Donnerstag, 14. März 2024

EU-Zukunftsmusik: Regieren im Land Übermorgen

Wichtig ist das Design des Zielzeitraums: Die EU spielt am liebsten Zukunftsmusik

Sie versagte dabei, die Grenzen zu sichern, sie schafft es auch nach neun Jahren nicht einmal, die Mitgliedsstaaten dazu zu zwingen, ihre widerrechtlichen Grenzkontrollen endlich einzustellen. Eine europäische Flüchtlingslösung hat die EU schon öfter und vor allem viel lauter verkündet als die Vergrößerung des EU-Parlaments, sie stellt die Weltgemeinschaft mit den meisten Klimazielen und der höchsten Zahl offiziell anerkannter venezolanischer Staatspräsidenten.  

Kein anderer Kontinent

Kein anderer Kontinent hatte einen so erfolgreiche gemeinsamen Einkauf von Impfstoffen, keiner ein so großes Wiederaufbauprogramm nach der Pandemie, kein einzelnes Land nutzte den Krieg in der Ukraine so entschlossen, um über den Aufbau einer gemeinsamen Rüstungsindustrie mit Millionen lukrativer Arbeitsplätze und die Entwicklung einer eigenen Atombombe nachzudenken, ohne irgendwelche falschen Rücksichten auf die völkerrechtlichen Vorgaben des Atomwaffensperrvertrages zu nehmen.

Der Wille Europas ist Gesetz, und was der Wille Europas ist, bestimmen immer noch zwei, drei Dutzend handverlesene Führungspersönlichkeiten, die am besten wissen, worauf es ankommt. Vordringlich natürlich immer darauf, dem Schicksal zu entgehen, das Jesus Christus einst erlitt: Festgenagelt scheiterte der Erlöser am Versprechen, dass die leben werden, die an ihn glauben. Erst ein cleverer Kniff seiner Gefolgsleute verwandelte den Wortbruch in ein tragfähiges Fundament für eine Kirche, die heute reicher und mächtiger ist als jede andere Institution weltweit: "Du hast mir ein Versprechen gegeben", heißt es in 2. Samuel 7, 19, "das bis in die ferne Zukunft reicht. So gütig bist du zu den Menschen!"

Versprechen als Basis

Nicht zu bekommen, was versprochen wurde, sondern versprochen zu bekommen, dass man es bekommen wird und damit zufrieden sein zu dürfen, ist ein fundamentaler Bestandteil der Europäischen Verträge. Mag es auch sein, dass die EU scheitert, mag es sein, dass ihren führendsten Mitgliedsstaaten nach 75 Jahren Frieden keinen pünktlichen Bahnverkehr mehr haben, keine Autobahnen mehr bauen, ihre Grenzen nicht sichern und im Streit um ihre Energieversorgung von einer Abhängigkeit in die andere schlittern. Fest steht, dass es besser werden wird, nur eben nicht gleich, nicht jetzt, nicht heute. Sondern irgendwann dann, wenn alle gut glauben und sich ausreichend angestrengt haben.

Bis dahin besteht das Regieren auf europäischer Ebene im Erlass von Vorgaben für kommende Generationen. Die großen planwirtschaftlichen Programme, die die EU-Kommission in wachsender Zahl und mit beständig steigenden Volumina produziert, zielen alle auf eine Zukunft, die die greisen Granden der Gemeinschaft selbst nicht mehr erleben werden. Valdis Dombrovskis ist 52, Margrethe Vestager ist, Mark Rutte ist 57, Ursula von der Leyen  65 und Joseph Borell schon 77. 2050, im Augenblick vorgesehen als Jahr der Abrechnung all der hochfliegenden Pläne von Klimaneutralität und nachhaltiger Energieversorgung, wäre Dombrovskis 78, von der Leyen 91 und Borrell immerhin 103.

Aufregungswellen anno 2050

Keine Gefahr für keine der Spitzen der aktuellen Kommission, dass sich dann noch jemand erinnert, wer die großen Leitplanken geschmiedet hat, an denen sich die Aufregungswellen anno 2050 vielleicht brechen werden. Die detailverliebten Vorgaben von heute sind die Erfolge von morgen, und wenn nicht, dann sind die, die sie sich ausgedacht haben, zumindest nicht mehr da. 

Wie schon mit dem Energieausstieg nach einem von den damaligen Parlamentariern festgelegten Zeitplan und bei der Schuldenbremse, die ein Vorgängerparlament seinen Nachfolgern als Kette um den Hals legte, regiert die Generation Heute auch in der EU am liebsten eine weit entfernte Zukunft.  So stellt sie sicher, niemals nach ihrem Scheitern befragt und nie für die von ihr angerichteten Schäden verantwortlich gemacht zu werden.

Gern wird für die Nachgeborenen, noch lieber aber gleich für die Ungeborenen entschieden. Zu hart ist der politische Alltag im Hier und Jetzt, wo alle großen Ankündigungen welche blieben und alle naheliegenden Ziele verfehlt werden. Bequemer ist es, zu agieren, als sei man der Vormund derer, die nach einem kommen. 

Statt für die Gegenwart zu entscheiden, was angesichts grassierender Krisen schwer genug scheint, gießen sie die Zukunft mit Richtlinien, Verordnungen und völkerrechtlichen Verträgen in feste Formen. Das  Zielzeitraum-Design der EU erzählt von einer tiefen Liebe zur Zukunftsmusik. Je maximaler die Entfernung vom Jetzt, desto entschiedener der Festlegung: Bis dann da, jenes aber nicht mehr. Ab dort nur noch so, nie aber anders. 

Politik als Zukunftsmusik

Das Wesen des Regierens besteht im Bemühen, den Eindruck zu vermitteln, dass gerade jetzt, in der fürchterlicherweise besonders schrecklichen Schicksalsstunde der Menschheit, ganz besonders kompetente, weitsichtige und kluge Frauen und Männer am Runder stehen. Sie und nur sie sind in der Lage, die noch folgenden Generation auf Verhaltensregeln zu verpflichteten, auf dass sie, die dazu nicht mehr in der Lage wären, noch wissen, was sie können sollen dürfen und was sie machen müssen sollen.

Immer fuhrwerken die Verantwortlichen weit im Morgen herum, dort, wo sie keiner mehr besser kennen wird als ein 30-Jähriger heute François-Xavier Ortoli, Roy Jenkins oder Gaston Thorn kennt. Die Ewigkeit ist das Land, in dem parteiübergreifend Symbolpolitik betrieben wird. Je unabsehbarer die Entfernung vom Jetzt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Verantwortlichen jemals wird Verantwortung für die Folgen übernehmen müssen. Ursula von der Leyen unterscheidet sich im Stil, aber nicht im Politikansatz von Robert Habeck, Olaf Scholz oder Annalena Baerbock. Sie alle glauben, dass im fernen Morgen besonders gefragt sind, weil dort Siege zu erfechten sind, indem heute Ziele verkündet werden.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die haben eben aus der Vergangenheit gelernt statt sie zu wiederholen. Die Fünfjahrpläne waren zu kurz angelegt und jeder konnte sehen, dass Planwirtschaft scheiße ist. Allerdings ging der 1000-Jahrplan auch in die Binsen. Man muss eben die goldenen Mitte finden.

ppq hat gesagt…

genau. im besten europa, das wir je hatten, ist auch das am besten geregelt

Anonym hat gesagt…

Sie versagte dabei, die Grenzen zu sichern

Hier "versagt" nichts und niemand, und "Flüchtlinge" bitte stets in Gänsefüßchen!


Allerdings ging der 1000-Jahrplan auch in die Binsen. --- Nicht so von ganz allein aber!

Anonym hat gesagt…

Auf Pipi ist wieder Godwin-Amok angesagt.
Jeder Pfeifendeckel wähnt allda, alleinigen und erstmaligen Geheimwissens über Adolf den Bösen zu sein, und das den anderen, Einfältigen, mitteilen zu müssen.