Donnerstag, 22. Mai 2025

Bitcoin-Gewinne: Desaster um den Sachsenschatz

Der Freistaat Sachsen saß auf einem Milliardenschatz aus Bitcoin. Es gelang ihm, mit großem Aufwand ein finanzielles Debakel aus dem Sachsenschatz zu machen.
Die Milliarden fielen Sachsen aus heiterem Himmel in den Schoß. Es handelte sich um Gewinne aus den Straftaten, die der Betreiber der Filmtauschbörse
movie2k.to über Jahre hinweg eingestrichen und dann im Zuge eines Deals Zuge eines Deals mit der Justiz herausgegeben hatten, um sein Strafmaß zu senken. 2,7 Milliarden Euro landeten auf diesem Weg in der Kasse des Bundeslandes Sachsen. Allerdings in Form von knapp 50.000 Bitcoin.  
 
Viel Geld für ein Bundesland, das unter einer Schuldenlast von 43 Milliarden Euro stöhnt, alte Brücken nicht sanieren kann, keine neuen mehr finanziert bekommt und bei den letzten Landtagswahlen nur ganz knapp an der Unregierbarkeit vorbeischrammte. Der sächsische Finanzminister Christian Piwarz nahm das Geschenk als Chance: Über einen "Notverkauf" ließ er den "Sachsenschatz" aus Kryptogeld eilig in Euro umrubeln.

Milliardengewinn mit Verlust


Beim Verkauf entstand ein Gewinn von 2,7 Milliarden Euro, die dringend benötigt wurden. Piwarz setzte das Geld ein, um mit den schmalen Zinserlösen ein bisschen am sächsischen Haushaltslos herumzuspachteln. 43 Millionen Euro flossen in den Haushalt. Ein schmaler Gewinn von 1,5 Prozent. Von dem sich wenig später auch noch herausstellte, dass er bis zum Ende des juristischen Verfahrens um movie2k doch nicht verwendet werden darf. 

Der dringende "Notverkauf", angeblich bereits vor Abschluss eines laufenden Strafverfahrens unumgänglich, weil den "vermögenswerten Gegenstände ist ein erheblicher Wertverlust von circa zehn Prozent oder mehr" drohte, kommt Sachsen teuer zu stehen. Verkaufen durfte das Land, sogar unter Inkaufnahme eines Preises, der durch das sächsische Massenangebot deutlich sank. Aber verwenden darf es das Geld nicht, weil eine "Neubewertung" der rechtlichen Situation ergeben hat, dass es dazu einer "abschließenden juristischen Klärung" des zugrundeliegenden Strafverfahrens bedarf. 

Schiefgegangene Spekulation


Die Pläne des Finanzministeriums, zumindest die Zinseinnahmen aus dem ehemaligen Bitcoin-Besitz im Haushalt zu verbraten, sind damit hinfällig. Ursprünglich hatte die Landesregierung versucht, den Umstand einfach zu ignorieren, dass Bitcoin wie Verkaufserlöse wirtschaftlich weiterhin dem Betroffenen zuzurechnen sind, solange keine Verurteilung erfolgt ist. 

Der Freistaat Sachsen war daher nur Treuhänder, verpflichtet zu einer werterhaltenden Verwaltung, "sowohl im Interesse des Betroffenen als auch der Allgemeinheit", wie die sächsische Staatsregierung eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Rico Gebhardt beschieden hat.

Es gehört ihnen gar nicht


Erst Anfang Oktober vergangenen Jahres, drei Monate nach dem Verkauf des letzten Bitcoin, an dem ein stolzes Großaufgebot von Generalstaatsanwaltschaft Dresden, der "spezialisierten sowie regulierten" Frankfurter Bankhaus Scheich Wertpapierspezialist AG, einer namenlosen deutschen Wertpapierhandelsbank und dem Bundeskriminalamt beteiligt waren, wurde in Dresden klar, dass weder die Bitcoin noch die Verkaufserlöse dem Freistaat gehören. 
 
Erst "zum Ende des Jahres 2024" (Finanzministerium) erfolgte durch das sogenannte Liquiditätsmanagement des Freistaates "eine vollständige Separierung der Verwertungserlöse einschließlich Zinsen, um eine "weitgehende Trennung der Vermögenssphären zu erreichen und das Risiko für den Staatshaushalt so weit wie möglich zu reduzieren".

Ein Milliardenrisiko


Das allerdings liegt durch die zwischen dem 19. Juni 2024 und dem 12. Juli 2024  vorgenommene "marktschonende Veräußerung von ca. 49.858 Bitcoins" zu Kursen, die mit jedem einzelnen sächsischen Verkauf weiter in die Knie gingen, heute schon im Milliardenbereich. 
 
Anfangs war das Sächsische Ministerium für Finanzen zu eigenen Gunsten davon ausgegangen, rechtlich vielleicht nicht ganz, aber doch schon irgendwie Besitzer des "Sachsenschatzes" zu sein. Darauf fußte die Annahme, man dürfe das rätselhafte Kryptovermögen unter Verweis auf Paragraf 111p der Strafprozessordnung (StPO) wegen eines angeblich bald drohenden Wertverlustes eilig flüssig machen. Die später vorgenommene Neubewertung aber beschwört ein Milliardenhaushaltsrisiko herauf.

Von wegen "wertschonend"


Denn "wertschonend" war die als "Verwaltung" bezeichnete Verzwergung des Sachsenschatzes durch die Staatsdiener in Dresden ganz und gar nicht. Wie das Blockchain-Analyseunternehmen Arkham Intelligence errechnet hat, kostete die angeblich "marktschonende Notveräußerung" vom Sommer 2024 den rechtmäßigen Besitzer der fast 50.000 Bitcoin-Beständen bis heute mehr als zwei Milliarden US-Dollar. Das sind umgerechnet 1,77 Milliarden Euro oder - auf sächsisch: Das halbe Haushaltsloch, das der Freistaat in diesem Jahr zu beklagen hat.

Aus einer Bitcoin-Wallet mit der Bezeichnung "Bundesregierung (BKA)" hatte die mannstarke Verkaufstruppe die sächsischen Bestände zu einem Durchschnittspreis von 57.900 US-Dollar auf den Markt geworfen. Koste es, was es wolle. Wen auch immer, denn wem die 50.000 Bitcoin am Ende wirklich gehört werden haben, weiß derzeit niemand. Der Gesamterlös lag bei knapp 2,9 Milliarden US-Dollar - in Dresden waren sie ein bisschen schmallippig, aber unverkennbar stolz auf die eigene Cleverness. 
 
Die so schlau ein knappes Jahr später nicht mehr aussieht: Zum derzeitigen Kurs von mehr als 105.000 US-Dollar wäre der Sachsenschatz mehr als 5,2 Milliarden US-Dollar wert. 

Ein teurer Spaß


Ein Vermögensschaden durch wertschonende Verwaltung, der für Sachsen teuer werden könnte. Nicht nur droht die Gefahr, dass der eigentliche Besitzer des Sachsenschatzes nach Beendigung des Strafverfahrens auf Schadenersatz klagt - immerhin gehört ihm das Milliardenvermögen auch nach Ansicht der sächsischen Behörden bis heute. 

Statt es "sowohl im Interesse des Betroffenen als auch der Allgemeinheit" werterhaltend zu verwalten, hat das sächsische Finanzministerium es übereilig verpulvert. Offenkundig mit dem einzigen Ziel, den Verwertungserlös zinsbringend anzulegen, weil darauf spekuliert wurde, dass mögliche Zinsgewinne aus den treuhänderisch verwalteten Mitteln sofort zum Ausgleichung von Haushaltslöchern verwendet werden können.

Eile bringt Verluste


Doch selbst wenn die Verurteilung des 40-jährigen Angeklagten im movie2k-Prozess eines Tages doch noch gelingt, mehr als ein Jahrzehnt nach den ihm vorgeworfenen Taten, und die Bitcoin dann wirklich dem Freistatt zufallen, wäre der Vermögensschaden eingetreten - nur eben dann für den Steuerzahler. "Hätten sie die Bitcoin gehalten, wären sie jetzt 5,24 Milliarden US-Dollar wert", bemerkte Arkham in einem Beitrag auf X. 

Der Bitcoin-Kurs war während des Schlussverkaufs der Sachsen deutlich abgestürzt. Unmittelbar nach der ersten größeren Transaktion über 6.500 BTC im Wert von 425 Millionen US-Dollar lösten Spekulationen über weitere Verkäufe ohne Rücksicht auf  sinkende Kurse aus. Erst als das Wallet des BKA keine Coins mehr um jeden Preis auf den Markt warf, erholte sich der Kurs wieder. 
 
Die Gebühren eingerechnet, die die vielen am Verkauf beteiligten Institutionen erhalten haben, und die üblichen Spesen von Kryptobörsen wie Coinbase und Kraken addiert, hat sich Sachsen die wertschonende Verschleuderung seiner 50.000 Bitcoin wohl zwischen 10 und 70 Millionen Euro kosten lassen. Und das mit einer Begründung, die vor dem Hintergrund der Sachlage absurd erscheint: Der Wert des Sachsenschatzes betrug zum Zeitpunkt der Übertragung des Bestandes an den Freistaat etwa 1,97 Millionen Euro. 
 
Am Tag des Beginns der Verkaufsoffensive unter dem Motto "Alles muss raus" lag der Wert um ein Drittel höher. Damit es zum vermeintlich unmittelbar bevorstehenden zehnprozentigen Verlust an der ursprünglichen Vermögensmasse hätte kommen können, hätte der Bitcoin-Preis von über 56.000 Euro nicht nur um zehn Prozent auf weniger als 48.000 Euro, sondern um mehr als 20 Prozent auf unter 39.000 Euro fallen müssen.
 
Stattdessen hat sich der Bitcoin-Preis in etwa verdoppelt.
 

Überstürzt und unkoordiniert


Das Geld natürlich nicht weg, es hat nur jemand anders - und es sind nicht die sächsischen Kommunen, die sich schon eine Beteiligung am Erlös von rund einer Milliarde ausgerechnet hatten. Miguel Morel, Gründer von Arkham, hat die Verkaufsstrategie der Sachsen kritisiert. Er  bezeichnet sie als überstürzt und unkoordiniert. "Das Letzte, was ich erwartet hätte, ist, dass sie einfach an fünf verschiedene Börsen gehen und mit dem Verkauf beginnen", beschreibt er das Vorgehen des Freistaates, dessen Verkaufsstrategie nicht auf möglichst hohe Gewinne, sondern auf möglichst schnelle Erledigung zielte.

Ein teurer Spaß heute schon. Sachsen sind durch den vorschnellen Verkauf in Höhe von nahezu 2,5 Milliarden Dollar entgangen. Das wäre Geld genug gewesen, das derzeitige Haushaltsdefizit von rund vier Milliarden Euro zu halbieren. Stattdessen muss Sachsens Regierung nun hoffen, dass im movie2k-Prozess wirklich ein Urteil fällt, dass die Einziehung der erzielten Gewinne aus den mutmaßlichen Straftaten vorsieht. Zudem darf auch kein Steuerzahler klagen, weil er es ja nun sein wird, der für die Haushaltsmittel geradestehen muss, die eigentlich da wären. Wären sie nicht mit dem Schnellverkauf verbraten worden.

4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Der aktuelle Bitcoin-Preis liegt heute bei 111,409.00 $

Was für Künstler, die Geld zu Scheiße wandeln können.

Anonym hat gesagt…

Eine reale Fabel von von Gier, Ego und Dummheit. Das hätte der alte J.P. Hebel nicht besser erdenken können.

Anonym hat gesagt…

OT mit dem georgischen Orgelbauer hat mich Klono wirklich drangekriegt. '54 Register'. So ein Arm!!

ppq hat gesagt…

sie konnten es doch nicht wissen. und sie dachten doch, dass sie so wenigstens illegal zinsen abzweigen können