Hier bewegen sich alle so langsam. Ich dachte, das liegt an der Hitze, aber es ist mehr als das.
Sun Park, Troppo, ABC Australia, 2022
Sun Park, Troppo, ABC Australia, 2022
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| In vielen Familien und unter den meisten jungen Menschen ist der Glaube groß, dass der Staat im Ernstfall Bittbriefe schicken würde, um sie an die Front zu flehen. |
Im Grundsatz ist es jetzt entschieden, endlich. Nach nahezu endlosem Streit hat das Bundeskabinett mit der großen Geschlechterfrage kurzen Prozess gemacht. Überraschung! Ja, es sind doch nur zwei. Die Frage, die in den Wochen der leidenschaftlichen Diskussion um das "Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag" (SBGG) zu gesellschaftlichem Zwist, Zerwürfnissen zwischen Demokraten und harten Bestrafungen geführt hatte, wurde mit dem Beschluss über das geplante Gesetz für den neuen Wehrdienst nebenbei mitgelöst.
Zwar sollen in Zukunft alle 18-Jährigen Fragebögen zugeschickt bekommen, um Auskunft darüber zu geben, ob sie Lust und Zeit haben, einen Wehrdienst anzutreten und ob sie sich selbst auch dafür für geeignet sehen. Für alle Männer, die ab dem 1. Januar 2008 geboren worden sind, werden das Ausfüllen und die anschließende Musterung Pflicht. Frauen hingegen können sich der entwürdigenden Begutachtungsprozedur freiwillig unterziehen. Von Amts wegen vorgeladen aber werden sie nicht.
So schnell und einfach geht das, wenn alle mitziehen und niemand querschießt. Keine Frage mehr, wer sich wie definiert. Keine Zweifel mehr daran, wie viele Geschlechter eigentlich existieren. Eine Regelung für Transpersonen hat das Bundeskabinett gar nicht erst getroffen. Der Gesetzgeber geht zuversichtlich davon aus, dass unter den künftigen Musterungskandidaten ausschließlich Männer und Frauen zu finden sein werden. Kritik an dieser transfeindlichen Einheitspolitik ist nirgendwo aufgekommen. Medien überschlagen sich vielmehr in ihren Lobeshymnen für den "Kompromiss".
Der hatte die zwischen SPD, CDU und CSU strittige Frage der Auslosung der Wehrfähigen, die im Ernstfall wirklich werden dienen müssen, auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Statt eines sofortigen Beschlusses hat die Koalition einen "Monitoringprozess" vorgeschaltet. Fortlaufend soll geprüft werden, wie es um die Wehrwilligkeit der Zielgruppe steht.
Die soll befördert werden durch ein höheres Grundgehalt für Grundwehrdienstleistende. Bis zu 2.600 Euro brutto, netto etwa 2.000 Euro, will Verteidigungsminister Boris Pistorius einfachen Rekruten künftig zahlen. Wer sich davon nicht überzeugen lässt, bekommt für seine Bereitschaft, für Vaterland zu sterben, nach dem Vorbild der DDR eine kostenlose Führerscheinausbildung spendiert.
Pistorius ist optimistisch, dass diese Argumente auch in einer Generation ziehen, die bisher nie damit rechnen musste, zu irgendetwas herangezogen zu werden. Allerdings trifft der 65-jährige Sozialdemokrat mit seinen Anwerbeversuchen auf eine Jugend, deren Kampfbereitschaft deutlich geringer ausgeprägt ist als ihre Überzeugung, dass sie im Ernstfall natürlich gefragt werden würden, ob, wo und unter welchen Voraussetzungen sie denn bereit wären, Deutschland, die europäische Friedensgemeinschaft und den Westen samt seiner Werte gegen die entmenschten Schlächterhorden des Kremlherren Wladimir Putin zu verteidigen.
Unter der Schlagzeile "fragt uns nicht, ob wir für Euch kämpfen würden" fasst die Hamburger Wochenschrift "Die Zeit" das Dilemma einer Altersgruppe zusammen, die ihre Leben lang gepredigt bekommen hat, wie wichtig und bedeutsam jeder einzelne ist, der ihr angehört. Die freie Entscheidung liege immer beim Individuum, haben ihnen ihre Lehrer erzählt. "Malte, wenn Du das nicht willst, dann sag einfach ab", haben Mutter und Vater sie im Glauben bestärkt, letztlich ginge es nach ihnen. Herausgekommen ist eine Generation, die an allem zweifelt, aber nicht an sich selbst. "Ich sehe es nicht ein, für dieses Land zu sterben", sagt einer in der "Zeit"-Tochter "Tagesspiegel", bei "Bild" lässt sich ein anderer so weit herab, dass er großzügig zugesteht: "Ich würde mir den Musterungsbrief mal anschauen".
Es könnte gut ausgehen für Boris Piostorius, der schon 2029 mit einem Angriff der Russen rechnet und die Bundeswehr deshalb schon bis 2035 auf volle Kampfstärke bringen will. Mancher unter den jungen Leuten "will kein Kanonenfutter werden", andere halten es für "eine Überlegung wert", ob sie sich den Panzer- und Drohnenarmeen der Russen entgegenstellen würden. Schön sei ja an dem Angebot, "dass die jüngeren Leute dadurch auch etwas fitter werden und mehr Disziplin bekommen". Ob er selbst dann aber dabeisein werde, sagt ein 17-jähriger Realschüler skeptisch, hänge "davon ab, was bezahlt wird - wenn die Summe gut ist, wäre ich dabei."
So sprechen Bürger, die es durchaus zu schätzen wissen, im "reichsten Land der Welt" (ZDF, 2018) aufgewachsen zu sein. Jetzt aber ein wenig enttäuscht sind, dass auch die Heerführer Unsererdemokratie sich bei der Vorbereitung eines Waffengangs nicht anders verhalten als die Gesetzgeber im Kaiserreich, unter Hitler und in der DDR: Wieder werden die Betroffenen, die das Ehrenkleid anziehen und das Land verteidigen sollen, nicht gefragt, ob sie darauf eigentlich Lust haben, wie sie sich einen gelingenden Wehrdienst vorstellen und warum sich die Bundesregierung noch vor dem ersten Schuss "stärker ihrer mentalen Gesundheit widmen" müsste.
Dieser Weg, so viel lässt sich heute schon sagen, wird kein leichter sein, nicht für den Verteidigungsminister, aber auch nicht für seine künftigen Soldaten. Boris Pistorius bekommt es mit Rekruten zu tun, deren Eltern die wahrscheinlich pazifistischste Generation stellen, die jemals auf deutschem Boden gelebt hat.
Die Mütter und Väter der demnächst Musterungspflichtigen sind um das Jahr 1990 herum geboren. Sie wurden damals ins Ende der Geschichte (Francis Fukuyama) hineingeboren. Für sie war "Schwerter zu Pflugscharen" kein Wagnis mehr und gegen Waffen zu sein, war ein Gebot des gesunden Menschenverstandes. So lange sie zur Schule gingen, wurde ringsum abgerüstet. Der Wolf legte sich zum Schaf. Die Nato war "tot" und das war gut so. Niemand würde mehr jemanden angreifen. "Uneingeschränkte Solidarität" (Gerhard Schröder) ließ sich auch mit Geld und guten Worten unter Beweis stellen. Kämpfen ließ man besser die anderen. Die waren es auch zufrieden, denn, das hatte sich herumgesprochen, wer mit die Deutschen an seiner Seite hat, gewinnt ohnehin nie.
Die aktuelle Situation überfordert die Friedenskinder, die heute sicher sind: "Nie im Leben werden unsere Söhne zum Militär gehen". Nicht weniger als ihre Sprösslinge glauben sie fest daran, dass im Falle des schlimmsten Falles Bittbriefe aus Berlin eingehen werden, in denen Pistorius höflich fragen wird, ob nicht vielleicht jemand Lust und Laune habe, mit der Bundeswehr, dieser insgesamt überbeleumdeten Trachtentruppe, an die Ostfront zu ziehen.
Wer nicht will, der wird nicht müssen, diese Überzeugung einst Väter und Mütter und Söhne. Aus ihrer Sicht, geprägt von der Erfahrung eines Lebens in "75 Jahren Frieden", ist ausschlaggebend, ob junge Leute "nicht in den Krieg ziehen wollen", wie Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz der Frankfurter Rundschau gesagt hat. Sehen sie "die Notwendigkeit nicht" (Gärtner), gibt es keinen Krieg, weil es keine Soldaten gibt.
Mag die Wahl nach der Wiedereinführung des Wehrdienstes, die nach den ursprünglichen Plänen eine Automatismus hätte sein sollen, im Ernstfall dann aber eine Formsache sein wird, die der Bundestag im Vorübergehend durchwinkt, auch wegfallen - heute schon gibt es eine "Handreichung fürs Ausmustern", mit der die ersten Medien versuchen, Russlands Chancen auf einen erneute Sieg über Deutschland zu mehren.
Unter den "Tipps und Tricks, wie man ausgemustert wird" (Taz) finden sich das Simulieren psychischer Labilität, ein offenes Bekenntnis, unverbesserlicher Nazi-Anhänger zu sein, oder sich freiwillig ein Bein abnehmen zu lassen. Die sicherste, bequemste und von einer Vielzahl junger Menschen ohnehin bereits angewandte Methode wird nicht erwähnt: Frühestmöglich ein Leben voller Genuss zu führen, unter Vermeidung von Sport und Bewegung überhaupt, getreu dem Rat von Winston Churchill: "Sport ist Mord".
Für seine Truppe will Boris Pistorius nur die "fittesten, geeignetsten und motiviertesten" Männer, knackige, kernige Kerle, die endlos marschieren, in Gräben leben und die im Kriegsfall mutmaßlich wie immer etwa 4.000 Kilometer lange Ostfront aufopferungsvoll verteidigen. Fehlende Fitness erspart den Heldentod: 60, 70 Kilo Speck auf den Hüften, Herzprobleme und Muskelschwund durch Bewegungsmangel sind gesünder als das Leben unterm Feuer der 2S35 Koalizija-SW und 2S3 Akazija.
So einfach ist das. Und so schwer wird es werden, wenn es ernst wird. Natürlich betonen derzeit noch alle Experten, dass auch weiterhin "grundsätzlich alle den Kriegsdienst verweigern" könnten. Denn schließlich dürfe "niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Aber wie lange Grundsätze halten, hat die Geschichte immer wieder gezeigt: Zehn Jahre nur dauerte es vom "Nie wieder" nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg bis zur Wiederbewaffnung. Auch nur etwas mehr als 83, bis das andere "Nie wieder" von demonstrierenden Antisemiten auf deutschen Straßen ad absurdum geführt wurde. Und zwischen den letzten Strafen für die Behauptung, es gebe nur zwei Geschlechter, und dem Kabinettsbeschluss, dass es denn doch nur genau diese zwei sind, waren es nicht einmal zwei.
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| Brutal bemalt mit den Nationalfarben, die bis in die Regierungsspitze hinein wieder hoffähig sind: Die betroffene Bank steht direkt am Rhein, dem deutschen Fluss. |
Ausgelöscht. Übermalt. Mit Gewalt vom Zeichen der Aufklärung, Toleranz und Vielfalt zu einem nationalistischen Symbol degradiert. Unbemerkt von der Öffentlichkeit ist eine Regenbogenbank im Düsseldorfer Rheinpark mit den sogenannten "Deutschlandfarben" beschmiert worden. Nach ersten Ermittlungsergebnissen der Polizei soll die Tat zudem in der Nacht zum 9. November stattgefunden haben.
Das Entsetzen in der Region ist groß. Trauer, Wut und Scham halten viele Betroffene fest im Griff. Bestürzung beherrscht die Szene vor Ort, wo viele einfache Menschen, Nachbarn und auch Zugereiste einen Moment in stillem Gedenken verharren, Blumen niederlegen oder auf mitgebrachten kleinen Zetteln Ablehnung und Protest formulieren.
Von den feigen Tätern fehlt bislang jede Spur, es soll sich allerdings um Unbekannte handeln, wie das Nachrichtenportal T-Online berichtet. Die Täter hatten sich offenbar in der Nacht, in der ganz Deutschland dem auch von der Rockgruppe Sportfreunde Stiller schon besungenen nationalen Vierklang "1918", "1923", 1938" und "1989" gedachte, an die Regenbogenbank im linksrheinischen Rheinpark in Heerdt geschlichen. Und sie mit mitgebrachter schwarzer, roter und gelber Farbe überschmiert.
Das im Zuge einer Regenbogenbank-Offensive im Rheinland eingeweihte Sitzmöbel wurde so ohne Genehmigung in eine "Deutschlandbank" verwandelt, die für die Schuld an zwei Weltkriegen, mindestens einem Völkermord und einen Großteil der von den führenden Industrienationen angehäuften Verantwortung für die Klimakatastrophe steht. Zerstört wurde zudem ein Symbol für Vielfalt, Liebe und Akzeptanz – mutmaßlich mit voller Absicht.
In einer ersten Reaktion haben die Fraktionen von SPD und Grünen in der Bezirksvertretung 4, die sich gemeinsam für die Aufstellung der beliebten Bank eingesetzt hatten, sind sich besorgt und traurig, zugleich aber auch wütend geäußert. Die Grünen ordneten die ruchlose Tat historisch in die nahezu endlose Kette an Verbrechen ein, die am 9. November geschehen sind.
Von der Hinrichtung Robert Blums bei Wien, einem der führenden Köpfe der Demokraten in der Frankfurter Nationalversammlung, über die Ausrufung der Republik, den Hitler-Ludendorff-Putsch in München, die Novemberpogrome, den Bombenanschlag der Terrororganisation Tupamaros 1969 in Berlin bis zum Tod des RAF-Kämpfers Holger Meins führt eine Linie zur Schande am Rheinufer. Es sei "umso bitterer, wenn an diesem Tag eine Tat geschieht, die genau diese Werte mit Füßen tritt", schreiben die Grünen, die dennoch weiter einstehen wollen "für ein Düsseldorf, das bunt, offen und solidarisch ist".
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| Den Tätern droht ein kurzer Prozess. |
Die Polizei Düsseldorf ermittelt bisher nur wegen Sachbeschädigung, doch eine ganze Reihe ähnlicher Vorfälle überall in der Republik lässt vermuten, dass es sich bei der Demonstrativhandlung gegen die Regenbogenbank am Rhein nicht um einen Zufall oder die Aktion einiger übermütiger Ewiggestriger handelt. Seit Wochen schon ziehen Täter*nnen eine schwarz-rot-goldene Spur der Vernichtung durchs Land.
Der Fall am Rhein ist nicht der erste, in dem der Staatsschutz nicht ermitteln muss, nachdem eine Deutschlandfahnenaktion eskalierte. Erst gab es entsprechende Vorfälle in Nordrhein-Westfalen, dann im thüringischen Saale-Holzland-Kreis, auch in Schwaben wurde eine ganze Ortsdurchfahrt illegal schwarz-rot-gold geflaggt. Selbst in Hagen und Düsseldorf und Ostfriesland tauchten zahlreiche Deutschlandfahnen im öffentlichen Raum auf. In Stuttgart stiegen "Aktivisten", wie sie die "Stuttgarter Nachrichten" verharmlosend nennen, bewaffnet mit Deutschlandfahnen auf den Königsbau. Sie mussten von der Polizei gestoppt werden, wegen des Vorfalls, bei dem unter anderem behauptet wurde "Stuttgart bleibt deutsch", ermittelt seitdem der Staatsschutz.
Bekennerschreiben fehlen indes meist, so dass Behörden und Medien über die verbreitete Botschaft nur rätseln konnten. Klar scheint zu sein, dass die Verursacher der Flaggenschwemme mit ihren Nacht- und Nebelaktionen völkisches Gedankengut verbreiten wollen. Vorbild sind hier wohl Aufmärsche von Demokratiefeinden in Leipzig und Dresden, bei denen Demonstranten schon vor Jahren Deutschlandfahnen geschwenkt hatten.
Unvergessen ist auch der Pegida-Mann mit dem Deutschland-Hütchen, dem im Jahr 2018 nach einer Schimpftirade gegenüber Journalisten eines ZDF-Kamerateams der mediale Prozess hatte gemacht werden müssen. Da der Mitarbeiter des Landeskriminalamtes in Sachsen damals Reue zeigte, wurde von einer Kündigung abgesehen. Ihm wurde jedoch eine andere adäquate Tätigkeit außerhalb der Polizei Sachsen zugewiesen.
Nationalisten verüben ihre Demonstrativhandlungen seitdem am liebsten versteckt. Sie wissen, dass der von ihnen beschworene Patriotismus im Namen eines Täterstaates von einer großen Mehrheit der im Lande Lebenden abgelehnt wird. "Deutscher Nationalstolz ist immer gefährlich", das ist gesellschaftlicher Konsens von ganz links außen bis in die Union. Ein gesunder "Schwarz-Rot-Gold-Ekel" (Taz) schützt am verlässlichsten vor einem regressiven Rückfall in ein kollektives Deutschlandgefühl, das zwischen Stolz, Freude, Glück und Euphorie keinen Platz mehr für Unwohlsein angesichts der eigenen Schuld und die vielen, vielen anderen Farben des Regenbogens lässt.
Das bunte, vielfältige Deutschland der 2020er Jahre lässt sich seine Art zu leben nicht nehmen. Es zeigt seine Symbole selbstbewusst und lässt sich von den Angriffen seiner Feinde nicht beirren. Schleichend aber verzeichnen die mit ihren Attacken doch Erfolge: In Ostdeutschland mussten erste Stadtverwaltungen zum eigenen Schutz dazu übergehen, vorsorglich selbst zu flaggen. Zudem haben viele Städte und Gemeinden die Einweihung von Regenbogenbänken als dauerhaftes Symbol für Vielfalt, Solidarität und Wertschätzung queerer Lebensweisen und queere Sichtbarkeit gestoppt. Zu groß ist die Angst vor Übergriffen, zu hoch sind vielerorts die Kosten für die fortwährend notwendige Nachlackierung der Symbolmöbel im Stadtbild.
Die jüngste Beschädigung der Regenbogenbank im Rheinpark löse nicht nur im Linksrheinischen große Empörung aus, sondern bundesweit. Die Regenbogenfarben mit schwarzer, roter und gelber Farbe zu übersprühen ist ein direkter Angriff auf Vielfalt, Liebe und Akzeptanz, offenbar, so glauben die Demokraten in Düsseldorf, "mutwillig" ausgeführt.
Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Täter*innen zu ihrer ruchlosen Tat ermuntert fühlten durch entsprechende Signale aus dem politischen Berlin. Dort hatte die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner der Vielfaltsflagge die Rote Karte gezeigt und ein Hissen Christopher-Street-Day rigoros verboten - ausgerechnet an einem Tag, der in der deutschen Geschichte für so vieles steht: für Hoffnung und Freiheit, aber auch für Hass, Ausgrenzung und Zerstörung.
Die Saat geht auf, auch im traditionell toleranten Rheinland werden Offenheit und Respekt mit Füßen getreten und Regenbögen ausgelöscht. Es gebe sogar "Menschen, die sich über die Sachbeschädigung freuen – als wäre Zerstörung ein Sieg", beklagen die Grünen eine unverkennbare "Schadenfreude über Hass", der "vor allem seine eigene Engstirnigkeit" entlarve. Für die Kräfte von Mitte, Demokratie und Fortschritt ist klar: "Wer eine Regenbogenbank überschmiert, zeigt keine Liebe zu unserem Land, sondern eine Haltung, die das Gegenteil unserer demokratischen Werte verkörpert."
Immerhin hat die Stadt Düsseldorf nach der Attacke schnell reagiert. Nur zwei Tage, nachdem die Regenbogenbank mit den Farben der Deutschland-Fahne beschmiert worden war, sorgte die Verwaltung für Ersatz. Nun steht in dem Park wieder eine Bank in Regenbogenfarben, das Symbol der Vielfalt und Akzeptanz zeigt, dass es stärker ist als der Hass.
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| Die CO2-Steuer hat Europa beinahe die weltgrößte Minderung beim Ausstoß des Klimagiftes beschert. Nur Japan erzielt mit seiner Co2-Steuer von 2,28 Euro pro Tonne noch größere Erfolge. |
Notbremse, gleich zweimal. Während in Berlin das Bundeskabinett gegen eine Verschiebung der planmäßig für den 1. Januar vorgesehenen nächsten Erhöhung der deutschen Co2-Steuer votiert, geht in Brüssel die Brandmauer zu Bruch. Gemeinsam mit den Rechtsextremen im größten fast demokratisch gewählten Parlament der Welt haben Rechte, Rechtsradikale und Liberale im Handstreich beschlossen, dass die noch keine zwei Jahre alte EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) nun doch nicht ihre ganze Kraft entfalten soll.
Die EU-Vorschrift tritt damit bereits vier Jahre vor dem Termin außer Kraft, an dem sie auch kleine Unternehmen hätten zwingen sollen, die Geschäftspraktiken ihrer Handelspartner in aller Welt auf Herz und Nieren zu prüfen. Nach vier Jahren intensiver Beratung war das Regelwerk erst im Frühjahr 2024 von EU-Parlament und EU-Rat final abgesegnet und am 25. Juli 2024 in Kraft gesetzt worden.
Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Mindestumsatz von 40 Millionen Euro und die mit mehr als 3.000 Mitarbeitern und mehr als 900 Millionen Euro Umsatz bleiben nach den neuen Vorschriften, die noch vom EU-Rat bestätigt werden müssen, verschont. Sie hatten eigentlich ab Mitte kommenden Jahres und ab Januar 2028 europäisches Recht weltweit durchsetzen sollen.
Dazu kommt es nun nicht, weil das, was noch nicht in Gänze gilt, schon vor dem vollen Wirkbetrieb verwässert, aufgeweicht und abgeschwächt wird. Selbst die EU hat dergleichen noch nie geschafft: Eine Regelung, in Brüssel in der Regel "Gesetz" genannt, zu ändern, ehe sie überhaupt von allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht übersetzt werden konnte. Nach nur wenigen Monaten Beratung wickeln Kommission und Parlament eine Vorschrift ab, die auszuhandeln ein halbes Jahrzehnt in Anspruch genommen hatte.
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| Straßburg? Brüssel? Hauptsache EU! |
Eingebettet in ein umfassendes Rollback der konsequent grünen und nachhaltigen Politik des Green Deal der zurückliegenden Jahre bot Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon vor Monaten an, die strengen Vorschriften abzuschwächen. Ein Einfallstor, durch das rechte, rechtsradikale, rechtsextreme und libertäre Kettensägenkräfte nur zu gern spazierten: Ungeachtet des "Desasters für die Menschenrechte", das Entwicklungshilfeorganisationen nun unweigerlich kommen sehen, nahm das rechts dominierte EU-Parlament die Einladung gern an. Es stimmte für weitreichende Lockerungen des EU-Lieferkettengesetzes, angeblich, um wenigstens den Kern der Regelungen zu retten.
Menschenrechte und Umweltschutzstandards sollen zurückstehen, weil es interessierten Kreisen gelungen ist, eine Krise herbeizureden, von der draußen im Land nirgendwo etwas zu sehen ist. Es ist November, die Sonne scheint, die verbliebenen Geschäfte blühen. Die ersten Weihnachtsmärkte werden bald öffnen und der Einzelhandel rechnet nach einigen trüben Jahren ebenso erstmal mit steigenden Umsätzen wie die Bundespolitik mit einer anziehenden Wirtschaftstätigkeit und höheren Steuereinnahmen. Auch der Rat der Wirtschaftsweisen hatte den kommenden Aufschwung eben erst bestätigt. Nach den Erkenntnissen von Deutschlands besten Prognostikern kommt es bereits im nächsten Jahr zu einem kräftigen Wachstum von 0,9 Prozent - fast ein Prozent mehr als in den letzten drei Jahren.
Statt diesen gerade aufkommenden Rückenwind zu nutzen, um zu signalisieren, dass Europa inmitten einer Welt, die sich vom Klimaschutz abwendet, konsequent auf klarem Kompass bleibt, knickt die Gemeinschaft ein. Windelweich werden zahlreiche Unternehmen von den neuen bürokratischen Berichtspflichten ausgenommen. Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung bei Zulieferern in aller Welt werden allen Firmen erlaubt, die nicht wenigstens 5.000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro haben.
Selbst die aber bekommen Ausnahmetatbestände auf dem silbernen Tablett serviert: Anders als bislang vorgesehen, sollen sie nicht mehr ihre gesamte Lieferkette kontrollieren müsse. Um Bußgelder zu vermeiden, reicht es aus, wenn sie nachweisen können, dass sie die Firmen in Asien, Afrika und Südamerika im Blick behalten haben, bei denen sie ein hohes Risiko für Verstöße vermuten. Weil auch die Haftung für nachgewiesene Verstöße gegen das Gesetz wegfällt, wird es für Lieferkettenopfer selbst mit Hilfe europäischer NGOs schwerer, Entschädigungen einzuklagen.
Ein doppelter Tabubruch. Noch niemals ist die EU so schnell zurückgerudert. Noch nie hat sie aus Angst vor der eigenen Courage geduldet, dass eine Querfront aus Demokraten der Mitte und rechten Populisten eine über Jahre sorgsam ausgehandelte EU-Richtlinie binnen weniger Wochen auf den Müllhaufen der Geschichte beförderte.
Beunruhigend aber ist vor allem, dass sich im politischen Berlin parallel etwas Ähnliches abspielte. Ungeachtet der Dringlichkeit, mit der die aktuelle Novemberhitze noch einmal unterstreicht, wie wichtig ein straffes Festhalten an den deutschen Plänen zur CO₂-Reduzierung wäre, folgte das Bundeskabinett einer noch beschlusswarmen Festlegung der EU von Vortag. Dabei war der Start in den europäischen Emissionshandel vertagt worden, vorerst um ein Jahr.
Ungeachtet früherer Verabredungen, bereits ab Anfang 2027 auch Mieter und Autofahrer mit Hilfe des europäischen Emissionshandelssystem EU-ETS (European Union Emissions Trading System) für den CO₂-Ausstoß beim Wohnen und Unterwegssein zur Kasse zu bitten, verschoben die Umweltminister der Mitgliedsstaaten den Start der europaweiten CO₂-Steuer um vorerst ein Jahr. Um einer weltweiten Blamage zu entgehen, war zugleich zum 25. Mal das Ziel bekräftigt worden, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2040 um insgesamt 90 Prozent verglichen mit dem Jahr 1990 zu reduzieren.
Dabei helfen soll eine nochmalige Verschiebung der Anti-Entwaldungsrichtlinie. Die offiziell, wenn auch unglücklich, EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) genannte Vorschrift sollte nach einer Übergangszeit am 30.12.2024 in Kraft treten, wurde dann auf den 31.12. 2025 verschoben, schließlich auf den 31.12.2026. Und muss jetzt ein weiteres Jahr warten., weil wieder alles andere wichtiger ist.
Der Grund liegt auch in der Angst vor explodierenden Kosten für Gas, Öl und Benzin und daraus resultierender Unmut in der Bevölkerung. Während deutsche Bürgerinnen und Bürger auf Beschluss der letzten Regierung Merkel bereits seit 2021 für ihre Schadstoffproduktion einen Preis zahlen, der ihnen helfen soll, sich an das kommende europäische System zu gewöhnen, sind andere Mitgliedsländer noch nicht so weit. In Polen liegt der Preis für eine Tonne CO₂ seit 1990 bei unter einem Euro, Estland nimmt zwei Euro, Lettland 15.
Obwohl der CO₂-Preis als zentraler Hebel für den Klimaschutz gilt, fürchten auch die Slowakei, Tschechien und Ungarn mit dem Start des europäischen Handelssystems einen Preissprung. Dort hatten die Regierungen sämtlichst darauf verzichtet, frühzeitig kräftig an der Preisschraube zu drehen, um den Menschen eine Chance zu Gewöhnung zu geben.
Deutschland schließt sich den Zögerern und Zauderern nun an. Statt an der Strategie festzuhalten, das Heizen mit Öl und Gas über regierungsamtliche Festlegungen im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) schrittweise immer teurer zu machen, votierte das Bundeskabinett zum Schutz der Demokratie für eine Atempause. Im Januar 2026 erhöht sich die CO₂-Abgabe zwar wie geplant von bisher 55 auf bis zu 65 Euro. Doch die nächste Erhöhungsstufe, festgelegt auf Januar 2027, kommt nicht.
Selbst Umweltminister Carsten Schneider (SPD), der genau weiß, dass die Zeit zur Rettung des Planeten der Menschheit davonrennt, stimmte der Aufschiebung zu, die offiziell als "Einigung auf einen neuen Pfad" bezeichnet wird. Der führt um die Problematik herum, sich in den anstehenden Landtagswahlkämpfen im kommenden Jahr mit Angstmachern auseinandersetzen zu müssen, die anderenfalls zweifellos mit Prognosen von durchschnittlichen CO₂-Preisen von 150 Euro pro Tonne hausieren gehen würden.
Doch durch die Verschiebung entsteht auch ein tiefes Loch in der Klimakasse, die ursprünglich hatte verwendet werden sollen, um Bürger:innen durch die Zahlung eines "Klimageldes" vor zusätzlichen Lasten durch höhere fossile Brennstoffkosten zu schützen.
Einerseits werden Tanken und Heizen nun bis 2028 kaum teurer. Andererseits hilft ein konstanter deutscher CO₂-Preis dem Weltklima überhaupt nicht. Seit Anfang 2024 kostet der Ausstoß einer Tonne CO₂ in Deutschland 55 Euro, beim derzeitigen Tempo des Kaufkraftverfalls des Euro entsprechen diese 55 Euro am Jahresende nur noch 52,50 Euro. Die Erhöhung auf maximal 65 Euro pro Tonne am Neujahrstag wird preisbereinigt Ende 2027 nur noch 62 Euro wert sein.
Wenn dann der EU-weite Emissionshandel beginnt, droht ein Preisschock, der Europas Demokratien absehbar vor unlösbare Probleme stellen wird. Zwar wählt Frankreich bereits 2027, so dass neue Gelbwestenproteste ausgeschlossen scheinen. Doch Deutschland ist - sollte nichts dazwischenkommen -erst 2029 dran.
Steigen die Kosten für das Warmhalten der Wohnung und die Fahrt zur Arbeit dann um Beträge, wie sie bisher prognostiziert werden, dürfte jeder Euro mehr direkt auf das Konto der Klimagegner einzahlen. Heizen mit Erdgas könnte dann um bis zu sieben Cent pro kWh teurer werden, was für ein unsaniertes Haus 1.200 bis 1.300 Euro jährlich bedeutet. Der Preis für einen Liter Benzin würde um rund 32 Cent und der für Diesel um rund 36 Cent steigen. Beide lägen dann wieder deutlich über der magischen Grenze von zwei Euro.
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| Der erste deutsche Elektropanzer entstand bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der hochgerüsteten DDR. |
Mit der "NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie" gründete sie eine bundeseigene Gesellschaft, die den erst Jahre später verkündeten Energieausstieg vorbereiten sollte. NOW war dazu gedacht, die Wasserstoffwirtschaft vor dem Hintergrund des damals noch undenkbaren Verbrennerverbots neu zu denken. Kleine Firma. Zwei Geschäftsführer, gute Leute, gut bezahlt. Nicht Stroh zu Gold sollten sie spinnen, sondern Wasser zu Benzin machen.
Nachhaltige Beschaffung, nannte die Bundesregierung das später, nach einigen Wendungen, die zwischendurch auch einmal dafür sorgte, dass NOW nur noch in Elektro machte, ein Irrweg, den in den USA auch Elon Musk ging. Aus NOW und NIP, dem "Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie" wurde das Vorhaben, "die Gestaltung, Koordination und Umsetzung nationaler Strategien und öffentlich-privater Programme im Technologiefeld nachhaltige Antriebe" zu befördern.
Auch das stellte sich als teuer und überwiegend nutzlos heraus. 17 Jahre nach der Gründung von NOW ist in Freiburg inzwischen ein elektrischer "Linienbus in Sichtweite", in Wensickendorf (Landkreis Oberhavel, Brandenburg) gab es den Spatenstich ein neues Wasserstoffwerk, das als "Teil der deutschlandweit einzigartigen Verbundvorhaben Wasserstoffschiene Heidekrautbahn" bald grünen Wasserstoff für die danach dürstende Metropolregion Berlin-Brandenburg produzieren wird.
Neue Hoffnung kommt aber jetzt aus dem Teil der Wirtschaft, die brummt wie seit 80 Jahren nicht mehr. Denn auch Deutschlands größte Waffenschmiede Rheinmetall macht auf Öko: Aus Sorge, dass der Russe nach 2029 Deutschlands Treibstoffversorgung kappen könnte, will der Börsenüberflieger mit dem Projekt "Giga PtX" Vorsorge treffen. Um die Versorgung der Streitkräfte im Kriegsfall sicherzustellen, sollen aus Wasserstoff und CO₂ klimaneutrale Kraftstoffe produziert werden. Eine Idee, die anschließt an das "Leuna-Benzin" der I.G. Farben, die Deutschlands Ölmangel schon vor 100 Jahren mit verflüssigter Kohle zu beheben sucht, damals verkauft als "Deutsches Benzin".
Ein Name, der nicht heute mehr taugt. Das neue europäische Netzwerk von Produktionsanlagen für Nicht-Öl-Produkte wie sogenannte "E-Fuels" herstellen, sündhaft teure Ersatztreibstoffe, die in Druck-Alkali-Elektrolyseuren des Hersteller Sunfire gekocht werden. Zu Literkosten von derzeit noch vier bis fünf Euro pro Liter.
Bei einem Kraftstoffbedarf zwischen 20 bis 60 Liter pro Tag und Soldat, den Rheinmetall selbst als Mittelwert für alle Teilstreitkräfte errechnet hat, macht das für die gesamte Bundeswehr in Friedensstärke neun Milliarden an Treibstoffkosten im ersten Jahr. Ein Kampfpanzer wie der Leopard 2 verbraucht auf der Straße etwa 340 Liter und im Gelände bis zu 530 Liter Diesel pro 100 Kilometer - allein bis zur Suwalki-Lücke braucht ein einziger Leo damit Sprit im Wert von 25.000 Euro. Sunfire verspricht allerdings, dass die hauseigene SOEC-Technologie schon bei einer Produktionsmenge von 100 Millionen Litern pro Jahr zu Preisen von 1,50 pro Liter liefern wird.
Und ums Geld geht es auch gar nicht. Sondern um Sicherheit. Wenn Russland spätestens 2029 Deutschlands fragile fossile Versorgungslinien angreift, um die 300 Kampfpanzer der Bundeswehr lahmzulegen, bleiben wie vor 85 Jahren nur synthetische Kraftstoffe aus mit Wind- und Sonnenkraft erzeugtem grünem Wasserstoff und CO₂, um Versorgungssicherheit und Verteidigungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Nachdem im Friedensbetrieb alle Versuche gescheitert sind, die etablierten Lieferketten für fossilen Kraftstoff, auf die Stahl- und Chemieindustrie seit Jahrzehnten vertrauen, durch eine neuaufgebaute Wasserstoff-Wirtschaft zu ersetzen, bleibt nur die Lösung, die schon einmal funktioniert hat: Für Hitlers Wehrmacht war Deutsches Benzin aus Leuna und Lützkendorf der "Lebenssaft" (Der Spiegel). Für die Bundeswehr sollen es nach dem "Zusammenbruch der Lieferketten im Kriegsfall" (Rheinmetall) die "D-Fuels" sein - aus Erneuerbaren gebrauter klimaneutraler Diesel, Schiffsdiesel und Kerosin, die die Kraftstoffresilienz in Deutschland und Europa nachhaltig zu stärken versprechen.
Der Krieg, nach einem Wort des griechischen Philosophen Heraklit von Ephesos Vater aller Dinge, hilft der lahmenden Transformation hin zur flächendeckenden Wasserstoffversorgung auf die Beine. Sonne und Wind schreiben zwar eine Rechnung, doch dezentrale Anlagen sorgen "für geringere Transportwege", die für russische Bomber ebenso schwer zu treffen sein werden wie die deutschen Benzinfabriken im Zweiten Weltkrieg. Etwa eine Million Liter nachhaltigen Diesel brauchen die 300 deutschen Leoparden, fünf bis sieben Millionen Liter Klimakampfstoff werden die Sunfire-Elektrolyseure liefern, wenn der Hochlauf erst gelungen ist.
Europäische Innovation leistet dann einen unverzichtbaren Beitrag für ein widerstandsfähiges Europa, das auch im Kriegsfall nicht von seinen Prämissen abgeht: Eine Welt ohne fossile Brennstoffe kann nur durch die grüne Transformation der Industrie erreicht werden. Ein Krieg, der der Umwelt nicht schadet, ist mit Hilfe synthetischer Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen möglich.
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| Wie eine Einladung: Seit Betonpoller alle Weihnachtsmärkte schützen, hat sich die Zahl der Vorfälle erhöht. |
Gefundenes Fressen für rechte Trolle, Systemzweifler und Gegner der demokratischen Mitte. Weil Behörden nach dem Weihnachtsmarktvorfall von Magdeburg im vergangenen Jahr verstärkt auf Sicherheit und Gesundheit von Besuchern achten, streuen bestimmte Kreise Gerüchte über abgesagte, aufgefallene oder verbotene Christmärkte. Dabei bedienen sie sich den klassischen Methoden der Desinformation und der Hilfe ausländischer Informationsmanipulatoren, die mit ihrer Einmischung Verunsicherung sähen wollen. Solche Vorgänge, warnt das Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin, stelle eine ernsthafte Bedrohung für unsere Gesellschaften dar.
Die Mitarbeiter*innen der Meinungsfreiheitsschutzaufsicht dort haben zuletzt akribisch analysiert, wie Weihnachtsmärkte durch gezielte Falschinformationen über angebliche Absagen untergraben werden soll. Zwar hat die Europäische Kommission mit dem Europäischen Zentrum für demokratische Resilienz - einem zentralen Bestandteil des European Democracy Shield - bereits begonnen, mit einem neuen Instrument gegen hybride Angriffe und Desinformation aus dem Ausland vorzugehen. Doch deutsche Weihnachtsmärkte sind besonders anfällig für Fake News – die sich jedoch bei genauerer Betrachtung und gründlicher Recherche schnell enttarnen lassen.
Falsch ist, dass auf X und TikTok, aber auch bei Facebook und in verschiedenen Medien behauptet wird, in Deutschland müssten Weihnachtsmärkte wegen zu hoher Sicherheitsanforderungen abgesagt werden. Das ist nicht der Fall. Einzelne Absagen gibt
es – aber aus verschiedenen Gründen, etwa weil Behörden keine Genehmigung gegeben
haben oder Veranstalter keine Veranlassung sahen, ausreichend in
Sicherheit zu investieren. Richtig ist also, dass vereinzelt Weihnachtsmärkte aus verschiedenen Gründen abgesagt werden. Etwa, weil Veranstalter wegen des sich verschärfenden Klimawandels nicht mehr dem früher jahreszeitüblichen Schnee rechnen.
Die Falschbehauptung aber, dass es Sicherheitsgründe seien, die vielerorts den Ausschlag gäben, erfüllt bekannte Merkmale von Desinformation. Offenkundig zielt die Fake News darauf ab, Unsicherheit zu schüren und Menschen Angst vor einem Weihnachtsmarktbesuch zu machen. Interessierte Kreise versuchen ganz offensichtlich, den Eindruck zu erwecken, als lasse sich Deutschland durch einige Vorfälle der vergangenen Jahre seine Art zu leben nehmen.
Das haben sowohl Angela Merkel als auch Olaf Scholz bereits mehrere Male ausdrücklich ausgeschlossen. Auch Friedrich Merz hält an dieser klaren Linie fest: Ausdrücklich hatte er Weihnachtsmärkte bei seiner berühmten Stadtbild-Kritik ausgeklammert.
Weihnachtsmärkte waren, sind und sie bleiben sicher. Wo das noch nicht der Fall ist, arbeiten Behörden, Kommunen und Veranstalter in diesen Tagen und Stunden vor dem 1. Advent gemeinsam daran, ein sicheres Glühweinerlebnis zu ermöglichen. Dass es sich bei jedem Weihnachtsmarkt um einen potenziellen Anziehungspunkt für Gewalttäter handelt, wie die Magdeburger Oberbürgermeisterin Simone Borris aus einem offiziellen Schreiben des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt zitiert hatte, ist zwar zutreffend.
Doch die Sicherheit in Deutschland war insgesamt noch nie so gut gewährleistet wie heute. Im vergangenen Jahr allein sankt die Gesamtzahl der polizeilich erfassten Straftaten um weitere 1,7 Prozent auf nur noch 5,84 Millionen. 2015 waren es noch mehr als 5,9 Millionen gewesen, 2005 sogar mehr als 6,3 Millionen. weniger Straftaten als aktuell hatte es - abgesehen von der Corona-Zeit - überhaupt nur Anfang der 90er Jahre gegeben.
Was die Idylle trübt, sind die Querschüsse von Zweiflern und Scharfmachern, die zur eigenen Unterhaltung oder gegen Rechnung für fremde Mächte Unruhe schüren. Die gestreuten Gerüchte über eine vermeintliche Weihnachtsmarktkrise sollen die Konsumlaune trüben, dem Einzelhandel die inzwischen einzige umsatzträchtige Zeit im Jahr verderben und die Bundesregierung zwingen, ihre zuletzt zunehmend optimistischeren Konjunkturprognosen zurückzunehmen.
Als Nebenwirkung ist fest eingeplant, dass die Festtage für Millionen Familien überschattet werden: Wenn Fake News eine Bedrohungslage suggerieren, werden Bürgerinnen und Bürger daran gehindert, fundierte Entscheidungen zu treffen und das Risiko, auf einem sicher abgepollerten Weihnachtsmarkt Opfer einer Straftat zu werden, korrekt einschätzen zu können.
Die Täter bedienen sich dabei eines einfachen Tricks. Sie behaupten, dass es keine absolute Sicherheit gebe, nicht einmal auf Weihnachtsmärkten, die von den Behörden als sicher eingestuft und zugelassen worden seien. Rechte Politiker*innen geben diesem Affen gern Zucker. Provokant reden sie von "Weihnachtsmärkten ohne Poller", als habe es sich seinerzeit bei der Austragung dieser oft über Wochen laufenden Veranstaltungen ohne ausreichende Sicherheitskonzepte nicht um bedauernswerte Vorgänge, die - zum Glück überwundene - eine kollektive Verantwortungslosigkeit zeigen.
Viele gängige Klischees über deutsche Weihnachtsmärkte sind über viele Jahre zum Exportschlager geworden. Seit Jahren wird unter Tannenbaum, mit Weihnachtsmann und Glühweinstand weltweit im deutschen Stil in die Weihnachtszeit gefeiert, bislang meist noch ohne vom Tüv abgenommene Terrorsperren, Nato-Drahtverhaue und versenkbare Nagelbretter. Vielerorts fehlt es global nicht nur am Bewusstsein für die Gefahr, sondern auch an einem entsprechend aufgeblähten Verwaltungsapparat, der Zufahrtsschutz und die Organisation der Sicherheitskräfte aus fachlicher Sicht zu optimieren weiß.
In Deutschland gibt es im Vergleich zu anderen Staaten ohnehin kein Weihnachtsmarktdefizit. Zwischen 2.500 und 4.000 solcher Märkte werden hierzulande veranstaltet - trotz der vereinzelten Absagen aus Angst vor Terror und steigenden Sicherheitskosten ist die Weihnachtsmarktdichte in Deutschland verglichen etwa mit der in den Vereinigten Staaten überaus beeindruckend. Niemand in Deutschland muss auf seinen Weihnachtsmarktbesuch verzichten. Oft sind es nur Minuten oder eine Stunde vom eigenen Wohnort bis zum nächsten heimeligen Märchenwald mit Lebkuchen- und Glühweinbude.
Weihnachtsland ist immer nur einen kurzen Abstecher entfernt, wenn man nicht den Untergangsparolen glaubt, die sehr ähnlich sind, obwohl sie auf verschiedenen Kanälen veröffentlicht werden. Nach Angaben des Schaustellerverbands wird die große Mehrheit der Feste stattfinden, "gut vorbereitet, sicher und mit der allseits beliebten festlichen Atmosphäre".
Das sind die reinen Fakten, wie sie zweifellos auch das Europäische Zentrum für demokratische Resilienz bestätigen wird, sobald die Disinformation-Unit unter der federführenden Verantwortung von Justizkommissar Michael McGrath den Wirkbetrieb aufgenommen hat. Im nächsten Jahr können Falschmeldungen zu Weihnachtsmärkten dann bereits durch die zentrale Anlaufstelle für den Informationsaustausch zwischen EU-Staaten und EU-Institutionen abgewehrt werden. In diesem Jahr aber müssen hybride Angriffe wie die koordinierten Online-Desinformationskampagnen auf die zentralen Orte der deutschen Weihnachtskultur noch improvisiert abgewehrt werden.
In der Sammlung "Mythos und Wahrheit" finden Interessierte bis dahin die schönsten Antworten auf rund 30 Vorurteile und Falschmeldungen zum Schmökern und Schlauerwerden. Spätestens wenn der üble Querdenker-Schwager am Glühweinstand auftaucht, lässt sich mit der amtlich geprüften und abgenommenen Argumentationshilfe in der Hand viel Gutes bewirken.
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| Ursula von der Leyen plant die Gründung eines eigenen Geheimdienstes, um Bedrohungen der EU durch Kritiker, Gegner und fremde Mächte wirksamen begegnen zu können. |
Das fehlte natürlich noch. In etlichen Bereichen, in denen ihr ursprünglich keine Kompetenz zustand, hat sich die EU-Kommission inzwischen selbst eine zugeteilt. Die Gründerväter der Gemeinschaft konnten nicht alles wissen. Sonst hätten sie dem obersten Regierungs- und Verwaltungsorgan ihres geplanten Staatenbundes sicherlich selbst schon den Auftrag erteilt, nicht nur für Wettbewerbsrecht, Handelspolitik, Zölle und die Abstimmung der Währungspolitik der Mitgliedsstaaten alleinverantwortlich zu sein.
Zusammenhalt braucht Zentralisation. Gemeinsamkeit muss sich ausdrücken im umfassenden Ersatz einzelstaatlicher Diversität durch Planvorgaben von ganz oben. Diese Überzeugung, Einstellungsbedingung für jeden, der bei der EU arbeiten will, hält die heute noch geteilten Zuständigkeiten zwischen Staaten und EU bei Binnen- und Arbeitsmarkt, Sozialem, dem sogenannten Zusammenhalt, der Landwirtschaft, der Fischerei, bei Umwelt-, Verbraucherschutz- und Energiefragen, bei Justiz und Grundrechten und Migration und Inneres für längst überholt.
Dank der ihr zugebilligten Teilzuständigkeit in wolkig beschriebenen Bereichen wie dem "wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt" und einem gewissen "ergänzend" genannten Mitspracherecht bei Gesundheitsschutz, Bildung, Kultur und Sport, Industrie und Tourismus ist es der EU gelungen, immer weiter in unbekannte und verbotene Gefilde vorzudringen. Seit Ursula von der Leyen in Brüssel das Zepter schwingt, ist nichts mehr unmöglich im Berlaymont-Gebäude.
Einer entschlossenen Riege von Kommissaren unter einer Kommissionschefin, die keine Tabus mehr kennt, gelang es der früheren deutschen Verteidigungsministerin, eine Kommission zusammenzustellen, deren Kommissare nahezu ausschließlich für Themen zuständig sind, für die EU ausdrücklich nicht zuständig ist. Eine Teresa Ribera etwa amtiert im Bereich "Sauberer, fairer und wettbewerbsfähiger Wandel", eine Henna Virkkunen hat sich für "Technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie" zuständig erklärt und ein Wopke Hoekstra ist der Chef von "Klima, Netto-Null-Emissionen und sauberes Wachstum".
In Zeiten, in denen der Russe wieder vor der Tür steht, darf die EU natürlich auch bei der Verteidigung nicht fehlen. Nach den europäischen Verträgen liegt die Zuständigkeit hier allein bei den Mitgliedstaaten, die die EU-Kommission allenfalls bei Gesprächen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) hinzuziehen können. Doch Ursula von der Leyen ist eine Frau, die Chancen erkennt und keinen Widerspruch duldet. Kaum war der Krieg im Osten in Gang gekommen, etablierte sie ihre Kommissarsrunde als Konkurrenz zu GSVP und Nato.
Die EU sei jetzt zuständig für dieses bedeutsame Thema, ließ Ursula von der Leyen bei der Vorstellung des früheren litauischen Ministerpräsidenten Andrius Kubilius als Kommissar für "Verteidigung und Weltraum" wissen. Sie habe einen "Fahrplan zur Wahrung des Friedens", der eine gemeinsame Aufrüstung vorsehe.
Kubilius, von dem öffentlich nicht bekannt ist, ob er den bis zur Loslösung Litauens von der Sowjetunion vorgeschriebenen Wehrdienst in der Sowjetarmee abgeleistet hat, sei berufen worden, um Europas Armeen massiv aufzurüsten und die Gemeinschaft in eine Militärmacht zu verwandeln. Aus dem einzigen Kontinent, der jemals mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, soll das "stählerne Stachelschwein" werden, von dem die EU-Chefin glaubt, es werde Putin wirksam abschrecken.
Der Litauer hat für die Erfüllung seiner Aufgabe aber nicht nur keine Zuständigkeit, er hat auch kein Geld, keine Armee, keine Waffen. Abgesehen von einer mehr als 35 Jahre andauernden Funktionärskarriere, die den 69-Jährigen schon in sämtliche Parlamente und Ämter gespült hat, verfügt Kubilius - auf Deutsch "würfelförmig" - nur über das Wort als Waffe. In Zeiten, in denen der Ruf nach der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa so leise geworden wie der nach der Gründung einer EU-Armee, ist das nicht viel mehr als ein symbolischer Sieg über die Vorgaben der Verträge.
Gerade diese Strategie der fortwährenden Ausdehnung der EU-Verantwortlichkeiten aber hat Brüssel so stark gemacht wie es heute ist. Der frühere Kommissionschef Jean-Claude Juncker, ein Freund des extrem rechten Italieners Silvio Berlusconi, der bekannt geworden war für eine seltene Art Rückenschmerzen, die das Tragen von zwei Paar Schuhen gleichzeitig erforderte, hat das Erfolgsrezept auf einen Nenner gebracht. "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert", sagte Juncker bereits 1999. Wenn es dann kein großes Geschrei gebe und keine Aufstände, "weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter."
Statt Geschrei erntete Ursula von der Leyen für ihre Idee, dass Brüssel jetzt auch die Verteidigung der EU verantwortet, großen Applaus. Europa dürfe nicht nur aufwachen, sondern es müsse auch aufstehen, zitierte die "Tagesschau" einen Tobias Cremer, der als "außenpolitischer Sprecher der SPD im Europaparlament" niemals zuvor öffentlich in Erscheinung getreten war. Europa müsse "seine eigene Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit" herstellen. Das gehe nur über die EU.
Was soll schon passieren, wenn die europäischen Verträge von der Institution ignoriert und ausgehöhlt werden, die durch die Verträge zur Hüterin der Verträge bestimmt worden ist? Es gibt kein Ende, keine Grenze, kein langes Innehalten. Nicht einmal ein ganzes Jahr nach der Vorstellung der Kommission von der Leyen II, die der einzigartigen Tradition der verrückten EU-Kommissariatsnamen mit Ressortbezeichnungen wie "Sauberer, gerechter und wettbewerbsfähiger Übergang", "technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie" oder "Soziale Rechte und Kompetenzen, hochwertige Arbeitsplätze und Vorsorge" Highlights aufsetzte wie noch keine zuvor, geht Ursula von der Leyen den nächsten Schritt.
Die Europäische Kommission arbeitet an der Gründung eines eigenen Geheimdienstes. Die neue Spionage-Einheit solle direkt von der Leyen unterstellt werden, meldet die "Financial Times". Vertrauen ist gut, doch Kontrolle ist besser. Die Chefin von 440 Millionen Europäern war zuletzt schon gezwungen, sich wegen der verschärften Sicherheitslage im europäischen Stadtbild weitgehend in ihre Zimmerfluchten im 13. Stock der EU-Zentrale zurückzuziehen. Nur um ihre bedeutsamen und wegweisende Reden über die De-Priorisierung von Klimafragen, Demokratie und Sozialpolitik zu halten, verlässt die Präsidentin ihr Hauptquartier noch.
Ursula von der Leyen aber hat das Gefühl, sie dringe nicht mehr recht durch mit ihrer Politik der jähen Wendungen, die eben noch den Klimatod von Millionen beschworen hat, wenn Brüssel nicht binnen weniger Jahren Millionen Europäer zum Heizungswechsel zwingt. Und einen Moment später schon behauptet, es werde nun doch nicht das Klima sein, sondern Putin, der den übriggebliebenen Wohlstand rauben wolle. Bis hin in die eigenen Kreise muss von der Leyen inzwischen mit Kritik rechnen.
Bei der Namenswahl für eigenen Geheimdienstes orientiert sich Ursula von der Leyen nicht europäischen Vorbildern dem Bundesamt fü Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem französischen Direction générale de la Sécurité extérieure oder Italiens Agenzia Informazioni e Sicurezza Esterna: Aus Rücksicht auf die nach dem Austritt der Briten immer noch verbliebenen fast zehn Millionen englischer Muttersprachler unter dem 440 Millionen Europäern hat sich von der Leyen für einen englischen Namen mit "Intelligence" entschieden, eine Anleihe bei der amerikanischen CIA, die, so hofft die EU, für Intelligenz steht.
Die kann niemand der Frau absprechen, die auf Geheiß der damaligen Kanzlerin Angela Merkel nach Brüssel flüchten musste, als sich ihre SMS-Affäre zum handfesten Skandal auszuwachsen drohte. In Brüssel hat von der Leyen im vergangenen Jahr von mehreren hundert der mehr als 300 Millionen Europäer ein starkes Mandat erhalten, auch den Job als Europas Geheimdienstchefin noch nebenbei zu erledigen. Warum also nicht?
Der Traum von einer Großmacht EU, die in der Weltpolitik mitreden dürfe, sei geplatzt, bescheinigte ihr Mario Draghi, als langjähriger EU-Politiker und frühere Chef der Europäischen Zentralbank einer, auf den eigentlich Verlass hätte sein sollen. Ach wirtschaftlich bescheinigte der von von der Leyen selbst beauftragte Italiener der EU eine desaströse Leistung: In Europa sei die Produktivität "schwach, sehr schwach". Über Jahre habe sich "zwischen der EU und den USA eine große Lücke im Bruttoinlandsprodukt aufgetan".
Die traurige Folge sei, dass das "verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in den USA seit 2000 fast doppelt so schnell gestiegen sei wie in der EU. Das Zurückfallen hätten die europäischen Haushalte "in Form eines entgangenen Lebensstandards gezahlt".
So fängt es immer an, so beginnen Weltreiche zu bröckeln, bis sie schließlich unter der Last der eigenen Versäumnisse zusammenbrechen. Der neue EU-Geheimdienst - Arbeitstitel SEUI wie Secret European Union Intelligence - soll unter Leitung des Generalsekretariats der Kommission Informationen sammeln und analysieren. So will die EU ihre eigene Sicherheit stärken und besser auf Bedrohungen durch Kritik, Zweifel oder Vorwürfe durch Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, seinem Vize JD Vance oder anderen Lautsprechern der populistischen Rechten reagieren.
Ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung der Geheimdienstpläne liegt laut "Financial Times" noch nicht vor, auch weil die Kommission noch innere Widerstände überwinden muss. Heute schon betreibt der diplomatische Dienst der EU, eine Unit, die Auftrag des jeweiligen Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik tätig ist, das "Intelligence and Situation Centre", das als Unterdirektorat des European External Action Service (EEAS) ausschließliche zivile Aufklärungsmissionen erfüllt, die den Entscheidungsträgern der EU vor Fehlentscheidungen detaillierte Analysen liefert.
Die neue spezielle Nachrichtendienststelle hingegen werde "die Sicherheit angesichts geopolitischer Schwierigkeiten stärken", bestätigte ein EU-Sprecher der "Financial Times". Eingestellt werden sollten Beamte "aus der gesamten EU-Nachrichtendienstgemeinschaft", so dass der Datenabgleich mit den Informationen der Heimatdienste jederzeit gewährleistet werde.
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| Der "Hamas-Kämpfer" ist zurück. Er ist manchmal brillanter Techniker und liebender Vater. Niemals aber Terrorist! |
Hingebungsvoll beklagten die ganz großen Adressen die üble Härte, mit der Israel sich gegen die wehrte, die dem Judenstaat nicht nur das Existenzrecht absprachen, sondern ihren Plan zu seiner Vernichtung auch mit Waffengewalt vorantrieben. Ginge das nicht auch verbindlicher, zarter und ohne den Einsatz von Bomben und Granaten? Sollte man sich nicht besser einfach mal zusammensetzen und über die gegenseitigen Wünsche reden?
Die armen Kinder der "Kämpfer", schallte es. Schon in Tagen, wusste die Welt bis hin zu den traditionell gegen Israel Vereinten Nationen (UN), werde in Gaza kein Wasser mehr fließen. Noch ehe zwei Millionen Menschen wegen der durch die IDF unterbundenen Versorgung der Hamas-Anhänger durch eine bunte Vielfalt an Hilfsprogrammen verhungern könnten, würden sie verdursten.
Traurig genug, aber es kam dann anders. Wie das Wunder geschah, dort, in einer Region, in der schon Jesus mit seiner wundersamen Brotvermehrung am See Genezareth die legendäre "Speisung der Fünftausend" durchführte, blieb unaufgeklärt. Der Hunger verschwand, der Durst zog sich aus Gaza zurück. Die Anzahl der vom "Hamas-Gesundheitsministerium" offiziell bestätigten Todesopfer - alles Kinder, Frauen und Alte! - wurde nicht mehr täglich durchgegeben.
Die Versorgungsschwierigkeiten eines Landstrichs mit mehr als zwei Millionen Bewohnern, die seit Jahrzehnten allein über das Saugen an den globalen Zitzen an der Weltwirtschaft partizipieren, blieben ein Topos der Berichterstattung. Doch ihre Hauptklage verlegten die Aktivisten in den deutschen Schreibmaschinengewehrstellungen auf die älteste antisemitische Klage, dass Israel Kinder ermorde, auch Frauen, und der Bundeskanzler handeln müsse.
Wegen der Wortwahl aber kam Kritik auf. Killer als Kämpfer zu bezeichnen, Islamisten als Aktivisten und antisemitische Terroristen als Befreiungskämpfer, das schien selbst unter deutschen Bedingungen keine kluge Wahl. Im Gaza-Streifen zog sich der Hamas-Kämpfer in die Tunnel zurück, die seine Ingenieure dank großzügiger Geldgeschenke aus Europa über Jahre hatten graben können.
In den Leitmedien der Spendiernation Nummer 1 verschwand er weitgehend in Reservate beim ZDF. Abgelöst wurde er vom "Hamas-Terroristen", vom "Miliz-Angehörigen" und dem "islamistischen Kämpfer", ausweislich der Bezeichnung allesamt recht patente Kerle, die dem so oft so hochgelobten israelischen Geheimdiensten aber mal richtig einen eingeschenkt hatten.
"Kalt erwischt" nannte die Süddeutsche Zeitung den tausendfachen Mord, begangen von Angehörigen einer "militanten Palästinenserorganisation" (ZDF) im Rahmen eines "Krieges der Hamas gegen Israel". Warum auch nicht. Die Terrortruppe war in Europa nicht einmal verboten, sie hätte an Straßenständen Spenden einwerben dürfen für die bedauernswerten Opfer eines Völkermords, die natürlich dieselben Leute waren, die die Hamas zuvor gewählt hatten. Aber hätten sie das wissen können? Dass es einen Punkt gibt, an dem ein Angegriffener nicht mehr die andere Wange hinhält, sondern zurückschießt mit fast allem, was er hat?
Von Deutschland aus gesehen, das heute noch gelegentlich an den Verletzungen leidet, die ihm die beiden Terrororganisation RAF (ca. 50 Mitglieder) und NSU (ca. 3) zugefügten haben, führte das alles zu nichts. Hätten Annalena Baerbock, Georg Restle und Richard C. Schneider das Sagen gehabt, wäre der Zwist zwischen Juden und Arabern in Windeseile beigelegt worden.
Für den Anfang hätte Israel seine Siedlungen abgerissen und die Mauer zum Gazastreifen gleich mit. Die Regierung in Jerusalem hätte die Hamas-Regierung als legitime Vertretung des Staates Palästina anerkannt und die mit der Hamas auf den Tod verfeindete Regierung des greisen Fatah-Rentners Mahmud Abbas im Westjordanland gleich auch noch. Deutschland hätte nach dieser Dreistaatenlösung die Versorgung der beiden neugegründeten Länder übernommen, vielleicht unterstützt von den palästinasolidarischen Regierungen in Frankreich, Spanien und Schweden.
Friede, Freude, Eierkuchen im heiligen Land. Dass sich Benjamin Netanjahu weigerte, solchen Vorschlägen auch nur zuzuhören, vervielfachte den ohnmächtigen Zorn der Nahost-Touristen. Nur weil die Hamas manchmal "bis zu 2.000 Raketen in Richtung Israel" (FR) in einer Nacht geschossen hatten, muss man doch nicht die Geduld verlieren, mahnte Annalena Baerbock, die auf den letzten Metern ihrer Regentschaft im Auswärtigen Amt jedes Interesse an anderen Themen verlor. Ihre Mission war die, den Palästinenser Frieden zu bringen. Ihr großer Kummer der, dass niemand ihre Ratschläge hören wollte.
Es waren dann nicht die Deutschen und ihrer europäischen Partner, die das von der Terrororganisation beherrschte, unterdrückte und ausgebeutete Gaza kurz vor dem Finale noch schnell als richtigen Staat anerkannten, sondern der US-Präsident, dem es gelang, dem Grauen ein Ende zu machen. Nach Bomben gegen Kuweit, Bomben gegen den Iran und Einsätzen gegen die Hisbollah stimmte die Restführung der Hamas einem taktischen Waffenstillstand zu.
In Deutschland feierten Medien das angemessen: Der Austausch von palästinensischen Gefängnisinsassen, häufig wegen Mord und wegen Attentaten verurteilt, gegen die am 7. Oktober 2023 entführten Geiseln, lief regelmäßig unter "Geiselaustausch". Die beste Art, der einzigen Demokratie im Nahen Osten noch eine mitzugeben, wenn sich deren unerbittliche Strategie nun schon für den Moment als richtig herausgestellt hat.
Die Terrorhelferflottenfahrten von Admiralin Thunberg endeten. Die als "pro-palästinensische Demonstrationen" bezeichneten Aufmärsche von mehr Antisemiten als in Deutschland jemals seit den 40er Jahren offen auf der Straße für ihre Sache einstanden, verloren an Zulauf. Das Thema war medial durch, nicht mit dem besten Ende für die Anhänger der "palästinensischen Sache" (Georg Restle), aber mit einer "Täter-Opfer-Umkehr der perfidesten Art", wie der frühere Bundeskanzler Olaf Scholz sich selbst womöglich zitieren würde, hielte ihm heute noch jemand ein Mikrophon hin.
Der "Spiegel" jedenfalls ist zurück im Soli-Modus. Jetzt, wo es keine Opferzahlen des "Hamas-Gesundheitsministeriums" (ZDF) mehr zu vermelden gibt, sorgt sich das frühere Nachrichtenmagazin um "unter Rafah eingeschlossene Hamas-Kämpfer", die eine "Kapitulation" ablehnen, obwohl sie "im eigenen Tunnel hinter der Gelben Linie gefangen" sind. Rund 200 dieser "Kämpfer harren in Rafah unter der Erde aus, über ihnen hat die israelische Armee Stellung bezogen", schildert das Blatt die Situation. Und es zieht den Hut vor den letzten Aufrechten: "Aufgeben wollen die Palästinenser nicht."
Es ist nicht die einzige Liebesgeschichte, die im Hamburg dieser Tage produziert wird. Zuvor schon war unter der Zeile "Brillanter Techniker, liebender Vater – und Terrorist?" eine Saga veröffentlicht worden, die die Geschichte des "mutmaßlichen Hamas-Kämpfers" (sic!) auf links drehte, der "jahrelang für eine Partnerfirma des ZDF gearbeitet" hatte, "bis die Israelis ihn töteten". Aus niederen Beweggründen mit Sicherheit. Denn wie die Recherche zutage fördert, unterschied sich Ahmed Abu Mutair gar nicht so sehr von Goebbels, Meinhof und Mundlos - auch er hing an seiner Familie, liebte seine Kinder.
Für ein fünfköpfiges "Spiegel"-Team zeigt der Fall Ahmed Abu Mutair nun keineswegs, was geschieht, wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender aus Deutschland sich ähnlich naiv auf Beteuerungen eines Terroristen verlässt wie deutsche Ministerien sich auf die Versprechen von NGOs und UNRWA verlassen hatten, dass deutsches Geld nicht beim Judenmord hilft. Mittlerweile will die Bundesregierung nicht mehr für Märtyrerrenten zahlen, obwohl das immer schon ausgeschlossen war.
Nein, im "Spiegel" wird der Fall des vom ZDF als "Techniker" bezeichneten Hamas-Offiziers, der dfür das Zweite "im Bereich der Übertragungstechnik beschäftigt" und nie redaktionell gearbeitet hat, zum Beweis dafür, "wie schwer die Berichterstattung aus Gaza ist, solange Israel westlichen Medien den Zugang verweigert". Mag der Mann auch Hamas-Mitglied oder sogar Hamas-Offizier gewesen sein. Schuld daran, dass er den Sender in Mainz infiltrieren konnte, nur zum Broterwerb selbstverständlich und ohne böse Absicht, waren die Juden.
Wie immer also. Schon seit Jahren richten die großen deutschen Medien ihre Berichterstattung deshalb konsequent am sogenannten Drehrumbum-Prinzip aus. Nach dem vor vielen, vielen Jahren schon erfolgreichen Muster hat die "Spiegel"-Redaktion unvergessliche Meisterwerke des Antisemitismus geschaffen, wie sie Goebbels` Propagandaschmieden nicht brillanter hätten produzieren können.
"Gaza-Krieg: Israel erwidert trotz neuer Waffenruhe Beschuss aus Gaza" entstand bereits 2014. Die Lionie aber hält: "Nach zwei Monaten greift Israel wieder den Gazastreifen an und bricht damit die Waffenruhe", hieß es im März, als ein vorhergehender Hamas-Angriff keine Zeile wert war. "Das kurze Comeback des Krieges", feierte das Magazin im Oktober und wieder war der vorangegangene Angriff der Terrororganisation im Kleingedruckten versteckt.
In der pro-palästinensischen Heldendichtung an die tapferen "Kämpfer" im Untergrund ist nun vom "bewaffneten Teil der Hamas" die Rede, aber auch von einem "sogenannten Friedensplan von US-Präsident Donald Trump". Es ist recht deutlich zu spüren, wo die Liebe hinfällt: Da ja, dort nicht.
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| Seit seiner Wahl zum Bundeskanzler hat Friedrich Merz vieles richtig gemacht. Heute wird der CDU-Vorsitzende 70 Jahre alt und zur Feier des Tages steht kein Krisengipfel an. |
Soll vollgepackt die Tage, so wenig Zeit hat der Chef der schwarz-roten Koalition, Glückwünsche entgegenzunehmen. Zum Glück, denn wo Kunst- und Kulturschaffende, Engagierte und einfache Menschen aus dem gemeinen Volk seiner Vorgängerin Angela Merkel noch mit Kränzen und Blumen die Aufwartung machten und große, kritische Medienhäuser ein feierliches Geburtstagsliedersingen für die Kanzlerin organisierten, fehlt es Merz bisher an genau dieser hingebungsvollen Zuneigung und Liebe seiner Bürgerinnen und Bürger.
Der Mann, der tut, was er kann, wird keineswegs so geschätzt, wie er es aus eigener Sicht zweifellos verdient hätte. Statt seinen Mut zu rühmen, an der Brandmauer zusätzliche Wachen aufzustellen, wird Merz als neuer Hitler mit Hakenkreuzaugen karikiert. Unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, aber zumindest moralisch ein ernster Verstoß gegen den Majestätsbeleidigungsparagrafen, den dünnhäutigere Politiker wie der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck wahrscheinlich umgehend zum eigenen Nutzen und zum Schutz der Demokratie instrumentalisiert hätten.
So einer aber ist der Neue im Bundeskanzleramt nicht. Merz spielt wie Merkel auf einer größeren Bühne. Seine Welt ist die Weltgeschichte. Er steht über den Dingen und er widersteht dem Drang, im Kleinklein eines politischen Alltags zu scheitern, in dem jedes akut erscheinende Problem sofort zur "Chefsache" erklärt wird. Olaf Scholz, Umfragen zufolge vielleicht schon der letzte Bundeskanzler der SPD für viele, viele Jahrzehnte, wenn nicht für alle Zeiten, hatte sich das zur Methode gemacht. Keine Krise, die er nicht selbst verwaltete. Kein Problem, dessen Lösung er nicht in seiner TikTok-Aktentasche mit sich herumtrug.
Vom Hamburger Heidi-Kabel-Platz, überlieferten Urkunden zufolge Scholzens allererste Chefsache, bis zu Bundeswehr und Tesla häufte Scholz seine Chefsachen zu Bergen an. Kurz vor seinem Scheitern hatte er es auf 13 aktenkundige Vorgänge gebracht. Ein echter Kümmerer, den das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" prompt fragte: "Wann führt der Kanzler endlich?"
Bei Merz stellt sich diese Frage nicht. Der Münsterländer, den Angela Merkel so lange als Reserve für wirklich schlimme Zeiten zurückgehalten hatte, ist kein Zögerer, Zauderer oder Zupacker. In seinem Wahlkampf noch war der lange als konservativer Knochen gelesene Christdemokrat davon ausgegangen, dass seiner anvisierten Koalition mit einer geschwächten, enttäuschten und ideologisch ausgebrannten SPD eine innere Mechanik zugrunde liegen werde, die die Entscheidungsfindung einfacher macht. Alle Probleme, die Deutschland seit Jahren quälen und einen so drastischen wirtschaftlichen Abstieg verursacht haben, dass es die Gesellschaft innerlich zerreißt, seien seit Jahren diagnostiziert, rief Merz seinen Anhängern zu.
Zu viel soziale Hängematte. Zu viel Staat. Zu wenig private Investitionen. Zu wenig Zukunftstechnologie. Zu wenig Dynamik. Zu wenig Wagemut. Dafür Bürokratie ohne Ende, hohe Steuern, hohe Abgaben und ein Staat, der zwar teurer ist als jeder andere weltweit. Der aber einfach nicht mehr funktioniert. Da führt einer, wisperten sie sich in Wahlveranstaltungen leise zu. Vor manch innerem Auge tauchten Bilder von Kettensägen auf. Die Frage, wie das angesichts der Mehrheitsverhältnisse zu bewirken sein würde, stellte sich nicht. Merz hatte einen Plan.
Der Wahlkämpfer Merz, obschon auch vor einem Jahr kein junger Mann mehr, ging zumindest in seinen öffentlichen Erklärungen davon aus, dass die Einsicht in die unausweichliche Notwendigkeit grundlegender Veränderungen ihm die deutsche Sozialdemokratie zu einem Verbündeten machen würde. Immer, wenn es darauf ankam in der deutschen Geschichte, war die Sozialdemokratie schließlich bereit gewesen, nationale Interessen über ideologische Festlegungen zu stellen. Das würde, in Anbetracht der verzweifelten Lage hegte Friedrich Merz daran keinen Zweifel, auch diesmal wieder so sein.
Um die letzte Kugel der Demokraten, mit der die AfD noch tödlich getroffen werden könne, nicht zu verschwenden, müsse alles renoviert, saniert und modernisiert werden. Weg mit dem lähmenden Wust an Vorschriften. Klare Ansagen an Brüssel, dass Deutschland, wie schon 2016 von Angela Merkel angekündigt, keine EU-Richtlinie mehr zu 200 Prozent übererfüllen wird.
Der Tiger brüllte, sprang und er landete im Suppentopf der Selbstzufriedenheit, in dem schon Merkel ihr Süppchen gekocht hatte - immer alles vom Ende her bedenkend und immer überrascht darüber, welche Konsequenzen die einsamen eigenen Entscheidungen hatte. Friedrich Merz ist neu im Amt, aber keiner, der an den alten Ritualen rüttelt. Der langen deutschen Tradition der medial beliebten Themengipfel, begründet bereits im Jahr 1934, hat er den "Stahlgipfel" und den "Chemiegipfel" hinzugefügt. Richtung Europa schrieb er einen Bittbrief. Ob man nicht, wenns nichts ausmache, eines Tages darüber nachdenken könne, die "Fesseln der Bürokratie" (Merz) vielleicht ein wenig zu lockern?
Seine grundstürzenden Veränderungen, allesamt bitter nötig, um wirtschaftliche Dynamik zu entfalten und die bleiernen Zeiten unter Merkel und Scholz zu beenden, setzt der Bundeskanzler wie ein Hütchenspieler durch. Gemeinsam mit Lars Klingbeil verschiebt er Milliarden von hier nach dort, aus einer Tasche in die andere, Netzentgelt weg und Gaszulage aus dem Haushalt, dafür Zusatzbeitrag bei den Krankenkassen hoch und Klimageld weg. Kein Sonderstrompreis für Arme, aber ein neuer Name für das Bürgergeld.
Die Merz-Logik ist bestechend. Wenn deutscher Stahl durch die hohen Steuern und Abgaben und die astronomischen Energiepreise nun mal zu teuer ist, warum sollen dann nicht deutsche Unternehmen vom Steuerzahler die Mehrkosten erstattet bekommen, die sie tragen müssen, wenn sie mit deutschem Stahl bauen? Das bessert vielleicht nicht die Gesamtsituation, aber die Stimmung steigt. Und weil alles sowieso aus derselben Schatulle bezahlt wird, kostet es keinen Cent.
Keiner wird es viel schlechter gehen, vielen aber auch nicht besser, und das wäre schon ein Erfolg. Es ist ein Rundrum-Sorglos-Paket für alle, das Merz verspricht. Dass ihm von seinen Gegnern vorgeworfen wird, seine Eingriffe gingen "sogar über die Planwirtschaft von Robert Habeck hinaus" (Die Welt), ficht den früheren Blackrock-Manager nicht an. Für den Steuerzahler mögen die Belastungen im Augenblick schwer zu tragen sein. Aber für das Bild, das Deutschland global abgibt, ist es unumgänglich, am "klaren Kompass" (Merz) festzuhalten und keine Diskussion über die Klimaziele zuzulassen, deren Erreichen einen weiteren Rückbau der industriellen Basis zur Bedingung hat.
Die Weichen sind auf Minuswachstum gestellt. Im September erst hatte Merzens Wirtschaftsministerin Katherina Reiche bekanntgegeben, dass der Stromverbrauch in Deutschland künftig weniger stark steigen wird noch als in der letzten Prognoserechnung angenommen. Die war noch vor dem Start der Welle an energiehungriger Künstlicher Intelligenz entstanden und hatte den deutschen Strombedarf auf 750 Terawattstunden im Jahr geschätzt. Nach dem von der EU geplanten "Aufholen des Innovationsrückstands gegenüber den USA und China bei KI" (von der Leyen) wird er bei nur noch 600 Terawattstunden erwartet.
Gut für die Welt, gut für die Umwelt. Im beim World Climate Leaders‘ Summit im brasilianischen Belém hat Friedrich Merz mit seiner bemerkenswerten "Ich bin ein Indianer"-Rede klargestellt, dass er trotz Hader und Streit in seiner Koalition, trotz Syrien-Dissens mit seinem Außenminister und trotz der auch nach der Stadtbild-Debatte weiter desaströsen Umfragergebnisse "Klimaschutz, wirtschaftliche Stärke und internationale Zusammenarbeit" Hand in Hand gehen müssen. Deutschland und Europa haben, so verriet Merz den anderen Weltklimaanführern, dazu einen Weg gefunden: Sie setzen ganz einfach "auf Innovation und Partnerschaften, um Wohlstand und Klimaschutz zu vereinen".
Noch spürt auch Friedrich Merz die Zweifel, von denen viele Bürgerinnen und Bürger nicht lassen können. Doch der Bundeskanzler, vielleicht schon der letzte der CDU für viele Jahre, lässt den Mut nicht sinken. "Wir werden dann Erfolg haben, und wir werden vor allen Dingen im Klimaschutz vorankommen, wenn wir ihn mit ökonomischem Erfolg verbinden können", hat er aus dem brasilianischen Regenwald wissen lassen. Ist das erst gelungen, "dann werden auch Unternehmer mehr investieren, und dann werden Bürgerinnen und Bürger auch überzeugter sein, den Weg mitzugehen."

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