Freitag, 31. März 2017

Kein Alterspräsident für die AfD: Göring lässt grüßen

Um extremistischen Missbrauch der Bundestagsbühne wie seinerzeit durch Stefan Heym zu verhindern, hat die große Koalition die Regelung zur Ernennung des Alterspräsidenten nach 68 Jahren klug fortentwickelt.
Im Abwehrkampf gegen die rechtspopulistische AfD, Hauptfeind des deutschen Arbeiters und der deutschen Hausfrau, hat die Regierungskoalition aus CDU und SPD sich am Rande des jüngsten Koalitionsgipfels darauf geeinigt, die seit 68 Jahren geltende Regelung zur Bestimmung des Alterspräsidenten, der die konstituierende Sitzung eines neuen Bundestages bis zur Wahl eines neuen Bundestagspräsidenten leitet, zu ändern. Um die AfD, die mit Alexander Gauland womöglich den nächsten Alterpräsidenten gestellt hatte, an der Machtergreifung für einen Tag zu hindern, folgten die Koalitionsspitzen einem demokratischen "Kniff" (ZDF) des amtierenden Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. demzufolge soll künftig nicht mehr der älteste, sondern der dienstälteste Parlamentarier die erste Sitzung leiten.

Die Regelung, die sich nicht gegen die AfD richtet, sondern eine reine "Fortentwicklung der bisherigen Regelung" (Lammert) sein soll, knüpft an einer großen Tradition an, die bis zurück ins Jahr 1933 reichte. Damals gab Hermann Göring, der Präsident des vorigen Reichstages, "zu Beginn der konstituierenden Sitzung des 8. Reichstages am 21. März 1933 bekannt, dass § 13 der Geschäftsordnung des Reichstages, der das Amt des Alterspräsidenten regelte, außer Kraft gesetzt sei und der Reichstag entsprechend Artikel 27 der Reichsverfassung vom geschäftsführenden Präsidenten eröffnet werde."

Das war damals Göring selbst.

Der steht nicht mehr zur Verfügung, auch Norbert Lammert will im Herbst nicht mehr auf der Bundestagsbrücke stehen. So musste die große Koalition den Göringschen Kniff mit viel demokratischem Fingerspitzengefühl variieren:  Um eine extremistische Zurschaustellung antidemokratischer Werte zu verhindern, wie sie einst der Linksradikale Stefan Heym dem Parlament zugemutet hatte,   wird künftig ein altgedienter Parlamentarier die erste Sitzung leiten.

Im Herbst wäre das vermutlich Wolfgang Schäuble, ehemals Helmut Kohls Bestechungskofferträger, jetzt der Wasserträger einer fortentwickelten Ständedemokratie.


Deutschlands neue Spaltung: Der Schulz-Graben


Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört. Und Sollbruchstellen zeigen sich dort, wo landschaftlich seit Jahrhunderten und wirtschaftlich seit Jahrzehnten  unterschiedliche Kulturen blühen. Sechs Monate vor der Bundestagswahl zeigt Deutschland ein neues Gesicht: Die Transfergebiete im Norden hängen einer neuen Studie zufolge dem neuen SPD-Star Schulz an. Der ökonomisch prosperierende Süden hingegen hält Kanzlerin Angela Merkel die Treue.

Noch barmen die Ostbeauftragtinnen, noch pöbeln die Leitmedien regelmäßig gegen Ostdeutsche, noch besteht die Fußball-Nationalelf nur aus einem einzige gebürtigen DDR-Bürger, der umgeben ist von Alt-Wessis, die ihn zumindest offiziell als Gleichberechtigten in ihren elitären Kreis aufgenommen haben. Doch nun kommt Martin Schulz, ein Westler reinsten Wassers, und er spaltet Deutschland entlang eines ganz neuen Äquators.

Der Riss, der gerade noch zwischen Ost und West klaffte, hat sich im Wettstreit zwischen Schulz und seiner Rivalin Angela Merkel geschlossen. Aufgerissen ist an seiner Stelle ein Rubikon, der Deutschland Norden vom Süden trennt: Oben zeigen exklusive Auswertungen des Suchverhaltens der Deutschen, die das Bundesblogampelamt im mecklenburgischen Warin vorgenommen hat, eine dominierende Vorliebe für Schulz. Unten hingegen suchen die Deutschen viel lieber nach Angela Merkel.

Die Trennung von Ost und West ist damit erstmals Geschichte. Der Schulz-Graben, bereits seit fünf Jahren zu beobachtet, aber von sämtlichen Nachrichtenmagazinen ignoriert, hat die Wunden des Kalten Krieges geschlossen. Übrig geblieben ist eine blaue Insel im roten brandenburgischen Schulz-Meer, die an den früheren Status West-Berlins erinnert: Die alte Reichshauptstadt, durch eine Kollektivanstrengung der Konservativen wieder mit alten Ehren ausgestattet, trotz der Geografie. Und sucht nach Merkel, während ihr gesamtes Umland Martin Schulz verfallen ist.

Halbe-halbe zeigt sich das Land, eine Nation, die zerrissen ist wie nie. Hier interessieren sich Menschen für ihre Kanzlerin der Herzen, die allein Griechenland zwölfmal gerettet hat. Dort wollen sie alles über Schulz wissen, den Gerechtigkeitsspender, der den Brexit organisierte und in Sachen Europa nicht lockerlässt.

Es ist, als ginge ein Zeitalter zu Ende. Jahrzehntelang wurde Deutschland von zwei politischen Lagern geprägt, standen sich Ostdeutsche und Westdeutsche gegenüber. Alle Staatspräsidenten kamen aus den Reihen der Westdeutschen, alle Kanzler, die meisten Manager, Minister und Staatssekretäre. Streit gab es immer – doch nun scheint das gesamte Koordinatensystem deutscher Politik ins Wanken zu geraten, so dass ein Mann wie Schulz in einem Teil des Landes wie ein Heilsbringer verehrt wird. Während im anderen eine vielkritisierte Dauerkanzlerin noch immer Neugier weckt.

Eine gefährliche Entwicklung: Beide Volksparteien, die sozialistische SPD wie die sozialdemokratische Union, zerfallen in regionale Einzelgruppen, Selbstverständlichkeiten sind keine mehr, politische Verlässlichkeit wird zur Ausnahme. Die Bürgerinnen und Bürger schwindeln bei Meinungsumfragen, die Demoskopen schützt nur ihr Schweigepakt mit den Medien, die Parteizentralen lavieren durch Nebel. Statt Ost gegen West heißt es nun Nord gegen Süd.

Donnerstag, 30. März 2017

Vermutlich für die Ostfront: Bundeswehr baut Hitlers "Tiger" nach


Für den möglichen Einsatz an der Ostfront haben Experten der Bundeswehr einen Nachbau des im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht eingesetzten Panzers Tiger hergestellt. Das teilte ein Sprecher des Presse- und Informationszentrums des Heeres am Freitag in Strausberg mit. Der "Tiger" gilt als mächtige Mordmaschine, er soll bei den russischen Truppen Erinnerungen an deren Niederlagen in der Vergangenheit wecken und Russland so abhalten, nach der Krim weitere Länder zu okkupieren.


Der Panzerkampfwagen VI „Tiger" war ein schwerer deutscher Panzer, der vom Alleinhersteller Henschel in Kassel von 1942 bis 1944 gefertigt und von der Wehrmacht ab Spätsommer 1942 eingesetzt wurde. Aufgrund seiner starken Hauptwaffe und des hohen Panzerschutzes galt der Tiger als einer der kampfstärksten Panzer des Zweiten Weltkrieges. Die meisten Exemplare des Kampfwagens wurden während und nach dem II. Weltkrieg vernichtet. Derzeit setzt die Bundeswehr eigentlich auf die Sanierung von Beständen des Nachfolgemodells "Leopard", die eigentlich den Niederlanden überlassen worden waren.

Der erste neue "Tiger" entstand im brandenburgischen Storkow (Brandenburg) unter den Händen der Spezialisten des Technologiestützpunktes für Tarnen und Täuschen. „Das Modell ist zerlegt bei uns eingetroffen und wird derzeit zusammengebaut“, sagte eine Sprecherin. Ab Anfang April kann die mächtige Kampfmaschine dann propagandistisch zum Einsatz kommen.

Obwohl der Nachbau ein Kunststoffmodell ohne Motor und echte Waffen ist, wiegt er noch knapp drei Tonnen und wird für russische Aufklärungstruppen aussehen wie das Original, das rund 54 Tonnen schwerer und damit auch schwerer zu transportieren ist. Von den einst 1350 Tiger-Panzern existierten weltweit nur noch ein halbes Dutzend. Lässt sich Putin von der Plastik-Attrappe nachhaltig abschrecken und verzichtet er dauerhaft auf einen Angriff auf die Ostflanke der Nato, könnte die Bundeswehr perspektivisch ganz auf eine neue "Tiger"-Generation setzen, deren Kampfwert so symbolisch ist wie der des Friedensgewehres Heckler&Koch G36.

Auch im Video: Pegida - Steckt Putin dahinter?

Netzhygiene: Straffe Zügel für landesverräterische Fälscher

Früher war alles noch schön, politische Kämpfe wurden in Samthandschuhen geführt.

Lange genug gehetzt, gehasst und geschrieben, wie die Feder gewachsen war. Mit dem neuen Entwurf von Justiziminister Heiko Maas zum künftig geltenden Netzwerkdurchsetzungsgesetz zieht der Gesetzgeber andere Seiten auf: Deutschland soll zu einem Land werden, in dem „verfassungsfeindliche Verunglimpfungen“ und „landesverräterische Fälschungen“ innerhalb von 24 Stunden zu löschen sind.


Im Weigerungsfall drohen Internetseiten, die ihre Pflicht zur Netzhygiene vernachlässigen und Verunglimpfer deutscher Regierungsleistungen oder landesverräterische Fälscher zum Zuge kommen lassen, drastische Geldstrafen. Bis zum 50 Millionen Euro kann eine hetzerische Bemerkung ein Internet-Netzwerk kosten – mit diese knallharten Strafgebührenpolitik will Heiko Maas dafür sorgen, dass eher mehr als weniger und möglichst alles sofort gelöscht wird, von dem man auch nur vermuten könnte, dass es im Widerspruch zur regierungspolitik steht.

Eine Zeitenwende, die der klug formulierte Referentenentwurf zum „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ einleitet, der bereits zur Genehmigung an die EU geschickt wurde. Auch Kritiker müssen das neidvoll anerkennen. „Hätte es so etwas in der Art schon 1962 gegeben, wäre es nie zur Spiegel-Affäre gekommen, weil der ausschlaggebende Artikel einfach gelöscht worden wäre“, kommentiert Michele Marsching, Fraktionsvorsitzender der derzeit noch legalen Piratenfraktion im Landtag NRW.

Deutschland wäre dadurch vielleicht kein besserer, aber ein meinungssicherer Ort gewesen, Rudolf Augstein hätte vielleicht nicht einmal ins Gefängnis gemusst, Franz-Joseph Strauß wäre später Kanzler geworden und er hätte im Zuge der deutschen Wiedervereinigung sicher darauf bestanden, die SED zu verbieten.

Gerade für Heiko Maas' seit der Erfindung der „Linken“ aus den Resten der SED und bundesdeutscher K-Gruppen schwächelnde Volkspartei, wäre heute zweifellos ein großer Profiteur einer solchen Entwicklung. Im Saarland hätte es zu mehr Stimmen als bei der CDU gereicht, die SPD könnte dort künftig anstelle der Union die große Koalition führen. Heiko Maas tut alles, damit es eines Tages wieder so kommt.

„Dieser Gesetzesentwurf ist der erste Schritt zu einer vollumfänglichen Zensur“, kritisieren die Piraten, die – eine rechtzeitige ordentliche Netzüberwachung vorausgesetzt – bestimmt nie entstanden wären. Da es sie nun jedoch gibt, infolge einer jahrzehntelangen Verluderungspolitik der Volksparteien, die im Netz so ziemlich alles durchgehen ließen, sie sind nun typischerweise die einzigen, die herumjammern, dass „immer noch Gerichte zu entscheiden hätten, was verfassungsfeindlich ist“ und „nicht eine privatisierte Patriotismus-Polizei, wie Heiko Maas sie fordert.“

In der Stunde der Not aber muss die Gewaltenteilung weichen, die Exekutive darf ihre Tätigkeit an Privatfirmen auslagern, die dann handeln, ehe später einmal die Judikative darüber befindet, ob das alles rechtens war. Wird es gewesen sein, denn Maas´ Netzwerknotstandsgesetz öffnet die Türen weit für einen geschmackssicheren Umgang mit der Meinungsfreiheit, wie ihn Vorbildnationen wie die Türkei, Russland, China oder Pakistan pflegen.

Noch grummelt es hier und da. Doch ist das Werk vollende, wird die Zufriedenheit vollkommen sein. Denn Kritik wird es nicht mehr geben.


Mittwoch, 29. März 2017

Glücksspiel: Förderprogramm für Onlinespiele

Neue Reformen machen Glücksspiel zum Glücksspiel.
Nächste Runde beim Umbau der Glücksspiellandschaft in Deutschland. Nachdem die letzte Reform des deutschen Glücksspielrechts für eine Abwanderung von Sportwettenfans ins Internet gesorgt hatte, soll die am 1. Juli in Kraft tretende nächste Stufe des Glücksspielstaatsvertrags nun die Spielotheken weitgehend aus dem Stadtbild entfernen. Spieler sollen veranlasst werden, stattdessen an Casinospielen bei Euro-Palace oder bei anderen namhaften Anbietern im Internet teilzunehmen.

Dazu hat sich der Gesetzgeber ein hartes Reformprogramm ausgedacht, an dem nach Branchenangaben 70 Prozent derzeit existierenden Glücksspielanbieter scheitern werden. So dürfen Spielothekenbesitzer nur noch einige wenige Filialen gleichzeitig besitzen, diese dürfen nicht nahe an anderen Spielotheken liegen, müssen einen Mindestabstand zu Schulen, Jugendklubs und Kindereinrichtungen und bestimmte Viertel sind ganz tabu.

Das betrifft nach den gesetzlichen Regelungen, die 2012 zwischen den Bundesländern verabredet wurden, auch Spielotheken, die bereits länger existieren. Um auszuknobeln, welche von zwei benachbarten Spielotheken mit künftig zu geringem Mindestabstand weiterexistieren darf, werden Städte und Gemeinden eine Verlosung der verbleibenden Lizenz durchführen. Das ist die düstere Kehrseite der bisherigen Regulierung durch den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), die nicht stattfinde. Wenigstens bei den Spielotheken wollen die umsetzenden Landesregierungen klare Kante zeigen: Die Zuständigkeit für die Regulierung des Glücksspiels, wozu neben den klassischen Lotterien auch Sportwetten, das Recht der Spielhallen, Pferdewetten sowie Automaten- oder Casinospiele zählen, liegt in Deutschland überwiegend bei den Ländern. Um sicherzustellen, dass Gesetzgebung und Vollzug im Glücksspielrecht von den 16 Bundesländern einheitlich gehandhabt werden, haben diese einen Länderstaatsvertrag geschlossen, welcher wiederum durch Landesgesetze umgesetzt wird

Die Länder zielen damit darauf ab, dass nach der erfolgten Reinigung der Spielhallenlandschaft viele Spieler direkt in Online-Casinos weiterspielen. Profitieren würden Anbieter wie Euro-Palace Online-Casino, die mit Lizenzen aus europäischen Partnerstaaten eine Vielzahl von Poker-, Slot- und Roulettespielen bereithalten.

Kindergeld: Der Sog der Solidarität

Erst gar kein Problem, dann ein ganz kleines, dann eine nationale Frage, die schnellstens beantwortet werden muss. Und kaum vier Monate später, die Schlachtenbummler sind weitergeeilt und kämpfen nun um die Türkei, Pegida ist eingeschlafen und die AfD im Saarland beinahe gescheitert, beruhigen sich die Gemüter. Die Kürzung des deutschen Kindergeldes für in europäischen Partnerstaaten lebende Kinder von Ausländern, die in Deutschland arbeiten, ist abgesagt.


Das entsprechende Gesetz, vor Jahren noch für perfekt erklärt, zuletzt aber von allen Seiten attackiert, muss nicht mehr und es kann auch nicht geändert werden. Deutschland hatte bei der EU-Kommission eigens um Erlaubnis gefragt, war aber mit dem Ansinnen gescheitert, die derzeit alljährlich fällige Summe von rund einer halben Milliarde Euro künftig im eigenen Land behalten zu wollen.

Bisher und auch weiterhin haben so Arbeitnehmer aus EU-Ländern, die in Deutschland arbeiten oder arbeitslos sind, Anspruch darauf, dass ihrem daheim gebliebenem Nachwuchs der zumeist höhere deutsche Kindergeldsatz zugute kommt. Statt 12 Euro im Monat freut sich eine rumänische Familie über jeweils 192 Euro für das erste und zweite Kind monatlich, für das dritte Kind über 198 Euro und für jedes weitere Geschwisterchen über 223 Euro. 

Es gab keinen Sogeffekt


Der rumänische Durchschnittslohn liegt bei knapp 450 Euro, so dass schon drei Kinder zusammen mehr einbringen. Die Bundesregierung hatte den daraus resultierenden Sogeffekt über Jahre hinweg geleugnet, später hieß es dann allerdings, das Gesetz werden umgehend geändert. Daraus ist jetzt die Absicht geworden „lediglich Eckpunkte für eine spätere gesetzliche Regelung“ zur Beruhigung der Öffentlichkeit zu verabschieden, die erst dann Gesetz werden könnte, wenn die EU eines Tages vielleicht doch noch grünes Licht geben sollte.

Derzeit verstößt der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgelegte Entwurf gegen Europarecht, so dass die SPD sich weigert, ihn mitzutragen. Die führende deutsche Gerechtigkeitspartei möchte das Kindergeld für EU-Ausländer zwar auch einschränken. Aber nur, wenn ihr dafür nicht Verrat an europäischen Werten und kontinentaler Solidarität vorgeworfen werden kann.

Schäuble scheitert


Schäuble hatte beabsichtigt, die Höhe des Kindergeldes für Bürger aus 15 EU-Staaten an die Lebenshaltungskosten im Herkunftsland zu koppeln. Die liegen etwa in Rumänien bei etwa der Hälfte des EU-Durchschnittes, der in etwa auch dem deutschen Durchschnitt entspricht. Kinder dort, die Kindergeld in derselben Höhe wie in Deutschland lebende Kinder erhalten, profitieren also doppelt.

Schäuble wollte die Zahlungen für Bulgaren, Kroaten, Polen, Rumänen und Ungarn etwa halbieren, für zehn weitere EU-Länder, darunter Griechenland, sollten die Beträge um ein Viertel sinken. Im vergangenen Jahr wurden laut Bundesagentur für Arbeit für rund 168.400 in anderen EU-Staaten lebende Kinder ausländischer EU-Bürger knapp 537 Millionen Euro Kindergeld gezahlt. Nun bleibt es dabei.



Dienstag, 28. März 2017

Spiegel: Neue Lust auf mehr Irrsinn der EU-Bürokraten

Warum nicht loben und anprangern gleichzeitig?

Neue Runde im Kampf gegen das abbröckelnde Vertrauen zu den Staatsmedien: Mit einer Doppelstrategie des Dafür und gleichzeitigen Dagegen hat das führende deutsche Nachrichtenmagazin eine neue Phase im Krieg um die Rückeroberung traditioneller Leserschichten eingeleitet.


Weg mit der plumpen Propaganda der zurückliegenden Monate, her mit einer ambivalenten Darstellung der Welt, die auch Höhergebildete, abtrünnige SPD-Wähler und die Randschichten der vom Glauben an die Vier-Parteien-Demokratie abgefallene Sachsen akzeptieren können. Mit dieser neuen Strategie versucht das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" einem Bericht des Branchenportals InsidePress zufolge, ehemalige Abonnenten und Gelegenheitsleser wieder an sich zu binden. Deutlich wird die Abkehr von der bisherigen Methode der unbedingten Verteidigung abendländischer Werte durch die ungebremste Enttarnung aller Feinde unserer Ordnung nicht nur in den Ausgaben, in denen das von Rudolf Augstein gegründete Magazin an alte Sternstunden anknüpft. Sondern vor allem auch im Online-Auftritt.

Der war bisher eine Art Bento für Bildungsbürger, knapp über dem geistigen Horizont eines graugewordenen "Bravo"-Lesers, ideologisch keimfrei und der Politik der ganz großen Koalition in Solidarität ebenso liebevoll zugeneigt wie der Idee eines ganz friedlich errichteten deutschen Europa, wie sie die Erfinder des Hades-Planes einst so kühn entworfen hatten.

Die klare Linie, geboren aus staatspolitischer Verantwortung, hatte zu drastisch sinkenden Auflagezahlen und einem nie erlebten Stellenabbau im Hamburger Verlagshaus geführt. Nun reagiert die Spitze des Hauses - mit einer raffinierten Doppelstrategie, die treue Konsumenten von Beruhigungsliteratur ("In den großen Dingen brauchen wir mehr Europa") nicht vor den Kopf stößt, eurokritische Kreise aber wieder einfängt.

Das gelingt dem "Spiegel" handwerklich gut. So entdeckt er spontan eine "Neue Lust auf mehr Europa", wie sie zuletzt der heute als Banklobbyist dienende SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück vor vier Jahren propagiert hatte. Gleichzeitig aber warnt der "Spiegel" hyperkritisch vor Europa: "Der Irrsinn der EU-Bürokraten" wird bei Spiegel online nur wenige Zentimeter von der neuen Europalust entfernt gnadenlos ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt.

Ein Markstein der solidarisch-kritischen Auseinandersetzung mit Europa, das beweist, wie relevant die alten Leitmedien in der gesellschaftlichen Diskussion um Deutschlands Weg in eine lichte Zukunft noch immer sind. Wer auf beiden Seiten spielt, liegt immer richtig. Perspektivisch plant die "Spiegel"-Redaktion allerdings nach Angaben von InsidePress, die Doppelarbeit an divergierenden Texten in Richtung Synergie und Effizienz zu verschlanken.

Inhaltlich breiter aufgestellt, suchmaschinenoptimiert und für mehr Lesergruppen attraktiv könnte es dann direkt und ohne Umwege über geteilte Beiträge zu Europalust und Eurofrust heißen: "Neue Lust auf mehr Irrsinn der EU-Bürokraten".

Fall Amri: Tolle Polizeiarbeit, Geheimdienste immer auf Ballhöhe

Führerhaus eines Lkw, wie ihn Anis Amri verwendete: Obwohl der Tunesier keinen Führerschein hatte, konnte niemand ihn aufhalten.

Der nordrhein-westfälische Sonderermittler im Terrorfall Anis Amri hat keine Versäumnisse von Landes- oder Bundesbehörden festgestellt. Erhebliche Mängel, die den Anschlag ermöglicht hätten, habe er nicht entdeckt, berichtete der Strafrechtler Bernhard Kretschmer. 

„Da ist nichts, womit man ihn strafrechtlich hätte fassen können”, bestätigte der Experte, der über Monate hinweg akribisch die Akten gelesen hatte, die ihm zur Verfügung gestellt worden waren. Alle anderen las er nicht, aber auch so ist das Ergebnis überdeutlich: Die Behörden hätten versucht, Amri aufzuhalten - sogar ausländerrechtlich. Dabei dient das Ausländerrecht ausdrücklich nicht der Verhinderung von Straftaten.

Keine Chance zum Eingreifen


Auch andere Möglichkeiten gab es offenbar nicht. Amri war zwar bereits Monate vor seiner Todesfahrt über den Weihnachtsmarkt als islamistischer Gefährder eingestuft und in Nordrhein-Westfalen und Berlin von Dutzenden Beamten aller deutschen und ausländischen Geheimdienste beobachtet worden. Da der junge Tunesier aber stets pünktlich seine GEZ-Gebühren zahlte, sich nur bei kleinen Gewalttaten und mit geringen Mengen Rauschgift erwischen ließ, war es unmöglich, ihn festzunehmen, in Haft zu stecken, vor Gericht zu bringen oder gar nach Hause zu schicken. Es habe keine Rechtsgrundlage dafür gegeben, die Kontakte aus dem Handy des späteren Attentäters auszulesen, um dessen früheren Aufenthalt in Italien zu belegen. Deshalb habe Italien ihn nicht aufnehmen müssen.


Auch Tunesien weigerte sich, weil Amri dort als gefährlicher Krimineller galt. Tunesische Einschätzungen gelten jedoch als nicht rechtsverbindlich, deutsche Behörden müssen mindestens 100 Jahre mit Ursprungsstaaten verhandeln, ehe sie ausreisepflichtige Bürger per Postkarte daran erinnern dürfen, dass ein weiterer Verbleib im Lande keine Rechtsgrundlage hat und deshalb in Kürze eine Ausreiseprämie ausgelobt werden wird, die in der Folge von Monat zu Monat steigt.


Die wesentlichen Erkenntnisse gegen Amri stammten aus verdeckten Ermittlungen, sagte Kretschmer. Die Verwendung für ausländerrechtliche Zwecke sei vom Generalbundesanwalt untersagt gewesen, um zu verhindern dass die Bespitzelung des Asylbewerbers bekannt wird. Sowenig der Verfassungsschutz der Bundeskanzlerin verraten durfte, dass Barack Obama sie abhören ließ, weil sonst die zwischenstaatlichen Beziehungen getrübt worden wären, durfte die beteiligten Geheimdienste Amri vor ihrer eigenen Überwachung warnen. „Gleiches Recht für alle, daraus besteht der Rechtsstaat“, heißt es in Geheimdienstkreisen.


Niemand konnte etwas tun, niemand durfte, wollte oder hätte gemusst. „Das war im Nachhinein vielleicht falsch, aber durchaus wohlerwogen”, erklärte der Sonderermittler. Anis Amri konnte so am 19. Dezember ungestört einen Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche steuern und zwölf Menschen töten. Angaben der Terrormiliz Islamischer Staat zufolge in ihrem Auftrag, nach Überzeugung der Behörden jedoch handelte er als verwirrter Einzeltäter, allerdings mit Unterstützung Unbekannter, die ihn aufstachelten, vermutlich im Internet.

Tunesien ist schuld


Amri hätte Deutschland durch den abgelehnten Asylbescheid eigentlich verlassen müssen. Tunesien habe aber lange behauptet, ihn gar nicht zu kennen. Letztlich habe er ohne Ausweispapiere nicht in Abschiebehaft genommen werden können, Tunesien aber weigerte sich, Papiere auszustellen. Ein Teufelskreis. Amris kriminelle Vergehen und seine Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht seien nach geltender Rechtsprechung nicht ausreichend gewesen, um gegen ihn vorzugehen, zumal er sich illegal in Berlin aufhielt, wo er aufgrund seiner guten Integration in kriminelle und islamistische Kreise als weniger gefährlich eingeschätzt worden war als in NRW.


Amris raffinierte Tarnung als Krimineller verhinderte zudem, dass seine Überwacher ihn als todesbereiten Dschihadisten erkannten. Doch selbst wenn er als solcher hätte identifiziert werden können, hätte das nicht ausgereicht, ihn in Haft zu nehmen. Dschihadismus ist nach geltender Rechtssprechung kein zwingender Grund für eine Inhaftierung. Selbst der Umstand, dass Amri keinen Lkw-Führerschein besaß, hätte ihm höchstens langfristig Ärger eingebracht.


So bleibt als Fazit, dass eigentlich alles blendend und vor allem regelgerecht lief. „Die Sicherheitsbehörden in NRW haben die Gefahr sehr ernst genommen. Das LKA hat alles getan”, sagte Kretschmer.Tolle Polizeiarbeit, zudem Geheimdienste auf absoluter Ballhöhe. Immerhin ein kleiner Trost für die Hinterbliebenen der Opfer.


Montag, 27. März 2017

Wer Einsnull führt, verliert den Marathon

Nach dem Rausch der Kater: Martin Schulz schafft Beides nüchtern.
Weisheiten aus dem Sport, aus der Yoga-Lehre und aus dem politischen Kabarett, sie sind es, die den Wahlabend an der Saar zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Die Bonmot-Presse ist angeworfen, eine Jahresproduktion an Worthülsen steht bereit, unter den aufmerksam lauschenden Journalisten verklappt zu werden.

Alle sind wir heute enttäuscht, vom "Spiegel" über die "Taz" bis zur SZ, denn Martin Schulz, gekommen, Deutschland mit seinen feuchten Lippen aus dem Schlaf der Merkel-Jahre zu küssen, hat im ersten Anlauf versagt. Der Zaubertrank, der eine ganze Nation berauschen sollte, reichte eben aus, ein paar Redaktionsstuben zu verkatern.

Selbst der neue SPD-Chef, seit vielen Jahren trocken und mit mehr Partei im Rücken als jeder seiner Vorgänger, ernüchtert. „Für die Sozialdemokraten ist das kein schöner Abend“, sagt er im ZDF. „Die Bäume sind für die SPD nicht in den Himmel gewachsen“, assistiert ihm Bundesjustizminister Heiko Maas, selbst Saarländer und beim letzten Mal der, der die Niederlage im kleinsten Bundesland verschulden musste.

Jetzt dreht Maas größere Räder, er arbeitet an der Abschaffung der Meinungsfreiheit durch eine neue Verbotskategorie: Nicht mehr Strafbares allein soll nicht mehr gesagt werden dürfen, sondern auch "Rechtswidriges" fiele seinen Vorstellungen zufolge unter ein Veröffentlichungsverbot.

Rechtswidrig könnte künftig sein, was der deutschen Sozialdemokratie schadet. Wenn Partei-Vize Ralf Stegner das Wahlergebnis einordnet, dann tut er das beispielhaft: „Wir sind nicht zufrieden, das muss noch besser werden!“, heißt es da - was auch heißt: Gut ist es schon, das schlechte Ergebnis! Martin Schulz schlägt in dieselbe Kerbe, als er darauf verweist, dass es mal eine Umfrage gab, die die SPD bei nur noch 24 Prozent sah. Er allein hat nun mit seiner Popularität fast 30 Prozent daraus gemacht.

Das sind 100 Prozent mehr Stimmen als zu jener Zeit der französischen Besetzung des Saarlandes, als die SPD nicht eine einzige Stimme holte. "Gänzlich zufrieden kann ich auch nicht sein", sagt Jogi Löw.

Wahnsinn. Der sozialdemokratische Spruchbeutel ist noch lange nicht leer. "Da ist noch Luft nach oben", heißt es. "Die Karten werden bald neu gemischt" und "so leicht stecken wir nicht auf." Wer im Fußball 1:0 zurückliege, habe fast schon die Garantie, als Erster durchs Ziel zu gehen, denn "das hier ist kein Sprint, das ist ein Marathonlauf", sagt Schulz. Und beim Marathonlauf fällt der, der ankommt bekanntlich direkt hinter der Ziellinie tot um!

"Jetzt müssen wir noch eine Schippe drauf legen", versichern sich Sozialdemokraten überall im Land. Noch eine! "So schnell ist nicht aller Tage Abend." Hinten kackt die Ente. Vorn ist das Licht. Remember September. Ruft doch mal Martin!

Sechs Monate noch dieses Theater, zwei Landtagssiege und eine verlorene Bundestagswahl inklusive. Und dann wieder vier Jahre bleierner Tau.

Im 40. Jahr: Das Ende der Grünen

Es begann im Juni 1978, als eine neue Kraft die altbundesdeutsche Politik durchschüttelte. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen sammelten die selbsternannten "Grünen" als "Grüne Liste Umweltschutz" fast vier Prozent der Stimmen. Neu, alternativ, bärtig und ohne Anzug, so setzten die neuen Mitspieler auf der politischen Bühne in den folgenden drei Jahrzehnten ihren Siegeszug fort. Irgendwann der erste Landesminister. Dann die erste Regierungsbeteiligung im Bund. Schließlich sogar die Führung einer Regierungskoalition in einem Land.

Angekommen, doch offenbar am Ende nur, um wieder abgeschafft zu werden. Hatten die Grünen zu Zeiten der Fukushima-Hysterie von sich selbst noch die klare Vorstellung, eines nicht allzu fernen Tages auch mal einen Kanzlerin oder einen Kanzler zu stellen, ist die inzwischen vierte Generation der Parteiführer mittlerweile froh, nicht schon unter "Sonstige" in den Wahlergebnisstatistiken subsummiert zu werden. Im Saarland machte die derzeit von traurigen Gestalten wie dem früheren Krawattenmodel Özdemir, der Pfarrerin Göring-Eckhard und einem langhaarigen Bayer mit bundesweit überwiegend unbekanntem Namen geführte Partei das Dutzend der Wahlen voll, in denen in den letzten fünf Jahren Stimmverluste zu Buche schlugen. Im selben Zeitraum gelang es den Grünen hingegen nur fünfmal, Stimmengewinne zu erzielen.

Von den 14 Urnengängen seit der letzten Bundestagswahlen setzte die ehemalige Fundamentalopposition zu kapitalistischer Verwertungslogik und marktwirtschaftlicher Konsumgesellschaft elf in den Sand, von den letzten sechs seit Anfang 2016 gingen fünf verloren. Den einzigen wirklichen Sieg feierte Winfried Kretschmann, der sich in Baden-Württemberg nicht mit grünen Inhalten, sondern mit seiner Person im Amt behauptete.

Grün im klassischen Sinn scheint vorbei, erledigt, ohne Zukunftschancen. Die ehemals exklusiven Inhalte der der Partei - Tempo 100, Waldsterben, Klimarettung - haben sich die anderen Parteien auf die Fahnen geschrieben. Selbst die urgrüne Forderung nach einer Pkw-Maut setzt jetzt die CSU um.

Knapp 40 Jahre nach dem Start ist der Trend nicht der Freund der grünen Idee. Und das derzeitige Spitzenpersonal der von den Saar-Ergebnissen sichtlich geschockten Partei hat nicht einmal mehr das Format einer Claudia Roth oder Renate Künast, die die Pleite mit wildem Trotz-alledem-Gesang zur Mobilisierung der Reste der Gefolgschaft verwendet hätten. Özdemir, Hofreiter und Co. bringen nicht einmal das zustande: Als "Alternative zur Großen Koalition" sieht Özdemir seine Kleinstpartei, Hofreiter äußert sich gar nicht, auch Göring-Eckhardt schweigt. Parteichefin Simone Peter, mit deren Amtsantritt 2013 die Phase der abbröckelnden Wahlergebnisse begann, zeigt sich immerhin "tief enttäuscht".

Mehr ist nicht. Keine Spur von Erkenntnis, dass es schon ums Überleben gehen könnte. Keine Idee dazu, mit welchen originären Inhalten eine grüne Partei gegen die alternativlose Politik der CDU, die grundrechtswidrigen Zensurideen der SPD und die sozialistischen Vorstellungen der Linken angehen will. Es regiert die Hoffnung, dass es im Herbst nochmal in den Bundestag reichen wird, wenn die Stammklientel der Lattetrinker, Veganer, Kreativen und urbanen Klimaoptimisten zur Stange hält.

Und zugleich nicht zu viele Abweichler zur Wahl gehen.



Sonntag, 26. März 2017

Erstmals unterm Mikroskop: Der Schulz-Effekt

Nachrichten aus dem Reich der Fake News: Martin Schulz hat mit seinem Midas-Touch das Saarland verzaubert.

Seit Monaten schon wird er verzückt beschrieben, beklatscht, gefeiert, er hat die politische Landschaft Deutschlands verändert wie zuletzt die Gründung der AfD im Namen des Kreml und er versprach sogar, Dauerkanzlerin Angela Merkel ansatzlos aus dem Amt zu fegen. 


Martin Schulz, die letzte Patrone der Sozialdemokratie im Kampf um die weitere Teilhabe an der Macht, avancierte binnen weniger Tage zum Gottkanzler einer neuen Generation politikbegeisterter Teenager, er trieb Alt-Sozialisten in Legionsstärke zurück in die Arme der Partei, die seit 153 Jahren mehr Gerechtigkeit verspricht, und er schaffte es sogar, die eigene Gier nach Bedeutung als Tugend an große Magazine zu verkaufen.

Fast waren die Verhandlungen um die Aufteilung der Ministerposten im Saarland schon begonnen und gelaufen, Sozialdemokraten, Linke und Grüne hätten den rot-rot-grünen Koalitionsvertrag nur noch unterschreiben müssen. Dann aber gelang es den Wählerinnen und Wählern im kleinsten Bundesland jedoch überraschend, den von Meinungsforschern und parteinahen Medien-Arbeitern erfundenen "Schulz-Effekt" unter ein Mikroskop zu zerren. Erstmals ist die magische Wirkung des ersten 100-Prozent-Mannes der SPD damit realiter und in freier Wildbahn zu beobachten.

Schulz  macht Punkte - für die CDU


Und Schulz zeigte tatsächlich, was er kann und was sein Charisma vermag. Gegenüber der letzten Umfrage von Infratest-Dimap vor der Wahl verlor die SPD mehr als fünf Prozent, die CDU legt hingegen um rund vier Prozent im Vergleich zur Umfrage zu. Auch die Linke schwächelt, die Grünen sind gleich ganz aus aus dem Landtag, in den dafür die AfD einzieht.

Ein Rechtsruck, der die Union wieder ein Stück näher in Richtung der knapp 50 Prozent der Stimmen bringt, die die Partei 2004 einmal erobert hatte. Und der die SPD, 1994 noch unumschränkt stärkste Kraft im schwächsten Land, weiter dorthin zieht, wo Regieren nur noch im Schatten und von Gnaden der CDU möglich ist.

Ein Paukenschlag und der erste Triumph des Mannes, den sie Martin nennen. Mit seinem Midas-Touch hat er bisher jeden Artikel über sich in pures Gold verwandelt, wie berauscht hingen die Kommentatoren an seinen ewig feuchten Lippen, das Medienvolk lauschte gebannt seinen Fabeln über den anstehenden Gerechtigkeitsschub unter seiner Herrschaft und den lauen Dementis, er habe nie Regeln der EU gebrochen, sondern sie immer nur zu seinen Gunsten ausgelegt.

Der Zauberer aus Würselen - splitternackt


Das Saarland, aus Tradition rot und historisch bedingt selbst eine Art Mini-EU, zeigt den Zauberer aus Würselen nackt, ein Männlein ohne Fortune, der der mit 1,80 Meter etwas übergroßen Schulz-Pappfigur  verblüffend gleicht, mit der die Jusos, im Namen des Kandidaten hausieren gehen.

Sciencefiles zum Schulz-Effekt

HFC: Spuren von Trostlosigkeit

Das Team reicht derzeit schwere Kost im Erdgas-Sportpark.

Vorüber war es schon nach der Klatsche gegen Aalen. Nun aber ist es vorbei: Am Ende eines frustrierenden Geduldsspiels gegen Fortuna Köln steht der Hallesche FC in etwa wieder dort, wo er seit dem Aufstieg in die 3. Liga vor fünf Jahren immer gelandet ist. Im Mittelfeld der Tabelle, im Mittelmaß der Punktausbeute, etwa gleich weit weg von Untergang und Überschwang. Und womit steht er dort? Mit Recht, wie das Spiel gegen einen Tabellennachbarn zeigt, gegen den seit Anbeginn der Zeiten unentschieden gespielt wird.


Zäh fließen die Minuten durch den Erdgas-Sportpark, der an diesem sonnigen Samstagnachmittag keine Spur von Frühlingserwachen erleben wird. Das Team von Rico Schmitt, vor einigen Wochen noch mit Hautkontakt zu den Aufstiegsplätzen, wird von Nebengeräuschen auf den Platz begleitet. Seit das Rathaus einen Fanbetreuer abgewickelt hat, murrt die Kurve nicht mehr nur über den krassen Leistungseinbruch im sportlichen Bereich, über den zuletzt auch der Oberbürgermeister höchst persönlich scharf geurteilt hatte. Sondern auch über eben jenen Oberbürgermeister, der das Vereinsmotto "#Nur Zusammen" breche, indem er Druck auf die Chefetage ausübe.

Das mag der Fan derzeiten nicht, da bringt er Plakate mit, zumindest soweit er ins Stadion gelassen wird. Einige werden das nicht, die Poliztei hindert sie am Betreten, weil angeblich die Gefahr von Übergriffen auf den Mann aus dem Rathaus bestehen könnte.

Doch soweit hoch schießen die Emotionen hier nicht. Ein paar Spruchbänder, ein paar Wortspiele, dann ist das Protestthema erledigt und es geht daran, die sportliche Arbeit zu verrichten. Dank einiger Gelb- und Rotsperren schickt Rico Schmitt einmal mehr eine völlig umgekrempelte Mannschaft aufs Feld, einmal mehr geht das Experiment schief und muss zur Halbzeit begradigt werden. Bis dahin ist nichts passiert, man müht sich beiderseits, kommt aber nicht in die Gänge, obwohl der Wille, an die Heimstärke der Hinserie anzuknüpfen, zumindest per Körpersprache signalisiert wird.

Aber so sehr Verein und sportliche Leitung auch versichern, dass der HFC kein Stürmerproblem hat, so sehr leuchtet es vom Platz. Die viertschlechteste Offensive der Liga hat auch an diesem 29. Spieltag wieder die Durchschlagskraft eines Spielzeughammers ohne Griff. Benjamin Pintol, der in der Hinrunde wenigstens regelmäßig zum Torschuss ansetzte und hin und wieder sogar traf, ist mittlerweile komplett in die Leichtathletik gewechselt. Er läuft viel, vielleicht mehr noch als zu Beginn der Saison, weil inzwischen alle Gegner wissen, was er macht. Aber bis zum ersten Torabschluss des einzigen HFC-Stürmers wird es heute bis zur 89. Minute dauern. Der Ball zischt am Kasten vorbei.

Fortuna Köln, gekommen, den obligatorischen Punkt aus Halle mitzunehmen, macht es optisch, drei-, viermal attraktiver. ist aber auch nicht erfolgreicher. Trostlosigkeit macht sich vor knapp über 6.100 Zuschauern breit, das Gefühl, die Männer unten auf dem Platz könnten noch Jahrhunderte weiterspielen, und es würde er einer nach dem anderen aus Altersschwäche tot um-, als dass ein Tor fallen würde.

Die Statistik spricht dafür: Ganze sechs Mal hat der HFC in den zehn Spielen seit Rückrundenstart getroffen, alle 150 Minuten einmal. Gegen dieselben Gegner erzielte der Klub in der Hinrunde noch elf Tore, fast doppelt so viele wie jetzt. Über diesen verheerenden Einbruch täuscht die Punktbilanz hinweg, die nur um einen Sieg schlechter ist. Aus drei Siegen, fünf Remis und zwei Niederlagen wurden zwei Siege, fünf Remis und drei Niederlagen.

Das funkelnde Licht der Verheißung aber, dass zwischen Spieltag 11 und Spieltag 20 über den Rotweißen leuchtete, die in dieser eine Serie von fünf Siegen und vier Remis bei nur einer Niederlage hinlegten und damit die gesamte Konkurrenz düpierten, ist irgendwann um Heiligabend herum verloschen. Der einzige Hoffnungsschimmer: Die Serie begann damals am 16. Oktober mit einem hart erkämpften 3:2-Sieg gegen den FSV Zwickau, damals ein schon fast sicherer Absteiger.

Gegen die Sachsen, im Augenblick die formstärkste Mannschaft der Liga, spielt der HFC am kommenden Wochenende.

Folgerichtig: Hundediskriminierung verboten

Wie in Europa ist es auch in den USA ist es verboten, Behinderte zu diskrimimieren. Das betrifft nicht nur die Behinderten selbst, sondern auch ihre Begleithunde.

Anders als in Deutschland gibt es in den USA keinen staatlichen Behindertenausweis, sondern jeder kann sich selbst als behindert und seinen Hund als Begleithund deklarieren.

Vermieter, Arbeitgeber oder Ladenbesitzer, die Behinderte wegen ihres Begleithundes ablehnen, können wegen Diskriminierung einer behinderten Person bestraft werden.


Hypocrisy Day: Der stille Held der Heuchelei

Vor 185 Jahren stellte sich am Strand von Boltenhagen der erste Heuchler öffentlich vor seine Wähler.

Am 26. März vor über 185 Jahren feierten die Bewohner des ostdeutschen Badeortes Boltenhagen eine revolutionäre Premiere: An diesem Tag im Jahr 1830 gab zum ersten Mal ein städtischer Politiker zu, dass er bei der Beschreibung einer geplanten Baumaßnahme nicht die ganze Wahrheit gesagt und über einen Teil der Kosten geschwiegen hatte. Zudem habe er Kritikern signalisiert, dass er auf ihrer Seite stehe und für ihre Pläne kämpfen werde, wenn er erst gewählt sei. Rolf Heinrich Radewig, ein überaus geachteter Bürger, der zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahrzehnte im Stadtrat gesessen hatte, bezichtigte sich selbst der Heuchelei. Er habe, so sagte er, nur Gutes gewollt. „Aber ich wählte die falsche Methode.“

Die ewig gleiche Methode


Eine Premiere, die das Verhalten in der Politik weltweit gravierend änderte. Niemals wieder würde ein Politiker von hier an als Erster zugeben können, dass er bigott geheuchelt, gelogen und die falschen Methoden gewählt hat, um seine ehrenwerte Ziele zu erreichen. Radewig, den keine Not drängte und der ganz aus Gewissenspein heraus handelte, war und bleibt für immer und alle Ewigkeit der Erste. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan proklamierte dieses Datum deshalb 1984 zum „Hypocrisy Day“, der inzwischen weltweit jährlich gefeiert wird.


Die Möglichkeit, das eine zu tun und das andere zu sagen, ist schon länger bekannt, erforscht und ausprobiert. Doch niemals aber wurde sie so extensiv und engagiert genutzt wie in den Tagen der „Fake News“, die immer nur von anderen kommen, der unzulässigen Wählerbeeinflussung aus dem russischen Ausland und der beschworenen eigenen Superpolitik, mit der alle Menschen einverstanden sein müssten, wären sie nur recht bei Trost.

Was Heuchelei in Deutschland so beliebt macht

Was aber macht die Heuchelei über die Jahrhunderte und bis heute so beliebt? In Deutschland heuchelt mittlerweile fast jeder, Politiker sowieso, aber auch die sie kontrollierenden Medien, dazu Behördenchefs und Karnevalsvereine, Fußballer, Manager und Verbandsfunktionäre, selbst einfache Wähler, die sich immer häufiger einen Spaß daraus machen, denen von ihnen verachteten Demoskopen einzureden, der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz habe eine reelle Chance, Bundeskanzler zu werden.

Ausgerechnet Schulz, einer der führenden Heuchler der Republik. Allein seine Partei produziert nach Angaben von Hypocrisy-Forschern wöchentlich rund 43 Kiloäquivalenten Heuchelei, die CDU kommt auf 37, Linke und Grüne zusammen auf 53, die AfD liegt bei 35. Über die letzten vier Jahre betrachtet, wächst die Heuchelei auffällig (im Durchschnitt +211 Millionen Kilogramm im Jahr). Das bestätigt auch der aktuelle „Ehrlichkeitsreport" von Honesty International: Über 55 Prozent der Deutschen legen danach Wert auf eine einfache und schnelle Erkennbarkeit von Heuchelei, sie heucheln aber auch zu selbst, nie (67 %) oder doch kaum zu heucheln (22%).

Hier sehen Wissenschaftler ein sogenanntes Echo der Ausgangsfrage: Der Mensch greife naturgemäß gern zu Heuchelei, um eine unangenehme Wahrheit nicht aussprechen zu müssen.

Heuchelei ist Alltag


Besonders für die Gruppe der unter 30-jährigen (72 %) ist Heuchelei heute Alltag. Heucheln  ist in Deutschland aber auch so beliebt, weil immer weniger Menschen Bedenken haben, angenommene Gefühle als echt zu auszugeben: Empörung, Abschau und Entsetzen werden taktisch eingesetzt, Schauspielern, Nachrichtenansagern und Politikern abgeschaut und als originär ausgestellt.

Rolf Heinrich Radewig, der heute längst vergessene stille Held, der als erster erkannte, auf welchen Irrweg das multiple Heucheln führt und sich unter Einsatz seines Amtes, seiner Person und seines bis dahin äußerst erfolgreich verlaufenden Lebens gegen die wuchernde Hypocrisy wandte, würde  sich im Grabe umdrehen.

Samstag, 25. März 2017

Zitate zur Zeit: Eine neue Zahnpasta

In Münchhausen glauben sie fest an Chulz.
In einer politischen Atmosphäre, wo grundlegende Inhalte nicht mehr bei Wahlen verhandelt werden und kein Sozialdemokrat nur einen Steuersatz für Unternehmen, wie er noch bei der Regierung Helmut Kohl bestand, mehr zu fordern wagt, ist eine Stimme für die SPD weniger eine Frage des Vertrauens, sondern die Frage nach dem Ausprobieren eines neuen Produkts. Die Wähler handeln wie Kunden, die im Supermarkt eine neue, besonders angepriesene Zahnpasta kaufen. Man probiert was Neues aus, hat aber keine besonderen Erwartungen daran.


Peter Nowak streift in einem Beitrag zum Schicksal der Grünen die Frage der Anziehungskraft des Martin Schulz

Honne und Tatemae: Die zwei Gesichter der Wahrheit

Auf der Honne-Ebene ein Klickluder, das gegen Geld die Brüste reckt. Tatemae aber sieht eine mutmaßlich willige junge Frau, die darauf wartet, gedatet zu werden.

Zeiten der Verwirrung, Zeiten der Versuche, intellektuell mit einem Phänomen klarzukommen, das so alt ist wie die Menschheit selbst, mit einem Mal aber staatlicher Regulierung zu bedürfen scheint. Fake News und politische Propaganda, in jeder Wahlschlacht die Torten, mit denen sich die Kontrahenten bewerfen, sollen weg, verboten werden, zensiert, ausgemerzt, wie Franz Müntefering sagen würde, der das Wörterbuch des Unmenschen noch auswendig kannte.


Eigentlich aber beruhen "Fake News" auf einer jahrhundertealten japanischen Philosophie. Derzufolge besteht jede Wahrheit aus zwei Teilen, nein, besser noch: Jede Wahrheit hat zwei Teile, zwei Gesichter, zwei Schichten. Eine heißt "Honne" und bezeichnet die echte Wahrheit, die andere wird "Tatemae" genannt und sie verkörpert die Fassade der Wahrheit, ihre Maske, ihre Hülle und Oberfläche.

Honne und Tatemae


Der Eindruck, den Politiker zu vermittteln versuchen, ist nun, dass es ihre Aufgabe sei, die Honne, die echte Wahrheit zu bewahren. Dabei ist Tatemae, die Fassade der Wahrheit, viel wichtiger. Genau wie jede Gesellschaft ihr Establishment hat, ihre Elite, ihre Prominenten, ihre Grundüberzeugungen von sich selbst, hat sie auch ihr Tatemae. Eine gemeinsame Wahrheit, auf die sich alle geeinigt haben: Deutschland ist ein moralisches Regime, Deutschland stellt seine Interessen zurück, ja, es hat gar keine nationalen Interessen wie andere Staaten. Deutschland führt nicht Krieg, es foltert nicht, es nimmt Flüchtlinge in unbegrenzter Zahl auf, es schafft Wohlstand, indem es Wohlstand teilt.

Das Tatemae der USA ist anders, aber ähnlich fantastisch. das außergesetzliche Lager Guantanamo etwa ist nach gängiger Lesart einfach ein Ort, an dem die Regierung fürchterliche Terroristen, gefährliche Männer voller Hass unterbringen konnte. Aber das ist nur die Honne-Antwort, ein akzeptabel klingender Quatsch.

Tatemae erzählt eine andere Geschichte: Der eigentliche Zweck von Guantanamo war, dass die Öffentlichkeit sich sicher fühlen durfte. Ob es tatsächlich die Sicherheit von irgendwelchen Menschen erhöhte, war völlig zweitrangig. Die Tatemae-Wahrheit über Gunatanamo ist, dass die US-Behörden nicht einmal genau wusste, wen sie in Guantanamo weggesperrt hatten.

Symbole sind am wichtigsten


Aber das war nicht schlimm, jedenfalls nicht für die Regierung. Die brauchte nach dem 11. September einfach eine große Zahl von Gefangenen, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass zumindest 800 der übelsten der Üblen kaltgestellt waren. Das ließ das Volk besser schlafen in dem Bewusstsein, dass seine Regierung so viele der Feinde Amerikas so entschlossen aus dem Spiel genommen hatte. Die Regierung wusste, dass die meisten von ihnen unschuldig waren. Doch das spielte keine Rolle, denn sie waren nicht als Schuldige oder Unschuldige vonnöten, sondern als Symbol der Tatemae-Wahrheit.

Die Öffentlichkeit muss an etwas glauben können. Etwa an Flughafensicherheit. So blödsinnige Dinge wie die Schuhe ausziehen und den Gürtel und die Zahnpastattube zu Hause lassen zu müssen. Sie helfen kein Stück. Auf einer Honne-Ebene ist diese Art von Sicherheit lachhaft. Doch auf der Tatemae-Ebene, die viel, viel bedeutsamer ist, überzeugen sie die Leute davon, dass das Fliegen sicher ist.

Man kann das an sich selbst schon ausprobieren: Wie Sie Teil der Oligarchie wären, der Elite, der Regierung: Was wäre Ihnen wichtiger? Dass die ihre Wähler sicher sind? Oder dass sie sich sicher fühlen? was wäre Ihnen mehr wert: Dass ein tatsächlich Schuldiger verurteilt wird? Oder dass Sie die Gesellschaft glauben machen können, dass ein Schuldiger verurteilt worden ist?

Honne und Tatemae


Honne und Tatemae, Sie verstehen es jetzt. Ein einzelner schuldiger Mann, der ungestraft bleibt, spielt überhaupt keine Rolle, für Sie nicht, für die Wähler nicht, für niemanden. So lange die Öffentlichkeit das Gefühl hat, die Schuldigen würden bestraft, ist die Gesellschaft sicher. Nur wenn sie dieses Gefühl verliert, dann greift Anarchie Raum. Politik muss folglich, wenn sie gut gemacht ist, auf der Tatemae-Ebene agieren: es geht um Eindrücke, um Gefühle, um Symbole und um Placebos. Nie um Wahrheit im Sinne von Wirklichkeit auf der Honne-Ebene.


Freitag, 24. März 2017

Bundeswehrskandal: Die Maus-Mörder

Opfer von Soldaten? Dieser Frosch wurde aufgeblasen am Rande eines Truppenübungsplatzes gefunden.

Die Geschichte der Bundeswehr ist eine Geschichte von Skandalen, alkoholgetränkt und zuweilen tödlich. Manchmal unbewaffnet, manchmal gefesselt an Schrotttechnik, mit der Großvater ähnlich schon einmal gen Moskau fuhr, leiden die Angehörigen der Truppe immer wieder unter Missbrauchsvorwürfen, Kameradenschweinereien, betrügerischen Ministern und falschverstandenem Korpsgeist.


Zuletzt setzen die Vorwürfe einer Soldatin, der ans Gesäß gefasst worden war, dem Ruf der Truppe zu. Ministerin von der Leyen reagierte scharf und verurteilte die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens scharf. Die Wortwahl im Einstellungsbeschluss sei "völlig inakzeptabel", befand die Ministerin.

Doch Ruhe kehrte nicht ein - ganz im Gegenteil. Keine vier Tage nach dem Skandal von Bad Reichenhall flog die nächste Untat deutscher Gebirgsjäger auf: Angehörige der Spezial-Infanterie für schwieriges Gelände sollen Mäuse mit Luftgewehren getötet haben, ohne dass die Tiere das in Bad Reichenhall stationierte Gebirgsjägerbataillon 231 zuvor angegriffen hatte.

Soldaten sind Mörder


Das wäre Mord, die Staatsanwaltschaft ermittelt allerdings nur wegen "Verstößen gegen das Tierschutzgesetz" (FAZ) gegen mehrere Einzeltäter. Die Bundeswehr spielt die bekanntgewordenen Treibjagden gegen die unbewaffneten Kleintiere als "Einzelfälle" herunter. Es handele sich um Fälle "aus der Vergangenheit, die gerade aufgearbeitet werden“, sagte ein Sprecher. Die verantwortlichen Kommandeure reagieren nach Ministeriumsangaben jedoch bei der Aufklärung „umsichtig und konsequent“. Die Maus-Mörder in Uniform, die sich am "widerlichen Ritual" (bgland24) des Mäuse-Schießens beteiligt hatten, werden sich für ihre ruchlosen Taten verantworten müssen.

Doch die Mäuse-Morde sind nur die Spitze des Eisberges aus Grauen, Blut und Tod. Immer wieder kommt es bei der Bürgerarmee zu abscheulichen Gewaltorgie, wie sie nur "organisierte Gruppen mit strengem Befehl und Gehorsam und räumlich abgeschottet von der Gesellschaft" kennen, wie es der Obmann der Linken im Verteidigungsausschuss, Alexander Neu, nennt.

Allein beim letzten großen Sommer-Manöver der Bundeswehr im vergangenen Jahr sollen mehrere tausend Mücken durch Soldaten der beteiligten Einheiten ermordet worden sein. Im Rahmen der Nato-Übungen "Joint Derby" und "European Spirit", bei denen eigentlich die friedliche Abwehr einfallender Russenpanzermassen im multinationalen Verband trainiert wurde, starben nach Schätzungen von Naturschützern zehntausende der kleinen, arglosen Tiere, ohne dass Vorgesetzte oder gar das Ministerium eine Veranlassung sahen, einzuschreiten.

Armut: Der Grenznutzen der Gerechtigkeit

Symbolisches Schicksal: das Mädchen mit der roten Jacke muss immer dran glauben, wenn es in den Medien um Armut geht.

Sechzehn der letzten 20 Jahre regierte die SPD Deutschland oder sie regierte es mit - und nun war alles vergebens. Die reichsten zehn Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen heute immer noch über mehr als 50 Prozent des gesamten Nettovermögens. Die untere Hälfte der Haushalte dagegen nur über ein Prozent, so klagt Sozialministerin Andrea Nahles im neuen Armutsbericht der Bundesregierung an.


Es ist dieselbe Andrea Nahles, die vor vier Jahren als Vordenkerin des Nahlismus die Errichtung einer "Guten Gesellschaft" versprach. Und es sind exakt dieselben Zahlen wie vor vier Jahren, als der Streit um den Satz "Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt" Sozialdemokratie und CDU schon einmal prima Wahlkampfmunition lieferte.

Alle vier Jahre arm


Beim Bürger kommt das immer sehr gut an. Wie in der gesamten Medienlandschaft trifft die Behauptung, Deutschland werde immer ungerechter, bei weiten Teilen der Bevölkerung auf offene Ohren. Das Volk istdann immer sicher, dass früher alles viel besser war. Vor allem ganz früher: Damals in der DDR zum Beispiel hatten alle nichts, das aber war gleichmäßig verteilt.

Eine Vorstellung, die eindeutig aus dem Bereich der Fake News stammt. Wie der Schröder-Bericht bereits im Jahr 1990 zeigte, war der Reichtum im Arbeiter-Bauernstaat nämlich keineswegs gerechter verteilt als heute. Auf nur etwa zehn Prozent der Sparkonteninhaber entfielen damals vielmehr sogar knapp 60 Prozent der Vermögen.



Erstaunlich: Obwohl es keine Managergehälter und keine "obszöne Boni" (Ralf Stegner) gab, ist dieses Ergebnis fast identisch zum Bild, das die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik heute zeigt: Hatten 1964 nur 11.000 DDR-Bürger Sparkonten, auf denen sich mehr als 50.000 Mark befanden, stieg diese Zahl bis 1974 auf 82.000. Gleichzeitig stieg auch die Zahl der Konteninhaber, die bis zu 50.000 DDR-Mark gespart hatten - doch gerechter wurde die DDR-Gesellschaft dadurch nicht, weil zugleich die Zahl der Bürger stieg, die am Anstieg der Vermögen nicht partizipierten.

Alles wie 1896


Ein eher statistisches Problem, denn wie eindringlich Sozialdemokraten und Sozialisten auch behaupten, mit ihnen am Ruder würde alles besser: Vermögen haben stets die Angewohnheit, sich entlang der Pareto-Verteilung anzuordnen, die der italienische Ökonom Vilfredo Pareto bereits anno 1896 beschrieb. Damals stellte er fest, dass die Einkommensverteilung in einer Gesellschaft unabhängig von den gesellschaftlichen Bedingungen keiner Normalverteilung folgt, also nicht gleichmäßig ist.

Schon im Italien des ausgehenden 19. Jahrhundertes besaßen 20 Prozent der Familien etwa 80 Prozent der Vermögens. Eine Verteilung, die sich bis heute kaum geändert hat, weil sie sich nach dem nach Pareto benannten Prinzip nicht ändern kann. Pareto übertrug seine Beobachtung bei den Vermögen ins Allgemeine und beschrieb, dass sich in den meisten Fällen mit einem Mitteleinsatz von um die 20 Prozent 80 Prozent aller Probleme lösen lassen, die restlichen 20 Prozent zur Lösung dann aber 80 Prozent Aufwand benötigen.

Die Aufgabe wird dabei nach hinten zu immer schwieriger, da das Prinzip fraktal, also jeweils für den verbliebenen Teil der ungelösten Aufgaben gilt. Verteilung erreicht mit zunehmenden Verteilungsversuchen ihren Grenznutzen. Das heißt, verteilte Vermögen führen kaum noch oder gar nicht mehr zu größerer Gerechtigkeit bei der Verteilung.

Martin Schulz tritt aber nun an, dieses Problem einer gerechten Endlösung zuzuführen. Der Armutsbericht 2021 wird zweifellos spannend werden.


Donnerstag, 23. März 2017

Hetze gegen Schulz: Kein Schnaps, keine Weiber!

Historisch gesehen gehört die Frankfurter Rundschau, der sozialistische Ableger der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, zum Kern des Fanblocks von Gottkanzler Martin Schulz. Euphorisch feiert das Pleiteblatt vom Main den Populisten aus Würselen als herniedergestiegenen Messias der sozialen Gerechtigkeit, wo Schulz geht, applaudiert die FR, wo Schulz vom lichten Morgen spricht, findet die Redaktion immer jemanden, der schwört, dass das alles ganz ernstgemeint ist. Gibt es Kritik an Schulz, landet das eher im Kleingedruckten. Chronistenpflicht, mehr nicht.

Der Bruch mit dem Hoffnungsträger


Nun aber der Bruch zwischen dem Kandidaten des fortschrittlichen Deutschland und dem Zentralorgan der Verteilungsgerechtigkeit. Ein EU-Parlamentsausschuss rügt Schulz - und die Rundschau, die in den letzten 20 Jahren mehr Auflage verloren hat als heute noch übrig ist, zerrt das politisch motivierte Manöver des sogenannten "Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments" willfährig auf ihre Homepage: Schulz habe eine Rüge für Personalentscheidungen in seiner Zeit in Brüssel erhalten, von ihm getroffene Beförderungsbeschlüsse und Prämienzahlungen seien "regelwidrig" gewesen, er habe mehreren Mitarbeitern langfristige Karrierevorteile sichern wollen und nach Widersprüchen gegen seine nepotistischen Entscheidungen einfach andere, nur etwas weniger weitreichende Beschlüsse im selben Geist getroffen.

Was genau zum Stil des Mannes passt, den der britische Europaabgeordnete Godfrey Bloom einst einen „undemokratischen Faschisten“ nannte, empört die deutsche Sozialdemokratie. Fast hatte der Lichtbringer Angela Merkel schon bezwungen, da mischt sich Brüssel in den tobenden Vorwahlkampf und mache sich damit zum "Wahlkampfinstrument der CDU".

Kritik ist nicht hinnehmbar


"Das ist nicht hinnehmbar", kommentierte SPD-Gruppenchef Jens Geier. Fakten über das Vorleben von sozialdemokratischen Spitzenkandidaten wie etwa die von Schulz veranlasste und gedeckte Verschwendung von Steuergeldern durch die Organisierung von über Jahre andauernde Dienstreisen für enge Mitarbeiter wie sie der Schulz-Vertraute Markus Engels genoß, seien kein Thema für die Öffentlichkeit.

Denn immerhin blieb das Geld nur wegen Schulz' Weitsicht im Lande und war so vor dem Zugriff gieriger Südländer geschützt, die es doch nur für "Schnaps und Frauen" ausgegeben hätten, um "anschließend Sie um Ihre Unterstützung zu bitten", wie Schulz niederländischer Genosse Jeroen Dijsselbloem gerade gewarnt hat. Statt den künftigen Führer der freien Welt dafür zu kritisieren, sollte er gelobt werden: Jeder Groschen mehr, den Schulz sich oder einem seiner Mitarbeiter zugeschustert hat, trägt zu höherem Wohlstand, größerer Konsumlaune und besserer Stimmung in Deutschland bei. Genauso, wie es Schulz im Europawahlkampf versprochen hat, als er entschlossen die nationale Karte spielte.

Ein Grund mehr, Martin Schulz zu wählen!



Das Europa der Populisten

Zitate aus dem Pegida-Programm: Die SPD rebelliert gegen sich selbst.

Das ist nun das neue Europa, das Europa der zweiten, dritten oder vierten Chance. Gestärkt durch die Absage der Niederländer an den Rechtspopulisten Geert Wilders und die Krönung von Martin Schulz als künftigem Kanzler atmet der Kontinent auf, so seinen Kommentatoren und Weltbilderklärern zu glauben ist. Holland in Not, das war vorletzte Woche. Jetzt ist das Land, unregierbar bis auf weiteres, ein Leuchtfeuer der Hoffnung auf bessere Zeiten. Die beiden großen Regierungsparteien haben zusammen fast ein Viertel ihrer Wähler verloren. Aber Geert Wilders hat, was ihm deutsche Medien bar jeder realen Chance zutrauten, eben nicht die absolute Mehrheit erobert.


So sehen Siege aus.


Ob Rutte, der Wahlsieger, sich bei Rezep Erdogan für die Steilvorlage bedankt hat, nach der er sich selbst als Wilders inszenieren und den Großteil seiner Wähler noch einmal überzeugen konnte, wird für immer unbekannt bleiben. Doch dass Rutte sein Abschneiden dem türkischen Diktator verdankt, liegt auf der Hand. Dank Erdogans Wahlkampfplänen, die keineswegs von der seit Jahren stillschweigend geübten Praxis abwichen, konnte der niederländische Regierungschef klare Kante zeigen und seinen Wählern beweisen, dass es keinen Wilders braucht, um das Abendland zu retten.

Es brauchte danach auch keinen Verstand, die Ereignisse einzuordnen. Nicht nur SPD-Poet Ralf Stegner sah das Ende des Populismus kommen. Übersah aber wie die meisten gleichgesinnten Kommentatoren geflissentlich, dass die sozialdemokratische Partei der Niederlande infolge der Wahl nahezu ausgelöscht ist.

In den Zentralen der Berliner Politik haben sie es aufmerksam beobachtet. Schon preschen sie überall vor, um Türkenverbote für Gebiete zu verhängen, in denen Erdogan selbst mangels türkischstämmiger Bevölkerung gezwungen wäre, statt in der Stadthalle in der Dorflinde aufzutreten. Ein Signal an die, die schon länger hier leben. Nicht für Ankara.

Signal für Deutschland


Das neue Europa, es ist das Europa der Populisten der Mitte. Wie beim Boxen, wo der kluge Kämpfer den Schlägen des Gegners durch Mitgehen die Wirkung nimmt, werden die Volksparteien in den kommenden Monaten mehr noch als zuletzt einen Überbietungswettkampf im AfD-Kopieren führen. Wer ist populistischer? Wer tritt entschiedener gegen "Asylmissbrauch" (SPD-Zitat NPD)) auf? Wer fordert härtere Kürzungen für Kindergeld-Empfänger aus europäischen Partnerländern? Die AfD oder die CDU? Wer ist für die schärfsten Kontrollen bei "illegal Einreisenden", die noch vor Jahresfrist überhaupt nicht illegal, sondern mit Fug und Recht nach Asyl fragten?

In der Politik zählt nicht die Politik, sondern die Gelegenheit, weiter mitmachen zu dürfen. Man kann Wahlen verlieren, das ist nicht schlimm. Aber man muss immer wahlfähig für das nächste Mal bleiben. Nach den Wochen des irrationalen Überschwangs im Namen des martinitrockenen Euro-Bürokraten Martin Schulz folgen die Mühen der Ebene eines Wettbewerbs um Wählerstimmen, bei denen die Parteien des demokratischen Blocks weniger denn je wissen, woran sie mit dem Stimmvolk sind. Das traut ihnen nicht mehr. Dem kann man nicht mehr trauen.

„Der Populismus ist nicht überwunden“, schreibt die „Zeit“ in einem Text zur Lage, der dem Populismus eine schwere Niederlage attestiert. Doch diese These zielt so grandios an der Situation vorbei wie einst die Prognosen zur US-Wahl im selben Blatt. Der Pyrrhus-Sieg Ruttes in den Niederlanden hat nicht das Ende des Populismus eingeläutet, wie ihn die „Zeit“ versteht. Sondern den Beginn einer neuen Welle an populistischer Billig-Propaganda, die bis zum Herbst alles erfassen wird: Niemand wird mehr nicht sagen, dass er für alles steht, was die Menschen wollen. Niemand wird sich mehr einem Wunsch verweigern, einem Prinzip treu bleiben, einer Linie folgen, an deren Ende eine krachende Niederlage stehen könnte.

Eliten als Rebellen


Und niemand wird mehr Zweifel daran lassen, dass auch nach dem nächsten Urnengang nur mit ihm alles gut werden kann. Die eben noch so bedrohlichen Populisten von außerhalb des traditionellen politischen Spektrums werden damit zwangsläufig zur bedrohten Art. Wo sich die seit Jahrzehnten regierenden und mitregierenden Eliten in Rebellen gegen das Establishment verwandeln, bleibt kein Platz mehr an den Rändern. Nicht für die Sozialpolitiker der Linken, die mit leeren Händen ausgeben wollen, was sie selbst nicht erarbeitet haben. Und nicht für die Nationalpolitiker der Rechten, denen außer ein Nein zum Ja der Kanzlerin zu Euro, Brüssel und offenen Grenzen kein Programm zur Verfügung steht.

Am Ende reicht es dann wieder zu einer Mehrheit, zur Not eben zu dritt. Das ist es dann, das neue Europa, das Europa der zweiten, dritten oder vierten Chance. Das Europa der Populisten.

Mittwoch, 22. März 2017

Gabriel: Der Vergleich als Gleichsetzung

Jetzt geht es Erdogan an den Kragen. In einem vielbeachteten Grundsatzgutachten hat Außenminister Sigmar Gabriel feststellen lassen, das mögliche "Nazivergleiche" türkischer Regierungsmitglieder nicht nur unnötig und unangebracht sind, sondern zudem auch noch "gegen deutsches Recht verstoßen" (Gabriel). Paragraph 90 des Strafgesetzbuches verbiete die "Herabwürdigung" deutscher Staatsorgane, mit seinem "Vergleich" (Gabriel) verstoße der Diktator von Ankara gegen diese "weltweit geltende" Rechtsvorschrift.



Gabriel ist Sozialdemokrat und als einfacher Volksschullehrer macht er keinen Unterschied zwischen "Vergleich" und der "Gleichsetzung", die er eigentlich meint. In Göttingen, einem kleinen, recht wohlhabenden Städten am Harz, ist das eine wie das andere: Wer hier einen Elefanten mit einer Ameise vergleicht, setzt beide auf eine Stufe, selbst wenn er das nicht tut. Die unbestechliche Logik des Niedersachsen: Der Elefant ist ein Tier wie die Ameise, also ist er eine, während sie ihrerseits ein Elefant sein muss.

Kein Unterschied zwischen Vergleich und Gleichsetzung

Der Vergleich als Versuch, Verschiedenes zueinander ins Verhältnis zu setzen, ist für den Außenminister deshalb immer zwingend eine Gleichsetzung, die allein strafbar wäre. Dass sich alles mit allem vergleichen lässt, ja, jeder Mensch im Leben sogar unablässig alles mit allem vergleicht, um festzustellen, dass und wo sich A mit B voneinander unterscheiden und wo sie sich doch gleich sind, fällt unter den Tisch einer Politbranche, die aus jedem Vergleich eine verharmlosende Gleichsetzung macht, mit der sich populistisch arbeiten lässt.

Ganze Generationen wachsen inzwischen auf, ohne  den Unterschied zwischen "Vergleich" und "Gleichsetzung" versttanden zu haben. Das macht das Leben - zumindest in der Politik - allemal einfacher.

Alles wird immer gleicher


Doch wenn Rezep Erdogan sagt, die Bundesregierung nutze "Nazi-Methoden", dann setzt er die Bundesregierung eben nicht mit den Nazis gleich, sondern er beschuldigt sie nur, deren Methoden zu nutzen. Das aber ist zweifelsfrei richtig: Zuletzt erinnerte die Krönungsmesse für Martin Schulz samt Gelöbnis der Jugend, emotionaler Reden, Treueschwüre und 100-Prozent-Ergebnis an die monumentalen Inszenierungen in den beiden deutschen Diktaturen.

Ist es also das Selbe? Oder doch nur das Gleiche? Ein Blick auf Hitlers Mittagstisch hilft: Der Führer, obgleich Vegetarier, aß am liebsten Leberknödelsuppe. Wer das heute tut, isst folglich wie Hitler, aber er ist deshalb noch nicht Hitler, nicht einmal Nazi ist er, sondern allenfalls Liebhaber einer braunen Ursuppe. Honecker hingegen liebte Bratwurst, wer die heute zu sich nimmt, isst in diesem Moment zweifelsfrei wie Honecker. Macht ihn das zum Kommunisten? Zum Dachdecker? Zum Diktator?

Nein. Das hat selbst die im richtigen Moment stets aufmerksame Taz in einem Gegengutachten zu Gabriels Verdikt festgestellt.

Doch den Unterschied zwischen "Vergleich" und "Gleichsetzung" auszumachen, bedarf es eben des Vergleiches, den Sozialdemokraten seit je her fürchten. In ihnen pocht die Angst vor dem möglichen Ergebnis, die Furcht vor einer Ameise, die plötzlich als Elefant über den Küchentisch krabbelt.

Sigmar Gabriel, der schon so lange von der populistischen Vergröberung lebt, dass er selbst nur noch grob in die Richtung denken und sprechen kann, in die er unterwegs ist, weiß als Tagespolitiker, dass immer nur zählt, was sich aktuell zum eigenen Zweck verwenden lässt. In diesem Fall fand er es hilfreich, den "Nato-Partner" (Merkel) und ewigen EU-Aufnahmekandidat Türkei mit dem Paragrafen 90 StGB zu drohen.

Das passt, denn der wurde in dunkler Vergangenheit deutscher Demokratie vor allem genutzt, um Sozialdemokraten abzustrafen.