Freitag, 8. Januar 2010

Eine Schweinegrippe namens Daisy

Es sollte der Tag des Armageddon werden, ein eiskaltes Sterben landauf, landab. Die Rückkehr der Schneekönigin war angekündigt, Bundesbehörden riefen zu Hamsterkäufen auf, das Selbsthilfemagazin "Bild" empfahl, Nachbarn sollten Nachbarn anrufen, um sie zu fragen, ob sie sie später, nach dem Zusammenbruch von Strom- und Kakaoversorgung, anrufen und um Hilfe bitten dürften.

In Berlin bangte die Kanzlerin, bislang nur für die Erderwärmung zuständig, um ihre Untertanen. Es sei gut, wenn sich alle für "mehrere Tage mit Lebensmitteln eindecken", riet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Wichtig seien ausreichend Trinkwasser, ein Medikamentenvorrat und Kerzen. "Vor dem Schneewochenende: Ein ABC aus Eis und Schnee" überschrieb der Ratgebersender n-tv seine Katastrophenfantasie, einen "Schneesturm "Daisy" und einen "Winteralarm in Deutschland" imaginierte der illustrierte "Stern".

Früher hieß die Jahreszeit zwischen Herbst und Frühling Winter, heute ist sie der Nachfolger der Schweinegrippe, ein Monster, das Autofahrer einschneit, Städte einfriert, Energieversorger lahmlegt. Das ehemalige Nachrichtenmagazin "Spiegel" trug aus dem Archiv zusammen, was die Urgroßväter noch im Schützengraben erlebten: Durch "Dauerfrost, Winterstürme und kräftige Schneefälle", so heißt es über das Tief mit dem Namen "Daisy", drohten "am Wochenende in ganz Deutschland chaotische Verkehrsverhältnisse, Stromausfälle und starke Schneeverwehungen". Als Kronzeuge der Wetterklage tritt Meteomedia-Meteorologe Andreas Wagner auf, der "sibirische Verhältnisse" voraussagt: Von Freitag bis Sonntag sorge "Daisy" für ergiebige und intensive Schneefälle und Dauerfrost bis zu zehn Grad Minus, "die sich aufgrund des starken Nordostwinds etwa zehn Grad kälter anfühlen" würden.

War früher im Winter zuweilen einfach mal tiefster Winter, bleckt jetzt der Weltuntergang seine schneeweißen Beißer, sobald Frau Holle die Kissen ausschüttelt. Das Grundgesetz von Metereologie und Medien greift: Viel Warnung und wenig Ereignis bringt Quote, wenig Warnung und viel Ereignis bringt Ärger.

Also warnen, was das Ölzeug hält. "Es steht uns ein Hochwinter-Wochenende bevor", erfindet der Experte gleich einen neuen Begriff, komplementär zum "Starkregen", den es ja früher auch nicht gab. In höheren Lagen seien "Sturmböen möglich", auch danach bleibe es "weiter kalt". Die Klimaerwärmung schreitet dabei unaufhaltsam voran, der Monat Januar wird aller Wahrscheinlichkeit nach allerdings nur leicht zu warm werden. Aber das kommt vor, aber darum geht es auch gar nicht. Trotz der Erderwärmung „wird es immer noch Kälterekorde geben", fachsimpelt ein Experte im Wettermagazin Bild. Es werde bloß weniger davon geben.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, und da markerschütternde "Urrrrrääää" der russischen Schützenketten im Schneetreiben, die gerade immer dann anbrandeten, wenn das Waffenöl im MG 42 eingefroren war. Teuflisch.

nwr hat gesagt…

Zum Glück heißt die Erderwärung im Winter Klimakatastrophe, ansonsten wäre wohl der viele Schnee, von dem Opa gestern sagte: „So schön wie früher!“, wohl nie geschneit worden.