Mittwoch, 28. Februar 2018

Essen für Essen: Sachsen üben Solidarität

"Lieblingswurst" der Armen: Frisch vom Metzger an die "Tafel".

Im Streit um den Ausländerstopp bei der Essener Tafel hat der sächsische Agrarkonzern Sachsenkorn Hilfe angekündigt. Die tief in Westdeutschland liegende Essener Tafel hatte zuvor entschieden, keine weiteren ausländische Bedürftigen mehr in ihre Kartei aufzunehmen. Der Anteil der Migranten bei der Lebensmittelausgabe hatte den Angaben zufolge zuletzt bei 75 Prozent gelegen. Alleinerziehende deutsche Frauen und Rentner seien immer weniger gekommen, hieß es. Für alle aber reichten die verfügbaren überlagerten und abgelaufenen Nahrungsreste nicht.

Neben den Regierungsparteien - hier hatte die Kanzlerin zuletzt ein Machtwort gesprochen - hatte auch die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Wagenknecht, harsche Kritik am Aufnahmestopp und der Empörung darüber geäußert. Wenn das Essen in Essen nicht reiche, müsse es eine Obergrenze geben können, sagte die linke Vordenkerin. Wagenknecht sagte im Deutschlandfunk, man wisse seit langem, dass es Probleme bei den Tafeln gebe, weil inzwischen viele Menschen auf Hilfe angewiesen seien. Wenn Frau Merkel entschieden habe, viele Flüchtlinge aufzunehmen, müsse sie sich auch darum kümmern, dass ausreichend überlagerte und hinter dem Verfallsdatum liegende Speisereste verfügbar seien.

Hier setzt nun das Hilfsangebot von Sachsenkorn an, einem 1992 mit Hilfe russischer Investoren gegründeten sächsischen Agrarkonzern mit Sitz in Freiberg. Sachsenkorn-Chef Yuri Müller bot direkt nach Wagenknechts Merkel-Schelte an, die Produktionskapazitäten für die Herstellung von altbackenem Brot, abgelaufenen Würsten und überlagertem Käse schnellstmöglich hochzufahren. Sobald die Bundesregierung eine Abnahmegarantie für die begehrten Waren gegeben habe, könne Sachsenkorn dank eines Partnernetzwerkes, zu dem auch Gammeldönerfabriken in Plauen und Cottbus gehören, jede gewünschte Menge an unverkäuflicher Ware liefern.

Dieselbann: Merkel gegen Ausschluss von Selbstzündern

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält nichts von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig, demnächst nur noch Benzin-, Elektro- und Gasfahrzeuge in die deutschen Innenstädte einfahren zu lassen. "Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen", sagte die CDU-Chefin in einem RTL-Interview. "Das ist nicht gut."

Aber die Entscheidung der Richter in Sachsen zeige auch "den Druck, den es gibt", und wie viele Autofahrer noch auf Technik angewiesen seien, die nicht mehr dem Stand der Anforderungen der EU entspreche. "Deshalb hoffe ich, dass man da auch gute Lösungen findet." Sie stehe als Kanzlerin für ein Deutschland, "in dem wir gut fahren können" und fordere deshalb von der Autoindustrie schnelle und inklusive Lösungen.

Massive Kritik an bevorstehenden Fahrverboten für Diesel-Fahrer in Deutschland kommt auch aus dem Ausland. Von einer solchen Maßnahme wären auch Bürger anderer EU-Staaten betroffen, die als Besucher und Touristen nach Deutschland kämen, warnte die österreichische Regierung, die eine Klage vor dem EuGH erwägt. Deutschland diskriminiere EU-Bürger, die einerseits nicht von etwaigen Umrüstprämien der Bundesregierung profitierten, andererseits aber unter den Fahrverboten litten.

Diese seien diskriminierend, sagte der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried: "Das ist eine reine Ausländer-Bestrafung." Und diese, so hatte es Leichtfried auch in der Vergangenheit schon mehrfach betont, sei nicht mit der Grundwerten der EU vereinbar.der Die Niederlande wollen sich der Klage anschließen, die darauf zielt, dass die Bundesregierung allen Europäern die Kosten einer umweltfreundlichen Umrüstung bezahlen muss.


Der Tourismusverband Vorpommern warnte vor ausbleibenden Urlauberströmen, gerade jetzt, wo sich so viele frühere Konkurrenten um Touristen aus dem Wettbewerb verabschiedet hättten, könne es nicht sein, dass Deutschland sich freiwillig zurückziehe. Ursache der Entscheidung sei ein Beschluss der EU. "Da haut ein Haufen von Politikern auf uns ein, ohne sich zu informieren", sagte der Verbandsvorsitzende Sören Kahlmann der "Bild"-Zeitung. "Die sollen sich mal herbewegen und vor Ort mitarbeiten - danach können sie sich gerne äußern."

Das Gericht in Leipzig hatte keine Fahrverbote verhängt, allerdings deutlich gemacht, dass sie möglich seien. Berechtigungskarten für das Befahren der Innenstädte erhielten dann nur noch finanzstarke Besitzer von modernsten Dieselfahrzeugen. Wirtschaftlich Benachteiligte, die darauf angewiesen seien, ältere oder alte Gebrauchtwagen mit steuerbegünstigtem Dieselantrieb weiterzunutzen, würden künftig an Einfahrtsschranken - Foto oben - zurückgewiesen. Bundesweit entbrannte daraufhin eine Debatte über die Entscheidung, von der befürchtet wird, dass sie die soziale Spaltung weiter vertieft die Umwelt durch die Notwendigkeit des Ersatzes von mehr als 15 Millionen Fahrzeugen belastet und eine tödliche Welle von potentiell gesundheitsschädlichen Autos auf die nichtsahnenden Staaten im Osten Europas zurollen lässt.

Der Verein Deutsche Umwelthilfe hatte den Antrag auf Erlass von Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge vor Gericht mit EU-Grenzwerten für Stickstoffdioxid begründet. Die EU-Kommission hatte diese vor zehn Jahren auf 40 Mikrogramm pro Kubikmeter festgesetzt, zirka zwanzigmal weniger als der Grenzwert für Büroräume beträgt. Dadurch dürfen Dieselfahrzeuge zwar nach 2018 weiter in Großraumbüros zur Fortbewegung genutzt werden, jedoch nicht mehr auf offener Straße.

Dienstag, 27. Februar 2018

1956: DDR ist gegen die Kälte gerüstet

Rettungshubschrauber brachten warme Suppe in die eingeschneiten Regionen.

Dank der  Erderwärmung, die bisher auch durch den deutschen Energieausstieg nicht nennenswert gestoppt werden konnte, sind kalte Winter mit viel Schnee heute kaum noch möglich. Kommt dann plötzlich eine sibirische Kältewelle, droht das Alltagsleben landauf, landab schlagartig zu erstarren. Züge fahren sich fest, Heizungen frieren ein, selbst die Arbeiten an den Außenanlagen des Berliner Flughafens droht die zeitweise Einstellung.

Im Land, das Kälte nicht mehr gewohnt ist, macht sich Verunsicherung breit. Doch Deutschland hat schon andere  Winter überstanden wie ein Blick ins Archiv zeigt. 1956 zeigte sich die wirtschaftliche Überlegenheit des damals noch in den Kinderschuhen steckenden Sozialismus bei der Überwindung von Wetterunbilden besonders deutlich. PPQ dokumentiert die unterschiedlichen Wirkungen, die die bittere Kälte damals in Ost und West hatte.


In einem Rundfunk-Interview erklärte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats, Fritz Selbmann, im Namen der Regierung, daß die DDR "sowohl der jetzt noch anhaltenden Kältewelle als auch den etwaigen Folgen gegenüber gerüstet" ist. Trotz der schweren Lage sei es im Braunkohlen-Tagebau zu keiner einzigen Stillegung gekommen. In den letzten Tagen sei schon wieder eine ansteigende Planerfüllung festzustellen.

Schwierig sei die Lage im Verkehr, doch sei es gelungen, mit nur geringen Verspätungen den Verkehr aufrechtzuerhalten. Nur drei Prozent der Personenzüge, die in der Republik verkehren, mußten ausfallen, um einen flüssigen Verkehr auf den Strecken zu gewährleisten. Minister Selbmann hob besonders hervor, daß gegenwärtig alle Vorbereitungen getroffen werden, um bei plötzlich eintretender Schneeschmelze allen Gefahren zu begegnen.

Der VEB Bergmann-Borsig in Berlin-Wilhelmsruh hilft in diesen schweren Tagen mit, die Energieversorgung Berlins zu sichern. Die eigene Kraftanlage deckt den Bedarf des Werkes und kann in den Abendstunden sogar noch Strom an das öffentliche Netz abgeben. Auf der Insel Rügen bahnen Einheiten der KVP täglich den Lastwagenkolonnen, die entlegene Ortschaften mit lebenswichtigen Gütern versorgen, den Weg über die völlig verschneiten Straßen.

In Westdeutschland mußten mehrere Eisenbahndirektionen den Zugverkehr weitestgehend einschränken. Mehrstündige Verspätungen sind zur Regel geworden,

Die niedrigsten Temperaturen wurden in der Nacht zum Mittwoch in den Alpentälern mit 20 bis 22 Grad unter Null gemessen. Nach den bisherigen Schätzungen der westdeutschen Wetterämter lag in den ersten 20 Tagen dieses Monats die Durchschnittstemperatur in Westdeutschland mit minus 8,1 Grad um ein zehntel Grad tiefer als im Februar 1929, der als kältester Februar überhaupt festgehalten worden ist.

Für die Bevölkerung Mittel- und Süditaliens, die schon unter milden Wintern zu leiden hat, ist durch die starke Kälte eine Katastrophe eingetreten. Die Mehrzahl der Menschen besitzt keinerlei Winterbekleidung. Hunderte Dörfer sind ohne feste Straßen, Wasserleitungen und Strom. Auch Krankenhäuser fehlen und in zahlreichen Gemeinden sogar Apotheken. In vielen Ortschaften, besonders in Apulien, wurde die Notlage der Bevölkerung zu politischen Spekulationen ausgenutzt. So mußten verschiedentlich bei der Verteilung von Lebensmitteln und Kleidern die Mitgliedskarten der Christlich-Demokratischen Partei oder Empfehlungsschreiben des Ortspfarrers vorgelegt werden.

ADN, 23.02.1956

Wir Weltbüger: Deutschland wird nicht mehr gebraucht

Heimat ist, wo Recht die Freiheit sichert - das muss nicht Deutschland sein.
Alle gießen ihre Wurzeln, schreiben "Heimat" groß und möchten mitbestimmen, wie der "irreale Sehnsuchtsort" (Die Zeit) modern verstanden werden muss, wo sich das alte „hämatli“ (gotisch haim-oÞli) nur noch für schlichte Gemüter eignet.

Heiko Maas, dem Minister, der in den letzten Jahren energisch wie kein zweiter am Grundgesetz gesägt hat, geht es da natürlich "nicht um verkitschte Vergangenheit, sondern um unsere Zukunft", wie er in einem "Spiegel"-Text schreibt, der wohl als Bewerbungsschreiben für einen der begehrten Ministerposten in der nächsten GroKo zu verstehen ist. Merkels bisheriger Möbel-Minister möchte "Heimat" nicht "Konservativen und Rechtspopulisten" überlassen. Er hat "eine andere Vorstellung von Heimat": Sie ist "mehr als bloß Folklore" erstmal. Und außerdem: Heimat werde für ihn durch gemeinsame Werte bestimmt, nicht durch Herkunft oder Hautfarbe.

Das ist ein weitgefasster, ein, so Maas, moderner Heimatbegriff. Er kennt kein "ortsverbundenes Pathos" (Maas), er ist wurzellos, ein metropolischer Tumbleweed, den es von Stadt zu Stadt weht und der dabei immer in seiner Heimat bleibt, , den Kreisen, die sind wie er, flughafenerfahren, mehrsprachig, bargeldlos, von sicherem Modegeschmack und ohne Kassenbrille.

Maas, der Weltbürger, sieht Heimat überall dort, "wo das Recht die Freiheit sichert". Es gibt kein Haus als Heimat bei ihm, keine Straße, kein Feld, keinen Geruch, keine Familie, kein Treppenhaus, keinen Spielplatz, Sportplatz, keine Kneipe, kein Möbelstück und keine Stadt, keine Kindheitsfreunde, kein Fußballklub, kein Trachtenfest, keine Erinnerungen, die winzige Flecken auf der Weltkarte zu etwas Besonderem veredeln. Heimat soll, so will es der Sozialdemokrat, eine Theorie sein, ausschließlich geprägt "von Ideen und Überzeugungen, die uns verbinden und die grenzenlos sein können".

Wer "uns" ist? Offenbar alle Menschen, denn Heimat ist für Maas eine freischwebende Vorstellung, "dass Kinder in Frieden aufwachsen, dass alle ihre Meinung frei sagen können, dass niemand Willkür fürchten muss, dass Reichtum gerecht verteilt wird". Das kann nun überall passieren, in Australien, den USA, der Schweiz, Österreich, den übrigen EU-Staaten, auch in Kanada und Japan vielleicht, wo "jede und jeder nach seiner Façon selig werden kann und Rechte und Chancen nicht vom vermeintlich richtigen Glauben abhängen". Deutschland braucht es dazu nicht, nicht einmal für die Deutschen.

Jedenfalls nicht für Heiko Maas. Heimat, eigentlich logisch in einem Land, in dem eine in Hamburg geborene Frau als "Ostdeutsche" durchgeht, ist bei ihm wie bei Aydan Özoguz, der scheidenden Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, ein Willensakt, das Bekenntnis zu einem Wunsch und dessen Erfüllung durch Gedankenkraft. Nicht die Heimat sucht sich den Menschen, nein, der Mensch sucht sich seine Heimat. Wer sie hat, wo er sie lieber nicht haben wollen würde, der sucht sich eine neue, am besten ohne Stadt, Land, Fluss. Der Tumbleweed weht weiter, der Schwabe wird Schwede, der Sachse Angelsachse und der Chemnitzer verwandelt sich in einen Chinesen.

"Verfassungspatriotismus ist die schönste Form von Heimatliebe", empfiehlt Heiko Maas, benannt nach einem Fluss, der Frankreich, Belgien und die Niederlande durchfließt, aber aus seiner Sicht ebensogut chilenisch, ägyptisch oder balinesisch sein könnte.

Nicht auf die Gegend kommt es an, denn das Chamäleon nimmt die Farbe jeder Umgebung an. "Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität - diese Werte verbinden seit jeher Menschen über Grenzen hinweg und unabhängig von Vaterland oder Muttersprache", weiß Maas. Wer auf der Suche nach der Kraft sei, "die unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält", muss deshalb nicht auf ein Zusammengehörigkeitsgefühl schauen, das in jahrhundertealter gemeinsamer Geschichte, in Prägung durch eine gemeinsame Kultur und in einem durch alte Sitten ähnlich geprägten Temperament wurzelt. Sondern "auf unsere Verfassung schauen", wie Maas mahnt: Dort stehe, flunkert der Mann, der immerhin noch als Justizminister amtiert, dass "Deutschsein nichts mit Biologie zu tun" habe.

Artikel 116 kann er nicht meinen, auch das Abstammungsrecht, nach dem die Bundesrepublik das Deutschsein antragslos nur an Kinder von Deutschen verteilt, ist wohl nicht gemeint. Heiko Maas erklärt sich auch hier nicht weiter, er ist auf Schwurbelkurs ins Traumland der Tumbleweed-Welt, wo pathetische Parolen jeden vernünftigen Gedanken ersetzen: "Meine Heimat ist dort, wo das Recht die Freiheit sichert" und "zu meiner Heimat gehören auch das Grundgesetz und die Vielfalt".

Merke: Heimat ist nicht, wo sich jemand frei fühlen kann, sondern Heimat ist, "wo das Recht die Freiheit sichert". Heimat Maasscher Prägung ist zudem, wo etwas dazugehört, dabei kann das, wozu etwas gehören könnte, auch ausschließlich aus einem Buch und dem Dazugehörenden bestehen, wobei man das Buch auch nicht gelesen haben muss.

Seine Heimat beschreibt Maas wie einen orientalischen Basar. "Die Vielfalt der Herkünfte und der Hautfarben, der Religionen und der Lebensstile" schwärmt er. Das sei Heimat. Japan, die Mongolei, China, Mexiko, Polen, Rumänien, Bulgarien, Vietnam oder Kuba können nach dieser Logik niemandes Heimat sein.

Dann noch mal die Behauptung, dass das Grundgesetz "Deutschsein" nicht biologisch definiere, weil das schließlich erst so richtig krass im Bundesvertriebenengesetz geschieht, nach dem "deutscher Volkszugehöriger" eine Person ist, "die sich zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird". Und dann Auschwitz und die Klage über den Begriff "Bio-Deutscher", mit dem "70 Jahre nach Auschwitz der Rassismus verharmlosend in unsere Sprache" zurückkehre. Wo ausgerechnet das Grundgesetz doch immer auf Rasse gesetzt hatte.

Montag, 26. Februar 2018

So geht Frische: Merkels Minister ein halbes Jahr jünger

Es riecht direkt nach Jugend, Frische und Erneuerung im Bundeskabinett, seit Kanzlerin Angela Merkel ihre neuen Minister vorgestellt hat: Neben dem alten Schlachtroß Ursula von der Leyen und dem treuen Parteisoldaten Peter Altmaier präsentierte Merkel eine Riege aus einem "Merkel-Kritiker", einer "Standhaften", einer Unbekannten und einem "Ausputzer" (Zitate Die Welt) - auf jeden Fall aber aus "Jüngeren", so zumindest das Einheitsurteil der leitmedialen Analysten. Mit dieser Wahl komme die Kanzlerin "Forderungen der Jungen und Konservativen in der CDU nach einer Verjüngung und Erneuerung in Partei und Kabinett entgegen", heißt es dazu.

Der "Spiegel" bejubelt "Merkels Kabinettstück",  so sehr sogar, dass er sich nicht wagt, "Kabinettstückchen" zu schreiben. Junge Kräfte sollten sich bewähren können. Immerhin: Drei der neuen Minister sind wirklich jünger als es Egon Krenz war, als er 1989 die Führung der SED übernahm und "Erneuerung" versprach. Verglichen mit dem ersten Kabinett, mit dem Merkel ab 2005 regierte, ist die vermeintliche Verjüngung aber nicht einmal richtig symbolisch: Damals betrug das Durchschnittsalter der CDU-Minister 53 Jahre. Jetzt sind es 52,5.

"Wenigstens ein halbes Jahr" das ist doch jünger!, ruft es da aus dem Kanzleramt, aus der Redaktion der SZ, der Zeit und des Spiegel. Aber: Seinerzeit verdarb der 63-jährige Wolfgang Schäuble den Schnitt. Schäuble war sieben Jahre älter als der zweitälteste CDU-Minister. Von ihm abgesehen war niemand im Kabinett über 56. Das "verjüngte" Kabinett Merkel III ist dagegen fast schon eine Frührentnerband: Die Kanzlerin ist ein Jahr älter als Schäuble damals, zwei Minister werden in diesem Jahr die 60 überschreiten, nur einer ist wesentlich jünger als die damals jüngste am Kabinettstisch, Ursula von der Leyen, mit Baujahr 1958 heute neben Peter Altmaier Senior in der Unionsriege.

Wenigstens kommt es hier nicht auf Zahlen an, sondern allein auf den Anschein. So geht "Verjüngung" im hohen Lebensalter einer Regierung.

Olympia: Meisterschaft der Wohlstandsvölker

Alte weiße Männer, die professionell daran arbeiten, ein geschliffenes Stück Granit millimetergenau übers Eis zu schieben.
Der Medaillenspiegel bei Olympia trügt natürlich nicht: Wer wissen will, was in der Welt verkehrt läuft, muss nicht beim Curling zuschauen, einer Sportart, bei der Hochleistungsprofis aus Trainingslagern kommen, um eigens gefertigte Eiskegel in ein Ziel zu manövrieren. Es reicht in Blick dorthin, wo Nationalisten etwa bei der Zeitschrift „Die Zeit“ derzeit ein neues deutsches Selbstbewusstsein entdecken.

„Die Deutschen gewinnen so viel Gold wie nie zuvor“, jubelt es bei eigentlich so global aufgeklärten Blatt aus Hamburg. In der Taz, quasi dem Doppelstaatsbürger unter den Leitmedien, wird zu Ehren der deutschen Farben gar unbeholfen gedichtet: „O Deutscher, der du da so fragst und bei den Rodlern überragst, dergleichen bei den Biathleten viel besser dastehst als die Schweden!“

Besser sein als andere Nationen, besser curlen, Berge herunterrutschen, durch die Halfpipe fliegen und auf Schlittschuhen shorttracken. 2018 Jahre nach Christi Geburt schaut die Welt nach Osten, wo Bobs Bestzeiten erreichen, Skeletons Eiskanäle entlangschießen und Biathleten jedem Waffennarren ein gutes Beispiel geben. Mehr noch als jede Sommerolympia ist die im Winter eine Angelegenheit einer kleinen, exklusiven Gruppe unter den Nationen. Weiß, westlich und am besten noch möglichst nördlich, so sehen Sieger hier aus. Die Gewinner von Südkorea sind katholisch oder evangelisch oder doch wenigstens christlich, zuweilen sind versprengte Buddhisten und Konfuzianer unter ihnen. Muslime dagegen: Fehlanzeige.

29 Nationen führt der Medaillenspiegel, 29 von 194 Staaten der Welt. Die meisten Nationen sind gar nicht gekommen. Und die, die da sind, sind das überwiegend nur rein symbolisch. 156 Medaillen holten die Nationen, die im Medaillenspiegel bis Platz 6 liegen. Das sind drei mehr als alle restlichen 85 Nationen zusammen sammeln konnten.

Eigentlich sind das hier Wettkämpfe zwischen Nordamerika und Nordeuropa, leicht nachgewürzt mit ein paar versprengten Athleten aus Japan und Südkorea. Das erste Land im Medaillenspiegel, das nicht auf einem dieser drei Kontinente liegt, ist Australien auf Platz 22, das 50 Sportler an den Start brachte und drei Medaillen holte. Mehr kommt auch nicht mehr.

Ganz Afrika bringt es auf elf, ganz Süd- und Mittelamerika auf 37, ganz Asien ohne China, Japan und Südkorea auf 87 Sportler am Start, die alle unter ferner liefen liefen. Wobei allein 46 Sportler aus Kasachstan kommen. Die olympische Bewegung als angebliche weltweite Bewegung des Friedens, in deren Mittelpunkt der Mensch steht, ganz gleich welcher Nation, und zwar "mit seiner körperlichen Stärke, Willenskraft und seinem schöpferischen Geist" ist ein Phantom. Die Wirklichkeit zeigt, dass fünf Millionen Norweger unangestrengt mehr Medaillen holen als 1,3 Milliarden Asiaten zusammen. Und die deutsche Bundeswehr, wenn auch militärisch bedeutungslos, mehr Olympiasieger hervorbringt als Australien, Ozeanien, Afrika und Südamerika zusammen.

Eine Nordwest-Meisterschaft der christlichen Wohlstandsvölker, verkleidet als Festspiel der Völkerfreundschaft. Dabei sind die meisten Völker überhaupt nicht anwesend, dafür aber tausende eigens eingeflogener Athleten aus den Abendländern, zehntausende Trainer, Funktionäre, Journalisten und Techniker, die mit unendlichem Aufwand ein Bild in die Heimatländer senden, das der ausgerottet geglaubte Nationalismus hier wieder zulässig, ja, sogar begrüßenswert ist.

Wintersport als Leitkultur, deren Wert plötzlich außer Frage steht, wenn die "Tagesschau" für die eigenen Farben Siege zählen kann.

Sonntag, 25. Februar 2018

Freikauf: Nichts mit nichts zu tun

Das kann nur ein Zufall gewesen sein. Dass die Bundesregierung vor der Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel zahlreiche Genehmigungen für Rüstungsexperte in die Türkei genehmigt hat, kann nichts mit der späteren Freilassung Yücels zu tun gehabt haben. Weil Sigmar Gabriel selbst bestätigt hatte, dass die Türkei für die Freilassung des Journalisten Denis Yücel keinerlei Gegenleistungen und Zugeständnisse Deutschlands erhalten hat.

Glück für Ankara, denn es muss sehr knapp gewesen sein. Kurz nachdem die ebenfalls inhaftierte Übersetzerin Mesale Tolu im Dezember auf freien Fuß gekommen war, begann Berlin, eine Serie von Genehmigung für den Export von Rüstungsgütern in die Türkei zu erteilen. 31 Genehmigungen für Bomben, Torpedos, Raketen und Flugkörper, die die Türkei benötigte, um im Kampf gegen die wachsende Gefahr der Entstehung eines Kurdenstaates in Syrien einzumarschieren, stempelten Gabriels Beamte durch. Als alles erledigt war, durfte Deniz Yücel ausreisen.

Der Jubel war riesig, bis in den Bundestag schwappten die wellen der Begeisterung. deutschland harte Linie im Umgang mit der Türkei - monatelang hatte sich die Bundesregierung geweigert, den völkerrechtswidrigen Einmarsch türkischer Truppen ins Nachbarland mit Waffenlieferungen zu unterstützen - schien Früchte getragen zu haben.

Nun aber der Schock: Deutschland hat geliefert, offenbar sogar, ohne für die Verwendung der deutschen Waffen eine Einsatzbeschränkung zu fordern. Ein Geschacher um Yücel? Ein handel hinter den Kulissen?

Nein, denn natürlich hat es keinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen gegeben. "Es gab kein quid pro quo und auch keinen Deal - weder einen schmutzigen noch sauberen", versicherte Sigmar Gabriel in den Tagesthemen. Die Türkei habe für die Haftentlassung Yücels "nichts verlangt und nichts bekommen". Deutschland, wer die Bundesregierung kennt, weiß das ohnehin, hätte niemals gemeinsame Sache mit einem Land gemacht, das bei einem Nachbarn einmarschiert und dort Truppen angreift, die mit deutscher Hilfe gegen den Islamismus kämpfen.

Wäre es nicht ein deutscher Minister, der das sagt, ein Mann also, dessen Lauterkeit über jeden Zweifel erhaben ist, müsste der Argwohn-Alarm klingeln. So aber bleibt die Gewissheit, dass Gabriel hart geblieben ist und keine Deals mit der Türkei einging, obwohl er es zweifellos gekonnt hätte.

Groko: Vertrauensbildung in der Abendsonne

Ehe der Eiserne Thron verwaist, müssen noch Parteigenossen ins Trockene geschoben werden.
Eigentlich sollte die Angst vor dem Absturz in die völlige Bedeutungslosigkeit die SPD-Mitgliedschaft zuverlässig zu einem Votum für die nächste Große Koalition treiben. Demoskopen prognostizieren es, öffentlich bekunden die verbliebenen Parteiführer ihren Optimismus, auch Deutschland Meinungsführer in den Großraumbüros sind geschlossen der Ansicht, dass es keine Alternative zur alternativlosen Regierung der Kanzlerin gibt. Und die deutsche Sozialdemokratie als mittlerer Flügel der AG Sozialisten in der CDU folglich die staatbürgerlicher Pflicht habe, sich zu opfern, um der mächtigsten Frau der Welt weiterhin Gelegenheit zu geben, sich im Dienst der deutschen Bevölkerung beweisen zu können.

Alles ist also gut, die Zukunft wie ein offenes Buch, in dem Merkel nur noch vermerken muss, wer demnächst bei Hofe dienen darf. Doch hinter den Kulissen scheint es bei der SPD leichte Zweifel am Ausgang der Basisbefragung zu geben. Wie die Wirtschaftswoche berichtet, haben deshalb sowohl das SPD-geführte Auswärtige Amt als auch das seit Sigmar Gabriels Wechsel ins Außenamt von der früheren SPD-Justizministerin Brigitte Zypries verwaltete Bundeswirtschaftsministerium kurz vor einem möglichen Machtverlust noch schnell zahlreiche Ministerialbeamte befördert.

Zehn Beamte im Außenministerium, sieben im Bundeswirtschaftsministerium und einer bei der Staatsministerin für Kultur und Medien im Kanzleramt kassieren aufgrund der Beförderung durch nur noch amtierende Minister künftig rund 600 bis 800 Euro pro Monat mehr. Für den Steuerzahler wird der Beförderungsexzess auf der Zielgeraden der alten GroKo dauerhaft rund um 150.000 Euro pro Jahr teurer - eine Summe, die schon durch nur 15 durchschnittliche Steuerzahler leicht aufgebracht wird.

Schließlich geht es hier darum, einen alten Brauch zu bewahren, der seit Opas Zeiten als "Operation Abendsonne" bekannt ist. Scheidende Regierungen hinterlassen ohnehin immer ihren Apparat. Doch befördern sie besonders treue Mitarbeiter im letzten Moment, muss der kommende Minister damit zurechtkommen. Peter Altmaier, der neben dem Job als Finanzminister seit Monaten auch immer noch zuverlässig den des Kanzleramtsminister ausfüllt, hatte deshalb schon im Oktober an alle Ministerien geschrieben und „zur Vermeidung einer Präjudizierung der künftigen Bundesregierung“ bei kabinettpflichtigen Beförderungen um „besondere politische Zurückhaltung“ gebeten.

Doch für eine Partei, deren Vorsitzender sich bei der Postenverteilung verhält wie ein mittelalterlicher Potentat, weil er bei der Kanzlerin, die er hatte ablösen wollen, sieht, dass es genau so gemacht werden muss, ist Zurückhaltung keine Option. Was da ist, wird verteilt, wo noch etwas auf dem Buffett liegt, muss zugegriffen werden. Weder Sigmar Gabriel noch Brigitte Zypries oder Johanna Wanka haben irgendeine politische Zukunft, die durch einen schamlosen Durchgriff auf die Staatskasse gefährdet werden könnte. Aber auch die übrigen amtierenden Minister geben sich keine große Mühe mehr, so zu tun, als wäre Vertrauensbildung wichtiger als Nepotismus.

Alle 18 Ernennungen, bekam die Wirtschaftswoche aus dem Bundespresseamt bestätigt. wurden bei der jüngsten Kabinettsitzung von der Bundesregierung am vergangenen Mittwoch abgesegnet.

Samstag, 24. Februar 2018

Geldentzug für Europafeinde: Durchgreifääähn!

Nein, Europa ist nicht zu teuer, hat Stefan Ulrich von der Süddeutschen Zeitung jetzt ein für alle mal festgelegt. Zwar fehlt nach dem feigen Abgang des perfiden Albion hier und dort eine Milliarde, so dass Kommissare sich schon gezwungen sehen, nach Friedrich dem Großen, ihre "Zuflucht zum Betruge zu nehmen". Doch in München geht es nur darum zu streiten "wofür es sein Geld ausgibt - und für wen."

Die Antwort ist klar: Verträge hin, Verträge her, Abmachungen, Mehrheiten, egal. "Die EU sollte nur Mitgliedern helfen, die ihre Prinzipien respektieren", schreibt das Blatt, das mit "ihre Prinzipien" selbstverständlich die deutschen meint: Mögen doch Polen, Ungarn, Tschechien oder sonstwer sich auf den Schengen-Vertrag berufen und darauf hinweisen, dass selbst Deutschland seine Verpflichtungen aus der großen Flüchtlingsumverteilungsregelung von 2016 bis heute nicht erfüllt hat. Wo jemand aus dem Hause Prantl die Ansagen macht, gilt das in der SZ geschriebene Wort: Die neue EU, die sich der Teilzeit-Krimiautor Ulrich vorstellt, soll "Staaten Milliardenhilfen kürzen, wenn diese sich selbst unsolidarisch verhalten und Grundwerte der EU zerstören".

Grundwerte ohne Ende


Grundwerte der EU gibt es fast so viele wie würdevoll klingende Substantive, dadurch lässt sich der Grundwert, nach dem die Gemeinschaft "den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten" ohne großes Aufsehen abschaffen. Als Entschädigung für Länder, die den offenbar mit dem früheren SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz abgestimmten Ulrich-Plan unterstützen, legt "die florierende Bundesrepublik" (Ulrich) dann "beim Geld etwas drauf".

Eine Selbstverständlichkeit fast schon "in Zeiten, in denen Europa der Garant ist, dass Deutsche, Griechen, Polen oder Dänen ihr Gesellschaftsmodell in einer Welt bewahren können, die bald von autoritären Mächten wie China dominiert sein könnte", wie der Autor frei flottierend und augenscheinlich ohne jeden sachlichen Zusammenhang schreibt. Zwar stehen handgeschätzte 26 der verbliebenen 27 EU-Ländern gegen das, was Angela Merkel will und tut. Frankreich verschärft sein Asylrecht, der österreichische Jung-Kanzler gibt Widerworte, in Italien wetteifern die Anti-Europäer vor der Wahl um den rechten Rand. Aber die SZ ist an ihrer Seite, treu wie Gold.

Da heißt es zusammen durchgreifen, denn es gilt, eigene Strukturen aufzubauen, um "nicht von Internetgiganten wie Google als rechtlose Datenkühe gemolken zu werden". Das kann nur Europa! Auch die Außengrenzen kann, das hatte Angela Merkel schon 2015 ein für alle mal klargemacht, niemand schließen. Aber "gemeinsam hüten" wie die SZ jetzt vorschlägt, das müsste doch drin sein? Natürlich nur, "um Schutzbedürftigen helfen zu können, ohne die eigenen Bürger zu überfordern"!

Solche Großzügigkeit lohnt sich. Denn einem Wohltäter sind alle wohlgesonnen. Und das tut dem auch wohl.

Wer zahlt, bestimmt


Nachdem soweit schnell und gründlich Einigkeit hergestellt worden ist, gilt es nur noch, die faulen Eier auszusortieren, die bockigen Staaten, die anderer Ansicht sind und der Erreichung der ehrgeizigen Ziele der SZ-Redaktion damit nur im Wege stehen. Länder, die eine Mithilfe bei der Aufnahem von Geflüchteten "aggressiv verweigert" haben, nur weil ihre Bürger das so wollen, müssen deshalb in Bälde eine Flüchtlingsquote aufgezwungen bekommen.

Die EU dürfe gegenüber widerborstigen Ländern nicht so großzügig sein wie bisher, denn Demokratie, Rechtsstaat und Pluralismus seien zwar verhandelbar, könnten aber unter der deutscher Führung einseitig neu interpretiert werden. Wer diese Werte ignoriert, indem er an eigenen, abweichenden Ansichten festhalte, "verrät die Union und zersetzt sie von innen".

Da die EU keine Möglichkeit habe, Mitglieder auszuschließen, müsse sie - ob es die gemeinsamen Verträge hergeben oder nicht, dort ansetzen, wo es den Abweichlern wehtue: "beim Geld, das heißt, durch Kürzung der Hilfen". Es gehe ja offensichtlich nicht anders. Und letztlich ist klar: Wer Deutschlands Geld will, muss auch deutsche Werte akzeptieren.


Nach dem Koalitionskracher: Der Vertrag, der keiner ist

Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech gilt als intime Kennerin politischer Sprachpraxis.

Es war ein schwere Geburt am Ende eines langen, schmalen Geburtskanals, ein blutiger Akt der Transplantation sozialdemokratischer Inhalte aus der Union in eine neue SPD-Führung unter Andrea Nahles, der dritten Parteichefin in nur zwölf Monaten, allerdings einer, die für Aufbruch und Spaß an der Politik steht,  die Seelen der Mitglieder ihrer Partei und ihres Volkes streicheln kann, die eigene Verletzlichkeit in den Mittelpunkt aller Machtkämpfe stellt und die Richtigkeit des eingeschlagenen Kurses in der Europa-, Kriegs- und Wirtschaftspolitik immer wieder unterstreicht, egal, wie er aktuell gerade ausgerichtet ist.


Das Koalitionspapier bestätigt, dass auch die neue Bundesregierung antritt, um alles richtig zu machen. Doch wie ernst ist das Papier zu nehmen, das mit fast 170 Seiten viel zu dick ist, um von irgendwem gelesen zu werden? Für PPQ hat Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech die Inhalte querlesend analysiert und aus dem Propagandistischen ins Deutsche übersetzt.


PPQ sprach mit der 44-jährigen Spezialistin für U-Botschaften, die sich im gedruckten Wort häufig unter Adjektivattacken und hinter zusammengesetzten Subversiven verstecken und hier einen vermeintlichen "Vertrag" tarnen sollen, der in Wirklichkeit gar keiner ist, sondern allein der Täuschung der Öffentlichkeit dient.

PPQ: Vizekanzler Martin Schuld hat vor einigen Tagen auf den Bildschirmen des Deutschen Fernsehens der Öffentlichkeit offenbart, dass er das Koalitionsabkommen zwischen CDU/CSU und SPD überhaupt nicht kennt und dass es ihn auch nicht interessiert. Er sprach von "Aufbruch", "Neuanfang" und "Dynamik", also offenbar von einem Papier, das bisher geheim ist. Frau Hahnwech, Sie haben das Papier als eine von nur sieben Deutschen gelesen, sagen Sie uns, was steht denn drin?

Hahnwech: Ich kenne das Koalitionsabkommen in der Tat. Juristisch ist es Abkommen schwer zu erfassen und einzuordnen nach den überkommenen Begriffen von Vertrag, Übereinkommen, Abmachung. Ob es Rechtswirkungen erzeugt, wie man sie gemeinhin bei Verträgen beabsichtigt und auch erwartet, das ist sicherlich die Frage. Vieles ist ja auf einer romantischen Ebene gehalten, man verspricht sich einiges, ohne direkte Lieferung oder Termine zu vereinbaren. Die Frage ist ja auch: Wenn ein solches Abkommen echte Ansprüche und Pflichten im Rechtssinne beinhalten sollte, dann wären sie ja keineswegs mit den gewöhnlichen Mitteln durchsetzbar. Die Parteien müssten zur Umsetzung ihre Abgeordneten zwingen, so abzustimmen, wie das im Sinne des Abkommens jeweils notwendig wäre. Das ist aber verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch nicht möglich, weil der Abgeordnete frei ist, zu entscheiden, wie er möchte.

PPQ: Damit wäre diese Vereinbarung im Sinne von ...
Hahnwech: ... eine Zusammenfassung von Richtlinien, von Arbeitsrichtlinien, die die Fraktionen des Bundestages, die sich zu dieser Koalition zusammengefunden haben, miteinander ausgemacht und an die sie sich zu halten versprochen haben. was sie aber nicht müssen, weil sie es nicht können.


PPQ: Wer ist durch das Abkommen rechtlich gebunden, die Parteien, die Fraktionen, jeder einzelne Abgeordnete?

Hahnwech: Das kann man, glaube ich, so eingeschätzt werden, dass die Unterzeichnenden, also die Parteiführer, hier eben der Herr Schuld und die Merkel, haftbar sind. Klappt nicht, was sie sich im Sinne gemeinsamen Machterhalts zugesagt haben, verlören sie am Ende ihre Posten. Deshalb gibt es Bestimmungen des Abkommens, die scheinbar die Fraktionen binden. Doch wir müssen dieses Wort in Anführungsstriche setzen, denn gebunden werden können Fraktionen nicht. Und es gibt eine Reihe von Bestimmungen, die nur die Vorsitzenden der Fraktionen binden, weil die sich ihrerseits verpflichtet - auch wieder in Anführungsstriche gesetzt: verpflichtet - haben, ihrerseits auf ihre Fraktionsmitglieder einzuwirken, mit einem Fraktionszwang, den die Verfassung nicht vorsieht, politische Entscheidungen in einem bestimmten Sinn durchzusetzen, von denen die nach Gewissen freien Abgeordneten heute noch nicht einmal wissen, was es für welche sein werden und was vereinbart wurde, wie sie dann abzustimmen haben.

PPQ: Wer sind die vertragschließenden Partner bei diesem Abkommen?
Hahnwech: Ich würde sagen: Die vertragschließenden Partner sind die Fraktionsvorsitzenden, vielleicht auch die Parteivorsitzenden.

PPQ: Welche juristische Qualität haben die Fraktionsvorsitzenden?
Hahnwech: Sie sind die Sprecher ihrer Fraktion, sie haben keine Entscheidungsbefugnisse, sondern sind im Grunde das Sprachrohr der Mitglieder ihrer Fraktionen, also verfassungsrechtlich gesehen. dass sie dafür eine Zulage bekommen, ändern nichts daran, dass es sich rechtlich mehr um Pressesprecher als um "Chefs" im herkömmlichen Sinne handelt. Der Fraktionsvorsitzende verkündet Vorschläge und Beurteilungen der Fraktion im Bundestag, seine ganze "Macht" bezieht er allein aus der Geschäftsordnung des Bundestages.

PPQ: Das würde bedeuten, daß die Sprecher der Fraktionen ihre Fraktionen und die Chefs der Partei ihre Partei rechtlich gebunden haben durch ein Abkommen, dessen Inhalt sie ausweislich Martin Schulds Ansagen im Fernsehen selber nicht ganz kennen und verstanden haben und von denen sie zudem nur glauben, sie hätten eine rechtliche Relevanz?

Hahnwech: Nun, man kann Verträge auch einhalten, die schwebend unwirksam sind. In den Fraktionen weiß ja offenbar niemand, dass kein einziger Abgeordneter durch diese 170 Seiten rechtlich gebunden ist, sich also an den Inhalt nicht halten muss.

PPQ: Die abschwächende Formel, nach der sich die Fraktionsvorsitzenden lediglich verpflichten, darauf hinzuwirken, dass bestimmte politische Richtlinien beachtet werden, steht nicht in den ersten Absätzen des Koalitionsabkommens. Da steht vielmehr die eindeutige Verpflichtung, etwas Bestimmtes zu tun beziehungsweise zu unterlassen, nämlich vier Jahre lang, mag kommen, was will, diesen Koalitionspakt einzuhalten. Und da heißt es nicht, daß man darauf hinwirken will, sondern: Wir verpflichten uns.

Hahnwech: Wir verpflichten uns wir, die wir es gesagt und unterschrieben haben. Aber schauen Sie doch, der Herr Schuld hat ja nun schon eine andere Beschäftigung gefunden.

PPQ: Wie lässt sich denn so eine Koalitionsvereinbar mit Grundgesetzartikel 65 vereinbaren, nach dem der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin die Richtlinien der Politik bestimmt? Im Koalitionsabkommen bestimmen die Vertragspartner die politischen Richtlinien gleich für vier Jahre.

Hahnwech: Ich glaube nicht, dass die, die am Zustandekommen des Abkommens beteiligt gewesen sind, sich vorstellen können, dass diese Bundeskanzlerin - den nun wir alle seit zwölf Jahren als Regierungschefin kennen, in seiner ganzen Art und Weise, zu regieren und keine Entscheidungen zu treffen und wenn, dann auf eine ganz einsame Art -, dass sich diese Bundeskanzlerin in ihren Rechten, die Richtlinien der Politik zu bestimmen, von einem Vertrag zwischen Bundestagsparteien beeinträchtigen lässt. Sie nickt und tut am Ende doch, was sie tut. das sagt die Erfahrung.

PPQ: Die Kanzlerin tut das. Aber darf sie zuvor auf dieses Recht der Richtlinienkompetenz verzichten? Sie kann im Einzelfall mit dem Koalitionspartner einen Kompromiss eingehen, das ist klar. Aber sie kann doch nicht schlechthin für die Dauer einer Legislaturperiode sagen: Der Artikel 65 des Grundgesetzes gilt die nächsten vier Jahre nicht.

Hahnwech: Ich denke doch. oder hören Sie irgendwo Widerspruch, Bedenken?

PPQ: Erlaubt ist, was durchgeht?
Hahnwech: Richtlinien der Politik sind bekanntlich die großen politischen Entscheidungen, die sogar das Kabinett binden, die jeden Bundesressortminister binden, die nicht einmal durch das Kabinett revidiert werden können.

PPQ: Das Abkommen verpflichtet also die Kanzler nicht, sondern die Kanzler verpflichtet sich.

Hahnwech: Die freie Entschlussmöglichkeit der Kanzlerin, jederzeit so zu entscheiden, wie es im Koalitionsvertrag vereinbar wurde, ist in keiner Weise beeinträchtigt.

PPQ: Aber eine juristische Garantie gibt es dafür nicht?
Hahnwech: Nein. Sie nennen es "Vertrag", können aber zu keinem Gericht laufen, wenn einer der drei Vertragspartner vertragsbrüchig wird. Eine juristische Garantie gibt es in dem ganzen Abkommen an keiner Stelle. Ungeachtet dessen, was da medial angeboten wird, folgen aus dem Abkommen keine Rechtspflichten und Ansprüche im Sinne unserer überkommenen Rechtseinrichtungen. Damit ist das Abkommen verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch und allgemeinpolitisch irrelevant, was auch die Voraussetzung ist, dass es ganz bestimmte Wirkungen erzielen kann.

PPQ: In dem Abkommen steht, daß die Vertragspartner vier Jahre lang den Pakt halten wollen, gleichviel, was in der Politik auch immer passieren mag. Das bedeutet doch, daß der einzelne Abgeordnete in seiner Gewissensfreiheit, mithin in seiner Entscheidung durchaus beeinträchtigt ist.

Hahnwech: Das glaube ich nicht, auch nicht bei Betrachtung unserer Verfassung und, wenn ich einmal sagen darf, weil die Verfassung des Bundestages, das ist seine Geschäftsordnung, die steht dann höher. Wenn ein Abgeordneter, eine Gruppe von Abgeordneten sich in ihrer Fraktion mit einem Antrag durchsetzen, das Koalitionsabkommen zu kündigen ...

PPQ: Es gibt keine Kündigungsklausel ...
Hahnwech: ... dann ist es rechtmäßig gekündigt, obwohl eine Kündigungsklausel darin nicht enthalten ist.Es ist ja auch kein Vertrag im herkömmlichen Sinne, weil sich Verträge nicht für andere schließen lassen.

PPQ: Dann der sogenannte Koalitionsvertrag nichts anderes als die Bekundung von Loyalität mit dem Versprechen, all die kleinen Details, die man sich ausgedacht hat, so lange umzusetzen, bis einer es sich anders überlegt?

Hahnwech: Nur so geht es, und selbst dann nur eingeschränkt. Sie müssen natürlich den Druck auf die Abgeordneten aufrechterhalten, damit die mitziehen. Das können Sie dann als Parteiführung nur tun, indem sie ihnen ankündigen, dass nur Wohlverhalten im Sinne der Parteiführung eine Fortsetzung der Karriere möglich macht. Aller Erfahrung nach ist das aber vollkommen ausreichend.


Freitag, 23. Februar 2018

Brüssel und die Brexit-Lücke: Der Milliardenschwindel


Auf einmal fehlen 14 Milliarden. Das sei die Summe, die Großbritannien bislang in den EU-Haushalt einzahlt habe, heißt es unisono bei ersthaften Nachrichtenquellen zum laufenden EU-Gipfel in Brüssel. Dort besprechen die EU-Staats- und Regierungschefs den "Haushaltsrahmen" der Staatengemeinschaft für die Jahre ab 2020, der schwierig zu füllen ist, weil mit Großbritannien einer der großen Nettozahler ausscheidet. "Deshalb fehlen jährlich zwölf bis 14 Milliarden Euro", betont Günther Oettinger, der schwäbische Alt-Internationale, der als sogenannten Haushaltskommissar eine Art zweite Karriere in der EU-Kommission hingelegt hat. Und deshalb müsse Deutschland, so Oettinger, nächstens "drei Milliarden Euro mehr zahlen", um die "Lücke durch den Brexit" zu schließen.

Medial ist die Brüsseler Kampagne äußerst erfolgreich, denn Oettinger ist es im Verein mit vielen, vielen fleißigen Unterstützern gelungen, die 14-Milliarden-Lücke als allgemein akzeptierte Geschichte zu etablieren: Großbritannien weg, 14 Milliarden weg, da müssen nun, so die Brüsseler Logik, die verbliebenen Länder ran. Fans der Idee bei der "Tagesschau" haben die Brexit-Lücke inzwischen sogar auf "20 Milliarden" hochrechnen können.

Deutschland, das die EU als sein Projekt betreibt, um den Anfang der 90er Jahre beschlossenen geheimen Hades-Plan umzusetzen, hat bereits vorab und ohne Kenntnis der genauen Zahlen höheren Zahlungen zugestimmt. Obwohl die EU ohne die Briten kleiner sein wird, soll ja der Haushalt nicht schrumpfen müssen, ebenso wenig wie das europäische Parlament, in dem die britischen Abgeordneten einfach durch Abgesandte anderer Nationen ersetzt werden.

Wert sei es die Gemeinschaft allemal, wirbt auch Jean-Claude Juncker für die Idee. EU-Bürger bezahlten doch gar nicht viel für Brüssel: jeden Tag nur so viel, wie eine Tasse Kaffee kostet. "Ich bin wirklich der Meinung, Europa ist mehr wert als nur eine Tasse Kaffee pro Tag", sagt der Kommissionspräsident, der als gewiefter Machttechnikler weiß, dass weniger Geld auch immer weniger Einfluss bedeutet und ein schwachsinniger Vergleich ohne konkrete Datenbasis - Osloer Kaffeepreise?, deutsche?, griechische?, Stadt? Land?, Laden? Café? Oder Kette? - immer besser ist als ein echtes Argument.

Dass die zwölf oder 14 Milliarden, die künftig angeblich "auf der Einnahmeseite" (Die Welt) fehlen, eine reine Erfindung sind, stört dabei offenbar nicht. Und doch ist es so: Zieht man die (Rück-)Zahlungen der EU an Großbritannien von den Zahlungen Großbritannien an die EU ab, schrumpft die angebliche "Lücke" wie von Zauberhand: 8,2 Milliarden Euro erhielten die Briten zwischen 2010 und 2014 (neuere Zahlen gibt es nicht) jährlich aus dem Regionalentwicklungsfonds, dem Landwirtschaftsgarantiefonds, Universitätsförderprogramme und zu anderen Zwecken. Damals lagen die britischen Beiträge, die an die EU gezahlt wurden, noch bei 9,9 Milliarden Euro - gerade mal 1,9 Milliarden Euro mehr als das Königreich einzahlte.

Da das Verhältnis von 100 Prozent Beitragszahlungen bei 82 Prozent Quasi-Rückzahlungen der EU sich auch im Zeitraum 2015 bis 2018 nicht grundsätzlich verändert haben dürfte, fehlen ohne die Briten künftig also keineswegs zwölf oder 14 Milliarden. Sondern allenfalls 2,5.

Allein deutsche Mehreinzahlungen von drei Milliarden würden der geschrumpften EU schon einen größeren Haushalt bescheren als ihn die größere EU zuvor gehabt hat.

Im Speichel-Schmelztiegel: Ahnenforschung im Spiegel-Archiv



Nicht einmal ganz zehn Jahre verrieten „Gene die geografische Herkunft“, wie der damals noch als Nachrichtenmagazin auftretende „Spiegel“ 2008 schlagzeilte. 2008, die Kanzlerin in vollem Saft, der Russe noch ein Freund, der Amerikaner ein Verbündeter gar.

Erbgut als Europakarte


"Das Erbgut eines Menschen spiegelt seine Herkunft bis auf wenige hundert Kilometer genau wider“, konnte aus dem Hamburger Spiegelhochhaus vermeldet werden, nachdem dort eine Studie gelesen worden war, nach der Forscher bei einer Genanalyse von 3000 Europäern festgestellt hätten, dass „je näher die Wohnorte von Menschen beieinander lagen, desto stärker ähnelten sich auch die Gene“.

Böse alte Zeit, in der die Internetseite des Magazins noch Anzeigengeld kassierte, in dem sie Test auf das sogenannte „Judengen“ anbot. Ausgeschlossen wurden damals „diejenigen, bei denen die Vorfahren aus unterschiedlichen Gegenden oder aus Ländern außerhalb Europas stammten“, so dass das Ergebnis schön homogen war: Menschen waren eher miteinander verwandt, wenn sie in der Nähe wohnten. Und einander weniger genetisch nahe, wenn sie von weiter weg kamen.

Als die Wissenschaftler dem Computer damals befahlen, die Daten als Grafik zu zeichnen, erhielten sie eine „europaähnliche Abbildung“ (Spiegel): „Sichtbar waren darauf beispielsweise Strukturen wie Italien, die Iberische Halbinsel, Zypern und die Türkei.“ Teilweise sei die genetische Auflösung sogar besser gewesen als die verfügbaren geografischen Daten. So habe man deutlich die Unterschiede zwischen den deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Gruppen in der Schweiz erkennen können.

 Esoterik für Rassisten


Seit aber nun das „historisch einzigartiges Experiment“ läuft, „eine monoethnische, monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln", ist die Ahnenforschung beim „Spiegel“ ein wenig in Verruf geraten. Als „DNA-Esoterik zum Sonderpreis“ gilt nun, was gerade noch Raketentechnik war und, sich so befeuert, zu einem hübschen Geschäftsmodell für Menschen entwickelt hat, die die Angst plagt, zu mononational und damit kein guter Mensch zu sein.

„Vorfahren aus Afrika, die Tochter semmelblond“, das ist richtig, das ist integrativ, damit kann man sich öffentlich sehen lassen. Es ist offenbar wichtig für aufgeklärte Rassisten,  zu wissen, "zu wie viel Prozent bin ich mitteleuropäisch, wie viel nordafrikanisch"  (Spiegel). Es zählen innere Werte! Auch wenn das nun, zehn Jahre nach der Spiegel-Zeile "Gene verraten geografische Herkunft", nicht mehr funktioniert.

Denn jetzt schüttet das Magazin im Namen der neuen Wahrheit Wasser in den Speichel-Schmelztiegel: „Weder die Abgrenzungen der Nationalstaaten noch die Prozentzahlen ließen seriöse Schlüsse von der DNA auf die Geschichte oder Identität der untersuchten Person zu“, unkt das Blatt, als sei die große Studie von 2008 vergessen und als hätte es die Ära, als die Illustrierte mit Werbebannern für das "Juden-Gen" Kasse machte, nie gegeben.

Donnerstag, 22. Februar 2018

Groko: Wer sind die Minister, die uns bald verlassen?

Die Große Koalition (alt) macht so wenig Eindruck, dass viele Deutsche nicht einmal wissen, wer sie da nun schon seit bald fünf Jahren regiert. PPQ hat Angela Merkel und ihre Minister per Umfrage bewerten lassen - und benotet ihre Arbeit und ihr Auftreten.

Stell Dir vor, es war schon fast fünf Jahre lang Große Koalition - und keiner guckt hin. Oder wissen Sie auf Anhieb und ohne Googeln, wer Verkehrsminister ist? Wie die Bildungsministerin heißt? Na? Naa? Na bitte! Kein Scherz, nein, bittere Wahrheit. Alle regen sich über die Regierung auf, über das große Gewürge von Union und SPD, das lähmende Zeitspiel bei der Bildung einer neuen Regierung und das Gezocke um Ministerposten. Aber selbst nach mehr als vier Jahren wissen die wenigsten Längerhierlebenden, wer die so begehrten Posten bisher ausfüllte.

Wer genau macht eigentlich was im Kabinett von Angela Merkel? Wer ist zuständig für Verbraucher? Wer kümmert sich um Justiz? Und machen die das gut? Das sind für weite Teile des Volkes überaus schwierige Fragen - in etwa so knifflig wie die jetzt in CDU und SPD erforderliche Besetzung von Partei- und Regierungsposten mit verdienten Kadern bei gleichzeitiger Simulation eines "Aufbruchs" in neue Zeiten.

Dass es in Merkels Truppe viel mehr als zwei Unbekannte gibt, macht eine Umfrage des An-Institutes für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung deutlich, die der Medienwissenschaftler Hans Achtelbuscher für PPQ erläutert.



Bundeskanzlerin Angela Merkel

Bekannt, beliebt, immer noch, aber zuletzt von einem Hauch Verzweiflung umgeben. Viele Wähler erkennen die Kanzlerin auf Bildern, können aber nicht mehr sagen, seit wann sie im Amt ist. Häufigste Antwort war hier "immer", 23 Prozent der Befragten rechnen ihr hoch an, dass sie seinerzeit die Deutsche Einheit durch harte Verhandlungen mit Stalin herbeiführen konnte. Wichtigste Forderung an die Kanzlerin: Sie müsse nun auch noch schnell die Fluchtursachen beseitigen.

Außenminister Sigmar Gabriel

Als Nachfolger von Walter Steinmeier auf einer Beliebtheitsralley, aber immer noch mit Skepsis betrachtet. Gabriel gilt den 33 Prozent der 47 Prozent Wähler, die ihn mit Namen nennen können, als recht glaubwürdiges Gesicht der CDU, viele hätten sich von ihm mehr erwartet, sind aber nicht enttäuscht, dass er nach den Ressorts Pop, Umwelt und Wirtschaft auch das Ausland so gut macht.

Innenminister Thomas de Maizière

97 Prozent der 45 Prozent, die seinen Vornamen wissen, glauben, dass es sich um einen Sachsen handelt. Thomas de Maiziere selbst glaubt das auch, im Westen aber gereicht das dem sympathischen Hugenottensproß aus Preußen nicht zum Nachteil. de Maiziere hat schon Verteidigung gemacht und könnte auch Gesundheit, Verkehr oder Umwelt. selbst 21,4 Prozent der SPD-Anhänger sind traurig, dass er den Säuberung Erneuerung der Partei zum Opfer fallen muss.

Justiz und Verbraucherschutz Heiko Maas

Bekannt geworden vor allem durch seinen exquisiten Krawatten- und Möbelgeschmack ist der "Kleine", wie ihn seine Fans nennen, beliebt bei Jung und Alt. Heiko Maas gilt als Vater der Meinungsfreiheit und tatkräftiger Verteidiger der Bürgerrechte, allerdings haben bisher nur etwa 17 Prozent von ihm gehört, weitere 25 Prozent kennen ihn nur als Mann an der Seite der beliebten Schauspielerin Natalia Wörner. Maas muss an seiner Bekanntheit arbeiten. Ja, Verbraucherschutz macht er auch.

Finanzen Wolfgang Schäuble

Als Fleißbiene bekannt, hat auch schon alle anderen Ressorts geleitet und fehlt dem amtierenden Kabinett so sehr, dass der wackere Peter Altmaier seine Aufgeben nebenbei mitwuppt. 99 Prozent aller Deutschen kennen Wolfgang Schäuble oder haben bereits von seinem schlimmen Schicksal gehört: Erst Kronprinz, dann Geldkoffer, dann nur noch Kellner am Tisch der Kanzlerin. 51,2 Prozent meinen, der Schwabe habe Besseres verdient. Im Zuge der Erneuerung auf den Posten des Bundestagspräsidenten geschoben. Hält sich dort immer noch für eine Rückkehr als Kronprinz für den Krisenfall warm.


Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel

Schon wieder Gabriel. Viele finden es gut, dass er so viel macht, mancher bleibt aber auch skeptisch.
Immerhin ist der gescheiterte SPD-Chef 47 Prozent der Deutschen ein Begriff, er habe als Gesundheitsminister sehr gute Arbeit geleistet, bescheinigen ihm weitere 22 Prozent, die ihn allerdings nicht auf Fotos erkennen würden. Damals, als er noch das sagen gehabt habe, meinen 49 Prozent der SPD-Anhänger, wäre mehr drin gewesen. Nachfolgerin Brigitte Zypries sagt nur 4 Prozent der Menschen etwas. Hier müsse die Bundesregierung transparenter arbeiten, fordern 66,7 Prozent.


Arbeit und Soziales Andrea Nahles

Hier reimt es sich und was sich, sagen 33 Prozent der Älteren, reimt ist gut. Dass Nahles sich als Ungelernte  ohne Fachabschluss so in ihre Fach hineingefuchst habe, beeindruckt bundesweit. 77 Prozent der Befragten sind der Meinung, die alleinerziehende Mutter könne auch SPD-Chef, Fraktionschefin und nebenher eventuell anfallende weitere Aufgaben zur Zufriedenheit aller übernehmen.  Stolz sind 81 Prozent der befragten Frauen darauf, dass Angela Nahles auch eine ist.

Ernährung und Landwirtschaft Hans-Peter Friedrich

Überzeugende Vorstellung bis zum frühen Aus wegen eines Skandals, an den sich 99 Prozent der Wähler nicht mehr erinnern. Langfristig hat die Knabenbildaffäre dem CSU-Mann nicht geschadet, sein Nachfolger heißt Christian Schmidt, er ist im Schatten seines Vorgängers weitgehend unsichtbar geblieben. Schmidt gilt deshalb als heißer Anwärter auf eine erneute Ernennung.


Verteidigung Ursula von der Leyen 
 
Lenkte die Bundeswehr mit sicherer Hand, machte Deutschland immer sicherer und hielt den Russen weit vor den Seelower Höhen draußen. Von der Leyen ist beliebt, 77 Prozent der Wähler haben bereits von ihr gehört, 44 Prozent trauen ihr zu, die Reform der Bundeswehr erfolgreich abzuschließen. Könnte trotzdem aus dem neuen Kabinett rotieren, um in Brüssel die Nato zu führen.

Familie, Senioren, Frauen und Jugend Manuela Schwesig

Die hübscheste Ministerin, deshalb bei 64,3 Prozent der Männer bekannt, wenn auch nicht namentlich. Die "Blonde", wie sie von 12 Prozent der befragten Ostdeutschen genannt wurde, gilt als durchsetzungsstark und ansehbar. Nachfolgerin Katarina Barley, nach eigenem Bekunden eine Allzweckwaffe der deutschen Sozialdemokratie, muss noch zulegen, sie erkennen nur etwa 6 Prozent der regelmäßigen Tagesschau-Zuschauer überhaupt als Politikerin, 21 Prozent verwechselten  sie dagegen mit der früheren Landrätin Gabriele Pauli. 

Gesundheit Hermann Gröhe

Gröhe? 90 Prozent der Wähler hielten lange Sigmar Gabriel für den Gesundheitsminister Gröhe, im letzten Jahr sagten dann aber 11 Prozent, würden ihn erkennen - wenn sie ihn kennen würde. Nur 29 Prozent wissen, dass treue Hermann schon lange Minister ist. Bisschen dünne für einen, der ganz gern öffentlich redet und dabei viel zu sagen hat.

Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt

Überzeugende Vorstellung eines Mannes mit Ambitionen. Dobrindt ist das Küken des Kabinetts, ein junger, frischer Mann, der noch viel vorhat. Geht es nach den immerhin 37 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, die ihn erkennen würden, läge ihnen eine Autogrammkarte von ihm vor, muss der Bayer weitermachen, um noch bekannter zu werden.


Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Barbara Hendricks

Macht Umwelt, wissen sieben Prozent der Bürger, sie mache das auch gut, finden 23 Prozent. Hendricks schroffe Art imponiert vor allem in Norddeutschland, hier sagen 19 Prozent, die Christdemokratin solle weitermachen. Weiter 16 Prozent konstatieren, dass Hendricks für eine Sozialdemokratin gute Grünen-Politik mache.

Bildung und Forschung Johanna Wanka

Stieß spät zur Merkel-Truppe und konnte wegen ihres Ministeriums, das eigentlich keines ist, nie zu den bekannteren Kolleginnen und Kollegen aufschließen. Wanka gilt als  kanzleramtsintern als Streichkandidatin für die neue Legislaturperiode, allerdings sagen 82,1 Prozent der Wähler, die sie auf Bildern von Opernpremieren erkennen, dass ohne sie etwas fehlen würde. Karte im Schiebeskat, könnte noch mal ein Trumpf werden, wenn sie irgendwo ins Rateteam geht.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller

Nein, nicht der Fußballer. Müller erreicht zwar Bekanntheitsgrade von rund 97 Prozent und ist damit nach Angela Merkel (107 %) Spitzenreiter im Kabinett. der "kleine Gerd" wie er behördenintern genannt wird, verdankt seinen Ruhm aber der Verwechslung mit dem Rekordtorschützen der Mannschaft und 74er Weltmeister. Müller II ist Entwicklungshilfeminister und verantwortlich für die Beseitigung der Fluchtursachen.  Gut, das ist er erst seit 4,5 Jahren, aber es soll Leute geben, die bedeutend weniger Zeit gebraucht haben, um mal auf sich aufmerksam zu machen.

Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes und Finanzminister Peter Altmaier

Ein bekanntes Gesicht reicht eben nicht. Nur elf Prozent der Deutschen können auf Anhieb sagen, woher sie den früheren Arbeitsminister kennen. Elf ist sehr wenig, denn Altmaier bringt viel mit: Derzeit erledigt er drei Posten, zuvor schrieb er das CDU-Wahlprogramm und löste die Flüchtlingskrise, zudem gilt er als eine Art Beichtvater der Kanzlerin. Verzichtet seit Jahren auf ein Privatleben, erregt damit bei immerhin 17,2 Prozent der Bürger ein gewisses Misstrauen.



PPQ in Leichter Sprache: Die Grünen, endlich verständlich

Endlich verständlich: Das grüne Traumduo in Leichter Sprache erklärt

Leichte Sprache ist das Thema, bei dem Medien Menschlichkeit zeigen können. Alle mitnehmen, keinen zurücklassen, das ist das Motto von "PPQ leicht", dem neuen Angebot des Mitmach-Boardes PPQ, das hier in Leichter Sprache berichtet, weshalb das Angebot PPQ leicht heißt. Was für Texte gibt es hier? Zum Beispiel leichte Texte und leichte Sprache! Heute zum schweren Thema, warum die Partei der Grünen jetzt zwei neue Vorsitzende hat, was "Vorsitzende" sind, warum sie trotzdem stehen und weshalb die Lederjacke von der einen aus totem Tier gemacht wurde.

Die Partei Die Grünen, die früher auch mal "Bündnis 90" genannt wurde, was aber lange her ist, wie die 90 zeigt, die das Jahr meint, in dem der Name entstand. Ein Name ist eine Bezeichnung für etwas, was so heißt. 90 bedeutet, dass der Name alt ist, Bündnis hat damals geheißen, dass sich mehrere verbündet haben. Verbündet kommt von Bund, das hat nichts mit Farbe zu tun. Der Name ist nun auch neu und nur noch grün, das ist die leichte Sprache. Die Grüne Partei mit dem einfachen Namen hat 2 neue Vorsitzende. Eine alte macht aber auch was ganz Gutes. Gutes ist, wenn es nicht schlecht ist.

Haare sind, was der Mensch auf dem Kopf hat


Eine Partei ist ein Gruppe von Leuten, die gemeinsame Interessen haben. Eine Gruppe, das sind ein paar Leute, Leute sind Menschen, also Frauen und Männer wie Du und ich. Frauen sind die mit Brust und langen Haaren, Männer die ohne, aber lange Haare können sie auch haben. Haare sind das, was der Mensch auf dem Kopf hat. Was man auf dem Kopf hat, kann aber auch ein Hut sein, Hut ist, was keine Haare sind. Manche Menschen haben auch keine Haare und einen Hut auch nicht. Das können Nazis sein. Nazis sind, wenn es keine Grünen sind, sondern Hitler. Hitler ist, was nicht sterben kann. Alle Menschen sterben, aber Hitler ist schon tot, deswegen bleibt er immer am Leben.

Leben ist, was Mensch tut, wenn er nicht tot ist. Mensch ist das, was man auch Leute nennt und was, wenn es mehrere sind, eine Gruppe sein kann. Hat sie gemeinsame Interessen, ist es ein Partei, Interessen sind dabei so etwas wie ein Ziel, ein Ziel ist das, wo man hin will, also nicht hier, sondern woanders.

Das macht man bei der Gruppe, die sich die Grünen nennt, durch neue Politik. Politik ist, weshalb die Grünen da sind, Sachen, die Politiker machen. Politiker sind Leute, die keine Gruppe sind, aber Politik machen. Die Gruppe der Grünen hat 2 neue Vorsitzende gewählt. Vorsitzende sind Chefs, Chefs sind die Bestimmer, also die Leute, die keine Gruppe sind, aber der Gruppe sagen, wohin die Gruppe gehen soll. Bei den Grünen heißen die neuen Bestimmer Annalena Baerbock [gesprochen: Bärbock] und Robert Habeck. Gesprochen heißt, wie man etwas sagt, das man in leichter Sprache liest.

Jung im Vergleich zu richtig alten Leuten


Die neuen Vorsitzenden sind jung, aber nur im Vergleich zu richtig alten Leuten. Zum Beispiel Hitler, der ist über 100 Jahre alt. 100 sind alle Finger von allen Händen von zehn Menschen, die können auch alt sein. Alte Menschen sind Leute, die bald sterben, mittelalte Leute sterben später auch, aber erst nach den alten Leuten. Junge Leute sterben nur manchmal früher. Früher ist nicht damals, sondern bevor jetzt oder vor noch später. In leichter Sprache: Bald.

Die neuen Grünen-Bestimmer haben auch neue Ideen. Ideen sind Einfälle, die man so hat, wenn man Zeit hat zum Nachdenken. Nachdenken ist das, was der Kopf macht, wenn man sich anstrengt. Aber bei manchen funktioniert das nicht so. Funktionieren ist das, was klappt, zum Beispiel die Grüne Physik. Physik ist was von der Schule, was man nicht verstehen kann. Man müsste es in leichter Sprache lesen.

Leichte Sprache ist eine Sprache, in der alles, was man nicht versteht, extra erklärt wird. Die Texte in leichter Sprache sind deshalb sehr schwer zu lesen und noch schwerer zu verstehen. Verstehen ist das, was Sprache machen soll. Sprache ist das, was wir sprechen, wir können das aber auch aufschreiben.


Supergut aussehen mit Sex-Gedanken


Die grünen Chefs, die auch supergut aussehen, haben ihre neuen Ideen aufgeschrieben, denn sie wollen ihre Partei neu gestalten. Supergut aussehen heißt, dass man sie gern anguckt, weil sie nicht so viele Falten haben und mancher manchmal auch kurz nachdenkt, wie das mit Sex wäre. Sex ist das mit dem Anfassen, wovon nur die sprechen, die ihn nicht haben. Die Grünen hatten erst, seitdem reden sie aber nicht mehr gerne davon.

Neu gestalten heißt, alles soll anders werden, aber nicht in der Partei Die Grünen. In der gibt es 2 Gruppen. Eine Gruppe sind Menschen, die eine linke Politik mögen. Was linke Politik ist, weiß niemand so genau, aber diese Gruppe nennt man: Linke. Eine andere Gruppe möchte auch linke Politik, aber diese Gruppe nennt man Realos. Realos kommt von Realität, das ist eine Wirklichkeit, die eine Gruppe sich einbildet. Wirklichkeit ist eigentlich das, was man wirklich sieht, aber wenn man nicht hinguckt, kann es auch anders sein.


Sauber ist, wenn kein Dreck herumliegt


Denn diesen Gruppen möchten beide (2), dass die Grünen in Deutschland bald mitregieren können. Deutschland ist das Land, in dem die Grünen leben. Leben ist, wenn man nicht tot ist, sondern atmet. Atmen macht man mit dem Mund und dem Hals in der Luft. Wie die sauber zu machen geht, darüber streiten die Realos oft mit den Linken. Sauber ist, wenn kein Dreck herumliegt. Saubere Luft ist, wenn kein Dreck herumfliegt. Oft ist, wenn es mehr als manchmal ist. Zweimal (2) ist nicht oft, aber zehnmal schon, wenn es in einem Jahr passiert. Jahr ist, wenn einmal Kerzen auf der Torte vorbei ist bis die Torte wieder brennt.

Bisher war es bei den Grünen so: Ein Vorsitzender kam von den Linken. Und ein Vorsitzender kam von den linken Realos. Einer war eine Frau und einer ein Mann, Frau ist das mit Brust, Mann war der mit langen Haaren. Beide waren sich bei vielen Themen nicht einig. Themen sind so Sachen, wo Politiker dazu Ideen haben. Annalena Baerbock und Robert Habeck haben ganz viele Ideen, denn sie sind beide von den Realos. Und sie sind sich bei vielen Themen einig. Einig ist, wenn man sich nicht so streitet oder nicht so oft. Oft ist, wenn die Haare gar nicht wachsen können zwischen einmal Tür zuknallen und wieder Tür zuknallen. Tür ist, wo man in ein Zimmer reingeht.

Annalena Baerbock und Robert Habeck sind ganz früh in die Politiktür reingegangen, weil sie das gut finden. Gut ist an der Politik, dass man gut bezahlt wird. Bezahlt werden ist, wenn man Geld bekommt, gut bezahlt ist, wenn man viel Geld für wenig machen erhält. In der Politik ist viel gut, weil man gar nichts können muss, um mitzumachen. Können ist, wenn man etwas gelernt hat, das man dann auch kann. Annalena Baerbock und Robert Habeck müssen das nicht, sie können. Sie sagen, wir sprechen auch über linke Themen. Und über alles sonst. Und die Leute sind begeistert. Begeistert ist, wenn Tina Hassel klatscht und an Sex denkt. Tina Hassel ist unabhängig.

Begeistert ist, wenn Tina Hassel klatscht


Unabhängig ist auch Annalena Baerbock, denn sie ist 37 Jahre alt und hat noch nie gearbeitet. Immer  Politik und reden, das hat gereicht. Annalena kommt aus dem Bundesland Brandenburg. Brandenburg ist, wo früher DDR war. Aber als Brandenburg noch DDR war, war Annalena Baerbock noch dort, wo keine DDR war. DDR ist weg. DDR war das, wo es keine Grünen gab, nur Dreck.

Annalena findet deshalb ganz viele Themen wichtig für die Politik der Grünen: Klima-Schutz und Familien-Nachzug. Klimaschutz ist, wenn der Ofen auch mal ausbleibt und man einen Pullover anzieht. Pullover ist, was Annalena Baerbock unter der Lederjacke an hat. Lederjacke ist, was man aus Tieren macht, die sowieso tot sind. Familien-Nachzug ist, was zur Integration der Leute beiträgt, die schon länger hier leben. Familien-Nachzug darf man nicht mit Familien-Nachtzug verwechseln, der fährt 20.10 Uhr ab Hauptbahnhof. Integration ist, wenn nicht nur die Grünen sagen, wir müssen noch mehr gegen den Klima-Wandel tun, sondern wir alle. Klima-Wandel kommt, wenn viele den Ofen nicht ausmachen. Ofen ist, was es warm macht, obwohl es kalt ist.

Erde ist, wo Blumen drin wachsen


Das lässt nach weil durch die Abgase von Autos und Fabriken die Temperatur auf der Erde steigt. Abgase ist was hinten rauskommt. Autos ist, wo man drin rumfährt. Fabriken ist, wo sie die Autos machen. Temperatur ist, wenn es warm ist oder kalt. Erde ist, wo drin die Blumen wachsen, wenn es warm ist. Es gibt verschiedene Erdesorten, aber wir haben unsere nur von unseren Enkeln geborgt. Enkel sind, wenn mehrmals Sex gemacht wird. Dann kommen Kinder, das sind die Grünen von morgen. Morgen ist, wenn wir einmal geschlafen haben. Aber das Morgen von den Kindern ist erst übermorgen, also in leichter Sprache: Nicht bald.

Dann ist es richtig warm und warm ist schlimm und gefährlich für die Menschen und Kinder und Enkel und für die Natur und die Grünen. Annalena Baerbock will deshalb ein Stoppsignal setzen. Dann kommt auch nicht mehr so viel Familien-Nachzug, weil die Menschen dort, wo es nicht so schön ist wie hier, ihre Väter und Brüder und Enkel vermissen. Robert Habeck ist schon 48 Jahre alt. Das ist jung für Politiker, für Fußballer ist es alt. Fußballer ist, wer Fußball spielt. Robert Habeck tut das nicht. Tut ist wonach alle Tuworte heißen,. Heißen ist, welchen Namen man hat. Robert Habeck hat den Namen Robert und er kommt aus dem Bundesland, das den Namen Schleswig-Holstein hat. Bundesland ist ein Stück Gegend, die neben einer anderen gegen liegt. Liegt ist was nicht steht. Robert Habeck steht und er will mehr Gerechtigkeit machen. Dazu soll viel Geld von den reichen Fußballern zu den Menschen gegeben werden, die nicht Fußball spielen und deshalb ganz arm sind.

Arm ist, wenn es nicht das Bein ist. Bein ist, wovon manche Fußballer nur eins haben.



Mittwoch, 21. Februar 2018

Bundeswehr: Ein Muster an Friedfertigkeit

Es war die erste Armee weltweit, die zugunsten des Weltfriedensgewehrs auf die Fähigkeit verzichtete, sich selbst verteidigen zu können. Die Bundeswehr schoss zielgerichtet  am Ziel vorbei, eine Streitmacht, deren größte Stärke die Fähigkeit war, die andere Backe zum Hinhalten im Ernstfall nicht einmal finden zu können, weil Großvaters mächtige Militärmaschinerie mehr als 750 Verwaltungssoldaten benötigt, um 37 Männer für Beratung und Ausbildung etwa der afghanischen Partner-Armee abstellen zu können. 

Bestwerte in Friedlichkeit


Das sind Bestwerte in Friedlichkeit, weltweit und unangefochten. Deutschland hat sechs U-Boote, von denen keines tauchen oder auch nur fahren kann, Deutschland hat die Reste seiner Panzerarmee von Holland zurückleasen müssen, um das Baltikum gegen den Ansturm des Russen bemannen zu können, und seine Einsatzflüge absolviert das Heer traditionell in gemieteten Maschinen von eben jenem russischen Klassenfeind. "Frieden schaffen ohne Waffen", welch besseres Motto könnte eine Armee haben, zumal eine deutsche?


Die Bundeswehr, ein friedfertiger Trachtenverband, mehr damit beschäftigt, den inneren Hitler zu jagen als die Kanonen sprechen zu lassen. Oberhaupt des ganzen Unternehmens ist nicht nur ein Ungedienter, sondern auch noch eine ungediente Frau - dass der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, jetzt "große Lücken bei Personal und Material" in der Bundeswehr beklagt, ist eher gewohntes Ritual als erstaunliche Neuigkeit.


Nichts Neues im Westen auch diesmal. Miesepetrige Parolen wie die „Materiallage bleibt dramatisch schlecht, an manchen Stellen ist sie noch schlechter geworden", was zu Lasten der Einsatzfähigkeit gehe, werden allerdings im Grunde nur falsch verstanden. Denn eine Armee ist ja nicht dazu da, eingesetzt zu werden. Sondern ganz im Gegenteil, sie existiert eigentlich nur zu dem Zweck, ihren eigenen Einsatz zu vermeiden. Klar ist ja, wenn die Soldaten erst durch die Stadt marschieren, öffnen nicht nur die Mädchen Fenster und Türen, sondern Feldchirurgen wenig später meist auch Bauchhöhlen, um zu retten, was nach massivem Beschuss noch übrig ist.

Volker Wieker, der Generalinspekteur der Bundeswehr, hat die defätistischen Berichte über eine vermeinlich mangelnde Ausrüstung und Einsatzbereitschaft der Truppe denn auch gleich entschieden zurückgewiesen. Die Truppe sei ausgerüstet, die Soldaten leisteten einen hervorragenden Dienst, klagen von Verbündeten seien ihm "nicht zu Ohren gekommen". Bei der Einsatzbereitschaft gebe es jedoch Verbesserungsbedarf. Nach einem neuen "Entwicklungsplan" würden der aber "bis zum Jahr 2030", also in nur zwölf Jahren, beseitigt.


Vorbild Nationale Volksarmee


Sicherste Gewähr gegen den Einsatz des Gewehrs ist, die DDR-NVA steht hier beispielhaft als Vorbild, völlige Unfähigkeit, überhaupt nur drei Meter mit dem Panzer aus der Kaserne fahren, sich ordentliche Rucksäcke für seine Soldaten auszudenken oder jenseits von einknöpfbaren weißen Kragen ein Stück nützliche Garderobe für die siegesgewissen Sturmtruppen bereitzuhalten. Im Osten klappte das: Die von Langeweile, Alkohol und bockiger Uneinsichtigkeit des feldgrauen Fußvolkes geplagte Arbeiter- und Bauernarmee kam nie zum Einsatz und blieb deshalb im Unterschied zu all ihren Vorgängern im Felde unbesiegt.

Naheliegend, dass die FAZ inzwischen schon ihre Schlüsse zieht und fragt: "Taugt die NVA als Vorbild für unsere Truppe?"


Historisches Datum: Merkel länger im Amt als Hitler

Seit gestern auf Platz drei der ewigen Kanzler: Angela Merkel.

Bei "Anne Will" bekam Ursula von der Leyen feuchte Augen. "Zwölf Jahre ist es her, dass Angela Merkel dieses Land übernommen hat", schwärmte die scheidende Verteidigungsministerin vor einigen Wochen. In dieser Ära sei Deutschland vom kranken Mann Europas zur unumstrittenen Führungsmacht (Siehe hier zu den Hintergründen: Der Hades-Plan) geworden, beneidet von allen anderen und zeitweise bestürmt von mehr Zuzug als es in Turnhallen oder europäischen Partnerländern unterbringen konnte.

Von der Leyen, die in Kürze ins Nato-Hauptquartier rochieren wird, um Platz für eine noch weitergehendere Erneuerung der CDU zu machen, war schon ein wenig nostalgisch gestimmt. So viel erreicht! Die Steuerlast auf Arbeitseinkommen für alleinstehende Durchschnittsverdiener liegt heute in Deutschland bei 49,4 Prozent - 13,4 Prozent höher als im OECD-Durchschnitt, 17,7 Prozent höher als in den USA, 18 Prozent höher als in Kanada, 20,8 Prozent höher als in Australien und 31,5 Prozent höher als in Neuseeland. Und was noch viel wichtiger war und von der Leyen als einer von ganz wenigen Vertrauten der Kanzlerin bekannt: Angela Merkel hatte mit diesem 20. Februar, den sie im Amt verbrachte und mit der Regelung vieler Dinge für die Bevölkerung in ihrem Land, eines ihrer großen privaten Ziele erreicht.

Außerhalb des Kanzleramtes ist es kaum bekannt gewesen, Vertraute der Kanzlerin wie von der Leyen, Beate Baumann oder die jetzt geschassten Thomas de Maiziere und Peter Tauber hatten strenge Auflage, nicht darüber zu sprechen. Doch Schweigegelübte ist hermetisch, so dass dann doch aus den langen Fluren drang, weshalb die CDU bereit war, der SPD "alles zu geben, um Kanzleramt zu erhalten", wie FDP-Chef Christan Lindner formulierte, der glaubte, Ziel der neuen Groko sei eine "Erneuerung des Modells Deutschland in dieser Wahlperiode".

Ein Irrtum. Ziel der Kanzlerin war zuerst einmal dieses magische Datum 21.2., das sie unbedingt im Amt erreichen wollte: Der Tag, der, so wusste die in Mathematik beschlagene Physikerin, ist ihr 4474. im Amt. Adolf Hitler, der weltweit vielleicht bekannteste ihrer Vorgänger, kam nur auf 4473 Tage.

Ein Triumph der aus Ostdeutschland stammenden Hamburgerin, die mit 12 Jahren und 91 Tagen nicht nur wie Hitler 639 Wochen, sondern 639 Wochen und einen Tag im Amt war - insgesamt 107.376 Stunden, 6.442.560 Minuten oder 386.553.600 Sekunden - von letzteren genau 86.400 mehr als der am 30. Januar 1933 vereidigte Reichskanzler.

Diese 146 Monate und 30 Tage sind nur scheinbar kürzer als Hitlers von Schaltjahren begünstigte 147 Monate. Angela Merkel schafft damit 1208,49 Prozent eines Gemeinjahres mit der Standardgröße von 365 Tagen und rückt auf Platz 3 der deutschen Regierungschefs vor, übertroffen nur noch von Konrad Adenauer, der auf 168 Monate und 27 Tage - 5.140 Tage - im Amt kam. Und ihrem Ziehvater Helmut Kohl, der Deutschland 16 Jahre und 25 Tage regierte - 5.869 Tage.

Zahlen, die zu schaffen sind. Von Adenauers Rekord trennen Angela Merkel heute nur noch 666 Tage, kurz vor Weihnachten 2019 schon wäre es geschafft und Platz 2 in den Geschichtsbüchern gesichert. Angela Merkel wäre zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt, sie hätte aber noch zwei Jahre ihrer Amtszeit vor sich.

Zwei Jahre, die allerdings nur knapp reichen werden, Helmut Kohl vom Thron des am längsten Regierenden zu stoßen. Erst am 16. Dezember 2021 wäre es für Angela Merkel soweit, knapp drei Monate nach der nächsten Bundestagswahl. Für die Kanzlerin aber dürfte das kein Problem sein, denn inzwischen regiert sie seit der letzten Bundestagswahl schon fünf Monate, ohne gewählt worden zu sein. Und was zählt, ist allein, dass das auch zählt.

Anschließend könnte sie noch die Rekorde der Kaiser jagen.