Montag, 11. Dezember 2023

COP 28: Klimakonferenzen als deutscher Strompreistreiber

Unübersehbarer Zusammenhang: Je größer und wichtiger die globalen Klimakonferenzen wurden, desto steiler stieg der Strompreis in Deutschland.

Sie war so groß wie keine je zuvor, sie trifft seit Tagen schon Schicksalsentscheidungen über Milliarden und Abermilliarden Menschen kommender Generationen. Die COP 28 gilt Klimaschützern und Klimabetroffenen gleichermaßen als eine Wegscheide zwischen fossiler Vergangenheit und energieneutraler Zukunft. Sie soll - auch über den exklusiven deutschen Klimaklub - das Tempo beim Energieausstieg auf Deutschlandtempo beschleunigen und das 1,5-Grad-Ziel wieder in Reichweite rücken.

Direkter Einfluss auf Strompreis

Welchen Einfluss die regelmäßig tagenden Großversammlungen der globalen Klimagemeinde haben, zeigen jetzt neue Berechnungen des im sächsischen Grimma beheimateten Climate Watch Institutes (CWI), einer Ausgründung aus dem Karl-Mahnweg-Forschungszentrum in Hamm, die im Zuge der Bundesbehördeninitiative vollzogen wurde. 

Erstmals ist es den Forscherinnen und Forschen in Sachsen gelungen, direkt nachzuweisen, wie sich die seit Anfang der 90er Jahre tagenden Rettungsversammlungen für das Weltklima auf den Strompreis für deutsche Endverbraucher ausgewirkt haben. "Dass die Weltklimakonferenzen nichts bewirken, wird ihnen ja oft vorgeworfen", sagt Studienleiter Herbert Haase, "doch wir können statistisch exakt zeigen, dass es sich dabei um haltlose Unterstellungen handelt".

Angefangen bei der berühmte Kyoto-Konferenz, die mit dem gleichnamigen Protokoll endete, von dem ältere Engagierte heute noch schwärmen, verlaufen die Kurven von COP-Teilnehmerzahlen und deutschem Elektroenergiepreis tatsächlich absolut parallel. "Wenn man sagt, dass das eine eine direkte Folge des anderen ist, verrät man sicherlich nicht zu viel", betont Haase. 

COP 3 in Kyoto musste seinerzeit noch mit 10.000 Teilnehmern auskommen, Deutschland war damals auch noch kein Beispielsstaat, an dem sich die übrigen Ländern wie Metallspäne an einem Magneten ausrichteten. Dennoch zeigte sich der unmittelbare Zusammenhang zwischen Ursache und Folgen direkt danach: Bei den beiden Konferenzen COP 4 und COP 5 fanden sich nicht einmal mehr 5.000 Teilnehmer zusammen. "Und wir sehen, sofort stürzte der deutsche Strompreis wie ein Kartenhaus zusammen."

Wie am Schnürchen gezogen

Dabei ist es bis heute geblieben. Wie an einem Schnürchen gezogen folgen die Stromkosten der deutschen Haushalte dem Trend der Klimaberatungen zu immer größeren Größen und immer umfassenderer Mächtigkeit, ausgedrückt durch die Zahl der Anwesenden. "Gut beobachten lässt sich das bei der COP 15, die wir als einen Statistik-Spike ausgemacht haben", berichtet Herbert Haase. 

Erstmals übersprang die Teilnehmerzahl damals die magische Grenze von 20.000 Fachgästen, Engagierten, Politikern, Beratern und Dolmetschern. Direkt danach machte auch der deutsche Strompreis einen Freudensprung. "Die Ergebnisse der Beratungen kamen auf diese Weise sehr sichtbar im Alltagsleben der Daheimgebliebenen an."

Sprünge vom Plateau

Auf solche Sprünge folgten immer wieder Plateaus. Bei den Klimakonferenzen kehrte Ruhe ein, die Nachfrage sank nicht, aber sie stieg auch nicht mehr rapide an. "Ähnlich verhielt sich dann natürlich der davon abhängige deutsche Strompreis, das ist deutlich zu sehen."

 Erst mit dem Pariser Gipfel gelang es der COP, neue Rekordteilnehmerzahlen anzuziehen und damit auch die Preise für Elektroenergie im am schlimmsten betroffenen Klimagebiet der Erde in Bewegung zu bringen. "Mit der COP 25 vier Jahre später begann dann ein Anstieg, der beinahe schon als märchenhaft zu bezeichnen wäre, könnten wir ihn im Datenmaterial nicht deutlich erkennen."

Glasgow brachte erstmals mehr als 30.000 Klimafans auf die Beine, die COP 27 in Ägypten mobilisierte beinahe 40.000 und bei der derzeit laufenden COP 28 im Wüstenemirat Dubai wollten angesichts des dort herrschenden angenehm sommerlichen Wetters schließlich mehr als 70.000 Fachleute, Protestierer, Politiker und Wirtschaftsvertreter nicht fehlen. 

"Der Strompreis in Deutschland hatte diesen Erfolg diesmal quasi vorweggenommen", sagt Haase, der allerdings noch einen "Nachbrenner" der Rekordveranstaltung am Arabischen Golf zünden sieht. "Historisch gesehen ist die Teilnehmerzahl bei COP der vorlaufende Indikator, der deutsche Strompreis folgt dem mit einigen Abstand." Kommt es auch diesmal so, werde sich der seit Kyoto vervierfachte deutsche Strompreis "locker nochmal verdoppeln", sagt Haase optimistisch voraus.


Sonntag, 10. Dezember 2023

SPD-Parteitag: Die Basis als Grundlage des Fundaments

Das Autoradio ist das Herz unserer Mobilität.

Mit ihrer überwältigenden Zustimmung zum Leitantrag der Parteiführung mit dem Titel "Zusammen für ein starkes Deutschland" haben die Delegierten beim Parteitag der SPD in Berlin auch einen neuen Zehn-Punkte-Plan zur Bewältigung der Lage der aktuellen Situation beschlossen, der zur neuen DNA der Parteiarbeit werden soll. 

Mit dem Papier versuchen Vorstand und Generalsekretariat, die genossen an der Basis mit einer Handreichung zu versorgen, wie Olaf Scholz' argumentativer Viersatz "Wir sind für euch da. Wir machen Politik euretwegenl Wir sorgen dafür, dass es besser wird - und gerecht!" im alltäglichen Meinungsstreit mit Anhängern der Opposition, Gegnern der Regierungspolitik, Zweiflern, Sachsen, Querdenkern und Fortschrittsskeptikern umgesetzt werden soll - ausgehend von Scholz' Kernforderung "Geschlossenheit ist die Grundlage des Erfolgs".

Die zehn Punkte:

  1. Die Kirchturmspitze ist die Basis unserer Sakralbauten.
  2. Der Sozialstaat ist die Grundlage unseres Wohlstandes.
  3. Das Autoradio ist der Motor unserer Mobilität. 
  4. Fenster sind das Fundament unserer Wohnhäuser.
  5. Die Badewanne ist die Wurzel unserer Ehen und eingetragenen Partnerschaften.
  6. Finanzlöcher sind das Erfolgsrezept unserer Staatshaushalte.
  7. Analogie bleibt das Geheimnis unserer Digitalisierung.
  8. Energieabschaltungen sind die Gewähr unserer stabilen Stromversorgung. 
  9. Wasseruhren sind die Voraussetzung unserer Trinkwasserversorgung.
  10. Gebete sind der Unterbau unserer Fortschrittspolitik.
  11. Wirklichkeitsverweigerung ist der Grundpfeiler unserer Partei.


Die Auferstehung der SPD: Austreibung der Wirklichkeit

So hat der junge Künstler Kümram die historischen Momente in Berlin gesehen: Die Delegierten erhoben sich von ihren Plätzen und spendeten langhaltenden Beifall für Olaf Scholz.

Der erfolgreiche SPD-Parteitag in Berlin hat nach zwei Jahren Regierungsführung eine durchweg zufriedene Zwischenbilanz des bisher Erreichten gezogen. Die drei bisherigen Parteiführenden Saskia Esken, Lars Klingbeil und Kevin Kühnert wurden mit durchweg beeindruckenden Wahlergebnissen in ihren Ämtern bestätigt, Beobachter werteten das als starkes Votum für ein Fortsetzung des Kurses der ältesten deutschen Partei hin zu mehr Staat und klarer Kante gegen Bürgerinnen und Bürger, die daran zweifeln, dass das alles noch gut enden kann.  

Feier der Funktionärsfamilie

Bundeskanzler Olaf Scholz schließlich wurde für seine energische Rede von den anwesenden Funktionärsfamilie richtiggehend gefeiert: "Plötzlich ist diese Wärme da", lobte die Hamburger "Zeit" schockverliebt die magischen Minuten des Auftritts des Regierungschefs, dem es wider alle Erwartungen selbst der eingeschworenen Anhänger aus dem Medienimperium der Partei gelang, die Seele der Partei zu streicheln. Keine Kürzungen, jedenfalls nirgendwo, so versprach der 65-Jährige den rhythmisch applaudierenden Delegierten.

Nicht gespart werden wird jedenfalls überall, ungeachtet aller Haushaltsnöte. Scholz will die Säge nicht im Sozialen ansetzen, nicht bei den Milliardenhilfen für die Ukraine, nicht bei den großen Renommierprojekten der Regierung von der Staatsfinanzierung einer neuen Halbleiderindustrie über den weltweit von Deutschland geförderten Klimaumbau bis hin zur steuer- und schuldenfinanzierten Transformation der fossilen deutschen Produktion und der deutschen Wohnlandschaft. Ein Austreibung der Dämonen kleinlicher Rechner. Die Auferstehung einer ehemals großen Partei aus der eigenen Asche.

Die Lage der Situation 

Er sehe die Wankelmütigen, die Knieweichen und Zweifelnden draußen im Land, sagte Scholz sinngemäß. Aber die Rolle der Bedeutung bei der Durchsetzung des gefassten Beschlüsse, sie sei angesichts der Lage der aktuellen Situation von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Niemand habe damit gerechnet, dass die SPD trotz reihenweise verlorener Landtagswahlen, permanentem Knatsch im Kabinett und den Umfrageergebnissen einer Splitterpartei so lange durchhalte. Und doch sei es gelungen, wenn auch eben um den Preis eines Vertrauensverlustes, den Feinde des Fortschritts gezielt herbeiprovoziert haben.

Ohne sachlichen Grund. Nur weil die Vermittlung der Botschaft noch nicht so gut klappt. Hier will Olaf Scholz nun ansetzen. Einmal mehr richtete der Mann, der nach der Oma im Kanzleramt kam, die Seinen mit Leidenschaft und Argumenten auf. "Wir, die Genossinnen und Genossen im ganzen Land, müssen den Bürgerinnen und Bürgern sagen: Wir sind für euch da, wir machen Politik euretwegenl Wir sorgen dafür, dass es besser wird - und gerecht!"

Je häufiger dieser neue sozialdemokratische Viersatz wiederholt werde, desto besser werde er wirken, wenn es im kommenden Jahr in Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Brüssel an die Wahlurnen gehe. Helfen soll hier auch ein Vorschlag der Parteijugend, den die Delegierten annahmen: Keine Begrenzungen für die Schuldenaufnahme mehr. Ab jetzt geht alles auf Rechnung künftiger Generationen.

Ansteckende Zuversicht

Die Zuversicht des Regierungschefs wirkte ansteckend wie eine neue Corona-Mutante. "Genosse Scholz ist zurück", jubelte die Taz, die kämpferische Rede habe "überzeugt", lobt der SWR, das parteieigene Redaktionsnetzwerk RND schließlich Kraft und sieht nun neue "Kraft und Zuversicht statt Depression" über die Nation hereinbrechen. Wie einst Martin Schulz begeisterte Scholz sogar die notorisch überkritische "Tagesschau". 

Der Moment, als Scholz mutig gegen Rechtsextremismus aufgestanden sei und Menschen, "denen es schlecht gehe" (Scholz), kurzerhand untersagte, "rechtsradikale Ideen zu haben", atmete nach den Beschreibungen von ARD-Korrespondent Georg Schwarte Historie. Auf dem Ⅶ. Parteitages der SED erhoben sich im denkwürdigen Jahr 1967 die Delegierten und sie spendeten lebhaften Beifall. Bei der SPD "standen sie auf von ihren Stühlen und für einen kurzen Moment waren SPD und Scholz ganz bei sich: Ein fest geschlossener Benutzerkreis, umgeben zwar immer noch von Wirklichkeit, aber der muss "man auch einmal widerstehen", wie Scholz gesagt hat.


Geschichten von Casino-Spielern, die Geschichte geschrieben haben

Der Traum der meisten Glücksspieler ist es, einen Gewinn zu erzielen, der ihre Geschichte für immer verändert. Obwohl die meisten, die entweder in einem stationären Casino oder auf einer Online Plattform spielen, vielleicht nie den großen Gewinn erzielen werden, gibt der bloße Gedanke an die Möglichkeit, eines Tages durch Glücksspiele reich zu werden. Dies gibt den Spielern genug moralischen Auftrieb, um weiterzumachen. 

Es ist aber nicht immer eine Frage des Könnens und der Erfahrung, wenn es darum geht, bei Tischspielen, Spielautomaten, Kartenspielen, Roulette und anderen Casinospielen zu gewinnen. Man kann klar auf die schnellsten Auszahlungen hoffen, die Sie in Casinos auf https://besteonlinecasinoschweiz.ch/schnelle-auszahlung-casinos bekommen könnten, aber Kategorien von Online Casinos mit schnellen Auszahlungen sind nicht nur immer die richtige Auswahl. Sehr viel hängt vom Glück ab. Am besten aber wäre es, wenn Sie zusammen drei Kategorien verbinden werden, darunter Können, Erfahrung und Glück. In diesem Fall können Sie unglaubliche Summen in Casinos gewinnen. 

Hier sind einige der berühmtesten Gewinner der Welt, die die Geschichte des Glücksspiels für immer verändert haben.

Charles Wells

Charles Wells war ein Glücksspieler, der Ende des 19. Jahrhunderts lebte. Wells war weder ein erfahrener Spieler noch besonders geschickt in einem bestimmten Casinospiel. Seine Geschichte ist jedoch ein wahres Beispiel dafür, wie man trotz aller Widrigkeiten reich werden kann. Im Jahr 1891 reiste er mit einem bescheidenen Geldbetrag nach Monte Carlo und begann Roulette zu spielen. Im Laufe mehrerer Tage gewann er den heutigen Gegenwert von Millionen von Euro. Die Geschichte von Charles Wells war so fesselnd, dass sie ein populäres Lied und mehrere Filme inspirierte. Wie er dieses Kunststück vollbracht hat, ist nach wie vor umstritten. Einigen sagen, es sei reines Glück gewesen, während andere behaupten, Wells habe einen Fehler im Rouletterad entdeckt.

Phil Ivey

Ein weiterer berühmter Casinospieler ist Phil Ivey, ein professioneller Pokerspieler, der 10 World Series of Poker-Armbänder gewonnen hat und weithin als einer der größten Pokerspieler aller Zeiten gilt. Ivey war auch bei anderen Glücksspielen erfolgreich, unter anderem beim Baccarat, wo er im Borgata Casino in Atlantic City 20 Millionen Dollar gewann.

Edward Thorp

Edward Thorp hatte nicht das Flair oder die Dramatik vieler legendärer Glücksspieler, doch sein Einfluss auf die Welt des Glücksspiels ist unauslöschlich. Als Mathematikprofessor war Thorp fasziniert von dem Konzept der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Seine Erforschung des Blackjack führte zur Entwicklung eines Kartenzählsystems, mit dem das Gleichgewicht des Spiels von der Bank zum Spieler verschoben werden konnte. Thorps Methoden waren so effektiv, dass Casinos auf der ganzen Welt ihre Blackjack-Regeln neu bewerten mussten, um ihre Gewinne zu schützen. Seine Arbeit führte auch zu einem Bestseller und veränderte die Sichtweise der Menschen auf das Glücksspiel.

Archie Karas

Die Geschichte von Archie Karas ist unglaublich. Er machte innerhalb von drei Jahren aus 50 Dollar über 40 Millionen Dollar. Seine unglaubliche Glückssträhne begann mit Poker und weitete sich auf andere Casinospiele wie Craps und Baccarat aus. Doch wie viele andere Spieler, die außergewöhnliches Glück haben, verlor auch Karas schließlich den Großteil seines Vermögens. Seine Geschichte dient sowohl als Inspiration als auch als warnendes Beispiel für die Unbeständigkeit des Glücksspiels.

Fazit

Was also verbindet diese Legenden miteinander? Es ist nicht nur Glück oder Können, sondern eine Kombination aus beidem, zusammen mit dem großen Wunsch, die Chancen zu übertreffen. Diese Spieler haben das Spiel nicht einfach nur gespielt, sie haben es hinterfragt, studiert und manchmal sogar für immer verändert. Auch wenn die meisten von uns wahrscheinlich nie so was erleben werden, lässt uns die Verlockung eines möglichen Gewinns immer wieder an die Spieltische zurückkehren. Vielleicht reiht sich eines Tages auch Ihr Name in die Reihen dieser legendären Glücksspieler ein.

Samstag, 9. Dezember 2023

Zitate zur Zeit: Einen Schnaps zu viel

In einer Zeit ohne menschliches Maß ist der Regierungsalltag stets reiner Überlebenskampf.

Gibt es sie in diesen Tagen der doppelbödigen Angebote, der Hinterzimmergespräche und des offenen Streits überhaupt irgendwo: gewöhnliche menschliche Regungen? Dreht sich da einer der Politiker in seinem Bett morgens herum, zerschlagen nach durchwachter Nacht, alles wird ihm zu viel, kaum, dass er sich noch zutraut, der Welt die Stirn zu bieten? 

Es ist keine Zeit des menschlichen Maßes. 

Aber dieser Kampf um die Macht ist das Werk von Menschen. Hat da einer vor Stress Magenschmerzen und fragt sich, wie er das alles noch durchhalten soll? Kippt einer von ihnen jeden Abend einen Schnaps zu viel, damit das Gedankenkarussell aufhört? 

 

 Rüdiger Barth, Hauke Friedrichs, "Die Totengräber: Der letzte Winter der Weimarer Republik" 

Die Reihen fest geschlossen: Vorwärts in die Vergangenheit

Seit Jahrzehnten baut die deutsche Sozialdemokratie einen neuen Staat. Davon will sie auch nicht ablassen.

Nun ist es auch offiziell: Lars Klingbeil und Saskia Esken bleiben die erfolgreiche Doppelspitze der Kanzlerpartei SPD. Um den Ausgang mussten sich die beiden unumstrittenen Stars der deutschen  Sozialdemokratie keine Sorgen machen. Die Bilanz der beiden amtierenden Parteichefs sprach für sich. Alle potenziellen Konkurrenten hatten die beiden zuvor bereits ausschalten können.

Das Aus der "Arbeiterpartei"

Dessenungeachtet fiel das Wahlergebnis der beiden überraschend gut aus. Die Reste der einst so stolze "Arbeiterpartei" (Willy Brandt) versammelte sich in einer nicht nur für die älteste deutsche Partei nicht einfachen Lage beim Parteitag geschlossen hinter denen, die die Umfragewerte der Partei halbiert und das Vertrauen der Bevölkerung in die Führungsfähigkeiten der bekanntesten Genossen geviertelt haben.

Eine tiefe Sehnsucht nach dem Untergang beseelt die Partei. Beim Funktionärstreffen in Berlin war sie mit Händen zu greifen. Seit zwei Jahren führen Lars Klingbeil und Saskia Esken gemeinsam an, was übrig ist vom großen Traum von Sozialismus, Gerechtigkeit und starkem Staat. Statt Armut zurückzudrängen, gelang es in den zurückliegenden Jahrzehnten beinahe ständiger Regierungsbeteiligung nur, immer lauter über die wachsende Spaltung zu lamentieren.  

Nur noch lautes Lamento

Obwohl der Staat heute soviel Geld ausgibt wie noch nie, fehlt im gleichzeitig mehr Geld, als der je hatte. Bürgerinnen und Bürger sind zunehmend skeptisch angesichts versprochener Wirtschaftswunder, Finanzwummse und transformativer Wiederaufbaupläne. Das "beste Deutschland, das wir jemals hatten", wie es der frühere SPD-Genosse Walter Steinmeier (Mitgliedschaft pausiert) gelobt hatte, besteht dem Volksempfinden nach zunehmend aus maroder Infrastruktur, die schlecht gepflegt, mies verwaltet und ohne jeden Elan schöngeredet.

Aus dem Inneren des Raumschiffes betrachtet, in dem die SPD sich zu neuen Höhen fliegend wähnt, sieht das freilich anders aus. Klingbeil und Esken, der eine deutschlandweit weitgehend unbekannt, die andere als "Grot-Esken" verspottet, erhielten 85,6 und 82,6 Prozent der Stimmen - ein machtvolle Bestätigung eines Kurses, der im Land kaum mehr Anhänger findet, in der Partei aber für Reihen sorgt, die fester geschlossen sind denn je.

Ein Ende des Haders

Vorbei die Jahre, als Streit und Hader zwischen Führungsfiguren wie Wehner, Brandt, Schmidt oder später Engholm, Schröder und Müntefering Leben in die Bude brachte. Zielkonflikte kennt die SPD heute nicht mehr, sie verwaltet Wünsche und Träume und dass die nicht realer werden, wenn die Augen geschlossen bleiben, ist allein Schuld des politischen Gegners der heißt neuerdings nicht mehr AfD, deren Wähler die Parteizentrale aufgegeben hat. 

Sondern CDU und CSU, Parteien, die Saskia Esken als "populistischste Opposition aller Zeiten" gebrandmarkt hat. CDU-Chef Friedrich Merz betreibe "politischen Vandalismus", die ganze Union "hetze mit der AfD gegen die Ampel". Das war es, was das Funktionärsvolk hören wollte. Esken verbesserte ihr Wahlergebnis im Vergleich zu vor zwei Jahren um glatte zehn Prozent.

Rückenwind für einen Kurs, der verspricht, in dem Land, in dem heute kein Tag vergeht, an dem nicht über fehlende Fachkräfte geklagt wird, irgendwie und irgendwann eine Million neue Arbeitsplätze zu schaffen. Den Erbenden, denen, die noch etwas zu verschenken haben, und der zusammenschmelzenden Gruppe derer, die Einkommensteuer zahlen, verspricht die Parteiführung im Leitantrag "Zusammen für ein starkes Deutschland" mehr und höhere Zahlungen.

Künftige Generationen dürfen sich dafür darauf freuen, die Kredite zurückzuzahlen, die die SPD nach der als "Reform" bezeichneten Abschaffung der Schuldenbremse wieder grenzenlos aufnehmen will. 

Ein guter alter Bekannter

Der neue Staat, die Sozialdemokraten bauen möchten, er ist ein recht guter alter Bekannter. Stimmen die Wählerinnen und Wähler zu, wird künftig gar nichts mehr gehen ohne amtliche Fürsorge einer metastasierenden Verwaltung und die Lenkung und Leitung des gesamten Wirtschaftslebens aus dem Willy-Brandt-Haus. Die Geldprobleme des Finanzministers, der im kommenden Jahr mehr als doppelt so hohe Steuereinnahmen haben wird als noch vor 20 Jahren, soll ein selbstverständlich staatlicher "Deutschlandfonds" beheben, der mit Hilfe des verhassten "privaten Kapital" (SPD) jährlich ein Investitionsvolumen von 100 Milliarden Euro schafft.

100 Milliarden gelten in Parteikreisen derzeit als kleinste politische Zahl. Unter diesen magischen elf Stellen lohne es sich gar nicht, die Parteibasis und die Bevölkerung mit Versprechen zu behelligen. Die SPD steht aber hier unter nicht unerheblichem Druck.

Nach Vorabverkündigung der milliardenschweren Staatsfondspläne, die es endlich ermöglichen sollen, "ohne unnötige Bürokratie gemeinsam in Zukunftsprojekte zu investieren", kamen von der CDU unmissverständliche Signale, dass elf Stellen schon in Kürze nicht mehr ausreichen werden, wenigstens ein paar Erwartungen zu wecken. In Brüssel hatte Ursula von der Leyen dergleichen klein gedachte Absichtserklärungen rigoros weggewischt. Es sei nun die Zeit gekommen, von Milliarden zu Billionen zu wechseln, hatte die von der Union nach Brüssel entsandte frühere Vielministerin die neuen SPD-Versprechen bereits vorab als unzureichend zu torpedieren versucht.

Freitag, 8. Dezember 2023

Schrumpfkur statt Wachstumsstrategie: Verzicht auf Wirtschaft

Barocke Büroatmosphäre: In Ölivenöl hat der Maler Kümram die Bundestagsvizin Katrin Göring-Eckhardt anlässlich ihrer Talpredigt an die Deutschen gemalt.

Bis Februar vergangenen Jahres suchte sie noch händeringend nach einem Parlamentspoeten. Katrin Göring-Eckardt, einer der vielen Vizepräsidentinnen des Bundestages, hatte es bis ganz nach oben geschafft. Die Thüringerin, nach einem fast beendeten Theologiestudium unaufhaltsam auf ihrem Weg raus aus dem ländlichen, häufig faschistisch geprägten Ostdeutschland in die großstädtischen Kaviarecken der Republik, hatte ihr Auskommen, ihr Einkommen, den Ruhm regelmäßiger Fernsehpräsenz. 

Vergessen als Tugend

Mochten Leidensgenossen mit gebrochenem Rückgrat aus den Tagen der Diktatur auch klagen. Die erste Frau im Reichstag, die nachweisen konnte, dass Nazis die Dresdner Frauenkirche zerstörten, engagierte sich lieber dafür, dass Deutschland nicht nur immer bunter wird, sondern auch möglichst schnell vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.

Nun wollte sie deutlichere Spuren hinterlassen in der eroberten Bundesverwaltung: Die von ihr mitinitiierte Schaffung der Stelle eines Parlamentspoeten im Bundestag sollte die Tür öffnen zur  Rückkehr auch von Bänkelsängern, Hofnarren und - perspektivisch - Hofzauberern, Schamanen und Astrologen ins politische Berlin, die dort mit Beschwörungen und Zaubersprüchen das sogenannte "grüne Wirtschaftswunder" auslösen sollen. 

Die "Magiconomics" der Ampel

Dabei handelt es sich um ein Wahlkampfversprechen, das im Koalitionsvertrag der Ampel als "Magiconomics" festgeschrieben ist. Neben der SPD-Vorsitzenden Saskia Grotesken gilt Göring-Eckhardt als eine der maßgeblichen Architektinnen dieses Wirtschaftsprogramms, das es der Regierung ursprünglich erlaubt hat, Milliardenschulden ohne öffentliche Kontrolle außerhalb der regulären Haushalte anzuhäufen. Nach den Vorgaben des Vier-Jahr-Planes hatte das Geld in eine sogenannte "ökologische Transformation" investiert werden sollen, um das grüne Wirtschaftswunder auszulösen.

Die ersten Erfolge können sich durchaus sehen lassen: Zur Halbzeit der Wumms-Koalition verfügt Deutschland über nicht genügend Erneuerbare, über keine Speicher, keine Speichertechnologien, keine Energieerzeugungsalternativen. Aber immerhin über eine neue Strategie zur Mangelverwaltung, die Katrin Göring-Eckhart als eine der Vordenkerinnen des transökologischen Umbaus jetzt als Befreiungsakt aus der "Zwangsjacke der deutschen und europäischen Schuldenregeln" beschrieben hat. 

Zwangsjacke aus Amerika

Im rot-grünen Stil, also ohne auf ihn zu verweisen, zitiert die gebürtige Thüringerin damit den Blackrock-Manager und ehemaligen US-Präsidenberater Brian Deese, der wenige Tage zur einen deutschen Aufstand gegen  die selbstverordnete Disziplin bei der Aufblähung des Staatshaushaltes auf inzwischen beinahe eine Billion Euro Steuereinnahmen bei offiziell 2,5 Billionen Verbindlichkeiten gefordert hatte.

Deese, in Washington mittlerweile aussortiert, sieht Deutschland nach zwei Jahren Ampel an einen "selbstzerstörerischen Tiefpunkt". Der Staat habe sich Schuldenregeln gegeben, um eine umsichtige Finanzpolitik zu ermöglichen. Ziel sei es, das Vertrauen der Bevölkerung zu erlangen und dauerhaftes Wirtschaftswachstum herbeizukreditieren. 

Hinkendes Wachstumssvorbild

Erreicht hat die Ampelkoalition allerdings das Gegenteil: Das Vertrauen in die Bundesregierung ist niedriger als in jede zuvor. Beim Wachstum hinkt Deutschland allen anderen Staaten nicht nur hinterher. Es hat vielmehr gar keins, sondern mit einem steten Rückgang der Wirtschaftsleistung seit nunmehr fünf Monaten zu tun. Nachrichten, die selbst Gemeinsinnsender, die unter direkter Kontrolle der von den Ministerpräsidenten entsandten Rundfunkräte stehen, panisch werden lassen. Das sei "laut Statistikamt ist es die längste Durststrecke seit 2008", klagt das ZDF. Wenig helfen da selbst Inflationseffekte, die die Preise aufblähen und das Schrumpfen zur Freude von regierungsnahen Propagandisten zumindest für Blinde wie ein Wachstumswunder aussehen lassen. 

Die kluge, smarte und weltläufige Katrin Göring-Eckhardt aber weiß aus ihren Jahren in der über Jahrzehnte nach strikten Plänen vermodernden und verfallenden DDR, dass sich mit solchen Taschenspielertricks auf Dauer kein schöner Schein aufrechterhalten lässt. Statt weiterhin zu versuchen, das versprochene "grüne Wirtschaftswunder" zu starten, um ein "Land, das einfach funktioniert" (Grüne) aufzubauen, plädiert die 57-Jährige in ihrer jetzt vom "Tagesspiegel" veröffentlichten Talpredigt "für eine Kultur des Weniger": Weg mit der Wachstumslogik. Her mit "anderen Kriterien für ein gelingendes Leben".

Verzicht auf Wirtschaft

Der Verzicht auf eine "Wirtschaft in Schwung" (Göring-Eckhardt) kann auch schön sein. Denn ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt "sagt nichts darüber aus, wie solidarisch eine Gesellschaft ist, was für Kulturgüter sie hervorbringt, wie miteinander umgegangen wird, ob das Leben lebenswert ist".

Es ist zu spüren: Die grüne Spitzenpolitikerin hat die Nase voll vom "Fetisch Wachstum", von einer Welt, die sie zwingt, Dutzende und Aberdutzende Kleider, Kostüme und Blusen zu besitzen und sie öffentlich vorführen zu müssen. Katrin Göring-Eckhardt ist an den berühmten "Grenzen des Wachstums" angekommen. Es ist einfach zu wenig da für ein besseres Leben für alle, für einen großstädtischen Lebensstil, wie ihn die Bundestagsvizepräsidentin pflegt. 

Mehr Verteilung reicht nicht

Doch statt nun wie die SPD  eine entschiedenere staatliche Prüfung der Verteilung des Vorhandenen zu versprechen, macht sich die grüne Strategin ehrlich: Gebraucht werden Zweifel an den Verheißungen des technologischen Fortschritts, gebraucht wird das Bekenntnis zu einer "Kultur des Weniger", die denen mehr lässt, die jetzt schon mehr haben, allen anderen aber das Gefühl gibt "lebensweltlich geerdet" zu sein, wie es Göring-Eckhardt nennt.

Die Grüne steht damit für einen Wandel weg vom Versprechen und Vertröstungen, eines Tages werde das Wachstum zurückkehren, würden genug Fachkräfte eingewandert sein und die Unternehmen nachhaltig ohne Energie wirtschaften. Göring-Eckhardt beruhigt Befürchtungen, dass  der "neue Lebensstil" aus allen Menschen "Öko-Spaßbremsen" mache, die "bei trockenem Brot und Bionade im groben Jutesack am spartanischen Bio-Holztisch sitzen". 

Verzicht ist eine Askese

Nein, der Verzicht als freiwillige Leistung sei keine Askese, sondern "ein Versprechen auf mehr Freiheit und auf ein gutes Leben". Befreit von der "Wachstumszwangsjacke" werde der "frische Wind" der gesellschaftlichen Veränderung auch eine "gesellschaftliche Bewegung, die von unten kommt" hervorbringen, deren gläubige Mitglieder wie so oft schon in der Geschichte allem irdischen Reichtum entsagen, mit ihren wohlhabenden Familien brechen und in einfachen Kutten als Verzichtsprediger durch das Land ziehen.

Der Politik rät Göring-Eckhardt, dass sie die Entwicklung weg vom Mehr, hin zum Immerweniger  solidarisch unterstützen und nicht gleich wieder regulatorisch einfangen soll. Lokführer, Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, Parlamentsabgeordnete, Bürgergeldempfänger - in einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion über die Kultur des Weniger könne auch die einfache Wahrheit ausgesprochen werden, "dass nicht alle mehr haben können als alle anderen". 

Privileg des Bionadeadels

Dieses Privileg kann nur wenigen gewährt werden, genährt durch den Verzicht vieler. Deren Glauben braucht es, um aus den Rückbau der Wirtschaft, den Energieausstieg und den Konsumverzicht weiter Teile der einfachen Bevölkerung in ein modernes Projekt zu verwandeln, "das unser Leben nicht karger, sondern unendlich viel reicher macht", wie Katrin Göring-Eckhardt als Vertreterin des Bionadeadels und der Volksgruppe mit dem begehbaren Kleiderschränken deutlich macht. Nun ist es an den Menschen da draußen, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Oh, Du Sichere: Splitterschutz im Märchenwald


Es ist die stille Zeit, in der die Menschen glühweinselig alte Weihnachtshits hören und zum heißen Lumumba mit kalten Füßen selig dem Lichterglanz von Kinderkarussells zuschauen. Weihnachtsmärkte gehören zu Deutschland wie das Rentier, der glitzernde Coca-Cola-Truck und Einkaufsbummel bei Amazon. Doch politisch spannende Zeiten, Zeiten ohne Staatshaushalt, mit einer wehrhaften Armee, die eben erst im Aufbau begriffen ist, und einem weltweiten Klimaklub, von dem bislang nur das Sekretariat arbeitsfähig ist, sind immer auch Zeiten der Furcht.  

Die Angst trinkt mit

Für mehr Weihnachtssicherheit.
So sagen zwar 58 Prozent der in Deutschland lebenden Teilnehmernden des PPQ-Consumer Insights Christmas-Specials, dass Weihnachtsmärkte zur Weihnachtszeit dazugehören, auch wenn es 66 Prozent kaum stören würde, hätte man sie durchgehend in "Wintermärkte" umbenannt. Doch wenn auch nicht ganz so hoch, aber immer noch in der Nähe von 50 Prozent ist der Anteil derjenigen, die mit einem Sack unguter Gefühle auf ihre diesjährigen Weihnachtsmarktbesuche gehen. Ist es wirklich sicher? Was haben die Veranstalter an umfassenden Maßnahmen getroffen, um trotz schlechter CO2- und Pisa-Ergebnisse ein unbeschwertes Gefühl mit vorweihnachtlichem Budenzauber mit Glühwein, Tand und teurer Wurst aufkommen zu lassen?

Gerade in Deutschland ist die sogenannte Weihnachtsangst (Christmas Fear) traditionell besonders groß. Zwar haben Weihnachtsmärkte auch in Frankreich haben Weihnachtsmärkte Tradition, seit einigen Jahren schon ein Hauptschauplatz von Vorfällen, Unruhen und Attacken. Aufgrund ihrer Geschichte gelten aber Deutsche als besonders empfindlich und wenig bereit, sich in ihrem vorweihnachtlichen Treiben stören zu lassen. Radikale jüdische Siedler etwa gelten vielen Bürgern als Sicherheitsrisiko - hier hat die Bundesregierung aber inzwischen mit einem Einreiseverbot gegengesteuert.

Sieg über den Terror

Selbst der Sieg über den Terror, den die Nation vor sieben Jahren am Berliner Breitscheidplatz feierte, änderte nichts daran, dass Weihnachtsmarktbesucher sich bereitwillig in Gefahr begeben, um an ihrem freiheitlichen, liberalen und weltoffenen Lebensstil festzuhalten und zu beweisen, dass "am Ende wir, nicht der Terror siegt" (Bild). Doch viele verlangen zuvor, dass Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, um  nicht noch einmal so einen "Lkw-Unfall" (Spiegel) zuzulassen, den die Feinde der Demokratie instrumentalisieren könnten.

Ausgerechnet hier, unter den malerischen Weihnachtsbäumen auf den alten Marktplätzen, hat das so oft schlechtgeredete Land der Ingenieure, Innovatoren und Tüftler in den zurückliegenden Jahren gezeigt, welcher Ideenreichtum und wie viel technisches Geschick noch immer in ihm steckt. Waren es anfangs improvisierte Betonblöcke, die an Panzersperren erinnernd den Weihnachtsfrieden störten, so hat sich auf dem Forschungsgebiet der sogenannten Weihnachtspoller seitdem unendlich viel getan. Inzwischen haben junge Forscher wassergefüllte Christmas-Prallsäcke vorgestellt, tannengrüne Splitterschutzwände, die auch gut gegen verirrte Transporter wirken, und Nano-Nagelkissen, die in Märchenwäldern ausgelegt werden können, sobald es zu konkreten Drohungen kommt.

Der Islamist auf Seite 7

Solche Nachrichten über erfolgreiche Terrorabwehrmaßnahmen haben das Sicherheitsgefühl in der Weihnachtsmarktsaison erfolgreich gestählt. Deutschland reagiert heute weit resilienter auf mögliche Bedrohungslagen, für die meisten Medien sind verhinderte Anschläge allenfalls noch Randspaltenstoff, ertappte Terroristen eine Meldung auf Seite sieben, festgenommene Islamisten reine Chronistenpflicht. 

Auch erhöhte Polizeipräsenz, höhere Preise an den Lumumba-Buden, die wegen des Gema-Streiks zahlreicher Städte und Gemeinden gegen die ordentliche Bezahlung von Künstlerinnen und Künstlern vielerorts fehlende Musik und ständige Streifen der Ordnungsämter haben zudem dafür gesorgt, dass das hektische Treiben der Stillen Zeit früherer Jahre durch formschönere Terrorsperren ersetzt wurde, wie die "Frankfurter Neue Presse" in einer umfassenden Analyse des neuen deutschen Weihnachtsgefühls lobt. 

Wirksamer Weihnachtsschutz

Der Vorwurf der SZ, konzentriert in der Schlagzeile "Niemand weiß, wo es noch sicher ist", geht damit eigentlich ins Leere: Wie der Sozialpsychologe Ulrich Wagner klarstellt, ist die Angst vor Terror kein rationales Gefühl, denn sie wird nur äußerst selten von eigenen Terrorerfahrungen hervorgerufen. Viel stärker werde diese irrationale Furcht, am Glühweinstand von einem Lastkraftwagen niedergemäht oder in der Riesenradschlange von einem psychisch kranken Jungenmann in die Luft gesprengt zu werden, von Medien beeinflusst. 

"Wenn über Gefahren wie geplante Anschläge berichtet wird, neigen Menschen dazu, die eigene Gefährdung viel höher einzuschätzen", hat Wagner errechnet. Das gelte "auch dann, wenn es sich bei den Berichten um Einzelfälle handelt." Der wirksamste Weihnachtsschutz besteht also nach wie vor darin, dass Nachrichten, die dem ersehnten Weihnachtsfrieden widersprechen, nicht übertrieben groß und laut verbreitet werden.  Jeder Einzelne kann dabei mithelfen, indem er Einflüsterern nicht zuhört

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Gegen Stigmatisierung: Borna-Virus wird umbenannt

Die sächsische Kleinstadt Borna ist heute vor allem bekannt für ihre glasklaren Bergseen.

Die Menschen hier, sie hatten es wahrlich nie leicht. Kinder, Alte, Alternde, früher war die Luft verschwefelt, das Wasser schwarz. Aus den Hähnen daheim kam mit Östrogenen vergiftete Brühe, Braunkohle per Lkw, rücksichtslos vor die Türen gekippt. Mehr Grus als Heinzmaterial. Und als hätte die Bewohner der sächsischen Kleinstadt Borna, eine Insel zwischen weitflächigen Tagebaulöchern und Chemiefabriken, nicht genug gelitten, nun auch noch das Virus.  

Problem mit Patient Null

Im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen tauchte es zuerst auf, Patient Null starb, doch der Name des Krankheitserregers, der sein Leben gefordert hatte, ging um die Welt: Das Borna-Virus beherrschte plötzlich die Schlagzeilen. Ein neuer Unheilbringer, den nun die ganze Welt assoziieren wird mit der kleinen Kreisstadt in Sachsen, mit noch einmal 20.000 Bürgerinnen und Bürgern, die zumeist als Allerletzte erfuhren, was ihrer Heimatstadt nachgesagt wird.

Heimat auch einer Tierseuche zu sein, nur weil die beiden Forscher Ernst Joest und Kurt Degen 1885 angesichts der Erkrankung der Pferde eines ganzen Kavallerieregiments in der Stadt nichts besseres zu tun hatten als der bis dahin unbekannten Krankheit den erstbesten Namen zu geben. Als Orthobornavirus bornaense hat die Wissenschaft die Bezeichnung kritiklos übernommen - und so lange nur Tiere an der Krankheit litten, regte sich auch kaum Protest. 

Es regt sich Protest

Doch nachdem sich nun ein Mensch mit der Tierseuche Borna Disease-Virus (BoDV-1) infiziert hatte, regte sich Protest. Menschen aus Borna, aber auch Bornaer, die auswärts leben oder arbeiten und selbst Sachsen, die als Bornaer gelesen wurden, beklagten zunehmend, dass sie immer öfter mit Vorwürfen konfrontiert werden, irgendetwas mit der Seuche zu tun zu haben. Um Diskriminierungen zu vermeiden, will die Weltgesundheitsorganisation WHO nun wie schon bei Corona auch den bisherigen Borna-Virus neu benennen. Statt nach der immerhin schon 800 Jahre alten Stadt Heinrichs des Erlauchten sollen Erreger der Familie Bornaviridae ab Januar mit  unverfänglichen Namen aus der Märchenwelt bezeichnet werden.

Die WHO ist da beinhart - und sie hat wie bei den früheren Affenpocken gute Gründe für die Entscheidung. Es gehe darum, eine Stigmatisierung des Ortes zu vermeiden, an dem das Virus erstmals aufgetaucht ist, teilte die Weltgesundheitsorganisation in Genf mit. Die neue Regelung gilt für Varianten, die als "besorgniserregend" oder als "von Interesse" eingestuft worden sind. 

Neues Namenssystem

Dabei werden die neuen Bezeichnung nach "König Drosselbart", "Kleinem Muck" und "Schneewittchen" nicht die wissenschaftlichen Bezeichnungen ersetzen, sondern ausschließlich "in der öffentlichen Diskussion helfen". Nach dem neuen System werde das ursprüngliche Borna-Virus dann wahrscheinlich "Rotkäppchen" heißen, abweichende  und nachfolgende Mutanten sollen jeweils abwechselnd männliche und weibliche Namen tragen, so etwa "Dornröschen", "Hänsel", "Aschenputtel" und "Rumpelstilzchen".

In Borna ist das Aufatmen groß. So lange der genaue Übertragungsweg des Virus von der sächsischen Feldspitzmaus auf den Menschen und aus dem Labor in freie Wildbahn ungeklärt sei, bleibe immer der Hauch eines Verdachtes, die Bornaer könnten damit zu tun haben. Selbst die wissenschaftlichen Bezeichnungen legten das ja bisher nahe, denn sowohl Bornaviridae als auch Borna Disease-Virus spielten hörbar auf die Heimatstadt vieler Unschuldiger an, heißt es auf dem Marktplatz der betroffenen Stadt. 

Hier müsse die WHO dringend nachschärfen, fordern die Menschen. "Es ist eine Unsitte, Viren nach dem Ort zu taufen, wo sie entdeckt wurden, denn es wirkt stigmatisierend und diskriminierend, sagt ein sichtlich empörter Passant. Um dies zu verhindern und die öffentliche Kommunikation zu erleichtern, ermutige er die WHO, nationale Behörden, Medien und andere Beteiligte aufzufordern, schon vor dem Stichtag 1. Januar nur noch die neuen Namen zu benutzen.

Die Handwerkerinnen: Große Gesten im Dienst des Guten

Es fliegen die Hände, die Arme rudern, es prasselt ein Gestenbombardement herunter auf die Köpfe der arglosen Unwissenden, die zuschauen. Die linke Hand vollführt ein kompliziertes Bremsmanöver, ein wenig klappert die kostbare Kette aus schwarzen Mamba-Perlen. Die Rechte kommt ihr entgegengeflogen wie ein "Starfighter" kurz vor dem Niedergang der Bundeswehr. Doch hier passiert nichts, Kathrin Henneberger hat alles fest im Griff: Aus der berühmten Figur des sogenannten "Fliegers" wird die der "Brandmauer", es folgt der "Goldene Reiter" und dann die "Grüne Glucke".

"Botschaftsunterstreichende Handreichungen"

Gesten, von Experten "Handfiguren" genannt, die nicht jeder versteht, die sich aber doch jedem fest einprägen. Die Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech gilt als eine der führenden deutschen Exper*tinnen für "botschaftsunterstreichende Handreichungen", wie sie das Handbuch des Gebärdenden bezeichnet. Die aus der früheren Ex-DDR stammende Koryphäin ihres Faches hat bereits für die Uno, die WHO, das IPPC und Martin Schulz gearbeitet und über Jahre zu Adjektivattacken und der Verwendung von zusammengesetzten Subversiven im politischen Berlin geforscht. 

Als langjährige Leibübersetzerin der oft kryptischen Körpersprache der früheren Kanzlerin aus dem Propagandistischen ins Deutsche ist Hahnwech vielen bekannt, dass sie als eine der ersten Sprachmittler in Deutschland in Handbewegungsschulen investiert hat, ist dagegen weitgehend unbekannt. Vor allem junge Aktivistinnen benutzen viele und unnötig erscheinende Handgesten - doch das ist kein Zufall. Sie sind die Handwerkerinnen der Macht und sie setzen auf eine ganz neue Form der Überzeugungskraft. PPQ hat mit Hahnwech über diesen neuen Weg der Wissensvermittlung von Unklarheiten und die Rolle von Handbewegungen im Propagandageschäft gesprochen.

PPQ: Frau Hahnwech, wie sehen in letzter Zeit immer wieder und immer öfter und zumeist junge politisierende Frauen, die ihre Ansichten nicht nur verbal verbreiten, sondern parallel dazu sehr gestenreich argumentieren. Ist das ein neues Phänomen, eine Mode oder Zufall?

Hahnwech: Keineswegs. Was Sie beobachtet haben und weiter beobachten werden, sind wohl überwiegend erfolgreiche Absolventinnen unserer deutschen Handbewegungsschulen. Frauen wie die berühmte Luisa Neubauer, wie Kathrin Anna Henneberger, ein Grünes Mitglied des Bundestages, auch die Klimapolitikerin Ricarda Lang und andere Aktivistinnen für Klimagerechtigkeit und das Ende des fossilen Zeitalters haben unsere Lehrgänge und Fortbildungskurse absolviert und wenden nun im politischen und medialen Alltag an, was sie gelernt haben.

PPQ: Das "Gesten", wie Sie es nennen, wie Sie im Vorgespräch verraten haben, ist doch aber eine relativ neue Erscheinung, oder? In den Zeiten von Helmut Kohl, Renate Künast und Gerhard Schröder gestete doch kaum jemand auf diese unübersehbar von erfahrenen Trainern geschulte Weise.

Hahnwech: Das ist richtig. Das Gesten ist eine noch relativ junge politische Bedeutungskunst, auch wenn mir oft Menschen sagen, der Goebbels habe das auch schon gemacht, auch der Hitler, Joschka Fischer und Franz-Joseph Strauß. Ich sage dann immer, Leute,  bitte, man darf das Gesten nicht mit dem aus reinem Wildwuchs bestehenden Gestikulieren verwechseln, also dieses reine Rudern mit dem Armen, das demonstrative Barmen, das Handhalten, wie wir es 16 Jahre lang bei Frau Merkel gesehen haben, deren reduzierte Körpersprache ich ja lange übersetzen durfte. Gesten ist eine unterstreichende Kunst, die aus klaren Abläufen und festen Figuren besteht, deren Anwendung tatsächlich hart trainiert werden muss.

PPQ: Sie gelten ja als eine der Mütter des deutschen Gestens. Können Sie ein wenig zum historischen Hintergrund erzählen?

Hahnwech: Das ist mir immer eine Freude. Denn es ist doch so, dass in den Zeiten vor dem Gesten Frauen in politischen Gefechten immer die waffenmäßig unterlegenen waren. Männer konnten laut sein, sie hauten auf den Tisch, sie gestikulierten. Frauen brachten Bedachtsamkeit und Klugheit ein, aber sie wurde oft einfach weggedröhnt. Das Leise, das Feine, das Wichtige, es fiel unter den Tisch, weil kaum eine Frau die Nerven hatte, das uns aus der Forschung an Sprachsteuerungsalgorithmen und seit der Entdeckung verräterischer Muster in der Sprachmelodie bekannte Gegenmittel einzusetzen: So leise zu werden, dass alle ringsum schwiegen müssen. Wo man aber nicht sprechen kann, da muss die Botschaft anderweitig verbreitet werden, dachte sich eine Gruppe spanischer und isländischer Sprachfeministinnen bereits Mitte der 90er Jahre. Im Grunde war das der Kristallisationspunkt, aus dem die deutsche Gestung entsprang.

PPQ: Aber anfangs war es sicher schwer, ein so neues politisches Werkzeug zu popularisieren?

Hahnwech: Natürlich. Uns Pionierinnen schlug viel Skepsis entgegen, es hieß, die Menschen würden das nicht verstehen, die uns permanent umgebende Wirklichkeit lasse sich durch ein halbes Hundert angelernter Handbewegungen gar nicht in aller Komplexität abbilden... Wir haben das in Suhl gegen  alle Widerstände die erste Handbewegungsschule gegründet, damals noch als Anhängsel der dort seit 1818 beheimateteten Gebärdenmanufaktur Fischer. Ja, und was soll ich sagen. Heute sind wir 123 Handbewegungsschulen im Bundesverband Gestung.

PPQ: Sie als Early-Bird-Investorin haben alles richtig gemacht. Aber sagen Sie: Was ist in der Gesellschaft passiert, dass aus der sparsamen und meist gar nicht vorhandenen Arm- und Handarbeit einer Frau Merkel dieses gestische Trommelfeuer werden musste, das gerade beliebte und erfolgreiche aktivistische Influencerinnen und politische Botschafterinnen nutzen, um ihr Publikum in den Bann zu schlagen?

Hahnwech: Wir sagen Schülerinnen immer, Gesten ist eine Bewegung für die Bewegung. Es geht nicht um langweile Inhaltevermittlung, es geht darum, etwas zu unterstreichen, was vielleicht gar nicht gesagt wird, weil es oft nicht da ist. Wenn Frau Henneberger, eine der größten Gesterinnen, die wir in Deutschland haben, einen Satz wie "Deshalb brauchen wir auf dieser COP eine Vereinbarung" mit der Handfigur "Bishierherundnichtweiter" unterstreicht, dann sieht das auf den ersten Blick vielleicht seltsam aus, aber es funktioniert. Unbedarfte und uneingeweihte Zuschauerinnen und Zuschauer sehen sofort, hier ist Schluss, an dieser Stelle lässt diese junge, engagierte Frau nicht mit sich verhandeln. Sie stellt der Welt ein Ultimatum, verbindlich im Ton, aber unerbittlich in der Gestung.

PPQ: Es gibt kein Nachgeben, wenn eine Geste erst mal in der Welt ist, schreiben Sie in ihrem Buch "Geste mit - Das Handwerk der richtigen Überzeugung" (Mastodon-Verlag, 567 Seiten, 49,99 Euro). Ist das ein Erfahrungswert?

Hahnwech: Ja, das ist eine Lehre aus der Praxis. Gesten kann die Welt sicher allein nicht retten, aber die vielen jungen Handwerkerinnen, die oft fast ihr ganzes Leben noch vor sich haben, wie die erfolgreiche Gesterin Annalena Baerbock erst kürzlich so schön geschrieben hat, die können viel bewegen.

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Pisa-Schulstreik: Die Schuld der Schuldenbremse

Die Schulstreiks für das Klima, die niemals eingehaltenen Vorgaben der Schuldenbremse und die Corona-Lockdowns haben Deutschlands Schülerinnen und Schüler deutlich schneller verdummen lassen als absehbar war.


Nein, sie lassen sich nicht alles gefallen. Sie schlagen zurück, sie lassen sich nichts mehr gefallen. Das zerstörte Klima, die malade Bahn, die schlechten Straßen, die analogen Verwaltungen, die kaputtgesparten Schulen. Im politischen Berlin hatten viele gedacht, dass mit dem Ende der Klimabewegung Fridays for Future nach dem demonstrativen politischen Selbstmord ihrer Anführerin Greta Thunberg und dem Verzicht der Konkurrenzorganisation Last Generation, bei strengem Frost weiterhin Klebeaktionen durchzuführen, wieder Normalbetrieb im Land gefahren werden könne. Die jungen Leute endlich von den Straßen. Die Macht wieder dort, wo die Hebel sind, in Hinterzimmern und Parteizentralen.

Umfassende Verheerungen

Doch es war ein Irrtum. Wie ein Blitzschlag beleuchten die erschütternden Ergebnisse des neuen Pisa-Tests die umfassenden Verheerungen, die in den letzten Merkel-Jahren und den ersten des neuen "sozialdemokratischen Jahrzehnts" (Mark Schieritz) angerichtet wurden. Niemand kann mehr sprechen, schreiben oder gar rechnen, trotz jahrelanger Konzentration des Bildungswesens genau darauf, 15-Jährige wenigstens soweit auszubilden, dass sie bei dem gefürchteten Weltvergleich nicht auch noch hinter Partnerländer wie Kenia, Katar und Kanada zurückfallen, schneiden Deutschlands Schüler so schlecht ab wie nie zuvor.  Jeder Vierte kann mit 15 nicht Lesen, jeder Vierte verfügt nur über rudimentäre Kenntnisse in Physik, Chemie und Biologie. Jeder Dritte kann nicht rechnen.

Ergebnisse, von denen die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch als derzeitige Chefin der Kultusministerkonferenz offen sagt, dass "die Befunde uns natürlich nicht zufriedenstellen können".  In nur zehn Jahren ist diese Gruppe der Inkompetenten um rund elf Prozent gewachsen. Hält die Entwicklung an, wäre Deutschland noch vor dem Erreichen des Zero-Null-Zieles bei der Nachhaltigkeit konfrontiert mit einer Bildungssituation, in der nur noch zehn Prozent der Angehörigen der jungen Generation grundlegende Aufgaben lösen können, also etwa einfache Gleichungen bewältigen oder mehrere verständliche Sätze schreiben.

Erfolgreicher Weckruf

Doch klar ist: Nicht nur die Schulstreiks am Freitag, lange Zeit von Sympathisanten in der Politik stillschweigend geduldet, sind für diese fatalen Schäden an einer ganzen Generation verantwortlich. Das Bildungsdesaster, das auch von früh getroffenen Maßnahmen wie dem Zurückdrängen des Einflusses von Leistung und Benotung nicht verhindert werden könnte, verdankt sich mindestens zu gleichen Teilen auch den fürchterlichen Folgen der Einführung der Schuldenbremse in Bund und Ländern. 

Seit dem "Weckruf" (Edelgard Bulmahn) durch den ersten Pisa-Schock vor 20 Jahren hat sich viel getan. Durch eine Erhöhung der Bildungsausgaben von knapp über 80 auf mehr als 176 Milliarden Euro wurde viel kaputtgespart. Zudem gelang es trotz unzähliger heiliger Eide, die verbindlichen neuen Regeln niemals einzuhalten. Erst vor wenigen Wochen stellte sich das Bundesbildungsministerium angesichts der erreichten Fortschritte besorgt die Frage: "Von welchen Ländern können wir noch etwas lernen?"

Vertrauen in die Kompetenzen

In keinem anderen Bereich, abgesehen von der Armutsbekämpfung und dem Behördenausbau durch die gezielte Ansiedlung neuer Verwaltungen in der Fläche, geht so viel Geld verloren wie in der Schullandschaft. Ging es früher darum, "den Anteil der unter Dreijährigen, die eine Kita besuchen, zu verdoppeln", um das frühkindliche "Vertrauen in die Kompetenzen und die Leistungsfähigkeit Deutschlands in den Krisenjahren und darüber hinaus wiederherzustellen" (Bulmahn), steht nun eher die Frage im Raum, ob ein Elefant im Klassenzimmer ist oder es diesmal zur Abwechslung gelingen wird, Long Covid für die Dummheit deutscher Schülerinnen und Schüler verantwortlich zu machen.  Pisa ist traditionell ein Multiple Choice-Test. Mehr Antworten sind nicht zugelassen.

Es muss einfach die Pandemie gewesen sein, deren Vernichtungskraft wenigstens niemand auf seine Kappe nehmen müsste. Drei Monate im Testzeitraum, der die zurückliegenden acht Jahre umfasst, seien viele Schulen geschlossen gewesen. Während dieser Zeit hatte bis zu einem Drittel der Jugendlichen mindestens einmal pro Woche Probleme, seine Aufgaben zu verstehen. Für fast ein Viertel war es schwierig, einen Menschen zu finden, die ihnen half. Und nur neun Prozent wurden täglich von ihrer Schule gefragt, wie es ihnen geht. Alleingelassen zwischen Schulstreik und Schuldenbremse wurde Deutschland "auf natürlichem Wege durchschnittlich dümmer".

Allerdings deutlich schneller, als ursprünglich prognostiziert worden war.

Erfolgsbilanz: Ampel schnürt Rettungspaket für Rechte

Das Heizungsgesetz allein konnte es nicht richten. Als die Chefs der Ampel-Parteien aus dem Sommerurlaub zurückkehrten, machte sich Besorgnis breit. Die Fortschrittskoalition immer noch bei 38 Prozent, die CDU bei nur 27, die AfD unter 20. Der Schock saß tief. Dass all das Keuzundquerregieren, die jähen Wendungen, das Themenhopping, die eingerissenen Brandmauern und die Steigerung der deutschen Klimabeiträge durch das Hochfahren der Kohlekraftwerke so gar keine Wirkung beim Wahlvolk zeigten - bei SPD, Grünen und FDP wollte man es kaum glauben.  

Wähler, die alles verzeihen

Konnte es sein, dass die Wählerinnen und Wähler wirklich alles verzeihen? Die "schwächelnde Wirtschaft" (Spiegel)? Die enormen Preissteigerungen? Den endlosen Zustrom durch die weitoffenen Willkommensgrenzen? Sogar die Schwerenwaffenlieferungen und die gebrochenen Versprechen bei Klimageld, Wohnungsbau, Digitalisierung, Sanierung der Infrastruktur, Aufbau der europäischen Armee, Postenpatronage, Aufrüstung der Bundeswehr und Abschaffung der Bürokratie? Selbst die Landtagswahlen in Hessen und Bayern kratzten zwar am Lack, zementierten aber den Status Quo: Die Dreierkoalition hatte immer noch ihre alte Mehrheit, nur ein wenig schmaler. Friedrich Merz musste auf plumpe rechtspopulistische Losungen setzen, um zu punkten. Aber der Versuch, das Berliner Bündnis mit Hilfe eines Angebotes an die deutsche Sozialdemokratie zu sprengen, schlug fehl. Die Reihen standen fest. Das Experiment lief weiter.

Was genau, so wollen Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner herausfinden, muss eine Bundesregierung eigentlich tun, bis sie ihren letzten treuen Wähler verprellt hat? Die, die gar nichts mitbekommen? Denen alles egal ist? Sie schnürten also in Berlin ein Rettungspaket für rechts, prallvoll mit unwiderstehlichen Angeboten. Die Sondervermögen platzten in Karlsruhe wie Ballons in zu größer Höhe. Der Wumms endete mit einem Schrumms.

Der "Deutschland-Pakt" und die "Deutschland-Geschwindigkeit", gedacht als Signal, dass Nationalismus und "Germany first"-Denken dann und wann durchaus erlaubt sind, sie wurden nie wieder gesehen. Das Barmen über Haushaltslöcher, die schon immer dagewesen waren, nun aber ihren atmenden Deckel verloren hatten, schwoll zu ohrenbetäubendem Geschrei an. Jede Fehlermeldung in jedem Förderhaushalt, der von einem Minister kam, konterte ein anderer mit einem Spaziergang mit der Geldgießkanne durch den globalen Garten des Wünschdirwas. 

Qual kommt von Wählen

Darf es noch ein wenig mehr Rundfunkbeitrag sein? Kann die Gastronomie nicht schneller sterben, wenn man ihr mit der Steuerzange zu Leibe rückt? Warum nicht die CO2-Steuer kräftiger erhöhen und dafür die Netzentgelte doch nicht senken? Die neue, hohe Lkw-Maut obendrauf, fest versprochene Stromabschaltungen dazu und als Würze einen Spritzer Dämmpflicht von der EU drüber. Bei all den Pleiten, die durchs Land rollen, tut das bald ohnehin keinem mehr weh. Also besser denen, die den Laden aus lauter Gewohnheit am Laufen halten, noch mal in die Brieftasche fassen. Wenn sie erst das höhere Bürgergeld bekommen, fließt das alles wieder zurück.

Es hat trotzdem gedauert. Wochenlang sah es so aus, als würde sich der deutsche Rechtspopulismus an seinem eigenen Triumphgeheul verschlucken. So sehr die ehemalige Fortschrittskoalition sich auch bemühte, die Umfragezahlen waren wie festgenagelt. Mal einen Punkt hoch bei der einen Ampel-Fraktion, mal einen runter bei der anderen. Die AfD aber bröckelte - die paar Grenzkontrollen, "die nichts bringen", wie die Innenministerin versichert hatte, ehe sie sie einführte, wirkten geradezu toxisch auf die in Teilen gesichert rechtsextreme Partei. Wie Blei lag sie im Regal. Zehn Prozent unter den Höchstwerten, die ihr die Brandmauer-Diskussion beschert hatten.

Wehren gegen die Gewinner

Die ausschlaggebende Initiative für die Trendumkehr, die den deutschen Rechtspopulismus womöglich vor einem frühen Ende bewahrt hat, kam dann allerdings nicht aus dem politischen Berlin, sondern auch dem publizistischen Hamburg. Relativ unvermittelt blies der "Spiegel" Mitte November die Verbotsfanfaren. So, hieß es, könnten sich die Umfrageverlierer der letzten Monate gegen die wehren, die immer nur zugewinnen.

Als die Verfassungsrichter in Karlsruhe dem Fortschritt dann die Geschäftsgrundlage entzogen und all die opulenten Schattenhaushalte für ungültig erklärten, gestanden zumindest SPD und Grüne umgehend ein, dass sie das beste Deutschland, dass es jemals gab, in eine Notlage regiert hatten, ohne die es kein herausregieren geben wird. Entweder die Schuldenbremse fällt oder wir, hieß es. 

Die Mitleidskarte stich nicht mehr

Ein Ultimatum, das genauso ankam, wie es geplant war: Bei den einen stach die Mitleidskarte noch einmal. Wenn kommende Generationen zurückzahlen, was wir heute verfrühstücken, dann ist das doch gut, denn dann irgendwann ist das Geld ohnehin weniger wert, sagten die einen. Die anderen aber, das zeigen die neuesten Umfragezahlen,  scheinen nun der Ansicht zu sein, dass es egal ist, welcher Verfassungsverächter im Kanzleramt sitzt. Hauptsache nicht dieser.

Nur ein bewundernswert stabiles Drittel der Deutschen ist hart genug, all die Wahlwerbung für die Rechtsparteien zu ertragen, ohne entsprechend zu handeln. Die SPD hat zwei Fünftel ihrer Wähler überzeugt, dass es reicht, die FDP sogar die Hälfte der ihren. Allein die Anhänger der Grünen zeigen, was Leidensfähigkeit bedeutet: Selbst Beschimpfungen nehmen sie hin, ohne mit der Wimper zu zucken oder über andere Wahlmöglichkeiten nachzudenken.

Unempfindlich gegen die Wirklichkeit

Doch diese wenigen, die wirklich unempfindlich sind gegen die Wirklichkeit, die mittlerweile sogar den Klimaminister Tag für Tag von überallher umgibt, sie können nicht reichen. Die Union liegt allein bei 30 Prozent, etwa dem, was die Ampel zusammen noch zusammenbringt. Und die Hetzer, Hasser und Verfassungsfeinde hinter der Brandmauer sind wieder auf 22 Prozent gestiegen.

Im Osten, ohnehin aufgegeben, aber noch ohne neue Verwalter, rechnet der "Spiegel" die zählbaren Erfolge der Verbotskampagne vor. 32 Prozent nun. Noch drei Spiegeltitel von Weidel mit Vampirzähnen, dreimal Ricarda Lang, die den blöden Ossis die Welt erklärt, und eine Lobeshymne auf Habeck, dann steht die absolute Mehrheit.

"Dies ist der bisherige Höchststand der Partei im Trendbarometer, den sie so schon einmal Mitte September und Ende Oktober erreicht hatte", rekapituliert das "RTL-Trendbarometer" die Bedeutung dieses Etappenerfolg des scheidenden Kanzlers, dem drei Viertel nichts mehr zutrauen und selbst eine Mehrheit unter den wenigen verbliebenen Anhängern der drei Regierungsparteien nicht, "dass es Scholz gelingen wird, das verlorene Vertrauen in die Bundesregierung zurückzugewinnen". 

Kein Geld mehr für Geschenke

Nun fehlt ja sogar das Geld, sich die Massen mit Geschenken an wechselnde Wählergruppen gewogen zu halten. Leere Taschen aber regieren immer schlecht, und in Kombination mit einer Wintereinbruch im Herbst, einer pompösen Klimakonferenz in einer Erbmonarchie und vielen, aber ratlosen Fernsehauftritten und Bundestagsreden ergibt das eine Mischung, die das Ende erahnen lässt. Nur ein gnädiger Weihnachtsfriede, der den Wähler und die Wählerin noch einmal motiviert, auch  die nächsten paar Zumutungen gelassen zu schlucken, kann die Regierung über den Jahreswechsel retten.

Dienstag, 5. Dezember 2023

Entscheid der Klimawandelkomission: Wann Wetter Klima ist und wann nicht

Oft ist es Klima, manchmal aber täuscht der Augenschein und es handelt sich eindeutig nur um Wetter.

Es schneit, es ist kalt, es kommen die Leugner aus ihren Löchern und sie schreien überall, dass all der Schnee und Frost den wissenschaftlichen Konsens von der Klimaerwärmung nun wohl endlich widerlegt habe. Winter mit Schnee und starkem Frost habe es ja nie mehr geben sollen, in unseren Breiten. Statt frostiger letzter Herbstwochen drohten milde Winter mit Sonnenbädern im Münchner Hofgarten und kräftiger Entlastung für die deutschen Erdgasspeicher, die Robert Habeck mit nahezu dausend Prozent (Bernd Förtsch) gefüllt hatte. Die nun aber nach nur einer kleinen Winterwoche von vielleicht zwölf schon nur noch zu 95 Prozent gefüllt sind.  

Noch nie seit 43 Jahren

Doch die Tatsache, dass es schneit wie in München "noch nie seit 43 Jahren" (DPA), ist kein Gegenargument für den Klimawandel - darin sind sich Klimaexperten einig. Ganz im Gegenteil: Es ist ausgerechnet die Erderwärmung, die "teils sogar für mehr Schnee sorgt" (Tagesschau). Wichtig ist, klar zu unterscheiden, was nur Wetter ist und was schon Klima und Klimawandel. Viel Sonne, das hat nicht zuletzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach als Hitzebeauftragter der Bundesregierung bereits im Juni mit seinem Plan für mehr Wärmeschutzinseln und Wasserspender deutlich gemacht, ist definitiv immer Klima, ebenso wie wenig Regen, viel Dürre, hohe Temperaturen und zunehmende Zuwanderung. 

Bei viel Schnee hingegen handelt es sich um ein weiteres "Zeichen für den Klimawandel, nicht gegen ihn", wie der Politikwissenschaftler Ingwar Perowanowitsch errechnet hat: Pro ein Grad Erwärmung nehme die Atmosphäre sieben Prozent mehr Wasserdampf auf, das führe "im Sommer zu Starkregenfällen und im Winter eben zu Starkschneefällen". Eine einfache, aber einleuchtende Logik,  gerade mit Blick auf Versuche der Fossillobby bei der UN-Klimakonferenz in Dubai, auf ein Roll back der deutschen Bemühungen um ein Verhindern des Ausbleibens von "Wintern mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren in unseren Breiten"

Schnee ist kein Beweis

Schnee, auch in großen Mengen, taugt nicht als Beweis dafür, dass die Erderwärmung und der Klimawandel ausbleiben. Vielmehr zeigen beide hier ein besonders hässliches Gesicht. Nach dem wärmsten Sommer seit mindestens 100.000 Jahren" (DPA), womöglich aber auch sogar seit "125.000 Jahren" (T-Online) brachte auch der Oktober einen neuen Hitzerekord, ehe halb Europa mitten im Herbst im Schnee versank. Zwar gab es 2023 nur 11,5 sogenannte "Heiße Tage" (DWD), eineinhalb  mehr als 1965 und ebenso viele wie 1993. 

Doch selbst die Schneemassen hinzugezählt kann das allein "kein Gegenargument dafür sein, dass die Temperaturen weltweit im Schnitt wärmer werden" (Tagesschau). Klimaexperten widersprechen zwar der Perowanowitsch-Formel und beharren darauf, dass wärmere Winter weniger Schnee bedeuten. Doch  wie die Nordatlantische Oszillation in den vergangenen Jahren stets verlässlich auftauchte, um kalte Phasen inmitten der Hitzerekorde zu erklären, sind nach deren plötzlichen Verschwinden nun "Jahresschwankungen" (DWD) dafür verantwortlich, dass sich die "generelle Temperaturerhöhung im Winter auch in den Minusgraden abspielen" kann.

Kälte trotz Rekordhitze

Schnee gehe auch bei minus fünf Grad, begründet die DWD-Klimatologin Gudrun Mühlbacher, warum es trotz Rekordhitze kalt genug werden kann, dass es schneit und der Schnee liegenbleibt. Nur eben kürzer: So zeige eine Datenreihe des DWD zu Oberstdorf in Bayern, die über 135 Jahre reicht, dass es zwischen 1961 und 1990 im Mittel noch 127 Schneetage gegeben habe, zwischen 1991 und 2020 aber nur noch 106 Tage. Die Zeitspannen, in denen Wetter zu Klima wird, schrumpfen also, hingegen dehnen die sich den physikalischen Gesetzen folgend hitzebedingt aus, in denen das Klima das Wetter diktiert.

Ausreißer, also Schneefälle wie vor 20 Jahren und starker Frost, lassen keine Rückschlüsse auf das Klima zu, wie Peter Hoffmann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bestätigt hat. Bestimmte Wetterbedingungen könnten Winter "auch mal ungewöhnlich ausfallen" lassen, womöglich sogar mit immer mehr Schnee, je länger die Klimaerwärmung andauere. Durch die fortschreitende Annäherung an das 1,5-Grad-Ziel könnte es künftig zwar seltener schneien, "dafür aber in der Masse genauso viel oder gar mehr" (Hoffmann) Schnee geben. 

Ein einfacher Grund

Der Grund dafür ist, dass es durch die Klimaerwärmung mehr regne - vor allem im Herbst und im Winter, um die sommerlichen Dürren und der Grundwassermangel nicht zu gefährden. Laut DWD hat die mittlere Niederschlagsmenge in Deutschland seit dem Winter 1881/1882 bereits um rund 48 Millimeter zugenommen, der Großteil dieser Steigerung etwa ein Viertel entfalle auf die Niederschlagsaison in den Wintermonaten. 

Zudem beobachten Forschende des Climate Watch Institutes im sächsischen Grimma mehr Resilienz beim Schnee, mit größeren Flocken und härteren Kristalle. "Das führt dazu, dass mehr Schnee liegen bleibt, auch wenn die Temperaturen insgesamt hochgehen." Das sei aber nicht beunruhigend, sondern hilfreich, denn geschlossene Schneeflächen bilden nach dem aktuellen Forschungsstand einen natürlichen Reflektor für einfallendes Sonnenlicht: "Die strahlen viel Hitze zurück in den Weltraum und wirken so kühlend." Einerseits verlängere das die Schneelliegezeiten, andererseits auch die Heizperiode, wobei noch nicht klar sei, welcher sich selbst verstärkende Prozess in der aktuellen Wetterlage obsiege und zu einem wissenschaftlich verwertbaren Klimabeitrag werde.

Fakt sei, dass der Klimawandel zu mehr oder weniger Schnee führen könne, aber auch zu höheren Temperaturen, die sich als tiefere Temperaturen äußern. Frost sei somit kein Beleg für mangelnde Erwärmung, denn nachts sei es nach wie vor kälter als draußen. "Mehr Wetter insgesamt verwandelt sich jeweils in Klima, aber das passiert eben nicht tagesaktuell", heißt es in Grimma.

Zehn-Punkte-Liste: Wo Steuererhöhungen zu Lasten der Bürger möglich wären

So berichtet die Süddeutsche Zeitung über die neue Steuererhöhungsliste der Klimaforscher aus Grimma.

Haushaltsnot in Berlin, der Staat nimmt Steuern ein wie noch nie, doch es reicht einfach nicht, denn auszugeben ist wie noch stets immer sehr viel mehr. Seit dem regierungsfeindlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über die Schuldenbremse beraten die Spitzen der Ampel-Koalition über Möglichkeiten, doch noch verfassungsgemäße Tricks zur Umgehung des Grundgesetzes und der ohnehin von einem politischen Konsens als weniger wichtig erachteten völkerrechtlich verbindlichen EU-Schuldenregeln zu finden.

Aufbruch in den Erhöhungsstaat

Das Climate Watch Institut im sächsischen Grimma hat der Bundesregierung jetzt eine Liste von Steuererhöhungsmöglichkeiten vorgelegt, von der die Forscher in enger Zusammenarbeit mit Propagandaprüfern der Berliner Bundesworthülsenfabrik (BWHF) zur Überzeugung gekommen sind, dass sie sich als Abschaffung sogenannter "klimaschädliche Steuervorteile" öffentlich durchsetzen lassen würden. Eine Umfrage unter 1.212 statistisch erfassten Bürgerinnen und Bürgern in sieben ost- und westdeutschen Bundesländern habe gezeigt, dass eine Bezeichnung der jeweiligen Bereiche als "Subventionen" oder auch "klimapolitisch fragwürdige Subventionen" ausreichen werden, eine Mehrheit der Bevölkerung für Steuererhöhungen zu begeistern. 

Steuererhöhungen als "Einsparungen" zu bezeichnen, hat eine lange Tradition. Schon frühere Bundesregierungen ließen immer wieder Gerüchte über Listen mit sogenanntem "Streichpotenzial" bei steuerlichen Tatbeständen kursieren, um zu testen, wo Erhöhungen mit dem geringsten Widerstand möglich wären. Das derzeitige Kabinett kann  zwar über Einnahmen verfügen, wie sie noch keine frühere Regierung zur Verfügung hatte, doch weil mdie Koalition sich anfangs zusätzlich auf rechtswidrigem Wege weitere rund 260 Milliarden Euro für Wunschausgaben zugeschrieben hatte, muss sie ihre Haushaltsplanung nun auf eine neue Grundlage stellen.

"Sparmaßnahmen" kommen immer gut an

Um die vielen Klima-, Transformations-, Rüstungs- und Wiederaufbaufonds zu füllen, schlägt das CWI die Formulierung vom "Abbau umweltschädlicher Subventionen" vor. Gemeint ist damit allerdings nicht, dass SPD, Grüne und FDP auf die Finanzierung unsinniger Bauvorhaben verzichten oder bei den Ausgaben für klimaschädliche Rüstungsgüter rigoros streichen soll. Vielmehr zielen die "Sparmaßnahmen" auf eine Erhöhung der Staatseinnahmen durch höhere Lasten für die Bürgerinnen und Bürger, die so verteilt und verbrämt werden sollen, dass die Betroffenen im besten Fall zwar mehr zahlen, aber sehr zufrieden damit sind.

Die Zehn-Punkte-Liste aus Grimma umfasst vor allem, aber nicht nur deutliche Kostenerhöhungen für die individuelle Mobilität, die aus Sicht der Forscherinnen und Forscher in überwiegendem Maße keine volkswirtschaftlichen Vorteile bringt. Allein der Umstand, dass Mensch oft zu selben Zeit in nahezu gleicher Anzahl von Hamburg nach Berlin führen wie von Berlin nach Hamburg, zeige, dass es der Verkehrssektor großes Einsparpotenzial habe. "Bliebe jeder dort, wo er war, würden nicht nur finanzielle Kosten vermieden, sondern auch Klimabelastungen." Allein mit dem Aufbau eines Bundesreisegenehmigungsamtes (BRGA) könnten hier Milliarden gespart werden, sind die  Wissenschaftler überzeugt. "Nicht mehr jeder dürfte immer überall hinfahren, aber jeder der einen triftigen Grund nachweist, bekäme unbürokratisch das Recht."

Sparpotenzial durch höhere Preise

Deutlich mehr Sparpotenzial sehen die CWI-Experten sogar beim Luftverkehr. Hier gilt bislang weltweit ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der die gewerbliche Luftfahrt gänzlich von der Mineralölsteuer befreit. Diese globale Regelung zur Kerosinsteuer-Befreiung, vereinbar im Chicagoer Abkommen von 1944, müsse Deutschland einseitig über Bord werfen, um dem besonders klimaschädlichen Flugverkehr den Garaus zu machen. 

Der genießt heute noch einen Steuervorteil gegenüber dem Straßen- und Schienenverkehr, der in Zahlen ausgedrückt beachtlich ist: Der Ticketpreis für einen Überseeflug von 700 Euro setzt sich derzeit noch zusammen aus etwa 140 Euro für Abfertigung, Beförderung und Beköstigung an Bord und einem Aufschlag von Steuern und Abgaben von rund 560 Euro. Käme eine  Kerosinsteuer obendrauf, dürfte sich der Finanzminister allein bei innerdeutschen Flüge auf 600 Millionen Euro an Steuermehreinnahmen freuen. 

Ran an den Diesel

Ebenfalls im Fokus der Geforschthabenden: Die Diesel-Besteuerung. Seit 2003 werden Dieselkraftstoff in Deutschland mit 47,04 Cent je Liter besteuert, Benzin hingegen mit 65,45 Cent je Liter. Diese Regelung sollte die Belastung von Vielfahrers wie etwa Pendlern ausgleichen, abgefedert durch eine höhere Kfz-Steuer für Diesel-Pkw, die sich deshalb nur für Vielfahrer lohnen. 

Nach 20 Jahren könne man diese Regelung nun als "Privileg" bezeichnen und problemlos abschaffen, wenn man die Fahrer von Pkw mit Benzinmotoren überzeuge, dass sie derzeit deutliche Steuernachteile erdulden müssten. Der dem Fiskus könne anschließend mit etwa 7,3 Milliarden Euro pro Jahr rechnen, die aus den Taschen der Bürgerinnen und Bürger anstrengungslos ins Staatssäckel flössen.

Auch der Agrardiesel würde nach den Plänen aus Grimma deutlich höher besteuert werden. Derzeit werden nur 25,56 Cent je Liter fällig, damit Agrar- und Forstwirte wettbewerbsfähig zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten bleiben. Die Berechnungen des CWI zeigen, dass das kein Problem ist: Nach einer Aufhebung der Befreiung von Forst- und Landwirten von der Zahlung der normalen Kfz-Steuer würden die Betriebe ihre Preise erhöhen, um die Mehrzahlungen an den Staat in Höhe von etwa einer Milliarde Euro aufzufangen. Letztlich verteile sich die Mehrbelastung auf viele Millionen Kunden, so dass für niemanden eine unbillige Härte entstehe.

Weg mit unbürokratischen Regelungen

Auch die Überlassung von Dienstwagen durch Arbeitgeber nach der für deutsche Verhältnisse recht unbürokratischen Ein-Prozent-Regelung könnte nach Überzeugung der Forschenden zumindest rein rechnerisch fiskalische Mehreinnahmen generieren. Als "Dienstwagenprivileg" längst etabliert im Sprachgebrauch derer, die Arm und Reich gegeneinander in Stellung bringen, beschreibt die Regel das verfahren, nachdem ein Dienstwagen bei privater Nutzung als sogenannter geldwerter Vorteil zusätzlich zum Gehalt als Einkommen versteuert werden muss.

Bisher galt das als unbürokratische und klimafreundliche Lösung, denn im Regelfall spart jeder auch privat nutzbare Dienstwagen durch Mitarbeiter die Anschaffung eines zusätzlichen Privatfahrzeuges. Die CWI-Spezialisten aber haben für diese beinahe schon deutschland-untypische Verfahrensweise nun eine Sprachregel gefunden, die sie als "Flatrate für die private Nutzung" beschreibt. Weil "mit jedem zusätzlichen Fahrtkilometer die Durchschnittskosten sinken" (CWI), führen Millionen Dienstwagenprivilegierte quasi Tag und Nacht unsinnig weite Strecken ohne Ziel. Dem Fiskus entgingen dadurch bis zu 5,5 Milliarden Euro jährlich, die der Finanzminister für zusätzliche Ausgaben gut brauchen  könne.

Ein  weiterer Vorteil der verdeckten Steuererhöhungen liege darin, dass die zuletzt schwächelnde Inflation durch die höheren Kosten noch einmal angeheizt werden. Idealerweise, empfehlen die Forscher, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher den die Schocks durch die Erhöhung der Maut, die Erhöhung der CO2-Abgabe, die Rückkehr zur höheren Umsatzsteuer in der Gastronomie, die Erhöhung der Grundsteuer und der Netzentgelte verdaut haben. Zusätzliche Belastungen entstünden durch die Staffelung der Steuererhöhungen kaum, bei besonders Armen und Armutsbetroffenen aber sei der Staat gefordert, mit einer Erhöhung von Bürgergeld, Kindergrundsicherung, Mindestlohn und Abgerodnetendiäten Härten auszugleichen.