriert sich die Suche mittlerweile auf ein Gebiet, aus dem Medienvertreter  Geräusche gehört haben wollen: Die Laute, die am späten Sonntagabend angeblich auch von westlichen Geheimdiensten aufgezeichnet worden waren, erinnerten Beobachter an die schnarrende Stimme eines früheren Kanzlers, ließen sich aber zunächst keinem Menschen zuordnen. Hitler? Höcke? Till Lindemann?

Ausweitung des Suchgebietes

Wir wissen nicht, was das ist", gestand einer der Koordinatoren der Suche nach dem Sündenbock, die nach einer erneuten Ausweitung nun nicht mehr nur bei Grünen, SPD, ARD, FDP, CDU, CSU, ZDF, DDR, SED, Moskau, Washington und Linkspartei nach Verantwortlichen für den Zusammenbruch der Nachkriegsordnung sucht, sondern auch bei nicht ausreichend überzeugend vorgebrachten Erzählungen vom großen Umbau, dem kommenden grünen Wirtschaftswunder und Missverständnissen über das in Berlin en-suite aufgeführte Bühnenstück "Streit in der Ampel" . Ein Gutteil der Schuld kommt dabei freilich auch der Presse als Transmissionsriemen der Regierungsbotschaften an das einfache Volk zu: Immer wieder wurde hier aus sensationsgier Zweifel geweckt, immer wieder wurden akute Gefahren verniedlicht, indem etwa die Zahl der Arten, an Hitze zu sterben, absichtlich niedriger angesetzt wurde.

Nach dem Fall der Brandmauer gilt es nun, die Schuldigen klar zu benennen, ihre Opfer zu bergen und schnellstmöglich zur Tagesordnung überzugehen. Die Ampel blinkt nun hektisch, um auf die Überholspur zu kommen, damit beschlossen wird, was weh tun wird, so lange die eigene Kraft noch reicht. Friedrich Merz dagegen wendet sich gegen die eigenen Leute, Spaltung und Niedertracht sind sein Weg zur Macht. Der Kanzler sitzt die Sache aus wie immer. Auch die EU-Kommission schweigt. Nicht Sonneberg und seine Bevölkerung müssen überzeugt werden, umzukehren, die kleine Stadt im Wald ist ein verlorenes Stück Land, dessen  Beitrag zum Bruttoinlandsglück vollkommen zu vernachlässigen ist. Der letzte Dienst, den die Menschen dort leisten können, ist, den Regionen rundherum als abschreckendes Beispiel zu dienen, um zu zeigen, wie besser nicht gewählt werden sollte.

Dienstag, 27. Juni 2023

Dauerhafter Dammbruch: Am Ende der Nachkriegszeit

Bundeswehr Panzer Zeichnung
Nun doch dauerhaft: Die Bundeswehr beendet ihre Ost-Rotation.

Wenn sich niemand mehr an nichts hält, dann muss sich auch niemand mehr an nichts halten. Solche Gelegenheiten darf verantwortlich handelnde Politik nie verstreichen lassen: Es gilt viel mehr, sie zu erkennen und zu nutzen. Helmut Kohl, der sich 1989 plötzlich und weitgehend unvorbereitet in eine Lage versetzt sah, das stets eher theoretisch postulierte Gebot, Deutschlands Einheit wiederherzustellen, zögerte nicht, sich in den Mantel der Geschichte zu zwängen. Jeder Kompromiss, den er eingehen musste, um zum Ziel zu kommen, war die Sache wert. Der deutsche Kanzler überzeugte sogar den amerikanischen Präsidenten davon, einer Regelung zuzustimmen, nach der die Nato auch nach dem Rückzug der Russen von ihrer vorgelagerten Westflanke niemals dauerhaft Truppen jenseits der ehemaligen deutsche-deutschen Grenze stationieren würden.

Niemals dauerhaft

Das Versprechen geriet schon zum Eiertanz, als nahezu sämtliche frühere Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes Nato-Mitglieder wurden. Naturgemäß waren nun überall Nato-Truppen dauerhaft stationiert, selbst direkt an der russischen Grenze. Eine solche Stationierung im eigenen Land, von dieser Interpretation konnte das westliche Verteidigungsbündnis Moskau lange überzeugen, sei aber damals, als der 2+4-Vertrag geschlossen wurde, gar nicht gemeint gewesen. Wie ja auch das Versprechen, dass die Nato sich niemals nach Osten ausdehnen werden, nicht gemeint habe, dass sie nicht weiter ostwärts gelegene Staaten als Mitglied aufnehmen könne, die sich, ein Blick auf die Karte verrät es, dadurch kein bisschen  ausdehnen.

Wie weit sich Worte dehnen und Sätze wirklich interpretieren lassen, bewiesen dann die ersten Reaktionen auf die russische Einvernahme der Krim. Das Militärbündnis streckte die Arme aus. Und nach Jahren intensiver Untersuchung entpuppte sich das Wörtchen "dauerhaft" in den Verträgen mit Russland, dort eigentlich hineingeschrieben als betonter Hinderungsgrund für jede Art von Expansion, als versteckte Einladung für ein Vorrücken nach Osten: Die Nato stationierte Truppen. Widersprach dem Vorwurf, es handele sich um eine verbotene dauerhafte Präsenz, aber deutlich, indem sie die einzelnen  Einheiten aller paar Monate ablöste. Buchstabengenau vertragsgerecht. Ein gerissener Kniff wie aus dem Lehrbuch für Windeladvokaten.

Vertrauensbildende Maßnahme

Die Rotation wurde in Moskau zweifelsfrei als vertrauensbildende Maßnahme verstanden. Am Roten Platz wurde über Gorbatschow geflucht, der sich hatte dermaßen übertölpeln lassen:  Nicht nur, dass er darauf verzichtet hatte, sich die künftige Blockfreiheit der alten Sowjetvasallen in Osteuropa schriftlich geben zu lassen. Nein, er hatte mit dem "dauerhaft" auch noch die Tür für eine ständige Anwesenheit von Nato-Truppen direkt vor Russlands Haustür geöffnet, gegen die sich nicht einmal etwas sagen ließ, weil gegen keine Vereinbarung verstieß.

Dazu machte Russland den ersten Schritt, indem es die Ukraine überfiel. Aber damit schafft es nun auch die Gelegenheit, den ganzen alten Vertragsquatsch über Bord zu werfen, der das deutsche Heer bisher daran hinderte, seine Stiefel selbstbewusst wie früher auf fremde Scholle zu setzen. Wie einst Helmut Kohl hat Verteidigungsminister Boris Pistorius die Chance erkannt, die sich in einer vielleicht einmaligen Gelegenheit auftut: Wladimir Putin ist durch andere Sorgen abgelenkt, die Linke als Sachwalter russischer Interessen delegitimiert und die deutsche Friedensbewegung mausetot. Die Nato-Partner aber lechzen nach deutscher Schützenhilfe. 

Ausdrücklich dauerhaft

Pistorius verkündete also "überraschend die dauerhafte Verlegung von 4.000 Bundeswehrsoldaten nach Litauen". Ein Marschbefehl für "eine robuste Brigade" (Pistorius), der alle semantischen Tricks ignoriert, um die "Ostflanke der Nato" zu "stärken". Ausdrücklich zitiert der Sozialdemokrat in der Ankündigung den Begriff "dauerhaft", um die geplante Stationierung zu beschreiben: Statt 800 Soldaten, die rotierend anreisen, um nach drei Monaten einer neuen Abordnung Platz zu machen, werden bis 2026 fünfmal so viele Präsenz zeigen. Die Nachkriegszeit endet damit, an einem Sommertag, 82 Jahre und 96 Stunden nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion.

Sonneberger Demokratieversagen: Bestürztes Entsetzen

Wer nicht hören will, muss fühlen. Und wer nicht vorab Einsicht zeigt, dem muss die Gesellschaft anders beikommen. Nach Wochen end- wie fruchtlosen Streit darüber, wer welchen Schuldanteil am Umfragehoch der inzwischen in Teilen gesichert rechtsextremistischen AfD auf sich nehmen muss, wirkt der noch gesunde Teil der demokratischen Gemeinschaft am Tag nach dem "Dammbruch" (alle) von Sonneberg noch weitaus ratloser als in den Stunden des Prigoschin-Marsches auf Moskau. Die Regierung schwieg betont, der Regierungssprecher wollte die Landratswahl auch nicht gleich überhöhen. Nur Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius reagierte geistesgegenwärtig, indem er den seit Jahrhunderten im thüringischen Exil ausharrenden Franken die Instrumente zeigte.  

Noch besser überzeugen

Diese Demokratie ist wehrhaft, seit sie eine Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) hat, die erstmals alle Eventualitäten in Rechnung stellt. Bei Angriffen von rechts, ausgeführt unter Missbrauch der Freiheiten, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch denen bietet, die sich ablehnen oder für nicht vollkommen halten, sieht die NSS zivilgesellschaftlichen Widerstand vor. Keine Rückabwicklung des Wahlaktes wie noch vor drei Jahren nach dem Desaster bei der Thüringen-Wahl. Sondern mehr überzeugen, besser überzeugen, vor allem aber erfolgreicher erziehen. 

Der Möglichkeiten sind viele. Noch am Vormittag nach der Wahl wurde für die 44 Prozent der Sonneberger, die hin beziehen, der Mindestlohn erhöht. Doch deutliches Signal in den "Nazi-Landkreis": Es wäre deutlich mehr geworden, mit dem richtigen Ergebnis. Aber wie es in den Thüringer Wald hineinruft, so schallt er heraus: Stunden nur nach der "Warnung an alle demokratischen Kräfte" (Ricarda Lang) kursierten die ersten Boykottaufrufe gegen Firmen, die noch im Grenzgebiet zu Bayern und zum Dritten Reich ausharren, aus "Bestürzung" (CDU) und "Entsetzen" (Grüne, Linke) erwuchs das Gefühl einer Endzeit, in der nun "alle demokratischen Kräfte zusammen die Demokratie verteidigen müssen".

Auf zum Vereinigungsparteitag

Gegen wen ist klar, nur wie, das weiß seit Jahren niemand. Würde es helfen, durchgängig zu gendern  oder sollte zugleich immer Leichte Sprache verwendet werden? Reicht es, die Bundeswärmepumpenförderung zu verdoppeln oder sie verfünffachen oder wäre ein deutschlandweites Wärmepumpenverbot das einzig richtige Signal? Der Extremismusforscher Matthias Quent, der vom Rechtsruck lebt, hört die Stiefel schon auf der Straße wummern, in denen die Kolonnen von AfD und CDU zum Vereinigungsparteitag marschieren. Sonneberg, so werde dereinst geschrieben werden, sei " Ausgangspunkt für eine nun höchstwahrscheinlich folgende Normalisierung und Legitimierung einer Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU".

Das ist die Methode, die die scharfsinnige Grünen-Chefin Ricarda Lang beschrieben hat: Bewusst Ängste füttern und schüre auf dieser Basis Hass schüren, um damit "rhetorisch oder real auf Spaltung" zu setzen, wie es die aus Thüringen stammende Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhard umreißt. Niemand kennt die Wähler, niemand kennt ihre Motive, kaum einer war jemals in Sonneberg, dessen Bevölkerung kaum Spiegel und SZ liest, aber immer noch an der Ablehnung ihres Wunsches kaut, aus Thüringen nach Bayern wechseln zu dürfen.

Leitung, Führung, harte Hand

Sie sind wie Kinder, sie sind wie Italiener, wie Ungarn. Sie brauchen Leitung, Führung und zur Not auch eine harte Hand. "Abgrenzung, Aufklärung und Haltung" hatte Matthias Quent schon vor Jahren in seinem Klassiker "Deutschland rechts außen - "wie die Rechten nach der Macht greifen und wie wir sie stoppen können" als einzige wirksame Strategie empfohlen, "wie wir unsere Zukunft vor den Rechten retten". Zuspitzung, Anheizung der Konflikte, das Vertiefen gesellschaftlicher Gräben und eine Vervielfachung der Anstrengungen, zum Krieg gegen die aufzurufen, die sich aus Quents Sicht im "Kulturkampf gegen die liberale Demokratie" wähnen, das ist die Medizin, die der Sonneberger nun schlucken muss.

Montag, 26. Juni 2023

Hitzeschutzimpfung: Der kühlende Pieks

Plakate wie diese sollen Ungeschützte bereits im Sommer vor der zunehmenden Hitze warnen.

Er kommt spät, im Grunde genommen bereits mitten im Sommer, aber er kommt nun doch: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird noch heute den Ersten Deutschen Hitzeschutzplan für mehr Sicherheit und Prävention (EDHSP) vorstellen. Die Bevölkerung solle künftig stärker vor den Gefahren zunehmend steigernder Temperaturen gewarnt werden. Vorbild ist das Maßnahmesystem aus Pandemiezeiten, das zum Daheimbleiben aufforderte, um unnötige Gefährdungen zu vermeiden.

Schutz der Vulnerablen

Geplant ist, die mit klimabedingten Hitzererscheinungen weitgehend nicht vertraute Bevölkerung vor den Gefahren jahreszeitlich bedingter Wettererscheinungen zu warnen. Bürgerinnen und Bürger sollen danach immer Sonnencreme dabei haben, wenn sie das Haus verlassen, empfohlen wird, große, breite Hüte zu tragen und Wasservorräte am Mann beziehungsweise der Frau zu tragen. Eingeführt wird zudem eine Hitzeschutzimpfung, die vor allem den besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen zu einer sogenannten Grundimmunisierung gegen die neuen Hitzeerscheinungen verhelfen soll.  

Bevor der nächste Hitzesommer richtig beginnt, sollten sich vor allem Kinder und Ältere impfen lassen, empfehlen Fachleute. Jetzt sei dazu noch Zeit, denn es dauert etwa zwei Wochen, bis der Hitzeschutz vollständig aufgebaut ist. Wenn es dann draußen richtig heiß wird, sei die Impfung ist der sicherste Schutz vor Schweißausbrüchen, Hautverbrennungen und schwerer abendlicher Hitzeermüdung. Mit einem geringeren oder gar keinem Impfschutz müssten Menschen dagegen damit rechnen, vom kippenden globalen Klima direkt erwischt und schwer getroffen zu werden. Gerade wer ohnehin an chronischen Krankheiten leide, durch Übergewicht oder Alter eine Hitzeempfindlichkeit entwickelt habe, sei gut beraten, das Angebot einer Immunisierung über einen kleinen, aber kühlenden Pieks anzunehmen.

Vorsorge für Risikogruppen

Die Vorsorgemaßnahmen des EDHSP gehen aber noch weiter. So sollen Risikogruppen künftig nicht nur über das im Neuaufbau befindliche Bundessirenennetzwerk vor Hitzeausbrüchen gewarnt werden, sondern auch über das erst im vergangenen Jahr freigeschaltete Cell Broadcast- System, das so modern ist, dass es in der deutschen Sprache nicht einmal einen Namen dafür gibt. Zur neuen Strategie gehört auch die weitgehende Verschattung offener Flächen: Kommunen müssen bis 2028 einen sogenannten kommunalen Wärmeplan vorlegen. "Mit Hilfe dieses Fahrplans sollen die Kommunen, die richtigen Entscheidungen treffen", heißt es beim Umweltministerium Baden Württemberg wörtlich.

Es geht um Sonnensegel, um Frischluftschneisen und den Ausbau großer Lüfteranlagen, die Großstädte  kühlen können, in denen der Klimanotstand ausgerufen werden muss. Konflikte zwischen Betreibern von Photovoltaikanlagen, die es eher sonnig mögen, und schattensuchenden Bürgerinnen und Bürgern, sollen dabei entlang der Leitlinien des neuen Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien im Vorwärtsschreiten gelöst werden. Schattenspendende Bäume, die unter die Baumschutzsatzung fallen, dürfen danach gefällt werden. Neue Solaranlagen sind jedoch über Kopfhöhe freihängend anzubringen, so dass sie den Sonnenschutz übernehmen können.

Schattenmänner für Hitzealarm

Mit sogenannten "Schattenmännern", die auch Frauen sein können, soll häuserblockweise Vorsorge getroffen werden. Die Hitzeblockwarte würden künftig je nach ausgerufener Temperaturalarmstufe - geplant sind mindestens sechs Hitzestufen - auf den richtigen Umgang mit der Situation achten. Da Menschen über 60 aufgrund schwerer und sogar potenziell tödlicher Komplikationen besonders gefährdet sind, wären für sie Trinkkontrollen vorgesehen. Ungeimpfte, bei denen die Gefahren beim Verlassen der Wohnung oder gar des Hauses in keinem Verhältnis zu den möglichen lebensbedrohlichen Folgen stehen,würden durch einen Hitzelockdown umfassend geschützt.

Das gilt auch für Bürgerinnen und Bürger, die sich erst spät für den kühlenden Pieks entschlossen haben. Richtig geschützt ist man erst zwei Wochen nach der Impfung. Diese Zeit braucht der Körper, um den Hitzeschutz vollständig aufzubauen. Die Hitzeschutzimpfung gilt dabei als gut verträglich. Anders ausgedrückt: Das Risiko von Nebenwirkungen ist relativ gering. Die meisten Menschen reagieren kaum oder gar nicht auf den kleinen Stich. Nur bei jedem Hundertsten bis jedem Zehnten rötet sich die Einstichstelle oder schwillt an. Doch das ist nur ein  bestätigendes Zeichen dafür, dass die körpereigene Abwehr arbeitet. Es kann allerdings auch sein, dass Geimpfte etwas fiebrig werden oder dass ihnen leicht unwohl wird. Damit signalisiert der Körper, dass er sich auf die neuen Klimatemperaturen umstellt. Nach ein bis zwei Tagen vergeht das meist wieder. 

Entzündung kein Hinderungsgrund 

Schwere Nebenwirkungen wie Lähmungen, Krampfanfälle oder Hirnhautentzündungen kommen sehr selten vor, höchstens bei einer von zehntausend Impfungen, also deutschlandweit allenfalls bei 8.000 bis 9.000 Menschen. Eine leichte Entzündung ist hingegen kein Hinderungsgrund für die Impfung, denn die hält nur ein halbes Jahr und verliert ihre Wirkung im Winterhalbjahr. Bis dahin dürfen Hitzeimmunisierte nach den Regeln des Nationale Hitzeplans uneingeschränkt Kultureinrichtungen und Gastronomie besuchen – temperaturunabhängig. Nötig wäre nur eine formlose Abmeldung beim zuständigen Schattenmann des Mehrfamilienhauses oder - im Fall von Bewohnenden in Einfamilienhaussiedlungen - beim sogenannten Schattenkabinett der betreffenden Straße.

Schockwellen aus Sonneberg: Wenn Rechte nach der Macht greifen

Es braucht aufrüttelnde Titelbilder, um im Osten aufzuklären.

Tief im Wald und tiefbraun: Eine vorgezogene Bundestagswahl im winzigen ostdeutschen Landkreis Sonneberg hat deutschlandweit ein Zeichen für den seit langem beklagten Rechtsrutsch im Land gesetzt. Mit Robert Sesselmann zieht erstmals ein Kandidat der in Teilen als gesichert rechtsextremistisch vom Verfassungsschutz beobachteten AfD als Chef in ein deutsches Landratsamt ein. Schockwellen rollen durch die Republik, die das Desaster zwar hat kommen sehen, bis zuletzt aber an die Einsicht der Wahlberechtigten im Zipfel zwischen Schalkau, Mittwitz und Pressig glauben wollten. Dreieinhalb Jahre nach den seinerzeit von der Bundeskanzlerin noch selbst rückgängig gemachten Landtagswahlergebnissen in Thüringen würden die Wähler im kleinsten Landkreis es nicht wagen, schon wieder undemokratisch zu wählen, so die Hoffnung im politischen Berlin.

Ein Analyse von PPQ-Kolumnistin Svenja  Prantl.

Svenja Prantl.
Wie ein Mann, ja, wie eine Brandmauer standen die demokratischen Parteien zusammen gegen die populistische Versuchung. Von Linkspartei bis Liberalen riefen alle zur Wahl des CDU-Kandidaten Jürgen Köpper auf, einem im Alltagsgeschäft des Krisenkreises seit vier Jahren gestählten Kommunalpolitiker, der einen der dynamischsten Wirtschaftsräume Deutschlands gern weiter hätte prosperieren lassen. 33 Jahre nach dem Ende der DDR liegt die Arbeitslosenquote hier bei nur noch 5,1 Prozent, weil es gelungen ist, echte von falschen und andere von bestimmten Arbeitslosen trennscharf zu separieren. Von der noch kurz vor dem Stichwahlgang ausgelobten Mindestlohnerhöhung auf 14 Euro hätten hier zudem sagenhafte 44Prozent der Nocharbeitenden profitiert.

Nun natürlich nicht mehr. Die Sonneberger, ein  Stamm, der sich selbst für fränkisch hält, in den Jahren der deutschen Teilung aber mit den ihm wesensfremden Thüringern zusammen in der DDR eingesperrt war, hatten ihre Chance. Doch ihnen fehlte ganz offensichtlich das Einsehen: Wie gewünscht erschienen zwar noch einmal mehr von ihnen zum zweiten Wahlgang an den Urnen. Wie bereits vorab befürchtet kamen die meisten von ihnen aber nicht, um einen Wahl-, sondern um einen Denkzettel für Diedainberlin auszufüllen.

Tiefpunkt der Politik

Das Ergebnis ist nun ein "Tiefpunkt unserer Politik seit dem dem Fall der Mauer", wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nur Minuten nach der Verkündigung des Wahlergebnisse bei Twitter analyseierte. Die klare Trennung "seit dem dem Fall der Mauer" ist wichtig: In der alten Bundesrepublik besetzten Nazis reihenweise Schlüsselposten, sie waren Landräte, Bürgermeister und Abgeordnete. Das geht nun aber nicht mehr, schon allein aus Altersgründen. Umso gefährlicher, dass Leute wie Sesselmann nachrücken. Leute, die ihr Studium der Finanzierung durch den deutschen Steuerzahler verdanken, sich dafür aber nicht dankbar zeigen, sondern jede Gelegenheit nutzen, um gegen den Staat, dem sie freiwillig beigetreten sind, zu rebellieren.

Was ist das für ein Benehmen? Was zeigt sich da für eine Haltung? Was ist in Schule und Ausbildung falsch gelaufen bei diesen Menschen, die auf Besuchende auf den ersten Blick nicht einmal unheimlich oder feindlich wirken. Dann aber in einem unbeobachteten Moment ihr Kreuzchen dort machen, wo es Millionen und Abermillionen anderen weh tut? Nein, es ist kein Dammbruch, was da in der dunkelsten Ecke Thüringens geschehen ist, eines Bundeslandes, das wie Sachsen und Sachsen-Anhalt selbst insgesamt als düsterste Gruft begrabener Hoffnungen gilt.

Der Name ist der reine Hohn

In Sonneberg, schon der Name scheint inzwischen der reine Hohn, zeigt sich das Ergebnis der mangelhaften Arbeit mit und an den Menschen über viele, viele Jahre: Die Normalisierung der Täter bis in die von der Gemeinschaft solidarisch finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender. Die Verharmlosung rechtsextremen Gedankenguts und die Übernahme rechter Propagandaparolen. Das Mitspielen im dreckigen Spiel um höhere Mauern, Grenzschließungen, Abschottung und das Übernehmen von Forderungen gegen den angeblichen "Genderismus" und das Sternchensprechen, wie es Sofalinke und der Bionadeadel durchsetzen wollen.

Das Umfallen der Ampel bei der Entscheidung über die Wärmepumpenpflicht war vielleicht der Nagel zum Sarg einer Entwicklung, die sich auf einen guten Weg begeben hatte. So flott wie noch keine Bundesregierung vor ihr hatte das rot-grün-gelbe Kabinett sich darangemacht, das Land von Grund auf neu durchzuregulieren: Neue Heizungen, neues Essen, neue Werberegeln, Rückbau der umweltschädlichen Industrien, Wärmeplan und Hitzeschutz - beinahe wäre es gelungen, das alles umzusetzen, ohne dass es jemand bemerkt.

Die Nerven verloren

Die Nerven verloren zu haben, als das erste bisschen Gegenwind aufkam, als die großen Gazetten sich gegen ihre eigenen Leute wandten und die Helden zu Tölpeln erklärten, das müssen Scholz, Habeck, Lindner und Baerbock sich selbst vorwerfen. Sie opferten damit das Wohl der Menschheit den Partikularinteressen einer kleinen, durchweg einheimischen Bevölkerungsgruppe. Sie opferten damit aber auch das empfindliche Gleichgewicht zwischen den Kräften des Bösen und den Mächten des Lichts, wie Karl Lauterbach direkt nach dem Bekanntwerden des Erdergebnisses aus Sonneberg einräumen musste. "Die Bevölkerung  muss besser mitgenommen werden auf dem Weg zu Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit", stellte der Gesundheitsminister ein Rezept zur Behandlung der AfD-Anfälligkeit aus. 

Die alternativlosen eigenen Entscheidungen, die notwendigen Beschlüsse und unerlässlichen Maßnahmen mehr zu erklären, die Leute dort abzuholen, wo sie sind, und sei es eben in Sonneberg, ohne zuzulassen, dass die abgehängten Regionen Faschos in Rathäuser und Landkreisämter wählen, um ihrem Unmut Luft zu machen, das ist die Perspektive. Es müsse Schluss mit Lustig sein, mit Akzeptanz und Toleranz für Wahlentscheidungen, die gegen alles steht, was man selbst glaubt, hat der frühere SPD-Politiker Ralf Stegner zum Endkampf gegen Sonneberg aufgerufen: "Mit Rechtsradikalen gemeinsame Sache machen? Für Demokraten niemals, nirgendwo und aus keinem Grund!" Wer überhaupt noch "einen Funken Anstand" habe, zitierte Stegner Thüringens AfD-Chef Bjön Höcke, der wiederum Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels zitiert hatte, wähle keine "Demokratiefeinde, Rassisten, Antisemiten, Nationalisten von der AfD".

Sonntag, 25. Juni 2023

Beim Wagneraufstand am Spielfeldrand: Hund beißt Mann

Jewgeni Prigoschin dirigierte eine Wagner-Oper, die Europa für einen Tag beben ließ.

Der Koch verwandelte sich für ein paar Stunden zum Hoffnungsträger. Jewgeni Prigoschin marschierte nach Moskau, der Hund schickte sich an, die Hand seines Herren zu beißen. Das kam so unerwartet, dass der Gemeinsinnfunk für Stunden wie paralysiert am Spielfeldrand stand. Die bei Regenfällen, Sturmböen und komplizierten Ampel- und EU-Konflikten üblichen Laufbänder, über die die Schlagzeilen stolpern, bis die "Kuh vom Eis" (DPA) geführt worden ist, Prigoschin bekam sie nicht. In der ARD lief das Normalprogramm, im ZDF ebenso. Phoenix, der ehemalige "Ereignissender", diskutierte weiterhin den Arbeiteraufstand vom 17.Juni und ganz aktuell den Sommer in den schwedischen Schären. ZDF Info war beim "Streitfall Wehrmacht".

Unbehelligt von den Ereignissen

Für ein paar Stunden noch heile Welt. Wer nicht zum Privatsender n-tv umschaltete oder den Ereignissen bei Mario Nawfal auf Twitter folgte, blieb unbehelligt von den Ereignissen eines Tages, die ohnehin alle Seiten überforderten. Vor dem Frühstück hatte Prigoschin noch als einer vom Putins schlimmsten Schergen gegolten, ein blutiger Büttel, dem es nicht darum ging, den Krieg zu beenden. Sondern darum, ihn mit größerer Brutalität zu führen. Um die Mittagsstunde aber kamen die ersten Stauffenberg-Vergleiche. Der "Gerechtigkeitsmarsch" (Prigoschin) der Söldner war kein Appell der Kerzenmacher mehr, die eigentlich nur mehr wollen, mehr Waffen, mehr Munition, mehr Krieg. Sondern eine Art Aufstand des Gewissens.

Eine Befreiungsarmee, die Spartakus' Marsch auf Rom in Schützenpanzerwagen wiederaufführte. "Tagesschau" und "Heute" vermieden vorerst alle Irritationen, indem sie bis in die hintersten Verästlungen ihrer Spartensender ganz hinten auf den deutschen Fernbedienungen beim Normalprogramm blieben. Das Studio Moskau blieb stumm, das Neun-Milliarden-System der Grundversorgung der Gebührenzahler mit Informationen lieferte "Die Tierärzte - Helfer mit Herz" und "Bares für Rares". Keine Wagner-Oper mit Panzerketten als Bass.

Prigoschins kurzer Aufstand wurde so zur Medienrevolution: Ausgerechnet Elon Musks Kurznachrichtendienst Twitter, der Höllenpfuhl des Internets, in dem sich allen medialen Bekundungen zufolge der Bodensatz der Informationsgesellschaft tummelt, übernahm die Berichterstattung. Mario Nawfal, ein eigentlich eher mit Wirtschaftsthemen und amerikanischer Innenpolitik beschäftigt, hatte bereits 40 Millionen Empfänger am Gerät versammelt, als die "Tagesschau" ihre Leitungen geordnet und ein paar Experten herantelefoniert hatte, die die unklare Lage als unklar beschrieben und die Konsequenzen als nicht absehbar.

Die kürzeste Wagner-Oper 

Aufatmen überall, als Prigoschin seinen Marsch schließlich stoppte und seine Truppen zurück in die Stützpunkte und Feldlager beorderte. Enttäuschung überall, als die Kolonne der Aufständischen umkehrte. Der Putsch, der in Echtgeschwindigkeit nur einen Tag dauerte, bei ARD und ZDF aber nur ein paar Stunden, war vorbei. Putin, seit drei Jahren todkrank, hatte es noch einmal geschafft, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Seine Armee, seit fast einem Jahr unter akuten Munitionsproblemen leidend, kann ihren Krieg weiterführen. Prigoschin darf nach Belarusdemfrüherenweißrussland auswandern, er hat Straffreiheit ausgehandelt und das Wort des Präsidenten darauf, lebt aber nun auf Abruf, denn Putin steht nicht unter Verdacht, seinen Gegnern einen gemütlichen Lebensabend zu gönnen.

ARD und ZDF haben umgehend zurückgeschaltet auf Normalbetrieb. Am Tag danach läuft bei ZDF Info der lange Tag der vergessenen Mordfälle in der DDR. Der ARD-Nachrichtensender Tagesschau24 ist zurück bei John F. Kennedy und Tipps, wie sich im eigenen Garten Energie aus Windkraft erzeugen lässt. Die Luft ist raus, die Lage wieder stabil. Prigoschin gibt auf, aber Sesselmann marschiert noch auf Sonneberg. Inzwischen hat man vieles auch vorher gewusst. Spätestens am Dienstag wird auch der Bundesnachrichtendienst im Geheimdienstausschuss des deutschen Bundestages ausdrücklich vor der Möglichkeit warnen, dass Prigoschin seine Privatarmee zu einem Aufstand anstacheln könnte.

Vergleichsverbot für Wetterkarten: Leugner lassen nicht locker

Wetterkarte ARD 1995
Wird oft zum vermeintlichen Falschvergleich missbraucht: Eine totpgraphische ARD-Karte von 1995.

Sie werden nicht müde und lassen nicht locker. Immer wieder nutzen Klimawandelleugner außer Rand und Band geratene Gluthitzetemperaturen, um uralte Behauptungen über sogenannte Panikmanipulationen bei der angesehenen "Tagesschau" zu wiederholen. Dabei werden in der Regel gültige Wetterkarten aus verschiedenen Jahren gegenübergestellt, um vermeintlich nachzuweisen, dass die Tagesschau-Wetterredaktion heute dramatisierend über ganz gewöhnliches Sommerwetter berichte. Dazu nutze die ARD-Sendung alarmistisch tiefrot gefärbte Wetterkarten, auf denen ehemals als niedrig oder vollkommen normal geltende Temperaturen absichtlich farbintensiver dargestellt werden, um bei den Menschen draußen vor den Empfängern das Gefühl zu erzeugen, dass die Lage dramatisch sei.

Vermeintlicher Vorwurf

Auch 1995 hätte es fast so ausgesehen.
Ein Vorwurf, der vermeintlich belegt wird durch Screenshots der Wetteransage in der ARD: Auf älteren Bildern ist zu sehen, wie früher trotz sommerlicher Temperaturen alles beruhigend grün gezeigt wird. Neuere Wetterkarten dagegen rütteln bereits bei vergleichsweise niedrigen Werten auf, indem sie sie weit unterhalb des amtlichen Hitzewertes von 30 Grad mit einem beinahe schon ins Schwarze changierenden Rot illustrieren. Leugner und Verschwörungstheoretiker nutzen den angeblichen Unterschied zwischen den beiden Darstellungen, um Manipulation zu wittern: Das Normal eines mitteleuropäischen Sommers, der durchaus auch einmal warm werden könne, solle diskreditiert werden, um früher als "schönes Wetter" bekannte Witterungslagen in Verruf zu bringen.

Behauptungen, die nach Recherchen des Faktenchecker-Portals "Correctiv" nichts mit der unterstellten "Manipulation" zu tun haben. Die verwendeten Karten stammen zwar beide aus der angegebenen Quelle, hätten aber in der Regel vollkommen unterschiedliche Aufgaben: Die zur Untermauerung des Manipulationsvorwurfes verwendete Vorhersagekarte habe zum Beispiel nicht die Aufgabe, Temperaturvorhersagen zu verbreiten. Vielmehr handele es sich um eine "topographische Karte, die Landschaften und Flussverläufe zeigt" (Correctiv). Es sei unseriös, ein Bild dieses der reinen Orientierung in der Geografie dienen Informationsangebotes mit einer Karte zu vergleichen, die eine "temperaturspezifische Einfärbung" habe.

DWD mit einer einsamen Hitzewarnung

Deren Design hat sich zudem in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Im Vergleich zur Zeit vor 20 Jahren, als der Deutsche Wetterdienst noch mit einer einzigen einsamen Hitzewarnung über den gesamten rekordheißen Sommer 2003 kam, zeigen sich die Wetterkarten der ARD heute frischer und weniger irreführend. Warm wird jetzt immer rot dargestellt, je wärmer, desto röter, ab 27 Grad ins verbrannt Schwarze spielend. Dabei aber unterscheidet die "Tagesschau" auch nach Jahreszeiten. Ermöglicht durch die moderne Technik, die es inzwischen durch den höheren Farbraum moderner Monitore zulässt, auch kontrastreiche und sehr kontrastreiche Rottöne verlustfrei zu senden, werden "die Wetterkarten im Laufe des Jahres immer wieder angepasst, um Temperaturunterschiede besser abzubilden" (Correctiv). Anderenfalls würde den Menschen draußen an den Empfängern das Verständnis abgehen: Studien mit Oberschüler*innen zeigen, dass hellrotes Heiß unzureichend als warm erkannt wird.

Was im Winter warm ist, zeigt sich im Sommer kalt, "die Skala kann dabei von Dunkelrot für heiße Temperaturen bis kaltem Blau reichen", hat der ARD-Faktenchecker Patrick Gensing in eigener Sache recherchiert. Das aber belegt keine "vermeintlich manipulative Berichterstattung", sondern ist einfach nur Ergebnis einer Entscheidung im Jahr 2020, das Design der Wetterkarten ohne eine besondere Absicht umzustellen. Ein Vergleichsverbot für die Karten wurde damals, lange vor der Erfindung von Klimaleugner und Hitzeplan, leider nicht mitgedacht.