Montag, 17. November 2008

Fremde Federn

Michael Klonovsky beantwortet bei der "Achse des Guten" die Frage "Darf man mit Massenmördern und ihren Vordenkern für ein Auto werben?" mit Ja, registriert aber ein merkwürdiges Ungleichgewicht bei der Beurteilung der Protagonisten.

"Mao, Lenin, Castro, Ho Chi Minh, Marx, Che Guevara, Rosa Luxemburg: Alle kommen vor im Renault-Werbespot für den Dacia Logan, womöglich auch Idi Amin und Pol Pot (zwei Personen sind nicht eindeutig zu identifizieren). Dagegen hatte der Opferverein Help e.V. geklagt – wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Beleidigung. Naturgemäß steht nicht die Beleidigung des Andenkens der mit Ausnahme des fidelen Castro inzwischen verstorbenen Herrschaften in Rede, sondern das der Opfer der kommunistischen Bewegung.

“Die Staatsanwaltschaft Köln lehnt Ermittlungen ab.” „Den gezeigten Personen ist gemeinsam, dass sie, wenn auch auf verschiedene Weise, für eine Änderung der hergebrachten gesellschaftlichen Strukturen eintraten“, schreibt Oberstaatsanwalt Wolf in seiner Begründung. Es seien „nicht die Gewalttaten der gezeigten Personen, für die diese symbolisch stehen sollen, sondern ihre revolutionäre Haltung“. Im Werbefilm sagt Che Guevara zu Karl Marx, mit dem er auf einer Veranda sitzt: „It’s time for another revolution“, und der Rauschebart repliziert: „Che, it’s about what people need.“ Nämlich ein revolutionär billiges Billigauto.

„Weiterhin“, führt Oberstaatsanwalt Wolf aus, „waren die meisten dieser Personen Vertreter des Sozialismus und des Kommunismus. Diese politischen Ideologien haben in ihrem Ursprung die gerechte Verteilung von Reichtümern zum Ziel und wenden sich gegen die mögliche Ungerechtigkeit des Kapitalismus.“ Wie eben auch Renault mit seinem in Rumänien produzierten Dacia Logan – und wie der im Werbefilm seltsamerweise trotzdem nicht vorkommende Rumänenknechter Nicolae Ceaucescu. Jedenfalls, so der Oberstaatsanwalt, lasse sich in „diesen ideologischen Kontext“ die Aussage „Der erste Kombi, den sich jeder leisten kann“ einordnen.

Über die Petitesse, Rosa Luxemburg sei „bekannt für ihren Einsatz gegen Gewalt und Krieg“, darf hier hinweggegangen werden, denn ein Staatsanwalt muss von Geschichte keine Ahnung haben. Dessen Fazit lautet: „Der Verdacht der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und der Beleidigung hat keine hinreichende Bestätigung gefunden.“

So weit, so in Ordnung – wer in Freiheit leben will, muss gewisse Geschmacklosigkeiten hinnehmen können, mit denen in diesem Falle ja bereits der Mao-Verpopper Andy Warhol und all die beflissenen Stalinhymnen-Schreiber aus der westeuropäischen Intelligenzija angefangen haben. Oberstaatsanwalt Wolf hat die – im weitesten Sinne künstlerische – Freiheit verteidigt und ein gutes Werk getan. Nur: Hätte er genauso geurteilt, wenn der Veranda-Dialog zwischen Hitler und Mussolini, beide immerhin auch revolutionär bis in die Bandscheibenschäden, stattgefunden hätte? Und wenn ja, wer hätte die Tinte für die Protestresolutionen bezahlt, wer die von sogenannten Autonomen demolierten Renault-Schaufensterscheiben? Wer hätte Claudia Roth wiederbelebt, wer Iris Berben Eiswürfel auf die Schläfen gelegt, wer Wolfgang Thierses endlich ausgeraufte Barthaare wieder eingesammelt?

Man darf vermuten, dass der wackere Oberstaatsanwalt genauso mit zweierlei Maß misst wie die Öffentlichkeit überhaupt, sonst wäre er ja kein Oberstaatsanwalt geworden, sondern beispielsweise Revolutionär. So richtig seine Entscheidung grundsätzlich ist, haftet ihr doch der Hautgout mangelnder Objektivität an, und es bleibt das ungute Gefühl, dass hier nicht wirklich die Freiheit gesiegt hat, sondern der allenthalben wieder recht ungescheut sein anfangs so harmlos wirkendes Haupt reckende Sozialismus."

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