Dienstag, 31. August 2021

Kaufkraft im Keller: Erdrutschsieg für die Inflation


Es geht nach unten, immerzu, zuletzt aber noch mal mit einem richtigen Rutsch: Preise hoch, Kaufkraft in den Keller. Als die Europäische Zentralbank in der Staatsschuldenkrise am Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends die Geldpressen anwarf wie noch niemals zuvor, fragt die renommierte Wochenschrift „Die Zeit“ den Ökonomen James Galbraith, ob nicht durch die Politik der EZB das Inflationsrisiko steige, irgendwie? Nein, nein, nein, das sei Nonsens, sprach der Experte. Denn diese ganze Inflation, von der immer so viel die Rede ist, die gebe es ja gar nicht, assistierte Ulrike Herrmann von der „taz“ mitten im deutschen Fernsehen.  

Alles wird teurer

Sie blieb dann auch fast ein Jahrzehnt lang nur für die sichtbar, die sich Vermögensgegenstände leisten konnten. Aktien, Gold, Immobilien, Kryptowährungen - alles wurde teurer.  Die, die auch vorher schon hätten Kuchen essen können, wurden immer reicher. Die, die nichts hatten, hatten nun weniger, es aber überhaupt nicht bemerkt. Der Wohlstand stieg, das Land verwandelte sich in das, in dem wir gut und gerne leben. Die Kanzlerin verkündet im Überschwang des Glücks - und in Essen - nicht nur noch mehr für alle Landeskinder, sondern gleich eine globale Wohlstandsmission: "Wohlstand für alle", weltweit. Bald jeder ein Besserverdienender, vollbeschäftigt, ökologisch, erneuerbar nachhaltig digitalisiert, gründend auf einem immersprießenden Wachstum, das in multilateraler Weltinnenpolitik wurzelt.

Die Stimmen, die warnten, dass zu viel den Sack zerreißt, immer, nur eben nicht immer sofort, waren rar. Wer Angst hatte vor Inflation, dem wurde das Gespenst der Deflation vor die Nase gehalten. Dem deutschen Gemüt, in dem sich drei Prozent Preissteigerung seit der Superinflation von 1923 anfühlen wie fünf und offizielle Warenkörbe keine Chance haben gegen die eigene Wahrnehmung, ist es unmöglich, sich darüber zu freuen, dass steigende Preise das Autofahren, das Fliegen, das Wegwerfen von Brot und andere klimaschädliche Verhaltensweisen zunehmend unattraktiver machen. 

Der Kehrwert des Geldes

So lange nicht darüber gesprochen wird, ist es auch nicht zurück, das Gespenst, das Uropa ruiniert und alle Enkelgenerationen traumatisiert hat. Wer hatte, der freute sich über wachsende Vermögen, über Aktien, deren Preise vom endlosen EZB-Geldnachschub aufgebläht wurden wie noch nie in der Menschheitsgeschichte. Und wer nichts hatte, der staunte nur, wo das ganze Geld wohl bleiben möge, das nicht in seiner Tasche gelandet war.

Dort war es, wo die Sachwerte sich nicht beliebig vervielfältigen lassen, wo nicht verbraucht, sondern aufbewahrt wird. Blind für die Umgebung fragte die staatliche "Tagesschau" gutgelaunt "Warum bleibt die Inflation aus", obwohl sie schon überall war, rundherum, in jedem Bus, in jeder Bahn, in dem Kaufhaus und jeder Kneipe. Erst ein Jahr und einen Artikel des "Neuen Deutschland" mit dem schönen Titel "Keine Inflation in Sicht" ging ein Licht auf in Hamburg: "Inflation fast auf 28-Jahres-Hoch", heißt es nun nach vorläufigen Zahlen, die 3,9 Prozent Kaufkraftverlust im Vergleich zum Vorjahr ausweisen. Ein bisschen schwummrig wird das selbst den Gemeinsinnsender, denn "In den kommenden Monaten dürfte die Inflation weiter steigen." 

Halbieren im Handumdrehen

Gute Aussichten. Wer heute 20 ist und 5.000 Euro auf dem Sparbuch hat, muss sich keine Gedanken machen, was er sich im Alter Schönes davon kaufen wird. In 50 Jahren ist das Geld nur noch etwa ein Zehntel wert. Und Luft nach oben ist immer: Venezuela etwa verzeichnete im vergangenen Jahr eine Inflationsrate von rund 2.355 Prozent. Da werden aus 5.000 Euro im Handumdrehen 50 Cent. Aber gemessen an Simbabwe, das es vor Jahren mal auf 2,2 Millionen Prozent Geldentwertung im Jahr brachte und neue Geldschein im Nominalwert von 100 Milliarden Simbabwe-Dollar herausbrachte, die nicht ganz reichten, um einen Laib Brot zu bezahlen, ist selbst das noch überschaubar. Da ist also noch viel Luft nach oben - und wie auch immer die "vermeintlich schockierenden Zahlen" (SZ)aussehen: Es ist "gut, dass die Inflation steigt", denn darin zeigt sich eine "positive Entwicklung", wie die Süddeutsche Zeitung herausgearbeitet hat: "Die Angst vor der Inflation ist unbegründet".

Tödliches Tempolimit: Sterben mit Statistik

Todesfalle Verkehr: Je kleiner die Straßen und je schärfer das Tempolimit, desto mehr Opfer fordert der Verkehr.

Wer mit Zahlen, Grafiken oder gar mit Toten lügen will, hat einige grundsätzliche Regeln zu beachten, um nicht sofort aufzufliegen. Einerseits ist es möglich, Zahlen ohne jeden Bezug zu präsentieren. Statt Werte aufwendig in einen Kontext zu stellen und sie damit einzuordnen, bevorzugen es Kenner, sie einfach mit dem Zusatz "weniger als" oder "mehr als" zu versehen. Bei Grafiken lassen sich zeichnerisch Wertungen setzen, die mit den abgebildeten Werten nichts zu tun haben. Und bei Toten, etwa Unfalltoten im Straßenverkehr, wird eine Kausalität zwischen einer bestimmten Einflussgröße und dem Ergebnis behautet, alle anderen Einflussgrößen aber ignoriert.  

Lügen mit der Wahrheit


Die Art der Argumentation spielt schon in einen weiteren Nebenbereich des klassischen Demagogiefaches "Lügen mit der Wahrheit" hinein, das beim "Relotiusboten" in Hamburg traditionell als Kunstform gepflegt wird. Diesmal im Beitrag "Todesfalle Landstraße", der mit leicht nachvollziehbaren vermeintlichen Fakten auf den Umstand hinweist, dass Landstraßen in Deutschland nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes die gefährlichsten Straßen sind. "Etwa 58 Prozent aller Unfalltoten in Deutschland verloren dort im vergangenen Jahr ihr Leben", heißt es. Das seien 1.592 Menschengewesen. Auf Autobahnen hingegen seien nur 317 Menschen gestorben.

Aber nun kommt weder ein Hinweis auf  die offenbar segensreiche Wirkung eines fehlenden Tempolimits noch die Angabe, dass es in Deutschland 38.303 Kilometer Bundesstraßen gibt, auf denen durchweg ein Tempolimit gilt, aber nur 12.993 km Bundesautobahnen, auf denen immerhin noch auf rund zwei Dritteln der Strecke freie Fahrt für mutige Bürger herrscht. Soweit sie nicht durch Bereiche rauschen, auf denen wegen Bauarbeiten eine Geschwindigkeitsbegrenzung verhängt wurde. Zu erwähnen, dass im Fernstraßennetz, das einen Anteil von rund 22 Prozent an der gesamten Streckenlänge hat (Bundesautobahnen davon sogar nur 6 Prozent), etwa die Hälfte aller Fahrleistungen stattfinden (auf Autobahnen davon über 32 Prozent) wurde ebenso als wenig hilfreich verworfen.

Arbeiten mit der Statistik

Mit dem Rest der Statistik lässt sich gleich ganz anders gearbeitet. Ein Leser, der nicht weiß, dass auf Bundesstraßen und Autobahnen die Hälfte aller Fahrten stattfinden, wird die Zahl der Verkehrstoten hier zweifellos als äußerst beunruhigend empfinden. Lässt man ihn zudem noch im Unklaren darüber, dass  nicht nur eine Fahrt auf einer Bundesstraße ungleich gefährlicher ist als eine auf einer Autobahn, sondern eine Biege über die Landstraße oder durch eine Stadt fast ebenso oft tödlich endet, wird er schnell dem roten Faden folgen und absichtsgemäß schließen, dass Deutschland unbedingt eine Begrenzung der zugelassenen Geschwindigkeit auf Landstraßen braucht: 80 statt 100 Kilometer in der Stunde, wie der "Spiegel" vorschlägt.

Störende Fakten weglassen

Das hätte leicht auch schiefgehen können. Einmal nicht aufgepasst, und im Artikel wäre vielleicht erwähnt worden, von 2727 Verkehrsopfern in Deutschland im vergangenen Jahr nur elf Prozent bei Unfällen auf - zu zwei Dritteln nicht geschwindigkeitsbegrenzten - Autobahnen umkamen. Wohingegen 89 Prozent der Opfer ihren letzten Weg auf Straßen mit Tempolimit  zurücklegten.

Beachtlich für einem Anteil von nicht zwei Drittel aller in Deutschland per Auto zurückgelegten Strecken. Für den "Spiegel" freilich kein Grund, nach möglichen Einflussfaktoren jenseits des Tempolimits zu suchen, die schnell ins Auge fallen würden, schaute man kurz auf getrennte Richtungsfahrbahnen, fehlenden direkte Kreuzungen und durchgehende Leitplanken, die Autobahnen deutlichen von allen anderen Straßen unterscheiden als Geschwindigkeitsbegrenzungen. Statt den Segen von Straßen ohne Limit zu rühmen, plädiert die Illustrierte nach einem zähneknirschenden Zwar-Lob, dass "die Zahl der Verkehrstoten im ersten Halbjahr 2021 zwar auf ein Rekordtief gesunken" sei, für eine streng physikalische Betrachtung. Verglichen mit einem Auto, dass mit 80 Kilometern pro Stunde  unterwegs sei, lege ein 100 km/h schneller Pkw "gut fünf Meter mehr zurück".

Vollbremsung mit 100

Ein Grundschullehrer würde jetzt fragen: Wann? Im Jahr? Ein Spiegel-Redakteur aber antwortet: "Wird langsamer gefahren, bedeutet das nicht nur mehr Reaktionszeit, sondern auch kürzere Überholwege. Damit sinkt die Gefahr, mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenzustoßen." Sudoku auf Grammatisch ist dann der Hinweise: "Eine Vollbremsung mit 100 km/h bringt den Pkw nach frühestens 50 Metern zum Stillstand, mit 80 km/h gelingt dies immerhin bereits nach 32 Metern."

Vollbremsung mit 100. Der Postillon Spiegel: "Es können entscheidende Meter sein."


Montag, 30. August 2021

Essen für die Klimawende: Eintopfmontag in Berlin

Fleischfrei und klimafreundlich gehen die Berliner Studenten ins nächste Semester.

Sie sind jung, sie sind klug, sie sind die Generation, die eines nicht mehr allzu fernen Tages unter den verheerenden Folgen der Klimakatastrophe leiden wird, wenn es Deutschland nicht gelingt, die Welttemperatur möglichst bald um wenigstens ein Signal an alle anderen Unterzeichnernationen des Paris-Abkommens zu senken. In Berlin, der deutschen Hauptstadt, die wegen ihrer Bedeutung ganz besonders im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit steht, preschen die jungen Leute an den Universitäten jetzt vor: Der alte deutsche Brauch des ursprünglich im Oktober 1933 als der Solidarisierung mit der Volksgemeinschaft eingeführt Eintopfsonntag kehrt mit Beginn des Wintersemesters als Fleischlos-Montag zurück.  

Feldzug gegen das Schnitzel

Am ersten Wochentag kommt nach einem Bericht der "Tagesschau" künftig "kein Fleisch mehr auf den Tisch", auch sonst werden "Schnitzel und Currywurst in der Minderheit sein", wie die Redaktion der wichtigsten Nachrichtensendung meldet. Knapp 90 Jahre nach dem Aufruf an alle Damalsschonhierlebenden, die deutsche Fettlücke zu schließen, indem die große deutsche Suppentradition mit Graupen, Kartoffeln und Wirsingkohl wiederbelebt wird,werden die früheren Arier klimagerechte Vegetarier mit "ökologischerem" (Tagesschau) Essen nach einem "neuem Ernährungskonzept". 

Das wurde nicht von oben verordnet, sondern "von Studierenden" (Tagesschau) immer wieder mit Nachdruck gewünscht. Die künftige Elite sehnt sich nach einer Möglichkeit, klimafreundlicher zu leben und den Fleischausstieg voranzutreiben. Die Zeiten, in denen es tierische Proteine waren, die den Menschen in die Lage versetzten, schnell genug ausreichend Energie aufzunehmen, um das Großhirn der Affenähnlichen zu dem eines Menschen wachsen zu lassen, sind vorbei. Fleisch und Fisch sollen auf dem Speiseplan der universitären Elite der Zukunft, nur noch vier Prozent des Speiseplans ausmachen, das "restliche Angebot wird vegetarisch oder vegan sein". Mögliche Mangelerscheinungen wie etwa das Fehlen von Vitamin C kann in der privaten Nachsorge durch Nahrungsergänzungsmittel ausgeglichen werden.

Wegweisender Großversuch

Für Berlin und seine Studierenden ist es ein Bruch mit fünf Millionen Jahren verheerender menschlicher Geschichte, für die Menschheit aber ein womöglich wegweisender Großversuch. Wird sich der immense Protein-Bedarf des menschlichen Gehirns, den frühe Vertreter der Art durch das Jagen und Verzehren von Tieren stillten, auch mit Hilfe von hochveredelten Ersatzstoffen wie Erbseneiweiß, Rote-Bete-Saft, Raucharoma, Hefeextrakt, Raps-, Kokos- und Sonnenblumenöl, Cellulose, Kartoffelstärke und Ascorbinsäure decken lassen? Oder wird das menschliche Gehirn, derzeit etwa dreimal so groß wie das von Schimpansen oder Gorillas, auf lange Sicht wieder zurückschrumpfen auf das Maß, das Pflanzenfresse auszeichnet?

Größere Gehirne brauchen mehr Energie, die wurden in den Jahrtausenden des Aufstiegs der Menschheit zur einzigen fortschrittschaffenden Kraft des Planeten aus Stoffen gewonnen, die dem Körper die Möglichkeit gaben, sein übergroße Gehirn effektiv aufzubauen und anschließend zu betreiben. Fleisch war so Voraussetzung für Menschlichkeit, nur das von tierischen Proteinen und Fetten getrieben rasche Gehirnwachstum gestattete es Menschen, als Mensch zu denken, zu fühlen und schneller als jede andere Lebensform zu lernen. 

Reichen vier Prozent für zwei?

Nach Berechnungen des Biologen Josef Reichholf verzehrt der Betrieb des Gehirns etwa ein Fünftel der Energie, die der Mensch über seine Nahrung aufnimmt, obwohl das Gehirn nur ungefähr zwei Prozent der Körpermasse ausmacht. In Berlin soll nun herausgefunden werden, ob sich dieses Hirnversorgungsiveau auch mit einer Zufuhr von nur noch vier Prozent tierischer Proteine  aufrechterhalten lässt oder ob eine dauerhafte Umstellung auf Eintopf, Gemüse und hochveredelte vegane Fleischersatzprodukte zu einer Rückentwicklung des Hirnvolumens führt.

Triell: Dreiertanz nach Drehbuch

Die trotzigen Drei: Der Schrullige, die Schrille und der Stille im RTL-Triell.

Der Ex-Favorit neben der Ex-Favoritin und dem aktuellen Tabellenführer in den Wahlumfragen: Showdown  im "Triell" einem Fantasiewort für eine Fantasieveranstaltung, die frühere Sternstunden der Abendunterhaltung  im Schicksalswahljahr 2021 ersetzt.  Es ist eine Aufholjagd, ein letzter Versuch, in die Offensive zu kommen, ein Abwehrkampf, ein Pokerspiel. Die drei Besten, die die Nation aufbieten kann, auf einer Fernsehbühne, subtil AfD-blau beleuchtet, steht das Weiterso in Unionsschwarz gegen das rote Weiterso des Finanzministers und die Alternative der Frau, die die grüne Klimawelle reitet. Dreimal drei ist neun und so oft werden die Kanzler*innenkandidat*innen in den kommenden Tagen miteinander um Tore, Punkte und Applaus wetteifern. Immer live. Immer nach Drehbuch.  

Dreiertanz nach Drehbuch

Das hier jemand aus der Rolle fällt, ist nicht zu befürchten. Armin Laschet gibt den seriösen Merkel, Olaf Scholz den Sturmflutschmidt. Annalena Baerbock sucht ihre verlorene Chance mit der ihr eigenen Leidenschaft. Ein Drittel der Deutschen weiß Medienberichten zufolge derzeit noch nicht, wen sie wählen wollen, obwohl sicher ist, dass etwa ein Drittel der Deutschen auch diesmal gar nicht wählen wird. Baerbock, Scholz und Laschet müssen den Rest nun überzeugen, sich zu entscheiden: Klima oder Klima? Die gleiche Corona-Politik wie bisher oder dieselbe? Schuldenmachen oder Geldborgen? Mehr Europa oder noch mehr? Was wird aus Afghanistan und wo liegt das eigentlich?

16 Jahre Angela Merkel waren gute Jahre, sagt Armin Laschet, aber jetzt geht es erst richtig los. Scholz hat den Aufschlag, ein Feuerwerk an Worthülsen. Nato, Uno, starke, souveräne EU. Was soll Laschet da ergänzen? Desaster! Des Westens. Der Bundesregierung. Geht nicht mehr in Zukunft! Was wir brauchen, ist ein Nationaler Sicherheitsrat! Dann: Europa. Stärken. Flughafen verteidigen mit allen EU-Partnern. Die Bundeswehr allein schafft das nicht, unterfinanziert wie sie ist. Attacke: Scholz ist schuld!

Hubschrauber, die fliegen können

Baerbock, in papstwürdigem Violett, würde sich nicht wegducken.  Sondern eine "aktive Außenpolitik machen, die dann sagt, was können wir tun" (Baerbock). Eklige Nachfrage: Wollen Sie Drohnen? Bewaffnete Drohnen? Jetzt wird nicht geantwortet wie hier überhaupt allenfalls auf Fragen zurückgekommen wird. Baerbock will "Hubschrauber, die auch fliegen können". Scholz ist im feinen Grau "sehr bedrückt" und findet eine bessere Rolle für Frauen wichtig, die Taliban aber haben ihn "furchtbar entsetzt". Wie war die Frage? Welche Frage. "Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir viele im letzten Jahr nach Deutschland geholt haben." Ein "schwieriger Einsatz" war das ja. Aber er, Olaf Scholz, habe ihn doch gut bewältigt. Selbstverständlich müsse man jetzt alles tun. Gemeinsam. Mit den Regierungen. Er, Olaf Scholz, habe schon mal den "größten Aufwuchs bei der Bundeswehr" finanziert. Und er werde das weiter tun.

Armin Laschet trägt ein mattes Hellblau zum lichten hellbrauen Binder und beharkt Scholz. Der verhindere doch aber den Kauf einer bewaffneten Drohne. Schicksalsfragen einer Nation. Scholz will aber einfach nur warten, bis es eines Tages technische Lösungen gibt. Laschet beißt um sich, Baerbock lächelt. Die Moderatoren schweigen. Baerbock sagt "Oartskräfte" auf Hannoveranisch und sie zählt nun die Abstimmungen auf, die es im Bundestag gab. Wie kann es eigentlich sein. Schicksalsfrage, schoin wieder. "Wir als Grüne haben gesagt", sagt sie und zitiert Laschet: "Desaster".

Neues Thema, alte Reflexe

Als eine Viertelstunde herum ist, sind die drei von der Zankstelle immer noch am Hindukusch, einem Hindukusch auf einem parallelen Planeten, wo die Bundesregierung "Druck auf die Taliban" ausübt (Laschet) und Annalena Baerbock alles ganz anders machen würde. Prognosen zu Corona möchte Laschet nicht abgeben, aber Impfquote, Hospitalisierungen, Grundrechte soweit möglich, das kommt wie ein Schwall übers Studio. Impfen vorankommen, Stadtteile reingehen, mobile Impfteams, sagt Baerbock, die als Kanzlerin nicht auf Sicht fahren würde, sondern voll klar, mit Plan, sie zitiert Armin Laschet: "Desaster!"

In seiner Rolle als elder statesman sagt Olaf Scholz, dass es keinen neuen Lockdown geben wird, denn "das ist das, was jetzt gilt". Impfen, ja aber Lockdown für Ungeimpfte hält er "nicht für richtig". Alles tun, sagt Laschet. Baerbock sagt, "Stand heute" werde kein weiterer Lockdon gebraucht. "Wir müssen alles dafür tun, dass wir weiter impfen", denn "vor einem Jahr wusste keiner, was eine Pandemie ist". Mal ein Blick zur Uhr. Laschet redet am längsten. Baerbock im Nacken. Scholz hält sich zurück. Mehr muss er nicht.

Schnute bei Baerbock. Impfpflicht. Geht rein rechtlich nicht. Lieber "mehr tun", mal "pragmatisch sein". Luftfilter. Kinder brauchen Kinder. Mittel, wir brauchen die Mittel, barmt Baerbock. Die Mittel stehen, sagt Scholz. Fünf I hat das Wort Politiiiik bei Annalena Baerbock, muss. Laschet hat, aber er hat auch "Negativbeispiele" mit kurzem E und drei G: Handkantenschlag auf den Glastisch. Baerbock, in violetten Pumps, nennt Baden-Württemberg, mit drei Ü. Scholz, eine menschliche Sachlaftablette, imitiert eine Fußgängerzonenstatue. Erst Geld, dann Bewegung. "Mögliche Vorsicht muss gemacht werden", das steht für ihn außer Frage. Wie war die nochmal?

Gutes Regieren mit der Bundesnotbremse

Nächstes Thema, schnelle Fragen. Nein, ja, nein, ja. Stand heute ja, morgen mal sehen, auf Sicht sagt Baerbock nicht, vielleicht auf Gehör. Erst sorgfältig prüfen. Seriös kann man das nicht sagen. Laschet liegt vorn, in der Zeit, Berbocks Thema kommt jetzt erst: Flut, Rekordhitze, "unsere Umweltsünden". Was wird sofort verboten? Was später? Baerbock will die Solarpflicht und zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft für 1,4 Millionen Windkraft-Neubauten. Scholz auch, aber er wird auch den "Strombedarf per Gesetz festlegen" und "alle Gesetze so ändern, dass wir rechtzeitig fertigwerden". Laschet hält sich da zurück. Er würde anfangen. Bürokratieabbau. "Ohne Stromtrassen wird das nicht funktionieren".

Wir haben Sturzfluten, wir haben deutsche Wälder, wo kein Baum mehr wächst", predigt Annalena Baerbock mittenhinein. Laschet glaubt nicht, dass man alles mit Verordnungen lösen könne. Baerbock schmunzelt ein  wenig mitleidig. Der Schrullige und die Stille und der Schrille, schon nach ein paar Minuten liegt der Gedanke nicht fern, dass die drei Triellanten gut zusammen regieren könnten. Oder heiraten. Eine Trehe wäre das dann, m/w/d.

Klimaneutraler Zement mit Wasserstoff, so würde Baerbock es machen. Fünfjahrplan, Jahrhundertplan. Nicht auf Sicht jedenfalls, sondern anders. Und "saubere Heizungen in den Kellern". Und wie sollen die Leute das bezahlen: Indem Politik klare Prioritäten setzt! So einfach ist das. Wer weniger verdient, bekommt alles billiger, gebrauchte E-Autos werden beim Weiterverkauf noch mal gefördert. Erfinder, Tüftler, unser Land war doch mal stark in sowas, sagt Armin Laschet.

Menschen, die sich tagtäglich fragen

Laschet fährt E-Auto. Gebrauchte gibt es nicht, sagt er. Baerbock ist sicher: Kommen langsam.  Dann schlägt sie dem künftigen Kanzler vor, dass es die Veeeermieter tragen, mit fünf E. Kostet das denn überhaupt etwas? Das ganze Klimaretten? Scholz sagt, es werde klappen. Er werde heute Abend nicht antworten, aber später den Strompreis senken. Baerbock würde für klimagerechten Wohlstand sorgen, Energiegeld, 75 Euro pro Person, wer die Grünen wählt. Laschet will sich erklären lassen, wie man das macht. Baerbock will es nicht verraten. Wie in der Schweiz sagt sie, in Kanada, Steuernummer. 

Bei Laschet wird es teurer, aber er wird das bürokratische Monstrum EEG-Umlage abschaffen. Alle bauen die Schiene aus. Alle drängen den Autoverkehr zurück. "Mehr Platz für die Menschen vor Oart". Aber die Politiiik muss den Rahmen setzen. Spitzensteuersatz hoch, "finde ich auch richtig", sagt Scholz, der eine gute Bilanz für sich zieht. Alle haben mehr Geld, jaja, der Staat, sagt Laschet. "Neustart für Deutschland", steht hinten an der Wand. Sicher nicht, egal mit wem.

Sonntag, 29. August 2021

Zitate zur Zeit: Sprachbefehl

Natürlich entwickelt sich Sprache, aber sie entwickelt sich nicht von oben herab auf Befehl. Es hat in der letzten Zeit nämlich zwei Versuche gegeben. Einmal von den Nazis und einmal von den Kommunisten. Beides hat sich auf Druck durchgesetzt, aber nur temporär, und zwar auf Zwang. 

Dieter Hallervorden

Bundestagswahl: Kommt jetzt das Kindergehalt?

Die neue Kinderpartei KiP will die Unterdrückung der Jüngsten beenden.

Die kommende Bundestagswahl ist so unheimlich spannend wie niemals eine zuvor - wer wird es? Armin Laschet mit seinem Versprechend es Weiter so? Olaf Scholz, derzeit Favorit der Bürger, mit der Zusicherung, Millionen Löhne und Gehälter auf einen Schlag zu erhöhen? oder doch Annalena Baerbock, deren Wort gilt, dass es künftig Klima und Wirtschaft ohne Krise geben soll? 

Noch ist nichts entschieden, die Unzuverlässigkeit der Umfragen, die Woche für Woche herumgereicht werden, ist allen Teilnehmern nur zu gut bekannt. Und nun taucht mit der Kinderpartei (KiP) auch noch ein neuer Mitbewerber auf, der sich anschickt, das Unterste zuoberst zu drehen in einem Wahlkampf, in dem sich die etablierten Spieler*innen und Spielenden bereits gemütlich eingerichtet hatten.  

Katalina Seifert-Brumm ist MitgründerIn der KiP, die sich ihren Grundsatzdokumenten zufolge trotz ihres Namens als Familienpartei versteht: Alles für jeden, Frauen und Kinder zuerst, so wirbt die jüngste Neugründung im weiten Feld der Bewerber um den Einzug in den Bundestag. PPQ hat sich einen Monat vor der Wahl mit der Kandidat/-in der KiP zum Gespräch getroffen. Exklusiv spricht die 34-Jährige Seiteneinsteigerin mit Svenja Prantl über den Neustart der Gesellschaft als Gerechtigkeitsprojekt, die Perspektive junger Menschen auf ein rapide alterndes Umfeld und ihre persönliche Ansichten zu Armut, Mobilität und Generationenwohnen.

PPQ: Frau Seifert-Brumm, Sie sind vermutlich noch nicht so bekannt wie beispielsweise Olaf Scholz, Annalena Baerbock oder auch Armin Laschet. Dennoch sind Sie Spitzenkandidatin, allerdings eben einer Partei, die auch noch kaum jemand kennt. Was sollten potentielle Wähler/-innen über Sie wissen?

Prantl (r.) traf Seifert-Brumm beim Golf.
Seifert-Brumm: Nun, wir sind wirklich ganz neu auf dem Spielfeld, wollen aber gleich kräftig angreifen. Ich bringe sehr viel Energie und den Willen für ein grundlegende Veränderung mit, die unsere gesamte Gesellschaft wieder auf eine gerechte Basis stellt. Dazu wollen wir als Partei Hebel ansetzen, die andere bisher verwerflicherweise gar nicht auf dem Schirm haben. Wir scheuen uns trotzdem nicht, unsere unbequemen Positionen öffentlich zu vertreten und auch dazu zu zu stehen, wenn uns der Wind kräftig ins Gesicht weht. Meiner Meinung nach sind unsere Ideen schlüssig, alles rankt sich um einen zentralen Gedanken, der vieles, was im Land liegengeblieben ist, während Frau Merkel im Krisenmodus regiert hat, neu ordnen würde.

PPQ: Bereits in der Bewerbungsrede für das Direktmandat sagten Sie, dass Sie die „Lebensrealität“ von jungen Menschen einbringen möchten. Wie soll das denn geschehen? Was ist denn diese zentrale Idee, von der sie schwärmen?

Seifert-Brumm: Im Grunde ist es ganz einfach. Wir als KiP haben die Vorschläge unserer etablierten Wettbewerber über Jahre hinweg geprüft und gewogen und für nicht überzeugend befunden. Armutsbekämpfung, Grundeinkommen, Mindestlohn, alles das doktert an Symptomen herum, greift aber nicht die Krankheitsursachen an. Für uns muss da tiefer geschnitten und viel langfristiger nachgesorgt werden. 

PPQ: Und wie das? Das interessiert uns ja. 

Seifert-Brumm: Sehen Sie, es geht um Gerechtigkeit, die nicht nur Teile unserer Bevölkerung erreicht. Als Kinderpartei, die für die ganze Familie da ist, stehen wir für ein Kindergehalt, das auskömmlich sein und die Jüngsten in unserem Land befähigen soll, selbstbestimmt zu leben. Es ist eine schöne Zeit, die man als Kind hat, auch derzeit, aber man ist entgegen allem, was das Grundgesetz uns aufgibt, vollkommen abhängig von anderen. Während sich die Etablierten in der Politik um Steuergerechtigkeit, um Rettungspakete für Selbständige und Kurzarbeitergeld für Werktätige kümmern, sind Kinder und Jugendliche Verfügungsmasse, allenfalls mal Thema, wenn es darum geht, ein paar Krokodilstränen über Kinderarmut zu weinen. Das sind Tatsachen, die im Bundestag deutlich zu wenig Berücksichtigung finden. 

PPQ: Gibt es aber nicht gerade überall einen Trend, mehr Gerechtigkeit zu verlangen und zu versprechen? Herr Scholz will Millionen die Löhne erhöhen, Frau Baerbock die Gesellschaft über ein Klimageld für alle auf Ökotrab bringen und Armin Laschet wird die Steuern senken oder sie erhöhen, genau weiß man es noch nicht. Wo ziehen Sie ihre rote Linie?

Seifert-Brumm: Klar ist für uns, dass junge Leute endlich mehr von dem abbekommen müssen, was wir an gesellschaftlichem Reichtum derzeit noch zur Verfügung haben. Es ist doch so, dass die Kinder die Einzigen sind, die ihre Rolle hier spielen, ohne dafür entlohnt zu werden. Schauen Sie auf das Müttergeld, den Vatertag, den Erziehungsurlaub. Überall leistet sich unser Staat Hilfe, nur bei denen, um die sich das alles angeblich rankt, ist er knauserig. Dabei werden wir eines Tages möglichst viele Kinder brauchen, um genug Erwachsene zu haben, die mithelfen, den Laden am Laufen zu halten.

PPQ: Sie fordern ein höheres Kindergeld?

Seifert-Brumm: Eben nicht! Was wir fordern ist ein Kindergehalt, ganz seriös, nicht übertrieben hoch. Wir sagen, das muss nicht wie ein Nine-to-Five-Job bezahlt werden, schließlich ist ein Kind 24 Stunden am Tag in seinem Beruf tätig. Da reichen dann auch 2,50 Euro Stundenlohn, um auf ein anständiges Gehalt zu kommen. Aber nicht als Almosen, sondern als Rechtsanspruch, der die Bedeutung der Kinder für unsere Zukunft, auch und gerade auch beim Klima!, unterstreicht.

PPQ: Kinder sind doch aber auch als unbezahlte Arbeitskräfte eine goldige Sache. Jeder, der welche hat, behauptet, er erfreue sich daran...

Seifert-Brumm: Daran wollen wir doch auch gar nichts ändern. Das will ich gar nicht gegeneinander ausspielen; das wäre nicht fair. Ich will ja nicht nur Politik für junge Menschen machen. Aber es gibt große Schnittmengen zum Beispiel beim Thema Armut. Wenn wir davon reden, dass die immer weiter steigt, dann betrifft das junge Menschen, die zur Schule gehen oder in den Kindergarten und deshalb ohne Einkommen sind, eben ganz besonders. Da sollten die Generationen zusammenstehen und teilen, was da ist, damit für alle mehr da ist.

PPQ: Das klingt recht überzeugend, aber woher soll denn das Geld kommen? Höhere Steuern? mehr Schulden? was wird dann aus der schwarzen Null? 

Seifert-Brumm: Bleiben wir mal bei politischen Inhalten. Ich möchte, dass wir das solidarische Miteinander in unserer Gesellschaft generationenübergreifend stärken. Diejenigen, die finanziell schwächer gestellt sind, müssen mehr Unterstützung bekommen, und diejenigen, die mehr haben, müssen mehr für das Gemeinwesen leisten. Das heißt automatisch, dass Kinder, die gegenwärtig ja überhaupt kein recht auf ein Einkommen haben, weil ihnen der Staat ja sogar verbietet, einer Arbeit nachzugehen, am meisten bekommen müssen. Im Kern ist das also keine finanzielle, sondern eine soziale Frage. Auf Bundesebene müssen dringend Weichen gestellt werden, um diese Unwucht zu beseitigen. 

PPQ: Das versuchen die etablierten Parteien doch schon seit Jahren mit Kindergeld, Steuerabschreibungen und allerhand anderen Maßnahmen, vergebens, wenn ich Ihnen glauben kann.

Seifert-Brumm: Absolut. Sehen Sie, es ist eine zentrale Frage, wie wir zukünftigen Generationen unsere Welt hinterlassen. Wir können zuschauen, wie Kinder weiter ausgebeutet werden. Oder nicht mehr warten und uns selbst wie beim Klima ambitionierte Vorgaben machen. Immer weiter darüber nachdenken, wie viel Zeit wir uns noch lassen können, ein Problem zu lösen, das sich einfach mit ein bisschen Geld lösen lässt, bringt es jedenfalls nicht. 

PPQ: Wo aber sehen Sie den Ansatzpunkt, diese Umwälzung einzuleiten?

Seifert-Brumm: Die Politik ist in der Verantwortung. Dafür müssen wir unsere Gesetze und Regelungen fit für die Zukunft machen, in unsere Kinder investieren und über diesen Hebel eine klimaneutralgerechte Gesellschaft bauen. Wenn dabei provokativ die Frage gestellt wird, wer das alles bezahlen soll, dann verweise ich auf Berechnungen, die das Klimawatch-Institut in Grimma für uns erstellt hat. Danach kostet der Umstieg auf Kinderlohn kaum etwas und er würde bei Familien mit Kindern wie ein Wohlstandsbooster wirken. Das wäre gerecht und dann hätte man auch als Staat bald ein deutliches Plus in der Kasse.

Samstag, 28. August 2021

EU: So sehr profitiert China wirklich von der Gemeinschaft

Leistungsnachweis in der Statistik: Es läuft für China.

Es ist ein typisches Totschlagargument rechter Populisten, zu behaupten, Deutschland sei in absoluten Zahlen der größte Nettozahler in der Europäischen Union. Jahr für Jahr, heißt es dann, zahle Deutschland jeweils etwa zehn bis Milliarden Euro pro Jahr mehr in den EU-Haushalt ein, als später an an Begünstigte in Deutschland zurückflössen. So soll Neid geweckt werden und der Argwohn, dass sich die konsequente, wen auch etwas kostspielige Umsetzung des Hades-Planes womöglich doch nicht lohne.  

Blutspur unter Luminol

Zweifel, die von verantwortungsbewussten Medien immer wieder ausgeräumt wurden, die dennoch aber hartnäckig wie eine Blutspur unter Schwarzlicht immer wieder auftauchen.Obwohl es doch  Deutschland ist, dass "vom Binnenmarkt wie kein anderes EU-Land" (Süddeutsche Zeitung), wird Hass geschürt auf eine angebliche "Transferunion" (EU), die "seit der Schuldenkrise verstärkt als Kampfbegriff durch die deutsche Europadebatte" geistert, obwohl doch die Stabilisierung der Euro-Staaten vor allem in deutschem Interesse war.

Das kommt, weil die größte Mitgliedsnation zugleich die größte Exportmacht in der Gemeinschaft ist. Die Bertelsmann-Stiftung konnte in einer Studie auf erzielte Einkommensgewinne von 86 Milliarden Euro im Jahr errechnen, das IWF in Kiel kam sogar auf 170 Milliarden Überschuss, die durch "den Binnenmarkt, die Zollfreiheit, den Euro, die Schengenzone und Handelsabkommen mit Dritten" zusätzlich in die Brieftaschen der Deutschen fließen. Auch beim Wiederaufbaufonds für Klima und Corona sieht Deutschland nur wie der Hauptsponsor aus. Rechnet man die Folgen der Beschlüsse des historischen Gipfels in Brüssel geschickt mit spitzer Feder durch, ist das Bild eindeutig: Deutschland zahlt zwar am meisten, bekommt aber auch mehr Geld zurück als Polen, Slowenien und die tschechische Stadt Brno.

Frieden nicht mal mitgerechnet

Frieden, Freiheit, Sicherheit, Garantie der Menschenrechte, Eindämmung sozialer Ungerechtigkeit und Diskriminierung, Fortschritt und eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft" (Focus), wie sie allein die EU garantieren und organisieren kann, sind dabei nicht einmal mitgerechnet. Außen vor blieb auch, dass der Anteil deutscher Waren, die von anderen EU-Staaten importiert wurden, schon seit mehr als zwei Jahrzehnten sinkt. So machten deutsche Importe in EU-Ländern vor 21 Jahren noch 14 Prozent aus. 

Dann kam der Euro

Dann kam der Euro, es kamen die Staatsschuldenkrise, die Euro-Krise, der Brexit und die erweiterte Kostenübernahme für die EU-Erhaltung durch Berlin. Gleichzeitig sank dieser Anteil deutscher Exporte in den Binnenmarkt der Wertegemeinschaft einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts IW Köln zufolge bis heute auf nur noch 13,8 Prozent.

Das heißt aber nicht, dass die Partnerländer auf moderne Waren verzichten müssen. Gleichzeitig mit dem Rückgang deutscher Exporte in die EU stieg der Anteil chinesischer Warenlieferungen. Zwischen 2000 und 2019 verdreifachte sich das Volumen chinesischer Importe in der EU. Aus einem Anteil von nur 2,7 Prozent wurden 7,6 Prozent. "So viel Wohlstand bringt die EU", analysiert das IfW Kiel, wie von Deutschland verbürgte Rettungspakete die unter knappen Kassen leidenden Partner dauerhaft in die Lage versetzt haben, wieder kräftig einzukaufen auf den globalen Märkten.

Hoffnungsträger Habeck: Echt ehrlich und so gezielt spontan

Er gilt als die letzte Hoffnung der Grünen auf das Bundeskanzler*innen amt, ein Mann, leider, aber einer, dem die Frauen vertrauen: Robert Habeck, der seiner Vorstandskollegin Annalena Baerbock höflich die Wagentür aufhielt, als sie zu ihrer Fahrt ins dritthöchste Amt der Republik aufzubrechen glaubte, ist nach fester Überzeugung einer großen Anzahl an Wählerinnen, Wählern, Wählenden und sogar Nicht-Wähler*innen alles, was Baerbock und ihre Konkurrenten Laschet und Scholz nicht sind. Vertrauenswürdig, sympathisch, kenntnisreich und eben nicht so fürchterlich offensichtlich machtversessen.

Wer es soweit gebracht hat, könnte sich ruhig zurücklehnen und auf seine Chance warten. Ein kluger Politiker*in würde das wahrscheinlich sogar tun. Mit 51 ist Robert Habeck zwar ein ganzes Jahrzehnt älter als Annalena Baerbock, doch im Tableau des Spitzenpersonals der ehemaligen Volksparteien ist er der einzige in seinem Alter. Wie man auch als Linker auf den rechten Moment wartet, hat Angela Merkel seinerzeit vorgemacht, als sie dem selbstverliebten Edmund Stoiber zur Bundestagswahl 2002 den umkämpften Posten als Wahlverlierer überließ, um vier Jahre später selbst anzutreten, nun unumstritten und im Unterschied zum CSU-Mann auch erfolgreich.

So könnte es gehen, so würde es gehen, 2025 oder 2029, im ersten klimaneutralen Elektrowahlkampf, in dem Habeck immer noch ein jüngerer Kandidat wäre als Scholz (63) und Laschet (60) heute. Doch wie das ist in der Politik, es juckt immer im Schritt, man will gehen, jetzt und gleich, machen, gestalten, etwas formen, an der Spitze stehen und im Weißen Haus begrüßt werden, Putin zur Bank hauen, die Weißrussen befreien, das Klima befrieden und den Chinesen zeigen, dass jetzt Schluss ist mit lustig, während man mit der anderen Hand den Regenwald heilt, indem man Bolsonaro zur Vernunft bringt. Die Seuche muss auch jemand beenden, das mit dem Nato-Ziel von zwei Prozent ist zu klären, Naturschutz, Entwässerung, Straßenbau, Katastrophenvorsorge, bessere Bildung. So viel zu tun, dass gar keine Frage besteht: Man muss ein Buch schreiben. Oder doch wenigstens schreiben lassen.

Science-Fiction "Die Aufsteigerrepublik"

Annalena Baerbock hat es getan und ihre Blitzkarriere als beliebteste Grüne aller Zeiten damit blitzartig beendet. Armin Laschet fiel später bei einer routinemäßigen Kontrolle eines längst im Heizkraftwerk verendeten Werkes auf, das schon im Titel sein Genre verrät: "Die Aufsteigerrepublik" ist fantasiereiche Science Fiction-Literatur, leider aber eben streckenweise kopiert. Nur weil von Laschet niemand etwas anderes erwartet hat, schließlich kopiert der Rheinländer mit seiner ganzen Person seit Jahren getreulich die scheidende Kanzlerin, blieb die Aufregung überschaubar.

Bei Robert Habeck wäre das etwas anderes. Würde auch der zweite grüne Parteichef bei einem Plagiat erwischt, wäre das ein politischer Selbstmord, der nicht nur den Mann aus Schleswig-Holstein oder seine Partei das Leben kosten würde. Sondern angesichts der auf der Kippe stehenden Entscheidung um das "größte Klimaschutzpaket, das es jemals in diesem Land gegeben hat" (Annalena Baerbock) auch ein Suizid des gesamten globalen Planeten samt der kompletten Menschheit.

Viel Verantwortung für Habeck

Selbst für einen außergewöhnlichen Politiker wie Robert Habeck ist das viel Verantwortung, selbst  einen erfahrenen Autoren wie den Grünen-Chef, der 1990 mit dem Gedichtband "Das Land in mir" debütiert hatte und seitdem 17 wegweisende Werke verfasste, muss die Last so hoher Erwartungen des nachts fest in die Laken drücken. Habeck hat dann im Wahljahr auch nur eine "politische Skizze" seiner Vorstellungen als "Von hier an anders" verfasst, sein viertes Grundsatzwerk seit 2010, das gegen die Erosion der Demokratie, den Vertrauensverlust in die Politik, das Auseinanderfallen Europas und die Klimakrise anschreibt, ohne dass Abschreibpassagen entdeckt werden konnten. 

Den Hintergrund zum beliebtesten KanzlerInnenkandidaten, der diesmal noch keiner ist, liefert nun eine "politischen Biografie", wie es der Verlag nennt, um zu begründen, warum Habecks Häuschen, seine bevorzugte Automarke und der Ursprung seines Hangs zum mansplaining nicht erwähnt werden. Geschrieben von der früheren SPD-Politikerin Susanne Gaschke, zeigen die schmalen 192 Seiten  Habeck als freigeistigen "Anti-Politiker", den "Echtheit, Ehrlichkeit und Spontaneität" auszeichnen. Die sorgfältig gepflegte grüne Legende, er und Baerbock hätten die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur gemeinsam getroffen, ist hier nicht kalkuliertes Geständnis, sondern ein festes Persönlichkeitsmerkmal. 

Dieser Mann braucht keinen offenen Machtkampf, sein Ehrgeiz hat Geduld, sein sorgsam kontrolliertes öffentliches Image ist authentisch bis hin zur Offenbarung, dass die Kontrolle über das öffentliche Image - so gibt es weltweit keine Bilder von Habeck mit Autos, mit einem Steak oder einem Schnapsglas.  In diesem Fall bedeutet das, dass Habeck privat nicht Auto fährt, nicht nur Zeitungsporträtvegetarier ist und auf geistige Getränke oberhalb der volkstümlichen Bierschwelle grundsätzlich verzichtet.

Wie glücklich fügt sich das alles, dass  endlich mal kein/e Schaumschläger*in, kein*e Aufschneiderin, kein/e Trägerin falscher Federn bereitsteht, die Menschheit aus der "Klimafalle" (Hans von Storch) zu führen wie Moses das Volk Israel durchs Meer in gelobte Land.

Freitag, 27. August 2021

Gerechte Sprache im Krieg: Auch die Taliban sind der Taliban

Der Taliban als Gruppe, aus einem Videospiel gesprungen. Foto: TheMeer202

S
o sehen Sieger aus, wickelköpfig und in Riemchensandalen, aber hartnäckig und unbelehrbar. Die Taliban waren geschlagen, aber sie waren nie weg, aller Bundestagsbeschlüsse zum Trotz, die immer noch mal einen Nachschlag beschlossen, um am Hindukusch blühende Landschaften errichten zu lassen, wenn auch notgedrungen ohne die Bundesgartenschauen, die den deutschen Osten in den zurückliegenden 30 Jahren zum Erblühen brachten. Die Taliban, so glaubte man bisher in Deutschland, sind Steinzeitkrieger, auch wenn ihr kürzlich erst entdeckten Spezialkommando "Badri 313" aussieht wie hochausgerüsteten Hightech-Soldaten der demokratischen Hilfsmission aus den Abendländern.  

Frauen im Herrenmodell

Gut, bei Badri tragen alle Einheitsangehörigen schusssichere Westen, bei der Bundeswehr müssen sich dienende Frauen meist mit dem unbequem geschnittenen Herrenmodell begnügen. Aber das sind die Beschwernisse forcierter Diversität, die trotz aller Bemühungen der entwickelteren Staaten in Afghanistan bisher kein offenes Ohr gefunden hat. Zwar gendert das ZDF "Islamist:Innen". Islamisten selbst aber beziehen Frauen und Diverse absichtsvoll nicht ein in ihre Bemühungen zur Errichtung eines Gottesstaates. Auf Deutsch wird es an dieser Stelle schwierig: Die Taliban ist weiblich, der Taliban allerdings immer ein Mann. Durch das weibliche Geschlecht des Plural fällt nun aber alle Last der Schuld auf die Frauen, die doch am meisten unter der Herrschaft der Herren leiden.

Özlem Demirel, linke Abgeordnete im Europäischen Parlament, will  das nicht hinnehmen. Die Frau mit den türkischen Wurzeln, die als Vizechefin dem"Subcommittee on Security and Defence" des EU-Parlamentes vorsitzt und bei der "Tagesschau" als "Arbeiterkind mit Kämpferherz" gilt, , führt seit Tagen einen verzweifelten Kampf, aus den Taliban den Taliban zu machen. Sprich als: Die Taliban als der Taliban auch in der Mehrzahl sprachlich männlich zu verorten.

Das Gegenteil von Gendern

Wo immer die "türkisch-deutsche Politikerin" (Wikipedia) aus Düsseldorf auftritt, um Fluchtkorridore zu fordern, vorzuschlagen, dass man nun mal "die ganze Geschichte des Krieges evaluieren" und die "Lehre ziehen" müsse, "wir dürfen nicht denken, dass es militärische Lösungen geben kann" ist der Taliban am Start, wenn die Taliban gemeint sind. Konsequent schließt Demirel damit aus,  dass Frauen und Transgender-Personen bei den Taliban mitkämpfen, der in einer typischen Demirel-Formulierung in diesem Fall natürlich "dem Taliban" wäre. Frauen und Diverse machen mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung aus. Der Taliban aber ist eben zu hundert Prozent Mann.

Das Gegenteil von Gendern als linke Alternative zum emanzipationspolitisch fragwürdigen Plural, dem bisher allerdings sogar die Taz festhält, wenn sie von der Bundesregierung fordert "jeden ausfliegen lassen, der vor den Toren des Kabuler Flughafens steht und seine Tätigkeit für deutsche Stellen glaubhaft machen kann". Doch die "politischen Kosten" (Taz) für eine Mehrzahl, die männliche Verantwortung mitspricht, statt alle anderen Geschlechter in Mithaftung zu nehmen, wären wirklich gering: Ein Rundschreiben der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin nur und wie zuletzt bei Bjelorusslanddemfrüherenweißrussland würde der mediale Wind sich drehen und dem Taliban ins Gesicht wehen.

Klimamodell: Strandurlaub im Starkregen

Im Sommer vor vier Jahren schaute Deutschland entgeistert aufs Thermometer. Nicht mal 25 Grad Höchsttemperatur, und das im Hochsommer! Nachts gar nur 14 Grad, keine Einladung zum Mitternachtssprung in den Pool. Doch die Klimaforschung machte Hoffnung: "Die nächsten vier Jahre werden außergewöhnlich heiß", verwies der "Tagesspiegel" auf eine brandaktuelle Studie von Klimawissenschaftlern, die gerade ein neues Modell zur Vorhersage von Höchsttemperaturen entwickelt hatten. 

Wann wird es wieder richtig Sommer

Punktgenau, als überall gefragt wurde, wann es denn mal wieder richtig Sommer werde, konnten Florian Sévellec von der Universität Brest und sein Kollege Sybren Drijfhout von der Universität Southampton die Urlauber draußen im Lande trösten: Nach einer "fast zehn Jahre andauernden Unterbrechung der Erderwärmung nach 1998" (Tagesspiegel) sage das neue System namens Procast für die kommenden vier Jahre bis 2022 "unnormal hohe Temperaturen" voraus, die den "Langzeiteffekt der Erderwärmung teilweise noch verstärken".

Genauso ist es dann beinahe gekommen. Der Sommer 2019 war etwas kühler als der 2018, aber viel zu warm. Auch 2020,  der Sommer erstmals als Klimasommer  aktenkundig wurde, reichte nicht ganz an 2018 heran, war aber  selbstredend Beweis dafür, das Wetter kein Klima ist. 2021 dann war weltweit viel zu warm, in Deutschland aber viel zu nass. Seit Forscher des Hamburger Max-Planck-Instituts (MPI) für Meteorologe vor sieben Jahren "die präziseste Kalkulation der Folgen des Klimawandels" vorlegt hatten, die mit "nie erreichter Genauigkeit" (Spiegel) voraussagen konnten, dass "Sommerniederschläge besonders stark" zurückgehen und bald mit einer "spürbaren Verminderung der Wasserverfügbarkeit" zu rechnen sei, hatte es nicht mehr so viel und oft geregnet.

Der Boden freut sich

Wissenschaft aber ist nichts Statisches, Wissenschaft bewegt sich, sie bleibt immer auf Faktenhöhe und kann in ihren lichtesten Momenten leichterhand auch erklären, warum Vorhersagen  oft nur so lange stimmen, bis die Vorhersagezeiträume erreicht sind. Danach verschwinden die Daten vom Server. Und es gibt funkelnagelneue Berechnungen, nunmehr mit "3,6 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde", so dass  Supercomputer die nunmehr vorausliegende Klimazukunft einmal mehr "exakt wie nie" (Spiegel) berechnen können.

Mag es stürmen, mag es schneien, mag es regnen wie aus Kannen. Es wird jedes Mal so gekommen sein, wie es prognostiziert worden war, nur eben ein wenig anders. Schneit es statt zu regnen, ist der Klimawandel schnell als Grund ausgemacht. Regnet es in den Dürregebieten, braucht es keine vier Wochen intensiver Forschung und ein weiteres "Ergebnis des Klimawandels" (Tagesschau) ist ausgemacht.

Nirgendwo sind die Aussichten präziser

In keinem anderem Land der Welt liegt bis dato eine präzisere Kalkulation der Klimafolgen vor", konnte das Hamburger Magazin "Der Spiegel" bereits 2008 stolz vermelden, als Remo, das Klimamodell des Hamburger Max-Planck-Instituts (MPI) für Meteorologie, all die kommenden Katastrophen als "dreidimensionales atmosphärisches Zirkulationsmodel" (Spiegel) vorstellte und die fünf bedrohlichsten Hauptgefahren in Stein meißelte:

  • sinkende Grundwasserspiegel im Sommer, insbesondere in Südwestdeutschland,
  • eine erhöhte Waldbrandgefahr, besonders in Südwestdeutschland und Nordostdeutschland,
  • eine Zunahme hitzebedingter Krankheiten vor allem in Süddeutschland,
  • eine Gefährdung der Kühlung von Atomkraftwerken im Sommer, auch dies insbesondere in Süddeutschland
  • eine größere Hochwassergefahr im regenreichen Herbst, vor allem an der Elbe

Starkregen im Sommer war damals noch nicht dabei, aber es ahnte seinerzeit, kurz nach den Flutkatastrophe von 2002, auch niemand, "dass sich die maximale Niederschlagsmenge durch den Klimawandel insgesamt um zwischen drei und 19 Prozent erhöht" haben wird, so dass die Grundwasserspiegel nicht sinken, die Waldbrandgefahr dafür aber doch, während mehr Hitzetote ausbleiben, die Kernkraftwerke aber keine Kühlprobleme bekommen und die Elbe bis in den Winter schiffbar bleibt. Fakt ist: Niemand hatte je präzisere Klimavorhersagen als Deutschland. Dass sie dann nie stimmen, ist auch kein Problem, denn weder Procast noch Remo haben seit ihrer Ersterwähnung je wieder irgendwo eine mediale Rolle gespielt.

Ein Jahr Zeit für die kommende Warmphase

Was den Strandurlaub betrifft, ist noch Hoffnung, zumindest für das kommende Jahr. Die vor drei Jahren vorgestellte "neue statistische Methode von Sévellec und Drijfhout" (Tagesspiegel) konnte zwar weder die kommenden Regenphasen noch die kühleren Sommer noch die kalten, schneereichen Winetr korrekt vorhersagen. Aber einerseits sind die Prognosen nie irgendwo gemessen, gewogen und für falsch befunden worden. Und andererseits ist der von Procast in den Blick genommene Prognosezeitraum, der von 2018 an gesehen eine "kommende Warmphase" mit "steigender Wahrscheinlichkeit extremer Temperaturen" streng wissenschaftlich angesagt hatte, ja auch noch nicht ganz vorüber. 

Bis 2022 kann Procast noch zeigen, dass es auch für "die Vorhersage von Niederschlägen und anderen Klimafaktoren" (Tagesspiegel) taugt und "lokale Dürren oder Überschwemmungen ganz ohne Supercomputer und mehr als nur einen Tag im Voraus" vorhersagen kann.

Donnerstag, 26. August 2021

"Jesusknabe" aus Bayern: Pornografische Zurschaustellung

Zuletzt war er 2012 "Kunstwerk des Monats" Dezember, ein unschuldiger Knabe, nackt, wie Gott ihn schuf. Ungeschützt zeigt er alles, aber freiwillig hat er das wohl nicht getan, damals vor einigen hundert Jahren, als der niederländische Künstler Nicolaus Gerhaerts von Leiden ihn sich zum Vorbild für eine kindliche Jesusfigur nahm. Wie andere ähnliche engelsgleiche Kinder wurde auch diese aus Weidenholz geschnitzte Darstellung, bis heute zu sehen im Bayerischen Nationalmuseum, als wunderschön gerühmt für seine "rosige Lebensechtheit" und in aller Naivität immer wieder öffentlich gezeigt, zeitweise sogar auf im Hochaltar der Kirche von Nördlingen.

Tiefe Verletzungen

Die tiefen seelischen Verletzungen des Jungen, der von Leiden seinerzeit in Straßburg am Oberrhein Modell hatte stehen müssen, waren nie ein Thema - obwohl bis heute keine schriftliche Einwilligung der Eltern für die obszöne Darstellung vorliegt.

Die Erben des Jungen aber wollen das jetzt ändern. Janice und Andreas Müller aus Nördlingen sind sicher, die Urururenkel des dargestellten Jungen zu sein. Und das berufstätige Paar findet es überhaupt nicht in Ordnung, "dass Ururuururopa damals mit gerade einmal vier Monaten nackt abgebildet wurde", wie Janice Müller sagt. Die Familie hat deshalb jetzt Konsequenzen gezogen: Sie will die Verantwortlichen wegen Kinderpornografie auf Schadensersatz verklagen. 

Lieden unter von Leiden

Alle Beteiligten sollen "wissentlich kommerzielle Kinderpornografie produziert, besessen und beworben" haben, ist Andreas Müller überzeugt. Nach alten Briefen, die im Familienarchiv der alteingesessenen Müllers-Sippe liegen, soll von Leiden vor Beginn seiner Schnitzarbeit zudem versprochen haben, die Genitalien von Opa Müller - "er hieß Karl", sagt Janice Müller - mit einem blickdichten Baumwolltuch zu bedecken. 

Das sei jedoch nie passiert. "Oder es ist zu teuer gewesen oder verloren gegangen", glaubt Andreas Müller, dessen Klageschrift allen Beklagten vorwirft, „seit hunderten von Jahren sexuelle Gefühle anzustacheln, indem sie unseren Vorfahren nackt öffentlich zur Schau stellen." Das sei, da es einen Säugling betreffe, Kinderpornografie. Mit der Ausstellung im Nationalmuseum würden zudem kommerzielle Interessen verfolgt. "Man versucht, zahlungskräftige Touristen anzulocken", schüttelt Janice Müller enttäuscht den Kopf.

Modische Nacktheit

Die immer wieder wiederholte Beteuerung, nackte sogenannte "Jesuskinder" aus der Spätgotik verbildlichten "die wahre Menschlichkeit Christi" und seien damit unverdächtig jedes sexuellen Hintergedankens, verfängt bei den durchaus kunstsinnigen Müllers nicht. "Schon im 15. Jahrhundert bekam doch die Kirchenfürsten selbst kalte Füße und Auftraggeber für solche Skulpturen verlangten, dass sie zumindest leicht bekleidet wurden." Großvater, wie die Müllers ihren Vorfahren liebevoll nennen, sei das verweigert worden,. "Er bekam eine Weintraube in die Hand, gedrückt, fertig", schimpft Andreas Müller.

Die Familie will das nicht länger hinnehmen. Janice und Andreas Müller führen an, Identität und  Name ihres Vorfahren seien "nun für immer verbunden mit der kommerziellen sexuellen Ausbeutung" durch die Zuschaustellung, die er seit seiner Zeit als Minderjähriger erfahre. Fotos seines Bildnissen würden bis zum heutigen Tage weltweit verbreitet, das Internet sei voll davon. "Wir möchten, dass das aufhört", sagt Janice Müller, "damit Opa seine Ruhe findet".

Ami goes home: Die Angst vor einer Welt ohne Amerikaner

Im Felde unbesiegt: Soldatinnen wie diese zeigen der Welt das freundliche Gesicht der Bundeswehr.

E
s sind volle acht Quadratkilometer, über die schon nach anderthalb Wochen vollkommene Einigkeit besteht. Ziehen die Amerikaner an, kann keine Macht der Welt, jedenfalls keine europäische, den Kabuler "Hamid Karzai International Airport" verteidigen. Es braucht "amerikanischen Schutz" (ARD) rund um den  فرودگاه بین المللی حامد کرزی, es braucht die GIs, die die mit der Waffe in der Hand unter ihre Fittiche nehmen, die gekommen sind, die unter ihre Fittiche zu nehmen, die vor Ort 20 Jahre lang geholfen haben, das alles möglich zu machen: Die Vertreibung der Taliban, deren Rückkehr und schließlich eben die Verteidigung des Flughafens der afghanischen Hauptstadt als letzter Bastion des Abendlandes.  

Aufgeben ist alternativlos

Eben noch gehörte der Zivilisation das ganze Land. Die Bundeswehr allein behauptete in Masar i Sharif eine ganze Kaserne, andere Nationen, die sich an der europäischen Unterstützung der amerikanischen Unterstützung des Aufbaus einer nagelneuen Demokratie beteiligt hatten, saßen in eigenen Festungen, bewacht und beschützt und unterstützt von Ortskräften.

Dort gab es Bier und Wein, dort war die Welt, wie sie sein sollte. Daheim in der EU wuchsen Blütenträume: Wie wäre es mit einer europäischen Armee? Eine kernige Truppe, die dem bereits eingetretenen "Ansehensverlust" (Jean-Claude Juncker) der Friedensnobelpreisgemeinschaft entgegenmarschiert, geeint unschlagbar. Mit der Aufstellung einer stolzen und schönen EU-Armee könne Europa der Welt zeigen, dass es nicht mehr am Katzentisch der Amerikaner sitze, sondern selbst glaubwürdig Bomben werfen, Tiefflugangriffe starten oder auch "auf eine Bedrohung des Friedens  reagieren" könne.

Der süße Traum von der EU-Armee

Die Idee kam überall gut an. Emmanuel Macron hatte sie auch, Meiko Haas sprang auf, auch der damals noch überaus bedeutsame Martin Schulz. Die mächtigste Frau der Welt war einverstanden, auch der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz, ein früherer Zivildienstleistender, stimmte zu. „Für mich gehört eine gemeinsame Armee zur Idee der europäischen Souveränität“, umriss Scholz Sinn, Zweck und künftige Aufgaben der - nach dem deutschen Grundgesetz verfassungsfeindlichen - EU-Streitmacht. 

Sowas hat man einfach wie der Schäfer einen Hund oder das Pferd Fliegen. Und wie schön wäre doch das Bild, wenn frischausgebildete deutsche Blitzkrieger  unter dem Oberbefehl französischer Marschälle, slowenischer Hauptleute und spanischer Unteroffiziere mit klingendem Spiel in einen Krisenherd einmarschieren, um für Ruhe, Frieden und Prosperität zu sorgen?

Zeichen europäischen Zusammenhalts

Der Russe, der Belorussederehemaligeweißrusse, aber auch der tolldreiste Türke, Brite, der Chinese, der Ungar, der Pole und der Talib, sie alle hätten nichts mehr zu lachen, wenn Europas machtvolles Militär erst überall seine eindrucksvollen Zeichen des europäischen Zusammenhalts" (von der Leyen) setzt. Obendrein, so hatten die Visionäre in Berlin, Brüssel und Paris ausgerechnet, führe eine EU-Armee zu erheblichen Einsparungen bei den Militärausgaben, die damit ohne Mehrkosten würden erhöht werden könnten. 

Danach sprach allerdings niemand mehr vom kühnen Traum von der Europawehr. Und dann kam Afghanistan, der Aufschlag der Träumer auf dem staubigen Boden Tatsache, dass das, was derzeit in Europa unter Waffen steht, im Fall der Bundeswehr behelfsmäßig, denn das Problem mit dem schießtauglichen, aber treffuntauglichen Friedensgewehr muss erst noch vor Gericht geklärt werden, kann nicht einmal acht Quadratkilometer Flughafen verteidigen. Ziehen die Amerikaner ab, zieht Europa zwangsläufig den Schwanz ein: Eben noch Herren des Landes, nun aufgeschmissen schon bei einem Hubschraubereinsatz, der nicht stattfinden kann, weil die Anwesenheit der Maschinen den Taliban durch einen Medienbericht vorab bekanntgeworden war. So hätten die Gotteskrieger die zu einer Rettungsmission über Kabul aufsteigenden Helikopter nicht wie geplant für große Hornissen oder paschtunische Schmeißfliegen gehalten. Sondern womöglich abgeschossen.

Keine Hilfe von der Bundesblitzkriegerarmee

Für deutsche Medien klingt das alles vernünftig und nachvollziehbar, aber deutsche Medien waren ja auch schnell zu überzeugen, dass die neuen Bundesblitzkriegerseminare zu einer Aufwertung der deutschen Kampfkraft führen und der Einsatz einer im Wochenrhythmus wechselnden Truppe an der Ostfront keine Geiselmission ist, sondern Deutschland vor "Putins Bomben" (Bild)  schützt. Nun stellt sich heraus, dass die Streitkräfte der EU-Staaten, immerhin gelistet auf den Plätzen 7, 12, 15 und 18 der Welthitparade der schlagkräftigsten Heere, selbst mit Unterstützung der abtrünnigen Briten (Platz 8) und der Janitscharen des Kriegstreibers Erdogan (Platz 11) nicht einmal in der Lage sind, ein Gebiet von nur etwa tausend Fußballfeldern für eine ganz kurze Zeit zu verteidigen.

Militärische Schwäche, in der Bundeswehr nennen sich sie manche peinlich berührt auch militärisches Unvermögen, ist das wahre Zeichen des europäischen Zusammenhalts. "Ohne US-Truppen bleiben Europa bald nur Appelle an die Taliban", hat die Neue Zürcher Zeitung den anstehenden Strategiewechsel beschrieben. Die "europäische Souveränität", ein vielbeschworenes Phantom, das noch nie in freier Waldbahn beobachtet werden konnte, endet, wo sie anfangen sollte, ehe sie das durfte: Der Lieblings-US-Präsident aller anständigen Europäer stößt dem Wehrwillen der Verbündeten einen vergifteten Dolch ins Gewand.

Der Bundestag, in Gedanken immer noch Herr des Verfahrens, hat den Bundeswehrabzug aus der vordersten Verteidigungslinie inzwischen genehmigt und damit gezeigt: Nichts ist schwerer als der Rückzug aus einer unhaltbaren Stellung.  Aber in Würde scheitern ist es doch.

Mittwoch, 25. August 2021

Grüner Wahlkampfschlager: Kein schöner Lied in dieser Zeit

 

Es trällert, es schlumpft, es brummt und humpft und hückst und schöne Gesichter von sympathischen Menschen flackern durchs Bild. Es ist "Ein schöner Land in dieser Zeit", das der neue Wahlspot von Bündnis 90/Die Grünen mit Leuten wie Du und ich beschreibt, bereit, weil Ihr es seid, immer noch groß, immer noch falsch, aber so singen die armen Kinder, Frauen und Männer hier auch, denen ein neuer Text auf die alte Volksweise aus dem 18. Jahrhundert vorgelegt wurde, die einst durch das "Preußische Soldatenliederbuch" bekannt geworden war.

Es ist der Neuanfang eines Wahlkampfes, der begeistert gefeiert begonnen hatte, ehe er durch ein als Booster geplantes Buch ins Stottern geraten war. Stand Annalena Baerbock anfangs bereits als künftige Bundeskanzlerin fest, findet sie inzwischen nur noch unter ferner liefen statt. Vorn boxen sich der traurige Merkel Armin Laschet und Olaf Scholz als letzter Ritter der Schröderschen Tafelrunde um Platz 1. Der eine im Hintertreffen, weil ihn niemand mag. Der andere trotzdem immer noch nicht allzu deutlich in Front, weil seine Partei  nicht gemocht wird. Hinten singen die Verfolger von Heimat, von Farmen und Investitionen, von Bahn und Bus und dem Traum von Bullerbü. "Einigermaßen spektakulär", lobt die "Zeit" das programmatische Wahlvideo der Grünen verzückt.

Ein Zeitdokument, gegen das Laschets erfolgreiches Wahlkampfvideo "Gemeinsam für ein erfolgreiches Deutschland" - mehr als 1.000 Zuschauer nach nur zwei Monaten - behäbig, steif und ewiggestrig wirkt und das bisher einzig übriggeblieben SPD-Video wie eine Pheonix-Doku über den Auftritt eines Hütchenspielers. Im grünen Gegenstück scheint die Sonne, das Volk ist im Offenen, lächelnd. Alles reimt sich auf gut und "was sich reimt ist gut" (Pumuckl). 

Es zwitschern die Vögel*innen, der Bionadeadel sitzt im Garten des Einfamilienhauses, die Oma hält ein Tablet, der Nochnichtsolangehierlebende schreinert und der Pfarrer mit dem Ohrring und seine Haushälterin haben auf der schmiedeeisernen Bank vor dem Pfarrhaus platzgenommen, deren Nachfolgerin schon aus klimaneutralem Eisen verfertigt sein wird. Die über die gesamte Laufzeit verteilten People of Color sind hier Objekt grüner Politik, sie dürfen Buntheit andeuten und der bei den Grünen wie bei allen anderen deutschen Parteien immer noch streng weißen Kartoffeligkeit einen Hauch von globalistischer Diversität verleihen.

So viel Heimat, so viel Glück, so viel Wärme, dass ein Kinderchor gleich singen muss, "fürs Leben wird es hier zu warm". Trotzdem steht das grüne Versprechen, ein Straßenanschlussangebot für jede und jeden und "natürlich auch W-Lan". Man muss "die richtigen Sachen/machen/oh yeah". Sogar grillen mit Wurst gehört dazu, erstmal noch. Jetzt alles geben, sagt Robert Habeck, der nicht singt, weil Singen noch nie geholfen hat. Annalena Baerbock hat das letzte Wort: "Den Aufbruch leben"

EU-Vermögensregister: Genossen, wir müssen alles wissen!

Wer hat welchen Cent? Wer besitzt was? Warum? Und woher hat er es? Die EU will alles erfassen.

Es geht jetzt Grad um Grad, der Frosch wird im eigenen Saft gekocht und das auch noch in seinem eigenen Auftrag. Eben erst hat die EU endlich auch in Deutschland durchgesetzt, dass bei Barzahlungen mit einer Höhe von mehr als 10.000 Euro ein Herkunftsnachweis des Geldes erste Bürger*Innenpflicht ist. Einfach so abheben und auf die Ladentheke beim Gebrauchtwagenmarkt legen ist nicht mehr, der Empfänger muss prüfen, wie der Käufer zu seinem Geld gekommen ist. 

Wie er das tut, ist seine Sache, Fakt aber ist, dass 10.001 Euro, die er ohne Prüfung annimmt, ihn selbst schwer belasten, denn er dürfte sie nicht haben. Selbst Summen unter der Schwelle von 10.000 sind verdächtig, wie die Geschichte zeigt: Der 76-jährige Cornelius Gurlitt geriet vor Jahren schon ins Visier der Zollfahndung, weil er mit 9.000 Euro in bar ertappt wurde - für die Behörden ein sicherer Beleg, dass er die 10.000er Grenze gezielt hatte umschiffen wollen.

Eldorado der Geldwäsche

Deutschland, bisher jedermann bekannt als das "Eldorado der Geldwäsche", wird nun trockengelegt, aber erstmal ganz großzügig, denn in anderen EU-Ländern sind Barzahlungen schon oberhalb von 500 Euro nicht mehr möglich. Frösche müssen langsam gekocht werden, damit sie nicht aus dem Topf hüpfen. Aus diesem Grund nennt die EU ihr neues Vorhaben zur Einführung eines europaweiten Vermögensregisters auch eine "Machbarkeitsstudie in Hinblick auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung". Die Idee dahinter aber folgt der Direktive des früheren DDR-Staatssicherheitschefs Erich Mielke. Mit "Genossen, wir müssen alles wissen", hatte der Justus Perthes' Direktive "Wissen ist Macht" zu Ende gedacht: Wer alles weiß, hat unendliche Macht.

Ein Zustand, nach dem die Europäische Kommission beständig strebt. Wo immer die unzähligen Kommissare mit ihren nach parteipolitischem und nationalistischem Proporz geschnittenen Ressorts eine Möglichkeit sehen, sich Kompetenzen anzueignen, die sie nach den europäischen Verträgen nicht haben, sind sie zur Stelle. So nun auch bei der Erfassung der Besitzverhältnisse in der Union: Mit dem anvisierten europäisches Vermögensregister erklärt die Brüsseler Kommission die "Erhebung von Daten und die Zusammenschaltung von Registern" zu einem "wichtigen Instrument des EU-Rechts, um den Zugang der zuständigen Behörden zu Finanzinformationen zu beschleunigen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erleichtern". 

 Wer hat was und warum eigentlich?

War damit bisher eigentlich nur gemeint, dass anonymisierte statistische Daten von den Mitgliedsstaaten nach Brüssel weitergeleitet werden, um ein korrektes Bild der tatsächlichen Lebensverhältnisse in der Gemeinschaft gewinnen zu können, wird es nun ganz konkret und sehr privat: Unter dem Vorwand, Geldwäsche und Steuerhinterziehung "noch besser" (Neues Deutschland 1985) verfolgen zu wollen, zielt die Von-der-Leyen-Kommission darauf, genaue Daten über die Besitzverhältnisse aller noch 440 Millionen EU-Europäer zu erlangen. Mit Hilfe von "verschiedenen Quellen des Vermögenseigentums z. B. Landregister, Unternehmensregister, Trust- und Stiftungsregister usw." sollen "verfügbare Informationen" über sämtliche Wertaufbewahrungsspeicher der Bevölkerung "gesammelt und miteinander verknüpft werden".

Wertspeicher unter Verdacht

Egal, ob Bankguthaben, Wohneigentum, Land, Kunstwerke, Edelmetalle, Bargeld, Schmuck oder Kraftfahrzeuge, alles wird im "Register" erfasst, um "anschließend in eine künftige politische Initiative einzufließen". Der gläserne Bürger, vom dem Erich Mielke letztlich doch zeitlebens vergeblich träumte, er wird geboren, um ein transparentes Leben vor den Augen der EU-Aufseher zu führen, für die "effiziente Suchfunktionen" vorgesehen sind: Um zu wissen, wer was hat und wie viel, reicht dann ein Mausklick.

Der Frosch darf nur nicht zu früh merken, wie Flamme hochgedreht wird. Die "Brüsseler Republik" hat dagegen allerdings ihre Rezepte, wie der frühere Kommissionschef Jean-Claude Juncker einmal freimütig beschrieben hat. "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt", skizzierte er grob, mit wie feinen Strichen und mit welch langem Atem an einer Gemeinschaft gefeilt wird, deren gewählte Institutionen allen demokratischen Grundregeln Hohn sprechen, während ihre Exekutivorgane vorsichtshalber immer gleich im Hinterzimmer ernannt werden.

So wird es auch diesmal dauern, aber es wird so kommen: Eines Tages, früher noch als die imaginären grünen Pläne erreicht und die europaweite Kohlendioxidfreiheit besiegelt sein wird, werden sie tatsächlich alles wissen, jeden Cent zurückverfolgen und jeden Euro zuordnen können. Der Frosch hat es dann die längste Zeit wohlig warm gehabt. Es fängt die Phase an, wo er knusprig wird.