Dienstag, 28. Februar 2017

Blondierte Bestien: Am Ende doch ein Endsieg

Niemand ist kein Nazi mehr, wenn wir es nicht erlauben.

Glücklich beschützt von schwerbewaffneten Polizisten tobt die Meinungsfreiheit schrankenlos im Deutschland dieser Tage. Nein, keine Witze über Flüchtlinge! Nein, keine Kritik an Angela Merkel, Martin Schulz oder der EU. Dieses Jahr, das erste mit Karneval seit Schließung der deutschen Grenzen, ist der Außenpolitik gewidmet, genauer gesagt all dem Bösen, was sich außerhalb Deutschlands sammelt, um das letzte wirklich moralische Regime der Welt in Versuchung zu bringen.


Doch Deutschland wehrt sich. Mit neuem Selbstbewusstsein versammelt hinter Martin Schulz, einem Leuchtturm der Möglichkeit, frühere Positionen zu verraten, ohne auch nur im Ansatz rot zu werden, rechnen Deutschlands Narren ab mit all dem, was anders denkt, anders glaubt und andere Politik macht als die "Tagesschau"-Kommentatoren für gut richtig befunden haben. Im Visier: Brexit-Verbrecher, Trump-Lügen, der US-Wähler in seiner bedauerlichen Beschränktheit, Erdogan, der ein Präsidialsystem wie in den USA aufbauen will. Die Welt ist schlecht, die Witze aber werden immer besser.

In Düsseldorf etwa ist es gelungen, die volksfeindlichen Bestrebungen von Marine Le Pen, Geert Wilders und Donald Trump historisch neu einzuordnen, indem die drei Verbrecherfiguren in einem Aufzug mit Adolf Hitler vorgefahren wurden. Der deutsche Millionenmörder, hier zur Verdeutlichung seiner Geistesverwandschaft mit anderen Menschheitsverbrechern straff auf Bestie blondiert, als einer unter Gleichen einsortiert in eine Figurengalerie der Nazi-Gangster - das sorgt für Stimmung und Kamelle unter den Narren und Närrinnen.

Endlich ist Opa rehabilitiert, endlich ist mal klargestellt, dass andere Völker sich auch irren. Niemand ist kein Nazi mehr, wenn wir es nicht erlauben. Niemand muss mehr traurig sein über das, was war. Letztlich sind doch alle Nazis, irgendwann. Nur wir nicht mehr, wir haben es schon hinter uns.


Muslim-Bann gegen Erdogan

Mit Proteste gegen Bestrebungen, Erdogan mit einem Muslim-Bann zu belegen, muss gerechnet werden.

Nur knapp einen Monat nach dem rassistischen und islamophoben Muslim-Bann-Dekret des neuen US-Präsidenten Trump werde Stimmen laut, die eine ähnliche Maßnahme auch für Deutschland fordern. Grund ist die Ankündigung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, im Wahlkampf um seine Abstimmung zur Einführung einer Diktatur in der Türkei auch in Deutschland auftreten zu wollen.


Rezip Erdogan will hier lebende Deutsche mit türkischen Wurzeln und türkischem Pass mit demagogischen Sprüchen und populistischen Versprechen davon überzeugen, bei der Scheinabstimmung über seine angeblichen „Reformen“ des türkischen Staatsgefüges für eine Übertragung des neueinzuführenden Sultan-Postens an ihn zu stimmen. Zuletzt war der Despot hier im August letzten Jahres per Videowand aufgetreten´, um seine Gefolgsleute gegen deutsche Satiresendungen aufzupeitschen.

Kampf mit gebundenen Händen 


Um zu verhindern, dass der türkische Präsident persönlich in Deutschland für ein Präsidialsystem in der Türkei werben kann, könnte die Bundesregierung seinen Besuch hier entweder als offiziell einstufen, was Erdogan zwar das Recht gäbe, einzureisen, der Kanzlerin aber eine Handhabe liefern würde, ihm ein öffentliches Rederecht zu verweigern. Erdogan könnte daraufhin jedoch damit drohen, das Flüchtlingsabkommen mit der EU aufzukündigen. Das kann Angela Merkel in einem Wahljahr nicht riskieren, weil ihr neuer, im Volk unglaublich beliebter Konkurrent Martin Schulz diese Schwäche sofort gegen sie verwenden würde.

Auch der Versammlungsbehörde sind die Hände gebunden, weil Erdogan vermutlich behaupten wird, er sei nur als Privatmann hier und dürfe wie jeder andere, der kurz oder schon länger hier lebe, sein Recht auf Versammlungs- und Redefreiheit nutzen. Der Usurpator profitierte dann davon, dass auch eine Kundgebung seiner Anhänger von der Versammlungsfreiheit geschützt ist. Zudem hat er mit dem "Menschenkarikatur"-Erfinder Deniz Yücel eine Geisel genommen, die er als Druckmittel gegen Deutschland einzusetzen bereit sein dürfte. Ziel wäre dann wohl ein Austausch: Freiheit für Deniz gegen Rederecht für Rezip.


Ungestört von den Behörden könnte Erdogan dann seine populistischen Parolen für ein "Ja" beim anstehenden Verfassungsreferendum verbreiten, sich von seinen Anhängern feiern lassen und die Opposition verteufeln. Nur falls er zur Gewalt gegen Oppositionelle aufrufen sollte, könnte die Polizei einschreiten.

Gelänge es jedoch, Erdogan die Einreise nach Deutschland zu verweigern - etwa, weil die Einreisekontrollen verschärft und Einreisezentren an der Grenze geschaffen werden, die jeden Kryptosultanisten am Zutritt hinden, könnte Rezip Erdogan keine Sonderbehandlung für sich reklamieren.Mit internationalen Protesten wäre zwar zu rechnen, aber damit könnte die Bundesregierung eher leben als mit Bildern eines Spätosmanen, der sich weit westlich von Wien von seinen Janitscharen bejubeln lässt.


Montag, 27. Februar 2017

Merkel stützt Pegida: Ihr seit* das Volk!

Wer ist das Volk? Wer darf von sich behaupten, es zu sein? Wer ist es nicht? Und wer darf auf die Straße gehen, und rufen: Wir sind das Volk?


Offene Fragen, seit Menschenfeinde bei Pegida begannen, den Slogan der 1989er-Demonstraten in der DDR zu "missbrauchen" (Tagesthemen). Wenn ein Teil der Bevölkerung behauptet, das Volk zu sein, was ist dann der andere Teil? Auch Volk? Kein Volk? Wer missbraucht was, aus welchem Grund und wie legal ist das?

Eine schwierige Frage, die Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt völlig überraschend zugunsten der von Hass erfüllten Pegida-Hetzer entschieden hat: "Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt“, teilte die Kanzlerin nach Monaten intensiver Prüfung der Frage mit.

Damit ist nun amtlich: Nicht nur Pegida-Marschierer sind das Volk, sondern auch noch kleinere Gruppen, ja, sogar einzelne Personen können mit dem Segen der Regierungschefin von sich behaupten, das Volk zu sein.

Merkel geht damit auf Gegenkurs zu ihrem Herausforderer Martin Schulz, der Ewiggestrigen, Abweichlern und Andersdenkenden eben erst abgesprochen hatte, "Volk" sein zu dürfen. Intolerante und "Propagandisten des Rassenhasses", die 'Wir sind das Volk' reklamierten, so der Kanzlerkandidat der SPD, stellten ""die Tatsachen auf den Kopf". Sie seien "ein merkwürdiges Volk, aber sicher nicht das Volk", versicherte er.

Mussten die Väter der amerikanischen Verfassung noch Zuflucht zum fragwürdigen "We, the People" (wir, die Leute)  nehmen, weil das Englische keinen Begriff für "Volk" kennt, abgesehen von "Nation", "Population" und "Öffentlichkeit", besitzen die Deutschen gleich mehrere Begriffe, bei denen nur der Inhalt unklar ist: Ist das Volk gleich der Bevölkerung?  Ist Bevölkerung Teil des Volkes? Oder umgekehrt?

Offen stehen sich hier nun die Ansichten der beiden führenden intellektuellen Köpfe der Republik gegenüber. Schulz, der es vom rechten Glauben an linke Werte abhängig macht, wer zum Volk dazugehören darf. Und Merkel, die das Wohnsitzprinzip verteidigt: Jeder, der wo lebt, ist automatisch Volk von dort.

Zumindest der Sprachlehre zufolge liegt die Kanzlerin damit richtiger. Etymologisch ist die Abstammung des Begriffes "deutsches Volk" zurückzuverfolgen bis ins 9. Jahrhundert. Seitdem ist das "Volk" das deutsche Volk. Denn damals kam zum Wort "Volk", mit dem Schweinehirten bis dahin die Gesamtheit ihrer schutzbefohlenen Schweine bezeichneten, das Adjektiv "teotisce", "tiutiscae" oder auch "diutisg", das vom germanischen Wort theudo - zu Deutsch deutsch - abstammte.

Dies wiederum bezeichnet den "Stamm" oder eben "das Volk".

Womit klar ist: Das Volk ist im Falle Deutschlands das zum Volke gehörende Volk.

* Die Vielzahl der verschiedenen Hinweise, dass das Wortspiel mit "seit" als Hinweis auf das 9. Jahrhundert nicht funktioniert hat, ist angekommen.


Steuererhöhungen: Noch ein Griff in die Tasche

Er wirtschaftet am allerbesten: Die Steuereinnahmen des deutschen Staates haben sich seit 1992 in etwa verdoppelt.

Nach Meldungen darüber, dass der deutsche Staat seinen Bürgern im vergangenen Jahr so viel Geld wie noch nie abgepresst hat, spricht sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann für eine Abschaffung der umstrittenen Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge aus. „Wir wollen die gleiche steuerliche Behandlung für Kapital und Arbeit“, umschrieb Oppermann die geplante Steuererhöhung. 

Nach einem Wegfall der Abgeltungsteuer sollen Steuerzahler auf Kapitalerträge aus ihrem Ersparten, das sie bereits einmal zum vollen Steuersatz versteuert haben, noch einmal den vollen Einkommensteuersatz zahlen. Die SPD will damit dem verbreiteten Trend entgegenwirken, dass Bürgerinnen und Bürger für ihr Alter selbst vorsorgen. Dazu haben in der Vergangenheit zahlreiche Menschen Sparbücher angelegt, Aktien oder Aktienfonds gekauft und Lebensversicherungen abgeschlossen.

Besteuern, was schon besteuert ist


Um von den hier erzielten Gewinnen zu profitieren, hatte die Bundesregierung im Jahr 2009 eine „Abgeltungsteuer“ eingeführt, die unabhängig von der Langfristigkeit einer Anlage etwa zum Zweck der Altersvorsorge ein Viertel aller Gewinne durch die damals noch üblichen Zinsen oder Dividenden pauschal für den Staat einzog. Das reicht nach Auffassung der SPD nun nicht mehr: Die nominalen Löhne und Gehälter im Land sind seit 1991 gerademal um knapp sieben Prozent gestiegen, die Steuereinnahmen des Staates hingegen verdoppelten sich.

Deshalb soll nun nicht mehr nur Arbeitseinkommen mit bis zu 42 Prozent Steuern belastet werden, sondern auch Gewinne aus bereits versteuerten Einkommen, die zur Altersvorsorge in Sparanlagen gesteckt wurden.

„Ich finde es falsch, wenn Arbeitseinkommen höher besteuert werden als Einkommen aus Kapital und Vermögen“, sagte Oppermann. Da es der Staat geschafft habe, das frühere Bankgeheimnis komplett aufzuheben und seit Anfang des Jahres ein automatischer Informationsaustausch zwischen den Finanzdaten aller Ländern in Kraft sei, müsse sich der Fiskus laut Oppermann nicht mehr zurückhalten. Einzige Berechtigung für die Abgeltungsteuer sei es gewesen, dass sie eine Möglichkeit war, Menschen freiwillig dazu zu bringen, ihre Steuern zu bezahlen, weil ihre Höhe als einigermaßen gerecht empfunden wurde. Dieses Argument falle weg, wenn der Staat nicht mehr befürchten müsse, dass seine Bürger bei zu hohen Steuern Geld vor ihm verstecken könnten.

 Zugreifen, wo immer der Bürger sich nicht wehren kann


Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war bereits auf die Idee gekommen, nach Inkrafttreten des Finanzdatenaustausches die Steuern auf Sparanlagen drastisch zu erhöhen. Mit dem Ende des Bankgeheimnisses fielen zahlreiche Steueroasen weg, damit gebe es keine Möglichkeit mehr, Geld zu verbergen. Damit könnte die Abgeltungsteuer als Friedensangebot des Staates an seine Sparer wegfallen.

Zuletzt hatte Schäuble mit Blick auf die Bundestagswahl wie noch vor jeder Wahl Steuersenkungen versprochen. Erfahrungsgemäß einigen sich Wahlsieger anschließend dann aber doch eher auf das Gegenteil.

Sonntag, 26. Februar 2017

Zitate zur Zeit: Zurück zu TASS

Zeitungen mit staatlichem Sendeauftrag brachten früher klare Botschaften zu ihren Lesern.
"Vielleicht brauchen wir auch öffentlich-rechtliche Printmedien. Wenn alles weg ist, dann haben wir demnächst auch Politiker à la Trump."

Enthüllungs-Journalist Günter Wallraff warnt im staatliche finanzierten Deutschlandfunk vor dem laufenden Zeitungssterben und fordert staatliche finanzierte Zeitungen als Abwehrmaßnahme gegen Populisten in Deutschland.

Wie die "Zeit" Fake News mit Fake News bekämpft

Fake News made in Hamburg.

Es geht wieder einmal darum, den Russen zu überführen, dass er mit unlauteren Mitteln versucht, die Meinungen der Wähler in Westeuropa zu beeinflussen. Die "Zeit" hat sich dazu der russischen Auslandssender angenommen. Und deren angebliche Fake-News-Schwulen-Kampagne gegen den französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron analysiert. Das Problem dabei ist nur: Die "Zeit" hat sich das alles nur ausgedacht.


Manchmal 200, manchmal 400 und sehr selten mal 2000 oder gar 20.000 Zuschauer erreicht der offizielle Youtube-Kanal des russischen Auslandssenders Sputnik News. Bei RT Deutsch sieht es ähnlich aus: Ganze vier Videos erreichten im letzten Jahr mehr als eine halbe Million Zuschauer. Der Normalfall sind eher zweitausend, dreitausend Menschen, die die russischen Propagandafilme über Themen anschauen, die von deutschen Medien eher ungern angefasst werden.

Bei Facebook sieht es ähnlich aus: Hin und wieder wird einer der Beiträge von Sputnik News tatsächlich auch mal geteilt, bei RT Deutsch ist das öfter nicht der Fall. Sputniknews.com ist unter allen Internetseiten weltweit jenseits von Platz 900, rt.com, die Weltmutterseite des russischen Regierungssenders, knapp vor Platz 300. Zum Vergleich: bild.de liegt weltweit auf Platz 500, Der Spiegel auf Platz 400, die "Zeit" irgendwo bei 1.400.

Fake-News made in Russia


"Fake-News made in Russia" überschreibt nun letzteres Blatt einen Text über "Falschmeldungen", in denen ein Steffen Dobbert enthüllt, "wie der Kreml seit einem Jahrzehnt die Öffentlichkeit täuscht". Zum Anlass nimmt der Autor dabei angebliche russische Versuche, nach der Wahl in den USA nun auch die in Frankreich zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Russland streue dazu Gerüchte, der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron sei schwul, heißt es bei der "Zeit". Ziel der natürlich direkt vom Kreml gesteuerten Aktion sei es, Marine Le Pen zu unterstützen und den nach Ausscheiden von Francois Fillon aus dem Präsidentenrennen fast schon gewählten Marcon am Sieg zu hindern.

Fake-News aus Hamburg


Eine schöne Idee, die Steffen Dobbert auch mit großer Phantasie ausmalt. Weil die tatsächliche Reichweite von RT (früher Russia Today), sputniknews und Newsfront gemessen an - beispielsweise - der des ZDF oder auch nur der "Welt" oder der "SZ" zu bedauernswert ist, um den russischen Staatssendern wirklich Einfluss auf die öffentliche Meinung in Westeuropa zuschreiben zu können, nimmt Dobbert die brusttrommelnden Selbstbeschreibungen der Russensender für bare Münze. "Theoretisch bis zu 700 Millionen Menschen in mehr als 100 Ländern der Welt" können die nun auf einmal erreichen.

"Damit hätte der Sender eine größere Reichweite als die BBC", staunt Steffen Dobbert. Zwar könne man weder die Reichweitenangaben von RT überprüfen, noch gebe das Medium echte Zuschauerzahlen heraus. "Doch zweifellos sind RT-Produktionen besonders im Internet etwa auf Youtube sehr erfolgreich", analysiert der Fake-Experte - offenkundig, ohne auch nur einmal einen Blick in einen einzigen dieser so rasend erfolgreichen Youtube-Kanäle geworfen zu haben.

Es geht hier ja auch nur darum, eine These zu bestätigen. Der Russe bezeichnet unseren Favoriten bei der französischen Präsidentschaftswahl als "schwul", damit der nicht gewählt wird. Ein Angriff auf Europa, auf unsere Werte, auf Demokratie und Freiheit.

Das Problem dabei ist nur: Der Franzose tut das auch. Er tut es seit Monaten, auf allen Kanälen, namhafte Adressen wie gala.fr, atlantico.fr, yahoo.news und gay24.fr suhlen sich in den Gerüchten, die RT, sputniknews und newsfront gar nicht erfinden mussten, weil es sie schon lange gab.

Nicht etwa in Moskau, sondern in Paris.


Samstag, 25. Februar 2017

HFC: Das Selbstmordkommando von der Saale

Auch der Ball geht nicht rein. Was prinzipiell eigentlich gar nicht gehen kann.

Als der Ball zum zweiten Mal wie gelähmt auf der Torlinie des Großaspacher Kastens liegenbleibt, zieht eine leise Ahnung durch den erneut nur mit spärlichen 5.500 Menschen besetzten Erdgassportpark. Hier könnte heute Geschichte geschrieben werden. Als der Ball dann kurz nach der Halbzeit zum zweiten Mal an die Latte des Großaspacher Tores knallt, wird es zur Gewissheit. Hier wird heute Geschichte geschrieben werden. 


Vierzig Minuten später ist es Gewissheit: Der Hallesche FC, zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder in Rufweite zur zweiten Bundesliga, verabschiedet sich aus dem Aufstiegsrennen. Der Club von der Saale wird den Rest der Saison in Ruhe herunterspielen und die zum sicheren Verbleib in der 3. Liga noch nötigen 13 Punkte holen. Die letzten davon dann sicher vor einem kleinen Kreis von Leuten ohne Kleingarten, die aus lauter Gewohnheit jeden zweiten Samstagnachmittag in das alte Kurt-Wabbel-Stadion kommen.

Chancen im Minutentakt


Da jubelt der falsche Röser.
Alles also wie immer, eigentlich ist nichts passiert in diesem Spiel gegen die Mannschaft aus Großaspach, die in Halle nie schlecht aussah. Oder doch jedenfalls nie so schlecht wie heute. Zwar gehört den Gästen die Anfangsphase, nach einer Viertelstunde aber beginnt der HFC, Druck nach vorn aufzubauen. Die Gäste, bis dahin über den wieselflinken Rodriguez gefährlich, kommen nun nicht mehr aus ihrer Hälfte. Und die Männer von Trainer Rico Schmitt zu hochkarätigen Chancen im Minutentakt. Marvin Ajani vergibt gleich zweimal freistehend, dann ist es Fenell, der die Latte trifft, anschließend stochert Kleineheismann den Ball bis exakt auf die Torlinie und Martin Röser gelingt kurze Zeit danach genau dasselbe noch einmal.

Und immer noch steht es 0 zu 0 und immer noch deuten die Gäste vom Gasthof "Sonnenhof" an, dass sie trotz aller Personalprobleme nicht gekommen sind, dem HFC die drei Punkte zu schenken, die reichen würden, bis auf einen Punkt an den ewigen Rivalen aus Magdeburg heranzukommen und zwei Punkte Abstand zum nächsten Anwärter auf Tabellenplatz 3 zu schaffen. Halle spielt nicht gut, aber mit acht Offensivaktionen, die zum Tor hätten führen können, stehen die Rot-Weißen deutlich besser da als zuletzt gegen Regensburg, als ein Big Point im Aufstiegsrennen vergeben wurde.

Die Führung müsste eine reine Frage der Zeit sein, so sieht es auch nach der Halbzeit aus. Jetzt kommt die Szene, in der Fenell, schön angespielt von Florian Brügmann, beim Lattenschießen seinen zweiten Treffer landet. Ein Signal. War bis dahin schon kein System im HFC-Anrennen zu erkennen, fällt nun auch das noch auseinander. Ajani verhungert auf seiner Seite, Lindenhahn hat wieder einen zumindest schon angebrochenen Tag erwischt. Über allen Köpfen der HFC-Spieler schwebt die Sprechblase mit dem ewigen Zweifel aller Fußballspieler, denen es selbst in guten Phasen schwerfällt, das Tor zu treffen: Geht denn heute wirklich keiner rein?

Keiner geht noch rein


Nein. Zumindest nicht ins Großaspacher Tor. Dafür klingelt es bei Fabian Bredlow. Ein Großaspacher Verteidiger macht einfach mal, was Ajani und Röser bis hierhin nicht fertiggebracht haben. Durch zur Grundlinie, Flanke nach innen, Bredlow schaut, als sei das so nie vorgesehen gewesen. Lucas Röser, der Bruder von Martin Röser, dem ersten HFC-Spieler des letzten Vierteljahrhunderts, für den Ablöse gezahlt wurde, steigt im Fünfmeterraum hoch wie im Training und köpft zum 0 zu 1.

Danch läuft es bei Halle, aber nur noch die Beine runter. Was bis hierher eine kleine Spur in der Hose aus lauter Angst vor der dünnen Luft an der Tabellenspitze war, ist nun eine unübersehbar dicke, fette schwere Buxe, die das Laufen, Rennen und Passen zu einem Kraftakt macht.

Da vorn im Sturm, der im Falle Halle traditionell als laues Lüftchen weht, ist kein Zielspieler wie Röser, kein Torgaran, wie ihn der FCM mit Beck hat. Und dahinter ist kein Mittelfeld, das das ausgleichen kann. Hinzugerechnet die streckenweise an die Bemühungen einer C-Jugendmannschaft im ersten Großfeldjahr erinnernden Bemühungen bei Ecken und Freistößen, kann hier nicht weiter passieren, als was passiert. Während die Zuschauer schon langsam wegtröpfeln, suchen Kapitän Klaus Gjasula und Co die Brechstange. Können aber nicht mal die finden.

Eine Heimniederlage, die erste seit fast einem Jahr, aber absehbar. Die Weichen wurden in der Winterpause gestellt, als die Klubführung mit dem Finnen Timo Furuholm den numerisch besten HFC-Stürmer seit dem legendären Denis Koslow nach Hause schickte. Und als Ersatz einen vierten Torwart holte.

Der Rest der Saison wird damit absehbar zu einer Selbstmordmission für Aufstiegsträume. Benjamin Pintol, mit bis dahin fünf Toren in 20 Spielen etwa so gefährlich wie ein kopfballstarker Innenverteidiger, sollte allein dafür sorgen, die eklatante Offensivschwäche in der Rückrunde zu verbessern. Schließlich gewinnt der Sturm ohnehin nur Spiele, die Abwehr aber Meisterschaften, so steht es in den Lehrbüchern.

Doch der Plan, falls es einer war, geht allerhöchstens als Signal an Mannschaft und Umfeld auf. Wir haben keine Ambitionen, hieß die Botschaft, wir spüren keine Euphorie, wir wagen nichts und können so auf keinen Fall irgendetwas verlieren.

Das wars für diese Saison


Nur gewinnen eben auch nicht mehr: Drei Tore hat der HFC seit Rückrundenstart geschossen, aber vier kassiert, in der Bilanz steht ein Sieg bei zwei Unentschieden und zwei Niederlagen. Das macht fünf Punkte aus fünf Spielen und zehn Punkte, die jetzt jemand anderer hat. Nah dran an dem, was mal war. Und weit vorbei an dem, was hätte sein können.

Mancher wird sich nun vielleicht doch einen Kleingarten zulegen.

Abhören unter Freunden: Wurde der Bundespräsident ganz mies hintergangen?

Ghet doch! Auch deutsche Geheimdienste können Freunde abhören.
Noch nicht richtig im Amt und schon im Mittelpunkt einer neuen Staatsaffäre: Nachdem der "Spiegel" darüber berichtet hat, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst BND über Jahre hinweg ausländische Journalisten von der britischen BBC über die Nachrichtenagentur Reuters bis zu einem Telefonanschluss der "New York Times" abgehört hat, wächst der Verdacht, dass SPD-feindliche Kreise nach dem erfolgreichen Kanzlerkandidaten Martin Schulz nun auch eine miese Schmutzkampagne gegen den angehenden SPD-Bundespräsidenten fahren wollen.

Zunutze machen sich die unbekannten Urheber der Vorwürfe gegen den BND dabei eine zeitliche Kongruenz: Der "Spiegel" berichtet, dass der BND "ab 1999 mindestens 50 Telefon- und Faxnummern oder E-Mail-Adressen von Journalisten oder Redaktionen auf der ganzen Welt mit eigenen sogenannten Selektoren" überwacht habe. Genau von 1999 an war Walter Steinmeier, heute Deutschlands beliebtester Politiker, als Kanzleramtsminister der Regierung Schröder oberster Aufseher der deutschen Geheimdienste.

Zufall? Oder von langer Hand geplantes Manöver, um den ersten Bundespräsidenten, der erfolgreich direkt aus einem Ministeramt in das höchste Amt im Staate wechseln wird, noch vor seiner Vereidigung abzuschießen? Steinmeier selbst hatte immer beteuert, dass er in seiner Zeit als Geheimdienstaufseher nie von nichts gewusst, vieles vergessen und den Rest nicht einmal geahnt habe.

Dass Steinmeier, ein bis zur Übertreibung korrekter Detmolder, die Unwahrheit sagt, ist  ausgeschlossen. Haben ihn die Geheimdienste also hintergangen und auf eigene Kappe "mehr als ein Dutzend Anschlüsse der britischen BBC in Afghanistan und in der Zentrale London", "Redaktionen des internationalen Programms BBC World Service", einen "Anschluss der "New York Times" in Afghanistan" und "Anschlüsse von Mobil- und Satellitentelefonen der Nachrichtenagentur Reuters in Afghanistan, Pakistan und Nigeria" zu Spähzielen erklärt, wie der "Spiegel" aus bislang geheimen Unterlagen zitiert?

August Hannig, in Steinmeiers Zeit als Geheimdienstaufsicht Präsident des BND, galt allerdings als getreuer Gefolgsmann der rot-grünen Regierung, der er seinen Posten verdankte. Nur zwei Monate nach Schröders Amtsantritt ernannt, sah der wie Schröder und Steinmeier aus NRW stammende Jurist den BND als Dienstleister der rot-grünen Bundesregierung, der seine Behörde mit einem Warnbrief an die CIA half, Deutschland aus der Koalition der Willigen beim Irak-Feldzug herauszuhalten.

Als Schröder die erneute Wiederwahl verpasste, verlor auch Hannig seinen Posten. Bis zur Versetzung in den einstweiligen Ruhestand mit 63 Jahren diente der Vater dreier Töchter noch als Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Nach seinem Abschied dort übernahm er einen Aufsichtsratsposten bei der Bundesdruckerei und half als "Senior Advisor" der Sicherheitsfirma Prevent, die sein früherer informeller Mitarbeiter Thorsten Mehles gegründet hatte.

Enge Kreise, die nach den "Spiegel"-Enthüllungen nun wirken, als hätten sie den arglosen Steinmeier böse hintergangen. Wie wahrscheinlich das klingt, werden die nächsten Tage zeigen müssen.

Europa der 28 Geschwindigkeiten: Zweiergipfel beschließt neue EU

So stolz flaggte die EU einst auf der Wall Street in New York.

Ende, Aus, vorbei, es geht nicht mehr. Im zehnten Jahr der Rettung Europas muss die Führung des Kontinents eingestehen, dass alle Träume und wuchernden Wünsche von einer Staatengemeinschaft, die möglichst bald zu einem Bundesstaat mit gemeinsamer Finanz-, Wirtschaft- und Verteidigungspolitik unter deutscher Führung wird, in der geplanten Kürze der Zeit nicht zu erreichen ist. 

Ursprünglich war noch der Ausbruch der Finanzkrise als große Chance gehandelt worden, die von Wirtschaftseinbruch und Staatsschuldenkrise verunsicherten Bürger zu überrumpeln und ihnen ein fix und fertiges „Mehropa“ vorzusetzen, das mit sicherer Hand aus Brüsseler Hinterzimmern hätte geführt werden sollen. Die Zentrifugalkräfte widerstrebender Interessen der Einzelstaaten, die sich teilweise seit einem Jahrzehnt weigern, deutschen Vorgaben und Vorschlägen zu folgen, sorgen nun aber dafür, dass die entscheidenden Institutionen das Ruder herumreisen.

Nach einem Zweiergipfel mit Angela Merkel hat Komissionspräsident Jean-Claude Juncker jetzt entschieden, dass die Zukunft in einem Europa der verschiedensten Geschwindigkeiten liegt. EU-Staaten sollen nicht mehr alle Wege gemeinsam gehen, sondern jeder, wohin, wann und mit wem er will. Um ein von Juncker nach einer alten Idee von Helmut Kohl erdachtes „Kerneuropa“ entstehe damit ein lockerer Staatenbund, in dem wie früher jeder tun und lassen könne, was er wolle. Alle Länder sollen sich frei aussuchen dürfen, bei welchen Themen sie mitmachen, ob sie Vorgaben aus Brüssel befolgen oder nicht, ob sie den Euro nutzen, Luftreinhaltungsrichtlinien befolgen oder den Energieverbrauch von Duschköpfen eigenständig regeln.

Juncker zieht damit Konsequenzen aus einer Sachlage, nach der ohnehin stets eine Mehrzahl aller EU-Staaten jeweils störende Teile der europäischen Verträge ignoriert hat. Egal, ob es um überbordende Schulden ging, um die Ausgestaltung des Rechtsstaates, die innere Sicherheit oder die gemeinsame Verteidigung – stets fanden sich Regierungen bereit, nicht zu akzeptieren, was Brüssel ihnen vorgab. Zur Zeit liegt die EU-Kommission deshalb etwa mit Polen im Krieg: Die dortige Regierung weigert sich, Auflagen zur Umgestaltung der Justiz zu befolgen. Die EU könnte auf diese Haltung eigentlich nur mit einem Entzug der polnischen Stimmrechte in der EU reagieren. Polen allerdings würde das vermutlich als unfreundlichen Akt ansehen und seinerseits noch weiter von der deutsch dominierten Gemeinschaft abrücken.

Auf ihrem exklusiven Zweiergipfel, der auch für die traditionell von informellen Zirkeln geleitete EU ein ganz neues demokratisches Entscheidungsformat ist, haben Juncker und Merkel nun offenbar verabredet, wie die EU auseinanderfallen kann, ohne dass der Vorgang als Auseinanderfallen bezeichnet werden muss. Das „Europa der zwei Geschwindigkeiten“, mit dem Kohl und Mitterand noch scheiterten, wird zum „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“, ein Kontinent geht auf Gas und Bremse gleichzeitig, denn, das kündigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an: "Es ist nicht mehr zeitgemäß, wenn wir uns vorstellen, dass alle dasselbe zusammen tun".

Die neue Idee ist, manche zurückzulassen, während andere vorpreschen. Schließlich stören sie die letzten in der Kolonne damit nicht, argumentiert Juncker. "Diejenigen, die schneller vorankommen wollen“, glaubt er, können „dies tun können, ohne die anderen zu beeinträchtigen?"

Es ist das Ende der EU, wie sie einst gedacht war, nur noch bemäntelt mit akrobatischen Wortungetümen wie der „strukturierteren Konstruktion“ einer neuen EU, die „offen für alle" sein werde. Um einen „festen Kern“ europäischer Staaten wird es künftig „verschiedene konzentrische Kreise“, abgehängte Länder, ausgetretene wie Großbritannien, rechtspopulistisch beherrschte wie Ungarn oder Staaten wie Frankreich, die eines Tages vielleicht an einem vorübergehend verhängten Ausnahmezustand festhalten wollen, den ihnen die EU nach fünf, sieben oder zehn Jahren nicht mehr genehmigen will. Europa übt den EUxit, ein Selbstmord auf Raten, der zurückführt zum Nationalstaat.


Freitag, 24. Februar 2017

Nach 79 Jahren: Faschingsfaschisten am Pranger

Verkleidet wie Eddie Arent: Endlich ist das fremdenfeindliche Faschingstreiben in Fulda aufgeflogen.

Irgendwie haben sie es geschafft, wie Hitler in Neuschwabenland zu überleben - unentdeckt, unbeobachtet und unbehelligt. So konnten angebliche "Karnevalisten" in Fulda offenbar über fast acht Jahrzehnte hinweg als brutal gekleidete Kolonialwarenhändler zum großen lustigen Umzug durch die Stadt erscheinen. Angezogen wie Eddie Arent in den rassistischen "Winnetou"-Filmen, führten die Mitglieder des Karnevalsvereines "Südend" (sic!) ihr diskriminierendes Weltbild spazieren. Und die Staatsmacht schaute dem Treiben tatenlos zu!


Doch drei mutige Mitarbeiter der Hochschule Fulda wollten das nicht mehr akzeptieren. Die Freunde eines aufgeklärten, zukunftsorientierten Karnevals legten jetzt Protest gegen die diskriminierende Darstellung eines Afrikaners ein, die auf einer Tradition aus der Nazi-Zeit beruht.

"Sie verbreiten rassistische Stereotype und schreiben koloniale Bildwelten fort“, heißt es in einem Schreiben an den Karnevalsverein. Gleichzeitig bedrohten Mitglieder einer Initiative für einen friedlichen und fröhlichen Karneval aller Kulturen die Faschingsfaschisten vom Südend: Wer beim Fasching als Eddie Arent auftrete, müsse mit Blockaden und Farbbeutel-Anschlägen rechnen, teilten Aktivisten den Nazi-Narren mit.

Das reichte schon, um den die Kolonialzeit verherrlichenden und afrikanische Kultur herabwürdigenden Verein zum Umdenken zu bringen. So verzichtet Wolfgang Schuster, der bisher als „Neger vom Südend“ mit Knochen im Haar und schwarzbemaltem Gesicht auftrat, diesmal auf die zuletzt bei der Fußball-WM kritisierte Schminke.

Ein durchsichtiges Manöver, das augenscheinlich nur dazu dient, den Rest des zweifelhaften Brauchtums aus der braunen Zeit der Rommels und Rosenbergs zu bewahren. Denn die an fremdländische Eroberer aus dem hochentwickelten Westen erinnernden Uniformen wollen die verstockten Faschingsfaschisten von Fulda weiter tragen, auch öffentlich.

Hadmut Danisch zum Thema

Für fairen Fasching: Karneval ohne Kostüme

Wenn weltweiter Jubel zu Diskriminierung wird: Tom Neuwirth konnte noch als "Conchita Wurst" auftreten, im Karneval aber ist das Verkleiden als Transvestit jetzt erstmals verboten.

Als Indianer gehen, als Kleiner Muck, als Frau, Muselmann aus 1000 und einer Nacht? Als Betonhindernis? Schwein? Kuh? Ratte? Nackter? Gräfin im Pelz? Als Lastwagen oder Polizist? Um Gottes Willen! Beim ersten Hochsicherheitskarneval der deutschen Geschichte sind Veranstaltungsteilnehmer aufgefordert, bestimmte Kostüme nicht zu tragen - wer gegen das Verbot verstößt und zu stark provoziert, dem drohen rechtliche Konsequenzen – wie ein Bußgeld, eine Strafanzeige oder sogar Festnahme und Gefängnis.


Grund für den Wandel ist eine höhere Sensibilität für fragwürdige Faschingsbräuche wie die Verkleidung mit Kostümen, die rassistische, sexistische, kulturalistische oder religiöse Stereotype stärken. Vor allem Europäerinnen und Europäer waren es über Jahrhunderte hinweg gewohnt, die dritte Jahreszeit zu nutzen, "um Ausbeutung und Unterdrückung von bestimmten Menschengruppen zu rechtfertigen", wie es auf der Diskriminierungsseite des Oegg e.V. heißt.

Häufig völlig unbewusst trugen Kostümträger in der Vergangenheit dazu bei, die Zeit des Kolonialismus und der sogenannten „Entdeckungen“ zu glorifizieren und Massenmorde und andere Gräueltaten zu verharmlosen. Das bereits bei Kindern beliebte „Indianderkostüm“ und andere diskriminierende Verkleidungen wie den Südseekönig, die Frau im kurzen Rock, den an Marx oder Dickens erinnernden Herren im schwarzen Gehrock oder den an die Gruppe Village People gemahnenden Polizisten gaben Ältere immer wieder an die nächste Generation weiter.

Auch Menschen, die sich nach dem Vorbild des Trans-Aktivisten Conchita Wurst im Karneval als Frau verkleiden, sind sich der stigmatisierenden Wirkung ihrer Kostümierungen wohl in den seltensten Fällen bewusst. Das diskriminiert und stärkt Stereotype, die Ungleichbehandlungen rechtfertigen, jedes Jahr aufs Neue.

Mit einer Aufklärungskampagne halten Verfechter eines fairen, nachhaltigen und gerechten Karnevals jetzt dagegen: „Ich bin kein Kostüm!“ heißt es auf Plakaten, die vom Forum gegen Rassismus und Diskriminierung in Deutschland aufgegriffen und mit Geldern des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland, die Amadeus-Antonio-Stiftung sowie der linken Bundestagsfraktion finanziert werden. In sechs Motiven zeigen sie Menschen, die von alltagsrassistischen Kostümtraditionen betroffen sind, darunter Indianer, Neger, Conchita Wurst, Asiatinnen, Selbstmordattentäter und Haremsfrauen.

Die provokanten Motive sollen eine Mahnung an die Mehrheitsgesellschaft sein, zu neuen kreativen und inklusiven Karnevalstraditionen zu finden, etwa, indem in Workshops mit Betroffenen eigene Vorschläge für faire Kostüme und rassismusfreie Verkleidungen erarbeitet werden. Denkbar und diskriminierungsfrei wäre es zum Beispiel, als Möbelstück, Schuh, Brot oder Märchenfigur zu gehen, in letzterem Falle aber ist zu beachten, dass sich nicht alle Märchen gleichermaßen als Vorlage eignen. Genauere Auskunft geben die Kostüm-Experten bei info@oegg.de.

Donnerstag, 23. Februar 2017

Last night in sweden III: Die Hoaxmap der Hetzer

Wo das möglich ist, ist alles denkbar.

War es doch nicht Donald Trump, der den schwedischen Wohlfahrtsstaat in Uruhe versetzt? Sind es langfristige Verschiebungen in den morphischen Feldern über Skandinavien? Underkannte Wetterphänomene, Auswirkungen des veränderten Weltklimas oder der fahrlässig lässige Umgang der Schweden mit rechtspopulistischen Erscheinungen, vor denen auch die kleine Nation im Norden in der Vergangenheit nicht gefeit war?


Noch fehlt der letzte Beleg, aber die Indizien deuten darauf, dass alle Bemühungen von schwedischer Regierung und schwedischen Medien, die gewalttätigen Behauptungen des neuen US-Präsidenten über Schweden "mit Fakten" (Der Spiegel) zu widerlegen, nicht ganz so seriös waren wie anfangs allgemein angenommen. Dafür spricht etwa eine Auflistung von Vorfällen mit Handgranaten , die unbekannte Urheber beim Internetlexikon Wikipedia hinterlegt haben. Die Liste führt mehr allein für das vergangene Jahr als 30 "Granatenattacken" für Schweden auf, eine Steigerung der Zahl der Explosionen auf das Dreifache verglichen mit dem Jahr 2008, als allerdings nur eine einzige Sprengungung direkt von einer Handgranate verursacht wurde.

Inzwischen ist Schweden die Heimat der Handgranate. Was in Deutschland gelegentlich passiert, ist in Schweden Alltag. "Die weit verbreitete illegale Verwendung von Handgranaten ist in Schweden beispiellos", heißt es in einem Memo der National Police Operations Department, der zufolge die als "schwarze" und "grüne Birnen" bezeichneten Granaten vor allem aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien eingeschmuggelt werden.

Vor allem in "Malmö" (Tagesschau) haben Menschen "Angst, und zwar überall" (Tagesschau). Nach Angaben von Schweden ist das Problem sogar noch größer. "Organisiertes Verbrechen ist ein Problem in ganz Schweden", beschreibt Carin Götblad. Es gäbe "kriminelle Netzwerke, gigantische Mengen an Waffen, offene Grenzen. Die Schwerkriminalität bewegt sich völlig frei durch Europa", beklagte die Polizeichefin in der Region Uppsala schon vor zwei Jahren.

Inzwischen setzt die schwedische Regierung auf eine Dreifach-Strategie. Die illegale Anwendung von Handgranaten und Sprengstoff wird jetzt mit maximal sechs Jahren bestraft statt wie bisher mit nur maximal vier Jahren. Zudem wird verstärkt darauf hingewiesen, dass letzte Nacht in Schweden überhaupt nichts passiert sei. Und ganz entscheidend: Der Faktor Zeit. Genaugenommen könnten, sagt Lars Korsell vom Beirat für Verbrechensbekämpfung, "die Anschläge nicht ewig weitergehen – aus dem einfachen Grund, dass sich die Schmuggelladung dem Ende neigt.


Kampf gegen rechts: 100 Millionen, die sich lohnen

Müsste dringend mal gemeldet werden: Die überall im Netz angebotene Münze zeigt sogar ein Hakenkreuz

Ist es schon wieder so weit? Haben die Rechtsextremisten das Internet schon wieder komplett unter Kontrolle genommen wie damals, als das staatliche Hassaufsichtsamt jugendschutz.net unter rund 180 Millionen Internetseiten "rund 1800 deutschsprachige Websites" mit Hasspropaganda finden konnte?


Das war im Jahr 2010 und angesichts einer Gesamtzahl deutscher Internetseiten von damals 13 Millionen war die Zahl gehalten, nur professionelle Medienarbeiter von einer beunruhigend hohen Anzahl zu sprechen. Der Anteil rechter Netzseiten hatte seinerzeit die jede gute Redaktionsstube beängstigende Größe 0.0138 Prozent erreicht - damit war jede 7100. Internetseite rechtsradikal oder gar extremistisch. Ein Alarmsignal!

50 Millionen  für den Kampf gegen 1678 Internetseiten


Das energisches Handeln ausgelöst hat. Allein im vergangenen Jahr stockte die Bundesregierung die Förderung des Kampfes von jugendschutz.net gegen die braune Internetpest von 50 auf 100 Millionen auf. Das sind die gesamten Steuerzahlungen von 12.000 Facharbeitern, die für diesen Zweck gern zahlen, was immer möglich ist. Denn es lohnt sich, wie ein kalter Blick auf die erschütternden Zahlen zeigt: Im vergangenen Jahr fand die halbstaatliche Einrichtung schon nur noch 1.678 Angebote mit rechtsextremen Inhalten im Netz. das waren stolze 122 weniger als noch vor sieben Jahren.

Gegen diese verbliebenen Seiten, auf denen sich nach Angaben von jugendschutz.net zu 51 Prozent volksverhetzende Inhalte und zu 24 Prozent "strafbare rechtsextreme Symbole" befanden, kann nun mit doppelter Kraft vorgegangen werden. Rein rechnerisch stehen für jede Nazi-Seite, die sich unter den unterdessen rund 16 Millionen deutschen Internetseiten befindet, 59.594 Euro zu Bekämpfung zur Verfügung.

Bürger machen noch nicht richtig mit

Leider halt die Bevölkerung die Bedeutung der eigenen Mitwirkung bei der großen Aufgabe der Ausmerzung dieser 0,0104 Prozent aller Internetseiten und Facebook-Profile bzw. –posts noch nicht ausreichend verstanden. Viele wehren sich noch dagegen, die Augen offenzuhalten und verdächtige Internetinhalte an die zuständigen Organe zu melden.

So konnten im vergangenen Jahr von den knapp 82 Millionen anzeigeberechtigten Bürgerinnen und Bürgern gerademal 1.794 Verdachtsfälle über die Online-Beschwerdestelle angeprangert werden. Die meisten Meldungen tsellten sich dann nach genauer Expertenprüfung auch noch als nicht tragfähig heraus. Nur ein Viertel konnte von den Experten bei jugendschutz.net schließlich als Verstoß abgerechnet werden – das sind so wenige Fälle (448), dass die Netzaufsicht selbst in ihrer Jahresbilanz nur in weniegr auffälligen Prozentzahlen abrechnet: 25 Prozent der von der Bevölkerung gemeldeten Seiten hätten statt der erhofften Nazihetze “sonstige jugendgefährdende Inhalte“ enthalten. 98 Prozent wurden von Freiwilligen im Social Web aufgespürt, davon knapp über die Hälfte bei Facebook, 23 Prozent bei YouTube und 21 Prozent bei Twitter.

80 Prozent aller Fälle waren leider nicht strafbar


Das klingt vielversprechend und "80 Prozent" aller entdeckten Nazi-Inhalte wurden auf Drängen von jugendschutz.net auch direkt bei den Anbietern gelöscht oder für Deutschland gesperrt. Eine ausgezeichnete Bilanz, denn nach Angaben von jugendschutz.net konnten letztlich nur drei Prozent aller Seiten mit volksverhetzenden Inhalten und strafbaren Symbolen an die Medienaufsicht und/oder die Strafverfolgungsbehörden weitergemeldet werden. Bei allen anderen mangelte es an einem hinreichenden Verdacht auf Strafbarkeit. In wie vielen dieser weitergemeldeten rund 50 Fälle es später zu Ermittlungen, einer Anklage oder einem Urteil kam, teilte jugendschutz.net nicht mit.

Rein rechnerisch aber hat jede einzelne Meldung den Steuerzahler eine Million Euro gekostet – vergleichsweise günstig, denn bei ähnlicher Ausbeute im kommenden Jahr werden es schon zwei Millionen sein.

Mittwoch, 22. Februar 2017

Kopftuch-Heuchler: So unhöflich sind Französinnen, verglichen mit Schwedinnen

Heuchel-Auftritte, die zum Glück nicht allzu viele Schlagzeilen machen.

Zwei Sorten Heuchel-Auftritt,  von zwei Sorten Politikerin. Einmal motiviert von Frauenrechten, die es auch in der islamischen Welt kompromisslos zu verteidigen gilt, und sei es durch das Anlegen eines Djilbab. Andererseits blindes Beharren auf der vermeintlich aufgeklärteren eigenen Kultur, die auch das Brüskieren eines hohen Geistlichen in Kauf nimmt, um daheim im Wahlkampf zu punkten.


Kommst du nach Rom, mach´ es wie die Römer, wer wüsste das besser als die schwedische Regierung, der es vor kurzem gelungen war, zu Hause zu bleiben, es aber genauso zu machen wie die Amerikaner. Auch bei einem Besuch im Iran gelang es der selbsternannten "ersten feministischen Regierung" der Welt, den hausgemachten Feminismus daheim zu lassen und sich randlos in die ortsüblichen Gebräuche einzufügen: Bei einem Abstecher zum iranischen Präsidenten Hassan Ruhani zeigten sich die feministischen Damen züchtig verhüllt, eine Geste des Friedens in Richtung einer Kultur, die das Bedecken des Haares der Frau für unumgänglich hält, weil sonst immer die Gefahr besteht, dass zügellose, sexuell ausgehungerte Männer über die Töchter des Landes herfallen.

Sure 33:59 bestimmt deshalb glasklar, dass "Gattinnen und Töchtern und die Frauen der Gläubigen, etwas von ihrem Überwurf über sich herunter ziehen" müssen, ein Gebot, das nach dem heiligen Koran auch keine Ausnahme für Damenbesuche beim 69-jährigen Hassan Ruhani macht. Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit, dass sich auch Feministinnen in Gegenwart des durch offenes Haar so leicht verführbaren Massenmörders besser an die Vorgaben halten sollten, gerade um im Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter weiter voranzukommen.

Leider nutzen andere Frauen ihre Freiheit, verhüllt mit hochrangigen Vertretern der Religion des Friedens zusammentreffen zu dürfen, nicht in diesem aufgeklärten, feministischen Sinn. Die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen etwa hat sich einfach geweigert, ihr Haar für ein Treffen mit dem Großmufti von Beirut mit einem Kopftuch zu bedecken, um den seit 2014 amtierenden Scheich Abdel-Latif Derian davor zu bewahren, einen schlimmen Fehler zu machen.

Statt den Dialog auf Huthöhe zu führen - auch Derian trägt stets eine an einen Bienenkorb erinnernde Kopfbedeckung - nutzte die Vorsitzende des rechtsextremen Front National das geplante Treffen, um sich als Vorkämpferin für Frauenrechte zu inszenieren und es wahlkampfwirksam ausfallen zu lassen.

Weltweit fielen zahlreiche Medien auf das durchsichtige Wahlkampfmanöber der französischen Rassistin herein, in Deutschland dagegen verstießen nur einige populistische Häuser gegen die Verpflichtung, Nachrichten, die Teile der Bevölkerung verwirren könnten, besser nicht zu verbreiten.

Wo eine Berichterstattung unumgänglich schien, herrscht ein kritischer Unterton vor: Wie das Anlegen des Kopftuches durch die schwedischen Feministinnen als "Heuchel-Auftritt bei den Mullahs" galt, gilt Le Pens Verweigerung, ein ihr kostenlos gereichtes weißes Tuch über das provokant blonde Haar zu legen, nun als kaltes Kalkül, um vor der Wahl Stimmen am rechten Rand zu sammeln. Zu verurteilen ist im Endeffekt beides, höflich zu sein und nicht höflich zu sein, sich anzupassen und sich nicht anzupassen, sich zu verhüllen und sich nicht zu verhüllen.

Last night in sweden II: Schickte Terror-Trump seine 5. Kolonne?

Bis gestern gab es in Schweden nie Probleme, nirgendwo und mit niemandem. Dann kam Trump.

Was für eine miese Masche ist das denn! Kaum hatte die demokratische Weltpresse in einer kollektiven Kraftanstrengung widerlegt, dass an einem Abend vor einer Trump-Rede in der vergangenen Woche irgendetwas in Schweden passiert ist, kommen aus dem friedlichen Land im Norden Nachrichten über gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Schweden, die schon länger dort leben, und welchen, die noch nicht allzu lange dort sind.


Hat Trump einfach zu früh gewarnt? Oder sind die Unruhen in dem als so überaus friedlich bekannten Wohlfahrtstaat zu spät ausgebrochen? Oder attackierten Jugendliche im Migrantenviertel Rinkeby die Polizei etwa gar nicht zufällig? Sondern auf streng geheimen Geheiß des Weißen Hauses, das seit Trumps Amtsantritt bekanntlich einen hybriden Krieg gegen die verbliebenen Demokratien des Westens führt?

Das zeitliche Abfolge von Trumps völlig haltloser Behauptung, in Schweden sei etwas passiert, der faktensatten Gegendarstellung durch hochkarätige Übernahmen eines Artikels der Zeitung «Aftonbladet» und den nur sieben Stunden später ausbrechenden Auseinandersetzungen mit drei Verletzten, zehn abgefackelten Autos und geplünderten Geschäften ist auffällig. Gerdae vor dem Hintergrund des Mordes am Halbbruder des nordkoreanischen Diktators Kim und der Verwirrung um Putin weiteren Kurs im Cyberkrieg gegen die Bundestagswahl bemerkten Geheimdienstexperten zuletzt ein Ansteigen der geheimen Aktivitäten weltweit. Deutsche Dienste vermuten nun sogar: Der "Hassprediger" (Steinmeier) selbst steckt hinter der Randale!

Donald Trump, der nach übereinstimmenden Angaben renommierter deutscher Blätter "geisteskrank" ist, könnte sich für die Blamage rächen wollen, zu der seine von Medien weltweit scharf zugespitzt interpretierte Bemerkung über die letzte Nacht in Schweden geworden war. Der mächtigste Mann der Welt war vor aller Augen ausgelacht worden. Trump ist nicht nur "irre" (Spiegel), sondern auch ein krankhafter Narzisst, erträgt solche Zurücksetzungen nur schwer. Es verlangt ihn danach, sofort zurückzuschlagen, um seine Wahrheit wenigstens im Nachhinein in Erfüllung gehen zu sehen.

Im Fall des unerwarteten Gewaltausbruchs in Schweden, das eigentlich als komplett gewaltfrei gilt, könnte eine geheime, wenngleich weltweit überaus berühmte Geheimeinheit hinter dem Geschehen stecken: Die Spezialeinheit DEVGRU (Navy SEAL Team 6) wurde im Mai 2011 bereits von Trumps Vorgänger eingesetzt, um den Terrorfürsten Osama Bin Laden zu erschießen. Jetzt könnte Trump versucht gewesen sein, die auf den Präsidenten eingeschworenen Kampfmaschinen als 5. Kolonne auszuschicken, um die friedliche schwedische Realität durch eine False-Flag-Operation an seine kranken Gewaltfantasien anzupassen.

Ein simpler Plan, der aber offenbar aufgeht. "In Rinkeby machen Einwanderer mehr als 80 Prozent der Einwohner aus; die Arbeitslosigkeit ist hoch", übt sich die FAZ in Schuldzuweisungen. Die Polizei sei in dem Viertel, das bis hierhin zurecht noch nie eine Rolle in einer deutschen Zeitung gespielt hatte, in der "Vergangenheit mehrfach für ungeschickten Umgang mit den Problemen in dem Stadtteil kritisiert worden" - eine Behauptung, die schon widerlegt war, noch ehe sie geschrieben wurde.

Donald Trump aber wird es freuen. Er hat die Demokraten weltweit gespalten, Zweifel an einem wichtigen Partnerland der EU geschürt und den Glauben an die wirklichkeitsprägende Kraft vereinter Anstrengungen der demokratischen Medien unterminiert.


Dienstag, 21. Februar 2017

Generation Selbsthass: Wie Europa die amerikanische Demokratie retten muss

Hauptsache laut: Die Generation Selbsthass schürt die Angst vor einer Diktatur in den USA, um von den eigenen Problemen abzulenken.

Zwischen Hysterie und Kampfgeschrei, zwischen Panik und Entsetzen hat sich die deutsche Medienbranche nach dem Amtsantritt von Donald Trump platziert. Waren "Spiegel", "Stern", "SZ", "Bild", "Zeit", ARD, ZDF und der Rest des sterbenden Gewerbes vorher noch Partei in einem Gefecht gegen die, die drohten, nicht mehr so weiterzumachen wie bisher, haben sich die Leitmedien seit der Inauguration der Inkarnation des aus ihrer Sicht Bösen in Person des blonden Milliardärs entschieden, den Mann im Weißen Haus auf Biegen und Brechen zu bekämpfen.


Selbst wenn eines Tages kein Zuschauer mehr die aufrüttelnden Talkshows einschalten und kein Leser mehr die Zeitungen und Magazine mit den warnenden Leitartikeln zur Kenntnis nehmen wird, der Kurs bleibt, weil er richtig ist. Und er ist richtig, weil er wahr ist.

Wehret den Anfängen, ruft es aus den Redaktionsstuben, in denen eine Generation Platz genommen hat, die erst den Dienst bei der Bundeswehr verweigerte, dann in der Friedensbewegung aktiv war, schließlich Politikwissenschaft, Philosophie, Neue deutsche Literatur und Soziologie studierte und heute als Nato- und Rüstungsexperte durch Kommentarspalten und Fernsehrunden pilgert.

In Ritualen erstarrt


Diese Generation, aufgewachsen in einem Zeitalter, dass das Finale des Kalten Krieges, den Sieg des Westens über den Kommunismus, die Jahre des imaginierten Zusammenwachsens aller mit allen und den Schock von 9/11, Islam-Terror und Rückkehr nationaler Egoismen brachte, sehen in Trump das Symbol einer Zeitenwende. Nicht Osama Bin Laden, Abu Bakr al Baghdadi oder ein unter den Händen unfähiger Anführer wie in Zeitlupe zersplitterndes Europa gilt ihnen als größte Gefahr für die Fortexistenz des Westens. Sondern Donald Trump, der als Zerstörer des müden, in Ritualen erstarrten Modells der Globalisierung angetreten ist.

Ein Mann, der Bernd Ulrich, dem stellvertretenden Chefredakteur der eng mit der alten USA verbundenen "Zeit", in helle Aufregung versetzt. Nicht, dass Trump Politik machen könnte, die Ulrich nicht gefällt wie damals die Politik von Helmut Kohl. Nicht, dass nach einer Phase, in der Obama als Heldentenor startete und als quietschende Schwingtür endete, nun eine Phase folgt, in der ein andersdenkender, frei gewählter Präsident andere Rezepte ausprobiert.

Nein. "Es ist ein offener Kampf, ob die USA eine Demokratie bleiben", zetert Bernd Ulrich bei "Anne Will". Der Joschka-Fischer-Biograf ist hier eingebunden in einer Runde aus Alarmisten, die nicht im seit zwei Jahren anhaltenden Ausnahmezustand in Frankreich, nicht in den Straßenschlachten dort, nicht im seit sechs Jahren vor der Pleite zu rettenden Griechenland, nicht in einem demokratieunterhöhlenden Parteienkartell und nicht in einer einsam entworfenen Flüchtlingspolitik. Sondern in einem neuen Hausherren im Weißen Haus, von dem seine Kritiker behaupten, er sei so "gefährlich" (Ulrich), dass "Europa jetzt die westlichen Werte verteidigen muss".

Alle auf die Palme, zu den Waffen und auf ihn mit Gebrüll.

Lust an der eigenen Angst


"Lust an der Angst" nennt es "Die Zeit" selbst, wenn auch in anderem Zusammenhang. Deutschland, das seine demokratischen Grundlagen, das Meinungsstreit und offene gesellschaftliche Diskussion längst einem erstarrten System geopfert hat. In dem besetzt eine Handvoll Spitzenpolitiker Ämter im Hinterzimmer, sie öffnen und schließen Grenzen ohne Parlamentsbeschluss, sie ändern Gesetze nach Tagesform, brechen die Verfassung nach Gutdünken und sich sprechen untereinander ab, über welche Themen öffentlich gestritten werden darf und über welche nicht. Die freie Presse steht daneben und hat eine einheitliche Meinung dazu: Manche Themen könnten Teile der Bevölkerung nur beunruhigen, die lassen wir lieber weg.

Umso lauter das Kriegsgeschrei gegen den symbolischen Gottseibeiuns Donald Trump. Hier, nicht in der Misere um die welthistorisch einmalige Nullzinspolitik, die die Bürger enteignet und den Staat reich macht, sieht die Generation Ulrich ("Sagt uns die Wahrheit! Was die Politiker verschweigen und warum") die größte Bedrohung für einen Lebensstil, den sie mit Selbsthass pflegen. Dort, in Übersee, wird die Zerrüttung diagnostiziert, die vor der eigenen Haustür mit Händen zu greifen wäre. 

Last night in sweden: Leg es ihm in den Mund

Nüscht passiert in Schweden, nicht mal das, was sich Medienarbeiter mühsam ausgedacht haben.

„Trump erfindet Terroranschlag in Schweden“ hat der Focus herausgefunden, „Trump und der nicht verübte Anschlag in Schweden“ heißt es bei RP Online, „Donald Trump erfindet einen Terroranschlag in Schweden“ schreibt die Augsburger Allgemeine, „"Letzte Nacht in Schweden": Trump erfindet Terror-Anschlag in Schweden“ die BILD und „Terrorattacke? Was hat er geraucht?" sendet der ORF.

Ein Aufstand des Kollektivgewissens gegen den König der Fake News und Verächter aller wahren Wahrheitsberichterstatter. Die nur ausnahmsweise und ausgerechnet hier etwas widerlegen, das nie gesagt worden ist – oder doch jedenfalls nicht von Donald Trump.

Heißt "passiert" jetzt Terroranschlag?


Der nämlich spricht nicht von einem Terroranschlag in Schweden, kein bisschen, mit keiner einzigen Silbe. Er sagt "You look at what’s happening in Germany, you look at what’s happening last night in Sweden. Sweden, who would believe this?” Mit Sicherheit ist irgendwas passiert in Schweden, auch in der fraglichen Nacht, weil auch in Schweden dauernd etwas passiert. Nichts besonders Schlimmes allerdings, nur das Übliche: Irrationale Ängst greifen Raum, Bombenwürfe krimineller Banden, scharfe Grenzkontrollen, seit anderthalb Jahren vorübergehend.

Kein Terroranschlag, aber von einem Terroranschlag hat Trump ja auch nicht gesprochen. Um ihm also gründlich nachzuweisen, dass es den Terroranschlag, von dem er nicht sprach, gar nicht gab, muss ihm der Terroranschlag also zuerst einmal untergeschoben werden. Routiniert geschieht das inzwischen schon, alle ziehen an einem Strang und den binnen Stunden so lang, dass „Trump Schweden Terroranschlag“ eine kraftschlüssige Verbindung eingehen, die keine Wirklichkeit mehr trennen kann. 

Das Terrorphantom aus den Redaktionsstuben


Er hat es nicht gesagt. Aber je mehr die Medien von New York Times über Spiegel, Zeit und DPA bis ARD und Taz über ein zuerst auf Twitter aktenkundiges Übersetzungsproblem berichten, umso mehr wird klar, dass er es gemeint haben könnte. Gemeint haben muss. Nur gemein haben kann. Schließlich stammt die Originalenthüllung, Trump habe von einer "Terrorattacke" gesprochen , von der seriösen Huffington Post. Von hier aus breitete sie sich aus wie ein Lauffeuer.

Der Terror in Schweden ist ein Terrorphantom aus der Scheinwelt der internationalen Redaktionsstuben, ein Ergebnis von mutwilligem missverstehen und irrationaler Übersetzung. Aber es dient der guten Sache und ist von daher gut und richtig.

Fake News aus erster Hand, die alles beiseite lassen, was niemand weiß, weil nur mal ganz schnell zwischendurch darüber berichtet wird. Schweden, dieses bunte Paradies aus Holzfällerromantik, perfektem Sozialstaat und finsteren Fernsehkrimis, leidet akut unter der eigenen Flüchtlingspolitik. Das Land sei zwar nicht Kollapsistan, aber auch nicht Idyllien, schreibt Dagens Nyherter. Die Grenzen sind schon seit Monaten dicht, aber selbst das, was an Menschen schon gekommen ist, schaffen sie nicht so reibungslos, wie sie gern hätten.

Aber alles in Butter. Es gab keinen Terroranschlag, von dem auch nie jemand behauptet hat, dass es ihn gab. Stattdessen schließen junge Flüchtlinge sich kriminellen Banden an oder flüchten in den Freitod. Originelle Verbrechensarten greifen Raum und die traditionell folgsamen Schweden wagen plötzlich "tacklas" auf die "Polis".

Kein Terror weit und breit. Eigentlich gar nichts, über das sich zu berichten lohnt. Frankreich ist viel schlimmer. Und darüber schreibt ja auch keiner.


Montag, 20. Februar 2017

Aufbruch nach Osten: Warum die Nato immer über Land marschiert


Sie sind nicht zu übersehen, die Kolonnen und Züge mit US-Militärtechnik, die sich in den vergangenen Wochen durch Deutschland nach Osten wälzten. Seit der Nato-Gipfel in Warschau im Juli 2016 beschloss, jeweils ein megamonstergroßes Nato-Bataillon mit etwa 1000 Soldaten in Polen, Litauen, Lettland und Estland zu stationieren, sind die Truppenbewegungen im Gang. 


In einem sehr seltsamen zumal: Nach knapp 7000 Kilometern Seereise bleibt die Ausrüstung der nach Europa verlegten US-Truppen für die Operation „Atlantic Resolve“ nicht etwa auch für die letzten 1200 Kilometer bis ins Baltikum an Bord. Nein, in Bremerhaven gehen Mannschaften und Panzer von Bord. Um sich dann äußerst mühevoll quer durch Europa über Land Richtung russische Grenze zu bewegen.

Eine wunderliche Taktik, zumindest auf den ersten Blick. Statt von Bremerhaven aus 2000 Kilometer per Eisen- und Autobahn zu den Einsatzorten zu fahren, könnten die US-Truppen samt Ausrüstung auch verladen bleiben und auch die letzten 1800 Kilometer bis zum Ziel per Schiff zurücklegen. Die Route über den Öresund und an Bornholm vorbei ist links und rechts im Blickfeld verbündeter Staaten, der Seeweg mindestens so sicher wie der von der Ostküste der USA bis nach Bremerhaven.

Und doch hat sich die Nato in Gestalt des US-Generalstabes entschieden, die größte Truppenverlegung nach Europa seit dem kalten Krieg über Land abzuwickeln und Soldaten, Panzer und Ausrüstung aus Fort Carson in Colorado per Schiene und Straße nach Polen und ins Baltikum zu transportieren, wo mit dem Frachthafen Klaipeda ein Zielort zur Verfügung stände, über den vor 25 Jahren große Teile des Rückzugs der Sowjettruppen aus Deutschland abgewickelt worden waren.

Logisch ein gewaltiger Zusatzaufwand, der ausschließlich propagandistische Gründe haben dürfte. Mit den Kolonnen, die über die deutschen Autobahnen rollen, zeigt die Nato einen Einsatzwillen, den die quasi als vorgeschobene Geiseln an der russischen Grenze stationierten Einheiten in der Realität nie einlösen könnten.

Müssen sie aber auch gar nicht. Indem sie sich im Hinterland zeigen und auf dem Weg nach Polen nicht nur Deutschland, sondern demonstrativ auch Tschechien zu Fuß durchqueren, zeigen sie der Heimatfront militärische Stärke, die nicht zu sehen wäre, schwämme die 4. Infanterie-Division der US-Army per Schiff an West- und Osteuropa vorbei zu den neuen Einsatzorten an der Ostflanke der Nato. Niemand sähe sie. Niemand könnte in sozialen Netzwerken aufgeregt berichten, dass die Geheimhaltung der Nato so gar nicht funktioniert. Und niemand hätte das schöne Gefühl, dass Europa gut vorbereitet ist auf den 3. Weltkrieg.

SPD und CDU: Gemeinsam für noch mehr Höhenflug

Angelehnt an ein Motiv aus der Kohl-Ära: CDU und SPD treten gemeinsam an.

Seit dem Amtsantritt von Helmut Schmidt war die SPD nicht mehr so beliebt, seit Helmut Kohls Dresdner Rede zur deutschen Einheit war keine CDU-Kanzlerin so erfolgreich wie Angela Merkel. Angesichts eines Patts zwischen den beiden großen Volksparteien in den Umfragen und zunehmender Bedrohungen von Links und Rechts haben die Parteizentralen von CDU und SPD nun offenbar neue Maßnahmen beschlossen, mit denen der Fortbestand der freiheitlichen Grundordnung auch nach der Bundestagswahl im Herbst und unabhängig vom direkten Wahlausgang gesichert werden soll.


Dazu baut die Große Koalition auf einer Idee vom vergangenen Jahr auf, als Union und Sozialdemokraten als Reaktion auf bröckelnde Zustimmungsraten bei den letzten Umfragen vor den Landtagswahlen erstmals mit gemeinsamen Plakatmotiven auf Stimmenfang gegangen waren. Zur Budnestagswahl im Herbst gehen der erfolgsverwöhnte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und seine christdemokratische Herausforderin noch einen Schritt weiter: Gemeinsam präsentieren sich die Amtsinhaberin und der künftige Kanzler auf einem Plakat, das den alten CDU-Wahlslogan "Arbeit, Frieden, Zukunft - Gemeinsam schaffen wir´s" in einen neuen Zeitkontext stellt. Dazu titeln beide Parteien "Diese Kanzler schaffen Vertrauen".

Ein Slogan, der darauf schließen  lässt, Sozialdemokraten und die Union im Hinterzimmer bereits eine Vereinbarung darüber geschlossen haben, wie die kommende Legislaturperiode verlaufen soll. Im politischen Berlin wird von einer Abmachung gesprochen, nach der Angela Merkel nach der Wahl weiter Kanzlerin bleibt, allerdings pünktlich zu ihrem 65. Geburtstag im Sommer 2019 ihren Hut nimmt und Platz für Martin Schulz macht. Der charismatische Sozialdemokrat ist anderthalb Jahre jünger als Merkel und er gilt als frisches, unverbrauchtes Gesicht, das mit seiner grundsozialen Ausstrahlung selbst eine gegenläufige Faktenlage so überzeugend weglächeln kann, dass freundliche Umfrageinstitute einen stabilen Höhenflug konstatieren können.

Schulz ist es so gelungen, den stärksten Zuwachs einer Partei seit der Verdoppelung der NSDAP-Ergebnisse zwischen 1930 und 1933 zu erreichen. Mit seinem Schwung reißt der charismatische Ex-EU-Parlamentspräsident Millionen unentschiedener Wähler mit, er sorgt für einen Run auf SPD-Parteibücher und lässt die seit Gerhard Schröders Abschied im Zwiespalt zwischen dem Kampf für Arbeiterrechte und Partizipations am Beamtenstaat lebende Partei von einer Zeit träumen, die wieder ganz einfach wird: Gerecht ist, was Schulz sagt.

Die Union hält sich währenddessen stabil und sie liegt mit 34 Prozent immer noch im langjährigen Normalbereich. Gemeinsam könnten beide Parteien damit auf eine Zwei-Drittel Mehrheit hoffen, die ihnen die Möglichkeit gäbe, in der nächsten Legislaturperiode konsequent durchzuregieren und sowohl die Grünen als auch Linke, FDP und AfD zum parlamentarischen Zuschauen zu verurteilen.