Donnerstag, 30. April 2015

Mare Monstrum: Phoenix klaut bei PPQ

Seit Jahren bereits gehört Jakob Augstein zu den regelmäßigen Leserinnen und Lesern von PPQ. Hier wird ihm gehuldigt, hier werden seine Thesen wertgeschätzt und seine Kritiker mundtot gemacht.

Hier bedient sich Jakob Augstein denn auch gern, wenn nach packenden Formulierungen und griffigen Formeln sucht, um die Schuhe seines Vaters Martin Walser auszufüllen. Zuletzt angetan hatte es Augstein offenbar ein Beitrag, in dem der führende Europär Martin Schulz pünktlich wie der Leichenträger auftrat, um das Leid der im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge zu beklagen.

"Mare Monstrum" war der Text überschrieben - eine Formulierung, die auch Augsteins Redaktion beim Palaver von Augstein und "Spiegel"-Mann Nikolas Blome im Spartensender Phoenix gefiel. Zwei Tage nach Erstveröffentlichung bei PPQ wurde "Mare Monstrum" talkshowtauglich, als Augstein und Blome vor handverlesenem Publikum "Mare Monstrum - wer rettet die Flüchtlinge" diskutierten.

Staatsaffäre BND: Heulende Heuchler

Es war kein Aprilscherz, als die USA es der jungen Bundesrepublik am 1. April 1956 gestatteten, sich einen eigenen Nachrichtendienst zuzulegen. Flugs waren die verbliebenen Experten von Himmlers SS zusammengetrommelt, schnell wurde der bis dahin mit Erlaubnis der Amerikaner arbeitende Vorläuferverein Organisation Gehlen umgeschmiedet zu einem scharfen Schwert im Kalten Krieg gegen den Ostblock. Wobei immer klar blieb: Der bundesdeutsche Geheimdienst war Kellner, nicht Koch. Was, wie und wo wer bearbeitet wurde, das entschied noch immer der große Bruder überm Meer - und der behielt die Augen immer in alle Richtungen auf, denn Vertrauen ist gut. Aber Kontrolle ist besser.

Als der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder knapp 50 Jahre später entschied, den Amerikanern keine Truppen für einen Einmarsch im Irak zur Verfügung zu stellen, hatte er die Rechnung mit Präsident George W. Bush gemacht. Ein Handel besiegelte das Geschäft: Walter Steinmeier, heute Deutschlands Außenminister, hatte den USA im Tausch für die Schonung deutschen Truppen schon am 28. April 2002 in einem förmlichen Abkommen zugesichert, dass Deutschland auf Anfrage Daten zur Terrorismusbekämpfung an die NSA weitergeben werde.

Das hat Deutschland seitdem offenbar in einem Ausmaß getan, das - wäre es bekannt gewesen - für Erschütterungen selbst in der bei echten Anlässen stets aufregungsaversen deutsche Öffentlichkeit gesorgt hätte. "Seit 2002 lieferte die NSA dem BND täglich eine Liste mit Suchbegriffen, also Telefonnummern oder E-Mail-Adressen, um sie in die deutschen Datenbanken einzuspeisen", schreibt der "Spiegel", offenbar so verwirrt von dieser Praxis, dass er nachfolgend nicht die Frage stellt, welche Datenbanken da denn gemeint sein können. Sondern um den Komplex herumirrlichtert, wer denn wohl wann was gewusst und was vertuscht habe. BND-Chef Schindler? Steinmeier? de Maiziere? Pofalla? Altmaier? Die Kanzlerin gar?

Es ist egal, denn die Antwort liegt seit 1956 auf dem Tisch: Alle. Jeder einzelne der Verantwortungsträger wusste prinzipiell Bescheid über die bedingungslose Zusammenarbeit deutscher Dienste mit denen der USA, denn diese Zusammenarbeit ist eingeschrieben in die DNA von BND, Verfassungsschutz und MAD, deren Geburtsurkunden die USA unterschrieben haben. dass sie danach ein Auge auf die Kanzler gehabt haben, die unter ihnen dienen durften, liegt in der Natur der Sache. Und dass, wie jetzt bekannt wird, die deutschen Tochterfirmen nicht nur gelegentlich zu Hilfsdiensten herangezogen wurden, überrascht nur den, der von Amts wegen Überraschung heucheln muss.

Die Affäre um den BND und seine "Selektoren" ist damit selbstverständlich eigentlich eine "Affäre Merkel" (Sascha Lobo). Und steht wie zuvor die Affären um Christian Wulff und Sebastian Edathy beispielhaft für ein Staatsverständnis, das Demokratie nur dort für notwendig hält, wo eine Fensterrede gehalten oder eine Wahl gewonnen werden muss. Snowden war ein Unfall, der durch Ignorieren behoben werden konnte. Der BND-Skandal hingegen lässt so tief blicken, dass der Grund nicht mehr zu sehen ist, auf dem dieses Staatswesen ruht.

Mittwoch, 29. April 2015

Leipzig boykottiert Putins Schlächter

Das hatte sich der grausame Kreml-Herrscher schön ausgedacht: Während seine Fünfte Kolonne in Deutschland versucht, arglose Fußballfans in eine Abhängigkeit von russischem Klimagas zu bringen, macht ein persönlicher Bekannter Putins bei den verbliebenen deutschen Nicht-Veganern gut Wetter für den Diktator: Der esse Eisbein alle Deutschen und freue sich über Schalke-Trikots.

Mehr Propaganda für die Despotie, das Verspeisen toter Kadaver und einen Verein aus der Retorte, der den Sprung in den bezahlten Fußball nur durch eine fragwürdige Fusion schaffte, ist kaum vorstellbar - allerdings hat die "Bild"-Zeitung, die Tönnies eine Plattform für seine russophile Kreml-Werbung zur Verfügung stellt, offenbar auch guten Grund, mit den Verharmlosern der Verbrechen des früheren KGB-Offiziers ins Bett zu steigen. Aufmerksame Internetnutzer entdeckten jetzt, auf wessen Payroll Deutschland größtes Boulevardblatt steht: "Bild powered bei RT Ruptly" steht da - bei RT Ruptly handelt es sich nach einer tiefgründigen Analyse des renommierten "Tagesspiegel" um die Videotochter des staatseigenen russischen Senders Russia Today.

RT "soll Stimmung machen für Russland unter Putin", schreibt der "Tagesspiegel" über den "neuen Kampagnenjournalismus aus dem Kreml" - auch mit Hilfe von Deutschland größtem Boulevardblatt.

Widerstand ist rar, die verhängnisvolle Verbindung von veganfeindlichem Sentiment, russischen Werbedollars, klimaschädlichem Gazprom-Getrommel für Putin, dem sportlichen Schalke-Feigenblatt und der Medienmacht aus dem Hause Springer wird nirgendwo thematisiert. Doch wenigstens in Sachsen hält ein mutiger Theatermacher dagegen: Ein deutscher Heimatabend am Schauspiel Leipzig, bei dem unter dem Titel „Welcome to Germany“ ein Schwein auf offener Bühne zerlegt werden sollte, um den unmenschlichen Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier auf diese Weise zur gesellschaftlichen Realität zu erklären, wurde von Intendant Enrico Lübbe abgesagt.

Damit holt sich eine angebliche Theatergruppe namens Monster Trucker, deren Name schon eine gewisse Nähe zu Putins Nachtwölfe-Rockern zeigt, eine blutige Nase. Der Versuch des Kreml, Ostdeutschland über die Fleisch-Schiene zur Solidarität mit dem Aggressor aus dem Osten zu verleiten, ist damit gescheitert. Kostenlos für alle Kunstfreunde: Bereits gekaufte Karten werden an der Theaterkasse erstattet.

PPQ im ZDF: Jan Böhmermanns Seepferdchen

Die Lage war eigentlich ernst und angespannt, guter Rat unglaublich teuer. Wie sollte, so fragte sich Mediendeutschland, Europa auf die Opfer reagieren, die eine ungekannt heftige Fluchtwelle aus Nordafrika im Mittelmeer fordert? Wie könnte das Ertrinken Tausender verhindert und das Sterben beendet werden, ehe sich Wähler enttäuscht von ihren Politikern abwenden?

Hier bei PPQ war es, wo Entwicklungshilfeminister Gerd Müller mit einem ebenso mutigen wie ungewöhnlichen Vorschlag vorpreschte: Deutschland müsse, so der beliebte Politiker, angesichts des Umstandes, dass die meisten Afrikaner überhaupt nicht schwimmen können, vor allem in Schwimmunterricht investieren. Die Einrichtung von Schwimmschulungslagern in Afrika sei unumgänglich, die EU jetzt gefordert, Handlungsfähigkeit zu zeigen, sagte der CSU-Minister.

Der exklusive Gastbeitrag mit dem Titel "Seepferdchen für Afrika" erregte deutschlandweit großes Aufsehen - und regte schließlich sogar die Erfindungsgabe des beliebten Fernsehmoderators Jan Böhmermann an. Im ZDFNeo-Magazin Royale, einem der führenden Polit-Magazine der Republik, ließ Grimme-Preisträger Jan Böhmermann den PPQ-Vorschlag bereits am Tag nach der Erstverbreitung im Internet Revue passieren.

"Seepferdchen für Afrika", so die überaus originelle neue Überschrift des Videoclips, regt tatsächlich die Entsendung deutscher Schwimmlehrer nach Nordafrika an. Allerdings, so macht "Qualitätsjournalismus meets Bukkake-Party" (Böhmermann) das, ohne auf die Quelle zu verweisen: Gerd Müller, der mutig vorgeprescht war, wird nicht genannt. PPQ, das Internet-Leseangebot, das es gewagt hatte, den ersten realistischen Vorschlag in der - inzwischen vollständig abgeebbten - Debatte ungeachtet von Drohungen und Flaschenwürfen zu publizieren, wird totgeschwiegen.

Die Abfolge der Seepferdchen-Geschichten sei Zufall, hieß es auf Nachfrage in der Redaktion von ZDFneo. Man habe die Idee am selben Tag gehabt, "dienstags in unserer redaktionellen Themensitzung".

Dienstag, 28. April 2015

Verbot der Woche: Provokante Polit-Fahnen

Russen raus, Grenzen dicht, Palästina endlich als Staat anerkennen und Israel-Fahnen aus dem deutschen Stadtbild verbannen - auf dem Weh zu einem moralisch einwandfreien Erscheinungsbild hat die Berliner Polizei beim Spiel des Zweitligisten gegen Ingolstadt entschiedene Maßnahmen ergriffen: Gästefans wurden gezwungen, eine gegen den Frieden auf der Welt gerichtete Fahne des Judenstaates herunterzunehmen.

Begründet wurde die Maßnahme damit, dass in Stadien grundsätzlich keine politischen Symbole erlaubt sind. Im Unterschied zu polnischen, mexikanischen oder finnischen Flaggen gilt die Fahne des einzigen jüdischen Staates als solches. Sie provoziere die große palästinensischen Gemeinde in Berlin, schaffe damit Unfrieden und sorge für Gewalt.

Im Rahmen des deeskalierenden PPQ-Aktion "Verbot der Woche" wurden die Ingolstädter Fans, die in einem falsch verstandenen Akt von Missbrauch meinten, einem jüdischen Spieler ihrer Elf damit zujubeln zu müssen, deshalb von den Einsatzkräften gebeten, die Fahne vom Zaun abzuhängen. Das Einsammeln der gefährlichen Israel-Flagge erfolgte dabei auf Veranlassung des Höheren Polizeiführers.

Deutsche Willkommenskultur: Siegesfahrt abgesagt

Schafe im Wolfspelz: Kein Einlass für Verherrlicher der Befreiung vom Hitlerfaschismus!
Sollen Putins Rocker auch in Berlin Stalin als Helden feiern und die Einverleibung der ganzen Ukraine fordern dürfen? Sollen sie ungestört unabgestimmte und abweichende Meinungen zur Geschichte äußern, krude Thesen vertreten und die europaweit einheitlich festgelegte Position der EU zum Thema Sanktionen infragestellen dürfen? Sollen sie weiter behaupten dürfen, die Sowjetunion habe Deutschland vom Hitlerfaschismus befreit? Obwohl das doch die USA und Claus Schenk Graf von Stauffenberg getan haben?

Nein. Wer alle Grenzen unverfroren überschreitet, in Lederjacke und mit fettigem langen Haar, für den bleibt die Grenze dann auch dicht. Ein Kurzkommentar von Karl-Eduard von Schnitzler, exklusiv für PPQ.

Im Konflikt mit Russland hat die Bundesregierung bisher peinlich genau darauf geachtet, der faschistischen, nationalistischen und unmenschlichen Propaganda Putins nicht noch Nahrung zu geben. Dass der russische Präsident vor einem Jahr den Jahrestag des Kriegsendes auf der gerade annektierten Krim feierte, hielt die Kanzlerin für falsch, verurteilte die Geste aber nicht mit starken Worten, sondern sagte klug ihre Teilnahme an der Siegesparade zum 70. Jahrestag der Niederschlagung des Hitlerfaschismus in Moskau ab. Nimm das, Putin!

Mit dem Einreiseverbot für den Motorradclub „Nachtwölfe“ legt die deutsche Regierung nun nach: Ohne rechtliche Handhabe, nur gestützt auf die Gefühle ungenannter Nachbarländer, schränkt die Bundesregierung die Freizügigkeit ein. Dabei beruft sie sich auf eine ungebrochene Tradition von 1933 bis 2015 – nie durften Russen visafrei einreisen, niemals gab es eine die unterlegene Seite im Weltkrieg verhöhnende „Siegesfahrt“ in die deutsche Reichshauptstadt.

Gut so. Der neue Schutzwall gegen die Nachtwölfe ist bedauerlich, aber unvermeidlich. Denn beim Gedenken an den 8. Mai 1945 haben nicht nur Russen und Deutsche eine Stimme, sondern auch die Länder zwischen beiden Staaten. Es ist wichtig, dass Berlin auch auf sie Rücksicht nimmt. Was würden Polen, Balten und Tschechen davon halten, wenn Putins Rocker auch in Berlin Stalin als Helden feiern und die Einverleibung der ganzen Ukraine fordern würden? Wer alle Grenzen überschreitet, für den bleibt die Grenze dann auch dicht. Denn es ist klar, an unseren Staatsgrenzen gibt es nichts abzubröckeln, gibt es nichts abzubeißen, gibt es nichts durchlässig zu machen, denn wer an der Grenze rüttelt, der rüttelt am Frieden und dem wird auf die Finger geklopft, dass er sie in Zukunft nicht mehr gebrauchen kann, wie der Antifaschist Albert Norden einmal sagte.

Unsere EU-Grenzsoldaten haben diesen Nachtwölfen, diesen Putinfreunden, diesen falschen Menschenfreunden „eine richtige Antwort gegeben. Sie lassen sich weder durch die falschen Töne der Menschlichkeit noch durch Drohungen in unserem Dienst zum Schutz der Grenzen wankend machen“ (Heinz Hoffmann). Europa und nicht zuletzt Deutschland hat das gute Recht, den Russen vorschreiben zu dürfen, wie sie mit ihrer Geschichte umzugehen haben. Wir sind die Nation mit der größeren Wirtschaftskraft, wir haben Deutschland vom Russen zurückerobert und uns ganz Europa ohne einen Schuss untertan gemacht. Davon sollte der Russe lernen - Stalin geht gar nicht, das ist klar, hier muss der Russe zuerst einmal europäische Maßstäbe anlegen lernen, ehe er wieder herzlich eingeladen ist, seinen kurzzeitigen Triumph gegen Ende des 2. Weltkrieges inmitten des demokratisierten Berlin feiern zu dürfen.

Montag, 27. April 2015

Überwachungsstaat: Die Ahnungslosen im Inland

Nun kracht es ganz leise im Bundesgebälk, die treuen Medientruppen können die Tinte nicht mehr halten und die vorderste Verteidigungslinie musste bereits aufgegeben werden. Nichts gewusst hat das Bundeskanzleramt von der grundgesetzwidrigen Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit den US-Diensten beim Ausspionieren deutscher Bürger, Politiker und Firmen. Walter Steinmeier, bis 2005 Kanzleramtsminister, hatte keine Ahnung. Sein Nachfolger Thomas de Maiziere, amtierend bis 2009, wusste von nichts. Auch Ronald Pofalla und Peter Altmaier, letzterer immer noch im Amt, wurden vom Geheimdienst nie eingeweiht in die illegalen Aktivitäten.

Besser so für die Spitzenpolitik, die nun alles auffährt, um den Eindruck zu erwecken, dass der Dienst machte, was er wollte. Und die politisch Verantwortlichen nie auch nur eine Ahnung hatten, was da läuft.

Dem Kanzleramt scheine die Aufsicht über den BND völlig entglitten zu sein, poltert die von Fachwissen freie SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Ihr Genosse Steinmeier, der Teflon-Außenminister, der eben sein Bewerbungsschreiben für die Gauck-Nachfolge abgegeben hat, war jahrelang oberster Aufseher des BND.

Dies könne nicht ohne Folgen bleiben. "Ich schließe personelle Konsequenzen ausdrücklich nicht aus", fordert Fahimi knallhart einen Rücktritt des früheren Kanzlerkandidaten. Aber später,m natürlich, wenn sich alles beruhigt hat. Erst einmal brauche es aber eine langwierige Aufklärung, bei der vor Beginn schon klar ist, wohin sie führen soll. Der BND habe offensichtlich "ein Eigenleben entwickelt, das wir nicht akzeptieren können", sagt Fahimi, der es jetzt vor allem darauf ankommt, die politischen Verantwortungsträger zu schützen

In der Edathy-Affäre ist das gelungen, auch im Fall der Handyüberwachung der Bundeskanzlerin schaffte es eine geschlossene Front aus politischen Stichwortgebern und fleißigen Leitmedienprotokollanten, eine Realiät zu schaffen, in der die Welt noch in Ordnung ist.

Sprachgebrauch: Wie aus Fluchthelfern Schlepper wurden

Beruf im Wandel: Hartmut Richter (l.) war ein Fluchthelfer, der Kapitän des gesunkenen Flüchtlingsbootes (r.) hingegen ist ein Schlepper.
Die Sache ist doch völlig klar. Menschen, die Menschen helfen, unerträglichen Lebensbedingungen in vordemokratischen Staaten zu entkommen, sind Fluchthelfer. Selbst wenn sie Geld nehmen, überwiegt die gute Tat den Eigennutz, wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel im April 1975 feststellte: Zwei "Berufsschleuser" hatten zwischen 70 und 80 Mediziner gegen einen Kopfpreis von durchschnittlich 40 000 Westmark aus der DDR herausgebracht. Der "Spiegel" nannte die Männer selbstverständlich "Fluchthelfer", schließlich hatten sie Menschen bei der Flucht geholfen.

Vierzig Jahre später boomt das Gewerbe. In Nordafrika leben ganze Landstriche von Fluchthilfe, Käpitäne, Steuermänner, Matrosen, Bootsausrüster, sie alle kümmern sich darum, zehn- und hunderttausende Menschen vor politischer Verfolgung, vor Gewalt, Krieg, Korruption und religiösem Fanatismus in Sicherheit zu bringen. Nur der Begriff "Fluchthelfer" ist ausgestorben: Zwar nennt der "Spiegel" die Menschen, die da versuchen, aus Afrika nach Europa zu gelangen, wie die gesamte deutsche Presse gern "Flüchtlinge". Doch die, die ihnen helfen, flüchten zu können, sind keineswegs mehr "Fluchthelfer". Sondern "Schlepper".

Eine Begriffsveränderung, die nicht von ungefähr kommt, wie letzte Erwähnung des Wortes "Fluchthelfer" im "Spiegel" belegt. Getreu der Absicht erfolgt der Sprachgebrauch: In diesem Fall ging es um den chinesischen Menschenrechtsaktivisten Chen Guangcheng, also gegen China. Folglich ist der Schlepper kein Schlepper, sondern ein Fluchthelfer wie einst im Fall der Fluchten aus der DDR. "Flucht" wie "Hilfe" sind positiv besetzt, die Vokabel richtet sich damit aktiv aus einer Verteidigungshaltung heraus gegen den Fluchtstaat.

Anders sieht es aus, wenn etwa ein malischer Menschenrechtsaktivist an Bord eines libyschen Seelenverkäufers nach Italien aufbricht. Von Fluchthilfe wird hier in keiner deutschen Zeitung die Rede sein, nicht einmal davon, dass die Fluchtentscheidung ein souveräner Entschluss des Maliers ist. Nein, dem paternalistischen Grundverständnis deutscher Medienarbeiter Afrika gegenüber wird der Fluchtwillige zur Menschenmasse ohne eigenen Willen. Ein "Schlepper" bemächtigt sich seiner und "Menschenhändler" und gewissenlose Profiteure des Flüchtlingselends halten ihn in ihren Fängen.

Gut und Böse tauschen die Plätze, je nachdem, welchen Blickwinkel die Geschwätzdesigner aus der Bundesworthülsenfabrik für die Betrachtung der Wirklichkeit vorgegeben haben: Wer jemandem aus der DDR oder China heraushilft, ist ein Mensch, der nur das Beste will. Wer dasselbe für Menschen tut, die Syrien, den Irak, Libyen oder ein anderes verheertes nordafrikanisches Land verlassen will, ist ein skrupelloser Krimineller, dem die EU das Handwerk legen muss.

Sonntag, 26. April 2015

Ein Vertreter der radikalen Mitte


Als Reverend der Schlesischen Bitocken spricht zu uns: Andreas Rebers, Erzähler wundersam verquerer Geschichten, Freund der Architektin Sophia Hagia, Vertreter der radikalen Mitte (wenn sie nicht zu langweilig ist), Menetekel der Verwirrten und lammfrommer Hardcore-Analyst.

Wenn schon schweigen, dann nach der Uhr

Deutschland in Trauer, das ist immer ein Deutschland im Symbolschock. Der Bundestag erhebt sich, der Bundespräsident kniet nieder. Fahnen auf halbmast, Disco erst ab Mitternacht. Bei Günter Jauch zeigte sich das Elend der deutschen Erinnerungskultur in einer Sendung, bei der der ostdeutsche Hobbykapitän Harald Höppner unabgesprochen zu einer Schweigeminute für die Opfer der jüngsten Schiffskatastrophen im Mittelmeer aufrief.

Jauch, der mit allen Quotenwassern gewaschene Journalistendarsteller, stotterte. Heribert Prantl, der zuvor seine kruden Schuldthesen hatte verbreiten dürfen, schaute betroffen. Roger Köppel, eigens aus der Schweiz importierte Besetzung der realpolitischen Position in der Diskussion, machte eine Leichenbittermiene. Hans-Peter Friedrich, in allerlei Posten zuverlässig gescheiterter Politiker, strahlte über beide Feistbacken. Dann schaute Harald Höppner auf seine Uhr. Wenn Deutschland gedenkt, dann pünktlich und exakt.

Der Saal erstarrt. Alles steht. Gebannt schaut die Fernsehnation auf den Mann mit dem angewinkelten Arm. Entschleunigung total. Gedenken im Pausenmodus. Die Uhr tickt. Zeitdilatation als gelebte Fernsehpraxis. Zeit ist Geld. "Sie müssen nicht auf die Uhr schauen", sagt Günter Jauch.

Nach 42 Sekunden ist die Schweigeminute beendet.

Genozid: Was lange währt, wird Mut

 
Es war das über Jahrzehnte das am besten gehütetste Holocaust-Geheimnis deutschlandweit, ein Jahrhundertverbrechen, das im Dunklen blieb, von Politik und Medien ebenso totgeschwiegen wie vom Bundestag, der selbst zu runden Jubiläen des grauenhaften Geschehens keine Sekunde Zeit fand dem Schrecken zu gedenken und an die eigene Verantwortung zu erinnern.

1948 bereits war der Völkermord an den Armeniern, begangen vom Osmanischen Reich, als Völkermord bezeichnet worden. Deutschland reagierte auf die amtliche Einstufung mit derselben Ignoranz, mit der das für zahlreiche Menschheitsverbrechen verantwortliche größte europäische Land bis heute mit den Verbrechen an den australischen Aborigines und an den nordamerikanischen Indianern umgeht: Deutschland schwieg.

Erst 90 Jahre nach dem Beginn der Massaker, zuverlässig waren nun sämtliche direkt Beteiligte tot, hub im Bundestag ein zaghaftes Erinnern an, das dem Paradoxon des Unerinnerbaren folgt: Was der Mensch nicht selbst erlebt hat, kann er nicht erinnern, auch nicht, wenn er davon gelesen hat, weil seine ganze Erinnerung dann zwangsläufig daraus besteht, dass er gelesen, nicht, dass er erlebt hat.

Gerade dann aber erinnert der Mensch sich am liebsten, denn in diesen Situationen bleibt er in seiner Erinnerung emotional unbeteiligt. Der Bundestag, eine Art deutsches Haupterinnerungsorgan, ließ dem ersten Erinnern an den Völkermord an den Armeniern denn auch nur zehn Jahre nach der Premiere ein zweites folgen - noch mutiger diesmal, denn nach noch einem Jahrzehnt mehr vergangener zeit traute sich die höchste deutsche Volksvertretung nun sogar, das im ersten Anlauf noch "Massaker" genannte Morden knallhart "Völkermord" zu nennen.

Welch tapfere Tat von Bundespräsident Joachim Gauck, sich so zu äußern! Und das trotz der Drohung der mächtigen Türkei, Deutschland alle Liebe und Zuneigung zu entziehen! "Ein Mann, ein Wort - Völkermord", schreibt die "Welt", die immerhin schon 2002, knappe 87 Jahre nach den Ereignissen und 13 Jahre vor dem Bundestag vom Völkermord an den Armeniern berichtet hatte. Die Frankfurter Rundschau, den Völkermord von 1915 auch schon 2005 erstmals anprangerte, assistiert geradezu verwegen: "Das klare Wort ist Pflicht!"

Das lässt das Beste für die Zukunft hoffen, da geht noch mehr, da kann noch nachgelegt werden. Schon 2094 könnte der Bundestag die Ermordung von 800.000 Hutu durch Tusi einen Völkermord zu nennen. Die "Vernichtung des roten Mannes“ (Siegfried von Nostitz) in Amerika könnte schon anno 2059 zum 200. Jahrestag des Beginns der Ermordung von zwei Dritteln der amerikanischen Ureinwohner zum Thema in Hohen Haus werden. Das mahnende Gedenken an den Genozid, den die britische Kolonialmacht an etwa 90 Prozent der Aborigines beging, ist leider schon verpasst: 2011 hätte der Bundestag den Australiern die Leviten lesen können.

Samstag, 25. April 2015

Zitate zur Zeit: Griechische Mythen

Noch mehr Hilfe wird es nicht geben.

Martin Schulz, Präsident Europarlament, 4. August 2012

Fracking: Verrutschte Maßstäbe


Nein, auch das Bild nebenan stimmt nicht. Nein, auch in der langstreckten, tief nach unten reichenden Grafik ist der Maßstab verschoben, zu kurz ist das Bild, zu nahe der Oberfläche liegt die Stelle, an der Öl und Gas mit Hilfe von ins Gestein gepresstem Wasser, Sand und Chemikalen ausgewaschen und nach oben geholt werden. In Wirklichkeit passiert das nicht wie in der Schnittzeichnung in 800 Metern Tiefe. Sondern in dreitausend.

Aber vergleichsweise ist das Bild (links) beinahe annähernd richtig. Vergleichsweise zumindest zu den Bildern (rechts), mit denen in Deutschland die Furcht vor Fracking geschürt wird. Die zeigen in der Regel einen Bohrturm, von dem eine Bohrung bis in etwa 400 Meter Tiefe geht - allerdings auf einen Maßstab zusammengeschoben, der eher nach Hausbrunnenbohrung als nach Ölförderung in 3000 Metern Tiefe aussieht.

Das Ziel der Vereinfachung durch Stauchung ist klar. Wer Fracking mit dem Argument verhindern will, dass die unkonventionelle Ölförderung das Grundwasser vergifte, ist gut beraten, nicht offensiv damit zu werben, dass sich Grundwasser in Tiefen von vier bis 20 Metern und Quellwasser in Tiefen bis zu 450 Metern befindet. Während die unkonventionellen Öl- und Gasvorhaben, die den USA ein Comeback als Industriestandort und der restlichen Welt nebst einem halbierten Ölpreis ein Verstummen der unendlich lange repetierten Mär vom Oil Peak gebracht haben, in 3000 bis 5000 Metern Tiefe liegen.

Zweieinhalb bis dreieinhalb Kilometer Entfernung, die in den propagandistischen Strichzeichnungen und Logos der unzähligen "Fracking-stoppen"-Petitionen zu ein paar Millimetern schrumpfen. Mehr Platz war einfach nicht.

Angst in der Stadt! Angst auf dem Land! "Exxon und Co. wollen bundesweit mit Fracking Erdgas fördern – und gefährden damit auch unser Trinkwasser", heißt es dazu bei Campact, einer Art Empörungsmaschine im Internet. Dabei sei doch klar: "die Gasförderung unter Hochdruck – ob mit oder ohne Chemie – gefährdet Wasser, Mensch und Umwelt. Und auch um den Klimawandel einzudämmen, muss das Erdgas im Boden bleiben".

Einfacher geht es nicht, nur Verweise auf den Artenschutz und die Gendergerechtigkeit fehlen als Argument dafür, warum Fracking böse und der Energieausstieg samt seiner bislang unkalkuulierbaren gesellschaftlichen Kosten die bessere Alternative ist.

Aber Argumente sind traditionell völlig verzichtbar, wo es um Ideologie und Technikfeindlichkeit geht. Schließlich, schreiben die Fracking-Gegner, sehe "das Umweltbundesamt Fracking sehr kritisch. Es warnt, dass noch zu viele Informationen fehlen, um es als unbedenklich zu bezeichnen".

Das ist die nun schon die wirklich reinste reine Lehre der Fortschrittsfeinde: Was nicht als "unbedenklich" bezeichnet werden kann, ist kreuzgefährlich. Was man nicht weiß, macht einen richtig heiß.

Freitag, 24. April 2015

Wenn man nicht mehr weiter kann, macht man einen Zehn-Punkte Plan

Der große alte Helmut Kohl hat es vor 25 Jahren vorgemacht. Nur 19 Tage nach dem Mauerfall legte er einen Zehn-Punkte-Plan zur Wiedervereinigung vor - eine grandiose Idee, die überaus erfolgreich war. Und seitdem dafür sorgt, dass jeder, der nicht weiter weiß, augenblicklich verkündet, er werde mit einem Zehn-Punkte-Plan dafür sorgen, dass alles bald so wird, wie es sich die Menschen draußen im Land schon immer erträumten.

Es gibt inzwischen einen Zehn-Punkte-Plan fürs Alter von der Allianz-Versicherung, einen Zehn-Punkte-Plan gegen Crystal von der Landesregierung in Sachsen, einen Zehn-Punkte-Plan der CDU "für den Wachstumsmotor", Sigmar Gabriels Zehn-Punkte-Plan für die Energiewende, einen Zehn-Punkte-Plan für Flüchtlinge in Hamburg, einen Zehn-Punkte-Plan gegen sexuellen Missbrauch, einen zur Antibiotikareduktion, einen anderen gegen Fluglärm, einen von Bund und Ländern gegen Pferdefleisch-Betrug, einen der EU zur Abmilderung der Folgen der Wirtschaftskrise, einen der Familienminsiterin zum Kita-Ausbau und einen der Bundesnetzagentur gegen steigende Strompreise.

Der Zehn-Punkte-Plan ist ein magisches Mittel für und gegen alles, es wird verabschiedet, verkündet und später nie wieder erwähnt. So ging es dem Zehn-Punkte-Plan für bessere Schulen in Berlin, Peer Steinbrücks Zehn-Punkte-Plan zur Senkung der Strompreise, dem Zehn-Punkte-Plan gegen Rassismus, den der Bundesintegrationsrat 2012 beschloss, und dem Zehn-Punkte-Plan zur Energiewende, den der heute als Kanzleramtsminister um die Geheimnisse der Geheimdienste bemühte ehemalige Bundesumweltminister Peter Altmeier sich einst ausdachte, um auch mal wieder in die Tagesschau zu kommen.

Der Zehn-Punkte-Plan der EU zur Eindämmung der Flüchtlingsplage folgt demselben politischen Kalkül. Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech hat das Papier für PPQ aus dem Propagandistischen ins Deutsche übersetzt.

1. Die EU-Grenzschutzprogramme Triton und Poseidon bleiben, das Flüchtlingsschutzprogramm Mare Nostrum kommt nicht zurück. Das Budget wird auf 108 Millionen Euro erhöht und beträgt nun fast ein Zehntel der Summe, die die EU für ihr umfassendes Programm gegen den Terror eingeplant hat.

2. Die Boote von Schleusern sollen beschlagnahmt oder zerstört werden, das treibt die Boots- und Schiffspreise in Libyen nach oben, damit auch die Tarife für Schleusungen.

3. Schleuser bekommen es nun mit Europol, der EU-Grenzschutzagentur Frontex und der Justizbehörde Eurojust zu tun. Alles wie bisher.

4. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) schickt Leute nach Italien und Griechenland, die Asylanträge schneller bearbeiten können. Noch unklar, ob sieben oder acht Kollegen delegiert werden.

5. Die Fingerabdrücke aller Flüchtlinge werden künftig erfasst, das bietet ganz neue Überwachungsmöglichkeiten.

6. In Notfällen sollen Flüchtlinge in Europa verteilt werden.

7. In einem Pilotprojekt für Notfälle werden 5000 anerkannte Flüchtlinge als Testpersonen EU-weit verteilt.

8. Ein weiteres neues Projekt, das noch keinen Namen hat, soll testweise herausfinden, ob die schnelle Abschiebung illegaler Einwanderer möglich ist.

9. Die EU-Kommission schlägt eine Zusammenarbeit mit den stabilen Demokratien Ägypten, Mali, Sudan, Tschad, Algerien, Niger und Tunesien vor, die rund um Libyen liegen.

10. Verbindungsbeamte für Einwanderungsfragen werden in EU-Drittstaaten entsandt, wo sie Informationen zu Flüchtlingsströmen sammeln können, auf deren Grundlage dann später neue Zehn-Punkte-Pläne erstellt werden können.

G36-Skandal: Rettungspaket für Heckler&Koch

Beliebt bei Rebellen und Islamisten im Nahen Osten: Im Islamischen Staat schießt das G36 prächtig.
Aufatmen, Erleichterung und Riesenjubel im baden-württembergisch Oberndorf am Neckar, als Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen das langerwartete Todesurteil verkündet: "In seiner jetzigen Form hat das G36 in der Bundeswehr keine Zukunft", sagt die frühere Familien- und Arbeitsministerin. was sich für Außenstehende anhört wie eine verheerende Neuigkeit für den mittelständischen Waffenhersteller Heckler&Koch in Oberndorf, ist in Wirklichkeit die Rettung für das angeschlagene Unternehmen, das nach dem Krieg von Mitarbeitern der angesehenen Mauserwerke gegründet wurde: Mit der Anschaffung von 180.000 Ersatzgewehren für das unter Präzisionsproblemen leidende G36-Sturmgewehr, eine Weiterentwicklung des Wehrmacht-Sturmgewehres 45, wird die Bundeswehr der Firma rund 180 Millionen Euro überweisen. Für Heckler&Koch ist das mehr als ein Jahresumsatz.

Allerdings hatte das Unternehmen auch schon bessere Zeiten mit höheren Umsätzen und schönen Gewinnen. Dann aber machte sich die Moral immer breiter im Außenhandel, ein Wirtschaftsminister verweigerte immer öfter Ausfuhrgenehmigungen für deutsche Waffen und die Bundeswehr trat als Konkurrent auf, indem sie angejahrte Schießprügel billiger an Kunden in der 3. Welt abgab als Heckler&Koch sie liefern konnte. Der Oberndorfer Pistolen- und Gewehrhersteller geriet ins Straucheln, der Umsatz brach um rund ein Drittel ein.

Dramatisch für eine Firma, die finanziell ohnehin nicht auf Rosen gebettet ist. Seit der Übernahme durch den in Großbritannien lebenden Unternehmer Andreas Heeschen, der zuletzt mit der Gartenbaufirma Wolf pleite ging, ist das Kreditrating von Heckler&Koch auf Ramschniveau gesunken. Zuletzt wurden Schulden bezahlt, indem neue Schulden aufgenommen wurden, für die H&K 9,5 Prozent Zinsen im Jahr bezahlt. Für die gesamte Anleihe über 295 Millionen Euro werden damit im Jahr 28 Millionen Zinsen fällig - für ein Unternehmen, das nur noch rund 155 Millionen Euro Umsatz macht, sind das 18 Prozent aller durchlaufenden Geldmittel.

Nächster Zahltag ist der 15. Mai, die Gläubiger zweifeln allerdings heftig daran, dass die nächsten zwei Zahlungen erfolgen werden - der Kurs der Anleihe mit der WKN A1KQ5P steht derzeit nur noch bei etwas mehr als der Hälfte des Ausgabewertes, die Rendite ist auf fast 30 Prozent gestiegen. Ein sicheres Zeichen der nahen Pleite.

Nun aber kommt das Bundesverteidigungsministerium als Retter. Zum Ausgleich für verweigerte Exportgenehmigungen setzt die gewiefte Verteidigungspolitikerin von der Leyen nicht auf langfristige Bestellungen oder gar ordnungsgemäße Beschaffungspläne. Nein, mittels einer kurzen Panik-Kampagne über befreundete Medien lässt sie die Öffentlichkeit binnen einer Woche beschaffungsreif schießen.

Die Bundeswehr kauft demnächst 180.000 Ersatzwaffen für das 1997 eingeführte G36.

Heißester Kandidat ist das Heckler&Koch-Gewehr HK416.

Donnerstag, 23. April 2015

Doku Deutschland: Software für die zinslose Zukunft

Nicht nur der Bundesfinanzminister, sondern auch der Software-Programmierer Tergun Erhaudan profitiert von den Erleichterungen, die die grassierende Deflation aufgrund fehlender Nachfrage mit sich bringt.

Während der Bundeshaushalt bei den Zinsen Milliarden spart, was langfristig dem gesamten Volk zugute kommt, bringt die bis ins Negative gedämpfte Inflation Erhaudan viel neue, ungewohnte Beschäftigung. Erhaudan schaut optimistisch in die Zukunft. Es wird nicht nur alles gut. Nein, es wird noch viel besser.

Es gibt immer mehr Arbeit für mich. Die Banken müssen ihre Software umstellen, weil die Negativzinsen sonst nicht verbucht werden können.

Da muss ich wohl demnächst ran. Eigentlich übersetze ich nur noch, ist viel interessanter. Aber nun ist TSHTF-Zeit.

Wenn du dir 10.000 Kredit von der Bank nimmst, gabs das bisher für null Prozent Zinsen, ok. Schafft der Computer. Aber wenn du jetzt bald Zinsen kriegst für das Geborgte, da wird der Computer vollkommen irre im Kopf.

Der rastet in einer Endlosschleife aus, wo es kein Entkommen mehr gibt. Hitzetod durch geschmolzene Schaltkreise.

Deshalb müssen alle pensonierten Programmierer nun ran, um das irgendwie in die Algorithmen zu kriegen. RPG II beherrsche ich aus dem FF.

Und wenn wir das geschafft haben zu programmieren, gehts gleich weiter beim Aldi. Negative Preise programmieren.

Mediendeutschland: Abgefüttert mit Ersatzthemen

Ein Jahr wie im Rausch, aufgeregt, kribbelig, empört und fasziniert, das ist dieses 2015 bisher. "Mediendeutschland zeigt seine ganze Klasse", urteilt der Medienwissenschaftlers Hans Achtelbuscher über das erste Jahresdrittel, das geprägt war von einer bedingungslosen Themenhatz. Ukraine und Griechenland, die Euro-Rettung, Pegida, der mutmaßliche Selbstmordflieger Andreas Lubitz, der Flüchtlingsansturm aus den destabilisierten jungen Demokratien Nordafrikas und schließlich das grauenhafte Sterben im Mittelmeer - mit seinem jungen Forscherteam vom An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale hat Achtelbuscher das fortwährende Themensterben in der deutschen Medienlandschaft in einer großangelegten Studie untersucht und festgestellt, dass es nach Thilo Sarrazin zum ersten Mal wieder einem einzelnen Menschen gelungen ist, die Medienagenda Deutschlands deutlicher zu bestimmen als alle Großthemen.

Zwar habe der Germanwings-Pilot Andreas Lubitz nach der von Achtelbuscher vor Jahren entworfenen und heute vielbeachteten Medienwirkungseinheit Emp nur einen Haftwert von drei erreicht, was einer Verweildauer des Themas von knapp drei Wochen entspricht. "Dafür aber gehörten diese drei Wochen ihm nahezu allein."

Schwer hätten es zuletzt vor allem die Dauerthemen aus der Weltpolitik gehabt. Euro-Rettung, Griechenland-Rettung, Ukrainekrieg, überall hier sei ein nach Jahren dauernder Bombardierung mit sogenannten Non-Infos eine Publikumsermüdung eingetreten, die mittlerweile auch auf die Berichterstatter übergegriffen habe. "Da herrscht nur noch Überdruss, man berichtet pflichtgemäß, hat diese sperrigen Themen aber wegen ihrer hohen Bedeutung im Grunde längst abgeschrieben." In den Programmpläne von führenden Nachrichtensendungen und Leitmagazinen habe stattdessen ein unerwartetes Thema wie Pegida Punkte gemacht: "Menschen, die aus eigenem Entschluss auf die Straße gehen und Forderungen stellen, die mit keiner Parteizentrale abgesprochen sind - das war wie Mann beißt Hund", analysiert der Wissenschaftler das Faszinosum Pegida.

Das sich allerdings auch nach zwei Monaten erschöpft hatte. "Glücklicherweise kochte gerade zu diesem Zeitpunkt die Griechenland-Krise erneut ein wenig hoch, so dass ein Ersatzthema zur Hand war." Weil das wegen der akuten Publikumsermüdung aber nur partiell tragfähig war, hätten Medien dem Germanwings-Piloten Andreas L. so viel zu verdanken. "Er kam, als die endgültige Rettung Griechenlands zum neunten Mal verschoben und die Ukraine-Krise durch Putins unverantwortliche Politik komplett erschlafft war."

Wie im zweite Hauptsatz der Mediendynamik beschrieben, traten Großereignisse auch hier nicht gleichzeitig auf, sondern fein säuberlich hintereinander, als plane eine große göttliche Regie den Ablauf von Flugzeugabstürzen, Prominentenhochzeiten, Sportevents und Skandalen. Direkt nach dem Abklingen der "Lubitz-Wallung", wie Achtelbuscher die mediale Auseinandersetzung mit dem mutmaßlichen Pilotenselbstmord nennt, startete die Berichterstattung über die "Mittelmeermorde der EU" (Heribert Prantl), begleitet vom Jubel über das 6:1 der Bayern im Viertelfinale der Champions League.

"Wir können heute sagen", so fasst Herbert Achtelbuscher seine Forschungsergebnisse zusammen, "dass die Digitalisierung keinerlei Auswirkungen auf die Geltung des ersten Gesetzes der Mediendynamik hat, nach dem die Welt in keinen Schuhkarton passt, unweigerlich aber in 15 Minuten Tagesschau."

Achtelbuschers Analysen: Mediale Bedeutung in Zeiten der Bedeutungslosigkeit

Mittwoch, 22. April 2015

Ein Seepferdchen für Afrika

Zwei erfahrene deutsche Schwimmlehrer warten am Mittelmeer auf Schüler - im Moment allerdings noch auf der falschen Uferseite.
Angesichts der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer plädiert Entwicklungsminister Gerd Müller für die Einrichtung von Schwimmschulungslagern in Afrika. Die EU sei jetzt gefordert, Handlungsfähigkeit zu zeigen, sagte der CSU-Minister. Es sei notwendig, dass die Außen- und Innenminister der EU bis zu ihrem nächsten Krisentreffen nicht nur eine Verdoppelung der Mittel, sondern auch einen konkreten Einsatzzweck beschließen.

Müller sieht in verstärktem Schwimmunterricht für Menschen aus den Flüchtlingsgebieten eine Möglichkeit, Leben zu schützen. Beim verheerenden Untergang eines Flüchtlingsbootes am letzten Wochenende waren nahezu 900 Menschen ertrunken, obwohl ihr Schiff erst gekentert war, nachdem es ein herbeieilendes Rettungsschiff gerammt hatte. Eine Ursache sehen Experten darin, dass die meisten Flüchtlinge nicht schwimmen können, weil sie es nie gelernt haben.

Müller will das durch die Einführung von flächendeckendem Schwimmunterricht in allen afrikanischen Schulen ändern. In Kombination mit dem Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere,in Nordafrika große Sammellager für Fliehende einzurichten, ergebe das Sinn, so Müller. Während die Menschen dort zwei bis drei Jahre lang auf die Genehmigung ihrer Asylanträge warteten, könnten sie unter der Regie von DLRG und DSV das Schwimmabzeichen ablegen. "Abgelehnte Asylbewerber wären auf ihrer späteren Flucht dadurch sehr viel sicherer." Die Initiative "Seepferdchen für Afrika" solle Teil eines Gesamtkonzeptes zur Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge sein, an dem sich alle 28 EU-Staaten beteiligen." Müller fügte hinzu: "Dies ist eine Bewährungsprobe für die europäische Handlungsfähigkeit."

Auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sprach sich dafür aus, die Flucht nach Europa zu erleichtern. "Wir müssen den afrikanischen Flüchtlingen legale Wege aufzeigen, um das Mittelmeer zu überqueren", sagte er. Der geplante Bau einer Brücke von Tunesien nach Sizilien sei leider nicht sofort umsetzbar, weil Naturschutzbelange die Planungen verzögern. Deshalb brauche Europa eine Doppelstrategie, um die Flüchtlingstragödie zu beenden: "Wir müssen einerseits ganz schnell den Schwimmunterricht intensivieren. Gleichzeitig müssen wir den mörderischen Schlepperbanden im Fernsehen immer wieder den Kampf ansagen – und zwar laut, damit die Wähler zumindest den Eindruck haben, wir tun sofort etwas."

Halal: Scharia-Banking für alle

Bis dato hat es lediglich ausgewählte Finanzdienstleister gegeben, die von Deutschland aus Banking und Geldanlage nach strengen islamischen Regeln im Programm hatten. Zinsfreie Sparguthaben mit dem Segen hoher geistlicher Würdenträger boten allenfalls zweifelhafte Nischenprodukte etablierter Anbieter, die mit einem Halal-Gutachten für ihre Konten warben.

Allerdings eröffnet die aktuelle Niedrigzinsphase jetzt auch anderen Instituten die Möglichkeit, immer mehr deutschen Kunden echtes Halal-Banking anzubieten. Seit die Konditionen für Tagesgeld Anfang des Jahres noch einmal deutlich gesunken sind, hat sich die Durchschnittsverzinsung für Besitzer von Spargroschen mehr als halbiert.

Die Frage der Verzinsung stellt sich so bei vielen Banken gar nicht mehr. Tagesgeld wird hier halal angenommen, also nach den strengen Vorgaben des Koran, der Zinsen rundheraus verbietet. Jede fünfte Bank zahlt mittlerweile überhaupt keine Zinsen auf niedrige Anlagebeträge (2500 Euro) mehr, geht aus einer Untersuchung des unabhängigen Verbraucherportals Verivox hervor. Ein Beispiel dafür ist die Sparda-Bank Hamburg.

Das ehemals verpönte Islamic Banking ist damit europaweit konkurrenzfähig. Entsprechende Angebote richten sich dank der klugen Tiefzinspolitik der EZB nicht mehr nur alleine an die etwa vier Millionen Muslime, die in Deutschland leben. „Auch für Christen und Juden und für alle, die unsere Maßstäbe teilen, ist unser Angebot interessant“, verriet ein Banker dem Nachrichtenmagazin Focus.

So wächst zusammen, was zusammengehört. Nicht nur der Islam ist heute ein Teil von Deutschland, sondern auch das Zinsverbot. Die Wertmaßstäbe, nach denen sich islamisches Banking richtet, sind weit über die bereits gläubige Zielgruppe konsensfähig. Islamische Banken engagieren sich nicht in Bereichen wie Rüstung, Alkohol, Glücksspiel, Tabakwaren oder Prostitution, ein Ethikrat aus Islamwissenschaftlern und Wirtschaftsexperten wacht über die Einhaltung dieser Grundsätze.

Dienstag, 21. April 2015

Judenhass im Bundestag

Gerade noch gedachte der Bundestag der Opfer des Holocaust und Bundespräsident Joachim Gauck forderte wie immer keinen Schlussstrich unter das unselige Kapitel der Judenverfolgung zu ziehen. Und schon ist es soweit: In Deutschland wird die Judenverfolgung fortgesetzt, diesmal direkt im Bundestag.

Wie die Times of Israel berichtet, gelang es im 70. Jahr nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erstmals, beim Bundestagsprogramm „Internationales Parlamentsstipendium“ wieder massiv Juden zu diskriminieren. Im Rahmen des Programms arbeiten hundert Hochschulabsolventen aus 30 Staaten jeweils fünf Monate in Abgeordnetenbüros, um die Funktionsweise der parlamentarischen Demokratie kennenzulernen.

Erstmals waren in diesem alle Teilnehmer nach ihren Herkunftsregionen geordnet worden - dabei landeten die jungen Israelis bei zentralen Veranstaltungen folglich in einer Gruppe mit jungen Libanesen und Palästinensern.

Aus dem gemeinsamen Studium der demokratischen Grundlagen und ihrer parlamentarischen Verwirklichung aber wurde nichts. Weil die arabischen Teilnehmer sich weigerten, gemeinsam mit den Israelis auf einer Bühne aufzutreten. Auch als versucht wurde, die explosive Mischung zu verdünnen, indem der Gruppe Vertreter weiterer sieben Staaten zugeteilt wurden, blieb es beim Boykott. Ehe die israelischen Teilnehmer nicht ein Papier unterzeichnet hätten, in dem die Illegalität der israelischen Besatzung und angebliche Kriegsverbrechen an Palästinensern anerkannt werden.

Keine ganz legitime Forderung, wie die Leitung des IPS-Programms fand. Sie drohte zumindest damit, die arabischen Teilnehmer aus dem Programm zu werfen. Überlegten es sich dann aber doch anders: Die Gruppen wurden neuorganisiert, die Araber durften mit anderen Arabern auftreten. Die Juden dagegen gingen wie immer ganz allein.

Eine Staatsaffäre aber ist das nicht, nicht mal eine Geschichte für die Medien. Dort kommt das Thema nicht vor, allenfalls ein paar Blogger interessieren sich.

Martin Schulz im Mare Monstrum

Einen Spitzenpolitiker zeichnet der routinierte Umgang mit akuter Aufregung aus. Versagt dem normalen Menschen angesichts aufbrechender Schrecken die Stimme, verdoppelt der Spitzenpolitiker einfach die Sprechgeschwindigkeit. Irgendetwas gibt es immer zu sagen, und falls einem partout nichts einfällt, holt man einfach die Spickzettel vom letzten Mal hevor.

Martin Schulz ist ein Spitzenpolitiker, eine Führungskraft der europäischen Sozialdemokratie und der höchste Europa-Parlamentarier aller Zeiten. Martin Schulz trägt seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht nur einen fusseligen Bart, sondern auch europäische Verantwortung. Aber Schulz ist aber niemals schuld: Er hat im Zweifelsfall immer rechtzeitig gewarnt, er immer schon vorher gemahnt, er hat Europa auf seine Verpflichtungen verwiesen und seine Politikerkollegen an ihre Aufgabe erinnert.

Natürlich verhält sich das auch auch so, wenn die Menschen zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken. Martin Schulz, der wenn schon nicht Bundeskanzler, so doch wenigstens Kanzlerkandidat werden möchte, ist mit gutem Rat zur Stelle, noch ehe die Leichen getrocknet sind. Nein, der Sozialdemokrat fordert keinen Brückenbau nach Afrika und keinen Schwimmunterricht für Araber. Er macht es sich leichter und wirft den EU-Ländern Tatenlosigkeit vor.

Wieviel tatkräftiger er doch ist! Schon 2013, als gerade ein paar hundert Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken waren, wusste Martin Schulz, der Buchhändler aus Eschweiler, wie einfach eine Lösung der Flüchtlingsproblematik sein könnte: Hätte Deutschland ein Einwanderungsgesetz, dann könnten sich die Menschen legal darum bewerben, hierher flüchten zu dürfen. Niemand müsste mehr das Menschenhändlerboot nehmen!

Zudem bestehe "eine humanitäre Verpflichtung des reichsten Kontinents der Erde, diese Menschen aufzunehmen". Schließlich, so Schulz, sei es zwar für eine Insel wie Lampedusa, die 6000 Einwohner zählt, eine Katastrophe, 10.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Aber "wenn Sie 10.000 Menschen unter 507 Millionen Europäern in 28 Mitgliedstaaten verteilen, ist das machbar".

Damals kamen 127.000 Flüchtlinge im Jahr nach Deutschland.  Schulz´ Mahnungen fruchteten und heute kommen doppelt so viele. Es sterben allerdings auch doppelt so viele beim Versuch, das Mittelmeer zu überwinden. Niemand weiß, woran das liegt.

Dennoch hat Schulz später nie wieder über seine Idee gesprochen, die Flüchtlingskatastrophe abzumildern, indem Europa einfach mehr Flüchtlinge aufnimmt. Der europäische Parlamentspräsident hat überhaupt nie mehr Stellung genommen zur Frage der Flüchtlingsströme über das Mittelmeer, die ein direkte Folge der Niederschlagung der diktatorischen Regimes im Norden Afrikas zu sein scheint. Es war so viel anderes zu tun und vor allem zu sagen. Griechenland musste gerettet, der Euro geschützt, die Ukraine befreit, Russland verurteilt und eine Wahl gewonnen werden, die tragischerweise trotzdem verloren ging.

Kaum aber ertrinken wieder Hunderte, ist Martin Schulz wieder da, pünktlich wie der Leichenträger. Ein Mahner, den sein Geschwätz von vorgestern so viel schert wie den Tauben ein Fahrradklingeln. Hieß es damals, 2013, "Europa muss endlich anerkennen, dass es ein Einwanderungskontinent ist, deshalb brauchen wir ein legales Einwanderungssystem", heißt es heute kaum variiert „wir müssen erkennen, dass wir ein Einwanderungsgebiet sind und eine legale, geordnete Einwanderungspolitik benötigen“.

Damit ist auch dieses große Problem gelöst. Zumindest für Martin Schulz. Er hat etwas dazu gesagt, hat gemahnt und andere an ihre Verantwortung erinnert.

Montag, 20. April 2015

Doku Deutschland: Keine Rücksicht nehmen

Es war die Aufwallung eines warmen Winters, eine Massenbewegung, die nie wirklich Massen erreichte, aber mangels anderer Aufregerthemen Massenmedien in Aufregung versetzte setzte. "Pegida" personifizierte für einige Monate die Kluft zwischen Politik und Bevölkerung, zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung und zwischen demokratischen Rechten und deren Ausübung. Das Abendland stand vor dem Untergang, weil ein paar tausend Sachsen der Ansicht waren, sie könnten auch für Ansichten auf die Straße gehen, die im SPD-Vorstand Diskussionsbedarf auslösen würden, bei der CDU ein Kanzlerwort erfordern und bei den Grünen nicht ganz mehrheitsfähig sein könnten.

Inzwischen ist es vorbei, die Pegida-Kriege sind vorüber. Zeit für die militante Linke, zur letzten Schlacht zu rufen. In Leipzig, einst Heimat der "militanten Gruppe", die nie gefasst werden konnte, trommelt der bildungsschwache Rest vom bunten Widerstand zu radikaler Randale. "Kein Rücksicht nehmen", heißt es im Aufruf  zum Krawall, den die legasthenische "Riot Crew" mit "Es richtig krachen lassen" überschrieben hat.  PPQ dokumentiert  das Papier in der apokalypsebegleitenden Serie "Doku Deutschland".

In Leipzig lief gegen Legida so einiges, jedoch konnte der Aufmarsch nie verhindert werden. Erfolge waren lediglich Routenänderungen und den Polizeiapparat soweit zu fordern, dass es eine Weile aus Sicherheitsgründen nur eine stationäre Kundgebung für Legida wurde und das marschieren nicht abgesichert werden konnte. Dies hat sich in den letzten Wochen jedoch geändert, ein Grund dafür ist, dass weite Teile der so genannten "Zivilgesellschaft" sich komplett zurück gezogen haben. Es ging diesen Akteuren von Anfang an nur darum im Januar sich als die buntere Stadt in Sachsen zu verkaufen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Pegida und Co. viel weitestgehend aus, auch was die absehbaren Folgen dieser rassistischen Mobilisierung sind und waren. Steigende Zahlen von Angriffen und Übergriffen auf all jene, die den Rassisten und Rassistinnen nicht in ihre Vorstellung von Volk und Heimat passen.

Daher wird Legida auch nicht wegen ihren widerlichen Rassismus und Nationalismus kritisiert, sondern weil Straßen gesperrt sind, Straßenbahnen nicht fahren, oder der Konsum gestört wird.

Wir sagen daher, scheiß drauf, es brauch keine Rücksicht mehr genommen werden! War im Januar der Aufschrei in der Stadt wegen eine Spontandemonstration riesig bei der gezielt Objekte angegriffen wurden, brauch sich jetzt niemand mehr darüber Gedanken machen ob dies oder jenes vermittelbar ist.

Leipzig versucht seit Jahren sich als "weltoffen und tolerant" zu präsentieren. Sie ist es nicht. egal wie oft dieses Image noch vermarktet wird. Dies zeigt sich auch ganz klar darin, dass sich heute lediglich noch einige hundert Linke Woche für Woche gegen Legida stellen. Diese wenigen werden seit Wochen von der Polizei angegriffen und mit Anzeigen überzogen. Es ist an der Zeit zurück zu schlagen!

Daher bleibt es zwar am Montag das Ziel dem rassistischen Legida-Haufen in den Arsch zu treten, aber sich nicht ausschließlich darauf zu fokussieren. Gebt der Stadt und den Cops die Quittung für die letzten Wochen. LASST ES KRACHEN UND KNALLEN!

Die Routenänderung halten auch wir für eine gute Sache, in den vergangen Wochen hat sich gezeigt, dass die Cops mit Änderungen im Ablaufplan nicht umgehen können, nutzen wir das aus.

Gehen wir die Cops an! Machen wir die City platt!

Scheißt auf die Demos und angemeldeten Kundgebungen, findet euch zusammen und legt los! Wo ihr wollt und wie ihr wollt! Legida und Stadt bestimmen den Zeit und den Ort, wir den Preis!

RiotCrew

Geheimwaffe Friedensgewehr

Mit Unverständnis und anmaßender Kritik haben zahlreiche deutsche Medien die Mitteilung des Bundesverteidigungsministeriums aufgenommen, dass die deutschen Streitkräfte seit Jahren mit einer Standardwaffe ins Feld gehen, die Menschenleben schützt, Konflikte entschärft und Gegner vor körperlichen Schäden weitgehend bewahrt. Von angeblichen "Präzisionsproblemen" ist die Rede, selbst ein Gutachten, das die Wirksamkeit des neuartigen Friedensgewehrs eindeutig belegt, wird in einer Atmosphäre des Hasses und des Blutdurstes falsch ausgelegt.

Dabei spricht das Expertenurteil für das zuvor bereits bei Hubschraubern, Kampfflugzeugen und Drohnen getestete Projekt: Das Sturmgewehr G36 schießt schon nach kurzer Einschusszeit äußerst zuverlässig am Ziel vorbei, Treffer mit dem Gewehr, die die Gesundheit von Umstehenden oder sogar Menschenleben gefährden könnten seien, so die Experten, nahezu ausgeschlossen.

Nur kalt ist die Präzisionswaffe gefährlich. Kommt es jedoch durch Sonneneinstrahlung oder Lauferhitzung infolge von Gebrauch zu einer Temperaturveränderung um 30 Grad, ist durchschnittlich nur noch eine Trefferquote von 30 Prozent möglich. Bei einer Temperaturänderung von 15 auf 45 Grad, wie sie in einer typischen Gefechtssituation nach wenigen Minuten eintreten kann, fällt die Trefferwahrscheinlichkeit sogar auf sieben Prozent.

Das G36 sei damit eine typische Friedenswaffe, weil der Feind kaum fürchten muss, getroffen zu werden, heißt es in dem vom Planungsamt der Bundeswehr erstellten Teil des 372 Seiten starken Gutachtens. Die Bundeswehr schließt damit als erste Armee weltweit die Verletzung von Personen im Gefecht weitgehend aus. "In fordernden Gefechtssituationen ist das gezielte, präzise Bekämpfen eines Gegners nicht zuverlässig möglich", loben die Gutachter.

Tödliche Gefahr: Das geheime Makarow-Gewehr

Sonntag, 19. April 2015

HFC: Schwere Beine gegen Störche

Gegen Kiel die beiden Besten beim HFC: Florian Brüggmann und Osayamen Osawe (vorn).
Zweiundsechzig Stunden sind am Ende des Spiels des Halleschen FC gegen den Tabellenzweiten Holstein Kiel nur vergangen seit dem Pokalsieg beim Erzfeind in Magdeburg und allein dieser Umstand macht aus dem Remis auf der Anzeigetafel einen Sieg für die Rot-Weißen. Klatschend bedankt sich Ivica Banovic auf einer ausgedehnten Stadionrunde beim Publikum, auch Kruse klatscht, dahinter aber laufen Daniel Ziebig und Andy Gogia, die mit rudernden Händen diskutieren. War hier heute mehr drin? Muss man zufrieden sein? Oder darf man sich ärgern?

Geschmackssache. Denn Kiel hat den besseren Start ins Spiel, mit zwei Großchancen auch, weil Marco Engelhardt einen Kopfball zurück zu seinem Torwart Niklas Lomb falsch temperiert und der ausgeliehene Leverkusener Kopf und Kragen riskieren muss, um nicht früh das 0:1 zu kassieren.

Dann allerdings gehen dem Aufstiegsanwärter, mit dem den HFC eine Geschichte in der 4. Liga verbindet, recht schnell die Ideen aus. Das Spiel ist schnell, das Spiel ist im Mittelfeld umkämpft. Aber die beiden Besten auf dem Platz tragen das weiß Dress der Gastgeber: Osayamen Osawe stellt seine Gegenspieler mit seiner überragenden Geschwindigkeit und seiner unorthodoxen Technik vor unlösbare Probleme. Und der kleine Florian Brügmann, seit Monaten in bestechender Form, räumt hinten ab, was an Offensivbemühungen der Gäste bis dahin kommt.

Kiel hat so meistens den Ball, aber der HFC führt nach Einwürfen, Freistößen, Ecken und Chancen. Die Köhler-Elf tritt so selbstbewusst auf, wie nur Mannschaften auftreten, die sich ihrer Sache sicher sind. Selbst das Fehlen des gelbgesperrten Marcen Jansen ändert daran nicht. Köhler hat einfach umformiert und Andy Gogia auf die Außenbahn gestellt, Timo Furuholm spielt dafür hinter Osawe hängende Spitze und Gogia und Sören Bertram tauschend fortwährend ihre Seiten.

In der 19. Minute ist es dann auch dieser Sören Bertram, der das 1:0 einleitet. Aus einer Abwehrsituation vor dem HFC-Strafraum spielt er auf Furuholm, der leitet direkt zurück auf den vorstürmenden Bertram, der köpft auf den Außen mitlaufenden Osawe. Und der macht kühl und überlegt das 1:0.

Was für ein Lauf, den Bertram und Osawe - die Siegtorschützen von Erfurt - da haben. Und was für Möglichkeiten das dem HFC eröffnet. Rang fünf ist nach der Führung drin, Rang vier nur noch sechs Punkte entfernt, selbst bis zum dritten Platz sind es nur sieben.

Kiel wirkt ratlos, verlieren die Störche das Spiel, hält sie nur die bessere Tordifferenz auf Rang 2. Bis zur Halbzeit passiert nicht viel. Halle blockt, die Kieler, unterstützt von einer dünnbesetzten Fankurve, suchen nach einem Mittel, nach vorn Druck machen zu können, ohne von Osawe und Bertram abgeschossen zu werden. Mehr als auf Standards zu setzen, fällt den Blau-Weißen aber nicht ein.

Es so wieder ein Konter, der das Spiel zu entscheiden scheint. Osawe geht diesmal nach Pass von Baude rechts durch, auf die Grundlinie, er dribbelt, täuscht, schießt einen Kieler an, der den Ball mit der Hand abwehrt, reklamiert aber nicht, sondern versucht es weiter mit Drehungen, langem Fuß und rausgestrecktem Hintern in der malerisch hochgezogenen Hose. Das Tor schießt er diesmal nicht selbst. Er bedient stattdessen Timo Furuholm, der den Ball ins Tor schaufelt.

2:0, das müsste es gewesen sein. Aber nein. Jetzt zeigt Kiel, warum die Mannschaft des Ex-Hallensers Karsten Neitzel bis hierher nur vier Spiele verloren hat. Zwei Minuten nach dem zweiten Tor für Halle bringen Engelhardt und Lomb die Norddeutschen wieder ins Spiel: Nach einer Ecke köpft Engelhardt den Ball vor seinem fangbereiten Keeper zurück ins Spiel, Kiels Kazior hat keine Mühe, ihn aus zwei Metern ähnlich sacht wie zuvor Furuholm ins Netz zu befördern.

Auf einmal ist nun die alte Heimangst der Hallenser wieder da. Auf einmal spielt hier wieder die Mannschaft mit den meisten verlorenen Heimpartien gegen das zweitbeste Auswärtsteam. Und die Beine werden schwer, die am Mittwoch schon 120 Minuten gerannt sind.

Tim Kruse kommt nun öfter mal zu spät, Niklas Lombs Abstöße finden immer nur einen Blauen, Osawe stürmt nicht mehr ganz so stürmisch. Sven Köhler sieht von draußen, wie es vor dem halleschen Tor brennt, wie mehrfach nur Glück und ein spitzer Zeh den Ausgleich verhindern. Aber Sven Köhler vertraut den Männern auf dem Platz, nicht so sehr denen auf der Bank. In der 75. Minute sagt Kazior Danke: Zwischen acht Hallensern stehend, die zuvor eine halbe Minute lang versuchen, den Ball aus dem Strafraum zu bekommen, legt er sich das Leder vom rechten auf den linken Fuß und kullert es mit Hilfe von Bertrams Wade an Lomb vorbei ins Tor.

Köhler reagiert und wechselt Selim Aydemir und Tony Schmidt ein. Sofort kann sich seine Elf ein wenig befreien. Aber den Sieg haben sie sich abgeschminkt, nur den Punkt, den hätten sie gern behalten. Bis auf einen Fernschuß von Furuholm, den Kronholm fängt, geht drüben nichts. Und hüben ist nach einem letzten Sturmlauf der Kieler schließlich auch Ruhe. Köhler bringt noch Patrick Mouaya, den letzten Aufstiegshelden im Team, um Zeit von der Uhr zu nehmen. Neitzel wechselt Sikora ein, mit demselben Ziel. Bei beiden Wechselpausen stehen vier Hallenser nach Luft ringend abgebeugt, die Arme auf die Knie gestützt. es reicht.

Die letzten Sekunden schieben sich die Kieler den Ball in der eigenen Hälfte zu. Dann Abpfiff. Ein gewonnener Punkt für beide Teams.

Archiv: Deine Mutter, Holstein Kiel!

Zitate zur Zeit: Bei schönem Wetter

Eine Bank ist ein Ort, an dem sie dir einen Schirm leihen, wenn das Wetter schön ist. Sie wollen ihn erst zurückhaben, wenn es anfängt zu regnen.

Robert Frost

Alle Demokraten jetzt: Kriegsanstrengungen verdoppeln!

Die Lage ist ernst, alle Bemühungen von Ursula von der Leyen, Deutschland fit zu machen für einen neuen Waffengang gegen den alten Feind im Osten, drohen zu versanden. Die deutsche Jugend ist wehrunwillig, der Offensivgeist früherer Tage ist verebbt, schlaff präsentieren sich die kläglichen Reste der einst so stolzen Panzertruppe in ihren eingemotteten Leoparden. Deutsche Gewehre schießen nicht mehr, deutsche Hubschrauber stehen wie festgeschraubt am Boden, lahmgelegt vom Tüv Rheinland. Die Jagdflieger haben keine Startfreigabe von der Frauenbeauftragten, die Flotte dümpelt im Hafen, es fehlt an Sprit und und am Esprit der Generation Scapa Flow, die noch gegen den Feind fuhr, koste es auch den Wochenendausgang.

Auch im Bundeskanzleramt sieht man die Summe der deutschen Kriegsanstrengungen inzwischen als unzureichend an. Die putinistische Bedrohung wachse unentwegt, es gelte deshalb, neue Wege zu finden, um den Wehrwert der deutschen Streitkräfte langfristig wieder auf den Stand früherer Tage zu erhöhen, heißt es in Berlin. Die Bundesregierung ist dabei auch bereit, ungewöhnliche Wege zu gehen: Zusammen mit dem Bundesblogampelamt im mecklenburgischen Warin und der Bild-Zeitung hat die Propagandaabteilung des Verteidigungsministeriums das “aberwitzige Browsergame „Soldatenspiel” (Bild) veröffentlicht, bei dem jeder „Teil der Truppe“ (Bild) werden kann – und das kostenlos und ohne Download, denn das geile Game lässt sich einfach im Browser spielen.

Die Vorbereitung auf den nächsten Krieg macht so doppelt Spaß. Der Spieler wird einfach vom Feldwebel zum General, er erledigt „authentische Missionen – fast wie bei der Bundeswehr“: Mal klappert das Höhenleitwerk, mal schießt das G36 um die Ecke, mal verlangt das „Oberführungskommando“ (Bild) einen Bombenteppich auf zivile Kollateralgeiseln, um einen Hufeisenplan mit Stumpf und Stiel auszumerzen.

Auf dem Weg nach Moskau geht der Soldat dabei seinen Weg zur Spitze der Karriereleiter, er schiebt Wache wie Opa, bildet seine Fähigkeiten weiter aus, um so in Gefechten mit russischen Soldaten bestehen zu können. Jeder virtuelle Rekrut kann zu Beginn des Spiels selbst wählen, wie er aussehen möchte, in welchen „Truppengattung“ (Bild) beim Heer, der Marine oder der Luftwaffe er dienen will und ob er mit Spezialwaffen wie dem berühmten Makarow-Gewehr ins Gefecht gehen will. Auf dem Kasernengelände warten dann verschieden Missionen und Minispiele, durch welche Sie Ihre Erfahrungspunkte und (virtuelles) Konto auffüllen können.

Samstag, 18. April 2015

Euro-Krise: Der Münzkrieg von Waterloo

Der Euro ist der Kern der Klammer, die Europa so erfolgreich zusammenhält. Mehr Europa bedeutet so auch mehr Euro, das gemeinsame Geld der Europäer steht für die gemeinsamen Werte Europa, Frieden, Freiheit im Rahmen der Gesetze und Gerechtigkeit.

Begonnen hat das alles vor 200 Jahren nahe Waterloo in Belgien, wo Briten, Deutsche und Russen die Franzosen unter Napoleon Bonaparte schlugen, der zuvor versucht hatte, ein einiges Europa nach seinem eigenen Gusto zu errichten. Belgien wollte das Jubiläum nutzen, um die europäische Allianz gegen den selbsternannten Kaiser durch eine Euro-Münze mit Waterloo-Motiv zu ehren: Ein Zwei-Euro-Stück sollte an den Sieg des guten Europa über den Despoten aus Paris erinnern.

Die aktuelle französische Regierung war entsetzt. Der Grande Nation gilt Waterloo bis heute nicht als Befreiung, sondern als schmachvolle Niederlage. Eine Münze, die an die Schlacht erinnert, werde zu Spannungen in der Euro-Zone führen. Die Münze könnte „feindselige Reaktionen in Frankreich“ auslösen, warnte die französische Regierung in einem Brief an den Rat der EU.

Auch keine Münze kann das. Nachdem Paris intervenierte und auf das Recht aller Euro-Staaten pochte, Münz- und Banknoten-Motive anderer Euro-Staaten ablehnen zu können, nahm Belgien Abstand vom Münzplan. 175.000 bereits geprägte Münzen werden eingeschmolzen, Europa Einheit ist wiederhergestellt, die "Zusammenarbeit innerhalb der Währungsunion gestärkt“, wie es in Paris heißt. Wohin Kleinstaaterei und eigenes Geld führen können, zeigt das abschreckende britische Beispiel: Hier hat die königliche Münze mit "Battle of Waterloo" eine Fünf-Pfund-Münze herausgegeben, die den englischen Duke of Wellington und den deutschen Feldmarschall Blücher zeigt, wie sie sich über den Leichen der toten Franzosen freudestrahlend die Hände schütteln.

EU-Flüchtlingspolitik: Brückenbau nach Afrika

Trotz Widerstand von Umweltschützern, Anwohnern und Abgeordneten: Nach dem neuerlichen Flüchtlingsdrama im Mittelmeer wollen Italien und Tunesien über die Meerenge zwischen Kelibia nach Mazara del Vallo auf Sizilien eine 160 Kilometer lange Brücke bauen. 2017 sollen die Arbeiten beginnen - wenn die Parlamente beider Länder zustimmen und die EU ihr okay gibt.

Beide Länder reagieren mit dem 60 Milliarden-Projekt auf Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik, die zuvor unter anderem vom deutschen Innenminister Thomas de Maiziere gekommen war. "Kultur und Struktur" der Migrationsarbeit in der EU-Kommission müssten sich ändern. "Das kann nicht so bleiben", sagte der Minister und bezog sich dabei auf einen Einzelfall auf einem Flüchtlingsboot im Mittelmeer, bei dem traumatisierte Verfolgte andere Verfolgte anderen Glaubens ins Wasser geworfen hatten. Bei einem anderen Vorfall starben bis zu 400 Flüchtlinge, als ihr Boot havarierte. De Maizière sprach von einer "dramatischen Situation", für die es keine einfachen Lösungen gebe. "Hochmut und Selbstgerechtigkeit sind bei diesem Thema fehl am Platz."

Als "Diskussion ohne Erfolg" bezeichnet EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die bisherige europäische Flüchtlingspolitik. "Seit 20 Jahren bekommen wir keinen vernünftigen Verteilungsschlüssel auf die Beine", kritisiert der Newcomer in Brüssel, der erst seit 21 Jahren im EU-Parlament sitzt. Schuld sei der "Unwillen nationaler Regierungen". Das Zuwanderungsrecht müsse dringend reformiert werden. Derzeit werden Flüchtlinge nach Angaben der Süddeutschen Zeitung durch eine spezielle EU-Jagdeinheit namens "Frontex" direkt an der Grenze zur Weltfriedensgemeinschaft getötet. Teilweise werden so bis zu 400 Menschen am Tag von der EU umgebracht.

Das muss sich ändern, da sind sich alle Beteiligten einig. Dazu sei es notwendig, die Zugangsschranken nach Europa zu senken. "Die EU-Politik hätte die Mittel und die Möglichkeiten, die Flüchtlinge zu retten, die der Hölle in Syrien und Libyen entkommen sind", hat Heribert Prantl festgestellt, für den Europa bereits vor Jahren zu einer "Notverordnungs-Demokratie" (Prantl) geworden ist.

Beenden soll die Praxis der gefährlichen Überfahrten die neue Brücke – und schon beträgt die Fahrzeit nur noch knapp drei statt über vierzig Stunden wie derzeit per Schiff. Die umstrittene Idee von de Maizière und seinem italienischen Amtskollegen Alfano, vor Ort in Afrika Auffanglager einzurichten, in denen an einer Rampe ausgewählt werden könne, welcher Flüchtling nach Europa dürfe und welcher zurück in sein Heimatland geschickt werde, würde sich damit erübrigen. Ebenso wäre es nicht mehr notwendig, ganze Länder in Afrika als europäische Protektorate auszuweisen, in denen quasi-koloniale Zustände wiederhergestellt werden sollten, um die schutzwürdigen Interessen der Menschen gewährleisten zu können. Die Vorschlag hatten Menschenrechtler aus Großbritannien zuvor unterbreitet.

Stattdessen wird die sogenannte Große Brücke nun als Antwort auf alleoffenen Fragen gehandelt. Eine Absichtserklärung zum Bau der Verbindung haben Tunesien Verkehrsminister Ali Boukhara und sein italienischer Amtskollege Silvio Isalonalo bereits unterschrieben. Das Papier wird Grundlage für einen Staatsvertrag, der von beiden Parlamenten ratifiziert werden muss.

Geplant ist eine doppelstöckige Eisenbahn- und Autobrücke, auf der stündlich bis zu 7000 Fahrzeuge Flüchtlinge über die Meerenge bringen könnten. Der Bau der Riesenbrücke allein wird 40 Milliarden verschlingen. Davon soll die EU 30 Milliarden, Deutschland acht Milliarden Euro für die Hinterlandanbindung auf Sizilien übernehmen, hieß es. Durch den herrschenden Fachkräftemangel gilt Deutschland als Hauptprofiteur des Baus. Tunesien wird seinen Anteil von zwei Milliarden Euro über den IWF finanzieren. Langfristig sollen die privat finanzierten und durch Staatsgarantien abgesicherten Aufwendungen durch Mauteinnahmen zurückfließen.

Die Politiker rechnen damit, dass die Flüchtlingswelle den Verkehrsstrom im Mittelmeerraum stark ansteigen lassen wird, und prognostizieren eine Verdoppelung des Verkehrs. So optimistisch sieht die Baubranche die neue Verbindung allerdings nicht, wie das "Handelsblatt" berichtet. Zwar sei die Querung eine große Herausforderung für die Bauindustrie, sagte Heiko Stiepelmann vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Doch das finanzielle Risiko würden die Konzerne nicht vollständig übernehmen. Bisher lägen Vorschläge von fünf Konsortien zur privatwirtschaftlichen Realisierung des Projekts als Verfügbarkeitsmodell vor. Dabei müsste der Staat einen Fehlbetrag ausgleichen, falls die Mauteinnahmen nicht ausreichen. Die Konzerne würden dafür das Bauwerk finanzieren, planen, betreiben und unterhalten, die europäischen Volkswirtschaften hingegen profitierten von der Zuwanderung.

Tunesiens Wirtschaftsminister Mohammed Massud, der bei der Einigung in Palermo dabei war, sprach von einem großartigen Tag für Nordafrika. Allein die Bauzeit würde rund 200000 Arbeitsplätze entstehen lassen. Befürchtungen, der Bau könne den Tod vieler Vögel verursachen, die genau auf der Route der Brücke ziehen - jährlich sind das 100 Millionen Tiere – trat er entgegen. Das sei „nicht wahr“, sagte Massud.

Alternative Idee: Rettung für Afrika durch deutsche Wiedervereinigung mit Tunesien