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Das System der Trusted Flagger nimmt endlich auch den Wirkbetrieb auf. |
Die Ersten werden keineswegs nicht die Letzten sein, das war schon im vergangenen Jahr klar, als die Bundesnetzagentur (BNetzA) die ersten Trusted Flagger zu Überwachung des erweiterten Meinungsfreiheitsschutzes in Dienst stellte. Mit der "Meldestelle REspect!" gelang es dem erst kurz zuvor neugegründeten BNetzA-Department Digital Services Coordinator (DSC) gleich zum Start, eine renommierte Freiwilleneinheit zu rekrutieren. Schöner Erfolg: Bisher konnte durch die Tätigkeit der Trusted Flagger genannten Helfer der Gedankenpolizei bereits ein Rückgang des Hasses um mehr als 27 Prozent erreicht werden.
Misstrauen ist alternativlos
Die Bundesnetzagentur hat nun endlich nachgelegt, denn die Probleme im Internet werden immer größer. Trump wurde gewählt, Minister der US-Regierung haben sich erpresserisch Richtung Gedankenfreiheit geäußert und mit den Wahlen in Rumänien, Deutschland und Polen zeigte sich, dass die verbotene Beeinflussung der Bevölkerung keine Eintagsfliege ist. Aufregung ist angebracht, Misstrauen alternativlos. Ohne mangelndes Vertrauen der Bevölkerung gegenüber kein sicheres Regieren. Meinung sind gut, aber gepflegt müssen sie sein.
Dafür sorgen sollen jetzt neben dem Bundesverband Onlinehandel und der Verbraucherzentrale Bundesverband auch die erfahrenen Meinungsbekämpfer der in Berlin und Brüssel beheimateten gemeinnützigen GmbH HateAid. Deren Trägerbetrieb Campact gehört zu den staatlich finanzierten Nichtregierungsorganisationen (NGO), die von CDU und CSU im Vorfeld der Wahl hart angegriffen worden waren. Im Überschwang der Siegesgewissheit hatte der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz versucht, das über Jahre sorgsam aufgebaute System der Fördermittelmelkanlagen mit Hilfe von 551 Fragen zu torpedieren, um sein konservatives Profil zu schärfen.
Glück für unsere Demokratie
Glück für die Zivilgesellschaft und unsere Demokratie: Nach der Wahl steuerte Merz um. Im Koalitionsvertrag wird die "bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen", wie sie in der Vergangenheit etwa durch Märchen, Künstler und Satiriker an der Tagesordnung gewesen war, unabhängig vom Einzelfall als "durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt" bezeichnet. Auch die "gezielte Einflussnahme auf Wahlen" etwa durch Plakate und Wahlwerbespots nennen die Koalitionäre dezidiert als "ernste Bedrohung für unsere Demokratie, ihre Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt".
Die im Fahrplan für die kommenden vier Jahre angekündigt "staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben" sollen die neuen Meldestellen bei Facebook, X und TikTok durchsetzen. Es gehe darum, das Vorgehen gegen verbotene Postings auf Social Media zu stärken, hat das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" über die Verpflichtung der neuen Hassjäger geschrieben. Die neuen Meldestellen sollten helfen, "der Flut an Inhalten auf Facebook, X oder TikTok Herr zu werden", gegen die die Beamten der Hassmeldestellen des Bundesblogampelamtes (BBAA) im mecklenburgischen Warin seit Jahren vergebens angehen.
Zentrale Hassmeldestelle
Auch der Beginn des Wirkbetriebes der Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI BKA) vor drei Jahren vermochte es nicht, diese Flut an Inhalten einzudämmen, Erlaubtes von Schockierendem zu trennen und Leitplanken für eine saubere, übersichtlichen Diskussionskultur zu ziehen.
Seinerzeit waren eigens zur Abschreckung von Meinungsverbrechern Teile der dezentralen Meldestrukturen, die in den Bundesländern zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet bereits bestanden, zentral zusammengeführt worden, um die von den Plattformen eingehenden elektronischen Pflichtmeldungen zu bekannt gewordenen strafbaren, zweifelhaften, unrechtmäßigen, illegalen oder nicht legalen Inhalte und deren Urhebern nachzuermitteln und die Tatverdächtigen abzustrafen.
Abschreckung von Inhalten
Gebracht hat das wenig, selbst die öffentlichkeitswirksam vollzogenen Schauprozesse etwa gegen den "Schwachkopf"-Rentner und mehrere andere mutmaßlich schwerkriminelle Provokateure verfehlten den anvisierten Abschreckungseffekt. Die "Flut an Inhalten", die ungeprüft in die Öffentlichkeit geraten, schwillt weiter an, Kontrollorgane sind überfordert, Behörden ersticken in lähmender Verwaltungsbürokratie.
Die Durchsetzung der EU-Initiative zur Vorabprüfung von Meinungsäußerungen scheitert bisher an der Zögerlichkeit einiger Mitgliedstaaten, gegen die selbst Ursula von der Leyens übliche Strategie "Inszenieren, emotionalisieren, die Realität ausblenden" (Der Spiegel) keine Chance hat. Statt in der gesamten Europäischen Union, ein "sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld" aus gleichartigen Ansichten ohne Widerspruch zu schaffen, das die Grundrechte schützt, indem es Verletzungsversuche unmöglich macht, treibt es selbst eingeschworene Verbündete auf die Barrikaden, die staatliche Bevormundung und Zensur wittern.
Deutschland setzt dagegen auf unabhängige digitale Deichgrafen, die die Flut an verbotenem Gedanken eindämmen sollen, um der Inhalte Herr zu werden. Die einzelnen von Amts wegen zertifizierten Trusted Flagger agieren unter dem Schutz der Anonymität. Sie durchstreifen das Internet auf der Suche nach Hetze, Hass und Zweifeln, können aber auch mutmaßlich verbotene Inhalte wie Hohn an Techkonzerne wie Meta melden. Als staatliche Beauftrage, die im vom "Digital Services Act" (DSA) der EU vorgeschriebenen engmaschigen System der Meinungsaufsichtskontrolle agieren, müssen auch US-Konzerne zertifizierte Hassmeldungen und Hinweise auf Hate Speech umgehend im Rahmen von Artikel 5 GG löschen.
Rigider Meinungsschutzes der Ampel
Für HateAid ein Glücksfall. Noch vor vier Jahren klagte die Organisation über so spärlich tröpfelnde Spenden, dass nur 13,3 Prozent der eigenen Tätigkeit selbst finanziert werden konnten. Auch später ging angesichts des rigiden Meinungsschutzes der Ampelregierung die Angst um, dass Fördermittel für nach einer Verzehnfachung innerhalb der vergangenen zehn Jahre gekürzt werden könnten und der gesamten, weltweit einmaligen Start-Up-Landschaft aus hauptamtlichen Hassbekämpfungsunternehmen das Aus drohe.
Mit der Institutionalisierung der Förderung der zuständigen Organe über die "Trusted Flagger" und deren Träger ist ihr Erhalt heute ebenso gesichert wie die staatliche Finanzierung der Eigenmittel. Dafür müssen die beauftragten Stellen laut Bundesnetzagentur einmal im Jahr einen Tätigkeitsbericht veröffentlichen, in dem unter Angabe von klug montierten Zahlen und Prozentsätzen nachgewiesen wird, dass immer mehr strafbare Inhalte "von radikalen Kräften verbreitet werden", wie HateAid-Geschäftsführerin Josephine Ballon in der Pressemitteilung zur Feier der Zertifizierung der Organisation.
Bereits u.a. bei NDR und RTL
Die war 2018 von der "Journalistin und Sozialunternehmerin" Anna-Lena von Hodenberg gegründet worden, einer Frau die - sämtlichen Quellen zufolge - "in der Nachrichtenberichterstattung für RTL und den NDR", "bereits für RTL und NDR" oder auch "u. a. für RTL und den NDR" gearbeitet hat. Gründungspartner war damals der Gemeinnutzgigant Campact, der zuletzt Aufsehen erregt hatte mit einer Kampagne, die den Ausverkauf deutscher Interessen ins Ausland verhindern sollte. Zu den Gesellschaftern gehört heute auch der Fearless Democracy e. V. des ehemaligen Werbestrategen Gerhard Hensel, der nach einem privaten Boykottaufruf gegen Andersdenkende seinen Job bei der SPD-Werbeagentur Scholz & Friends hatte aufgeben müssen.
Die Umsetzung des Digital Services Act in die Meinungspraxis gehen die HateAid-Aktivisten als Versuch an, "unsere Demokratie, die EU-Mitgliedstaaten und jeden einzelnen Nutzenden gegen die Willkür der Tech-Plattformen zu verteidigen", wie Ballon sich zitieren lässt. Die Einsätze gegen Ansichten gelten offiziell nicht als Eingriffe in die Meinungsfreiheit, sondern als "eine Art Vorsortierung" (Der Spiegel) unerlaubter Inhalte, aus deren Regulierung letztlich eine neue Art Freiheit entstehen soll.
Staatliche Schlichtungsstelle
Was verdächtig ist, wird gemeldet. Unternehmen wie TikTok, Facebook oder YouTube müssen dann in einem zweiten Schritt entscheiden, ob gesperrt, gelöscht oder Anzeige erstattet werden muss. Nutzer, die ohne ausreichende Sach- und Fachkenntnis annehmen, dass ihre fragwürdigen Posts zu Unrecht entfernt wurden, können bei einer staatlichen Schlichtungsstelle vorstellig werden und Einspruch einlegen. Durch die zudem vom Staat gewährte Möglichkeit, in langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahren gegen möglicherweise falsche Entscheidungen vorzugehen, bleibt die Meinungsäußerungsfreiheit umfassend gewahrt.