Montag, 26. Februar 2024

Politisches Grundtalent: Schnell mal die Gefühle wechseln

Emilia Fester scheiterte einst an der Schauspielschule, zeigt aber heute im Bundestag, welches Talent sie hat: Gerade tanzt sie glücklich über die Drogenfreigabe durch das Hohe Haus, schon weint sie im Kostüm einer Kriegerwitwe heiße Tränen überf die Lage an der Ostfront.

Glück und Trauer, Wut und Scham und höchste Wonnen, sie liegen nirgendwo so doch beieinander wie im politischen Berlin. Legende sind die vor Mitgefühl zitternden Twitter-Einträge, die die diensthabenden Sockenpuppen der früheren Kanzlerin und ihres einstmaligen Außenministernden nach grausigen Terroranschlägen im Netz verklappten, Buchstabenfolgen aus den Tiefen des Herzens der am schlimmsten Betroffenen, erstellt nach dem Baukastenprinzip und, einmal für gut befunden, immer wieder gern genutzt.  

Nachrichten aus der Heuchelmaschine

Entsetzen und Mitgefühl speisten sie in die Heuchelmaschine der politischen Beileidsproduktion. Zuweilen setzten sie sich sogar selbst in Bewegung, um ihre Krokodilstränen im Kollektiv zu weinen. Die oft als "Lügenpresse" angegriffenen freien Medien dienten in solchen Momenten als begeisterte Verteilstationen der Bilder und Filmschnipsel von inszenierten Aufmärschen. Jederzeit zitierbereit tragen sie auch noch das gellendste Geheuchel in die Öffentlichkeit. 

2017 etwa zitierte Ralf Stegner, das schärfste Schwert der SPD im Meinungskampf, den sich langsam warmlaufenden Kanzler Martin Schulz, als der sich nach einem Terroranschlag wieder einmal von jedem Terror distanzierte: "Geschockt und wütend über Nachrichten aus Barcelona. Ein feiger Anschlag auf unsere Werte! Meine Gedanken sind bei Opfern und Angehörigen". Schulz wiederum hatte sich selbst mit dem Satz, den er bei jeder Terror- und Tod-Gelegenheit ehrlich betroffen zu nutzen pflegte: Geschockt und wütend. Feiger Anschlag. Gedanken bei usw.

Auf Knopfdruck umschalten

Gewöhnliche Menschen staunen oft, wie sich die am schlimmsten Betroffenen, Geschockten und Wütenden nur Stunden später wie verwandelt zeigen. Die führendsten Mitglieder der Trauergemeinde - ehemals Martin Schulz, aber auch Angela Merkel, Heiko Maas, der später brutal aussortierte Innenminister Thomas de Maiziere und der aufgrund seiner vielfältigen Talente bis heute überlebende Bundespräsident Walter Steinmeier - sind in der Lage, "unsere Gedanken und unser Mitgefühl", die sich eben noch "bei den Opfern und deren Angehörigen" aufhielten, wie mit einem Knopfdruck umzuschalten. Gut gelaunt arbeiten sie sich dann durch Schnittchentermine, aufgeräumt freuen sie sich über Filmpreisverleihungen, blitzende Orden, neue Fabriken und Autobahnabschnitte.

Alles ist echt, nichts ist gestellt. Wenn auch Normalbürgerinnen und Normalbürger kaum verstehen könne, wie echte Politikprofis ihre tiefe persönliche Anteilnahme und ihre umfassende emotionale Betroffenheit ein- und ausschalten können wie ein Nachtlicht, gehört diese Fähigkeit doch zur Innenausstattung jedes nach Höherem strebenden Politikprofis. 

Wer dort hoch will, wo die Luft dünn und die Zeit knapp ist, muss das können. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz beklagten zwar alle Angereisten den hohen Blutzoll, den Ukraine nach dem russischen Überfall zu zahlen. Zeit für lustige Fotos an der Heimatfront aber blieb dennoch. Großes Gelächter. Frauenpower. Klassenfahrtstimmung mitten im Krieg.

Härter als der Rest

Ohne große Umschaltpausen gilt es, glaubhaft vermitteln zu können, dass ein Terroranschlag, ein frisch ausgebrochener Krieg oder eine wegen des Klimawandels so verheerenden Naturkatastrophe einen selbst härter mitnimmt als jeden anderen. Nur Minuten später und oft ohne Kostümwechsel heißt es, sich der nächsten Tagesaufgabe widmen und freudestrahlend ein aussterbendes Tier taufen, einen  Kindergarten einweihen oder zufrieden einen Liefervertrag über Milliarden Tonnen klimazerstörendes fossiles Vernichtungsgas unterschreiben.

Emilia Fester, Mitte 20 und doch schon drei Jahre Mitglied der grünen Bundestagsfraktion, hat für ihre follower in den Hassnetzen eben eine Lehrvorführung gestartet, in der sie detailverliebt zeigt, wie sich überschäumende Freude angesichts der bevorstehenden Freigabe von "Bubatz" (Fester) hüftsteif in die welt tanzen lässt, Ehe dann schlagartig Trauer, Wut und Scham angesichts des Menschheitstragödie, die seit zwei Jahren in der Ukraine abläuft, jedes Lächeln aus dem Gesicht wischen müssen. Emilia Fester, die sich selbst "Milla" nennt, spielt nun nicht mehr die angeturnte Tänzerin im Drogensturm, sondern eine imponierend depressive Kriegerwitwe, die sich kraftlos an eine Wand lehnen muss und kein Wort mehr hervorbringt.

Es fehlen die Tränen

Fester zeigt hier, dass sie das zweifellos über das vielleicht wichtigste politische Grundtalent verfügt. Ohne vor Scham rot zu werden, gelingt es ihr, die Gefühle umstandslos zu wechseln, sobald sie einen Bedarf erkennt. Geschult am großen Vorbildern, zu denen zweifellos auch die parteieigenen Emotionsführer Annalena Baerbock, Claudia Roth, Robert Habeck und Ricarda Land gehören, heuchelt die Tochter eines Schauspielerehepaars aus Hildesheim zwar noch etwas hölzern. Fester tanzt flüssig, ihr Blick aber meidet die Kamera. Bei ihrem Witwenauftritt hingegen fehlen die Tränen und die feinen Züge der Wahlhamburgerin vermögen es nicht gänzlich, den ganzen Schrecken der Situation nach dem russischen Überfall widerzuspiegeln.

Die Inszenierungen aber, von der während ihrer kurzen beruflichen Laufbahn als freischaffende Regieassistentin im Kinder- und Jugendtheater tätigen Abgeordneten selbst geplant und umgesetzt, stimmen. Auch die Auftritte Festers sind aller Ehren wert, ohne Drehbuch abgedreht, mehr "Berlinale"-Film als Kinokassenknalle. Doch dass die Hochschule für Musik und Theater Hamburg Fester vor Jahren einen Studienplatz verweigerte, scheint eine Fehlentscheidung gewesen zu sein. 

Die Bi-Parlamentarierin

Der Grünen, zu deren großen Leistungen es gehört, einst nicht nur die jüngste Bundestagsabgeordnete gewesen zu sein, sondern später knapp hinter Parteichefin Ricarda Lang acuh noch als zweite bekennende Bi-Parlamentarierin aktenkundig zu werden, gelingt es, im Handumdrehen von lustig auf depressiv umzuschalten. Das desorientierte Drogenopfer, ungelenk hüpfend zur Musik eines "Murder"-Hits aus der Zeit, als in "Jim Knopf" noch das N-Wort vorkam, spielt die als Günstling des ehemaligen grünen Hamburger Justizsenators Till Steffen in die Bundespolitik aufgestiegene Abiturientin mit der gleichen Überzeugungskraft wie die von Bombenterror, Munitionsmangel und der hoffnungslosen Lage an der Ostfront zum Schweigen gezwungene wehrhafte Witwe.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

'Kannst Du nicht trauriger gucken, Milla?'
'Klarklar! Los nochmal!'
'Ah Mist hab beim Rangehen geschlingert!'
'Ach komm egal jetzt, was nehmen wir für'n Song?'
'Da is son angesagter Typ der macht so Depri-Geklimper, übelst populär.'
'Nimm das und hau das Ding raus!'

Anonym hat gesagt…

Im Artikel wurde Ralf Stehner erwähnt. Von dem hört man gar nichts mehr, ist der in
Twitter - Rente?

Anonym hat gesagt…

War Milla nicht die meschuggene Tante bei Heinrich Böll? Frieden, Frieden, Frieden ...