Samstag, 25. August 2018

Der Fall Maik G.: "Krakeeler", "Rowdy", "Randalierer"

"Wer nun einwendet, es dürften auch Mitarbeiter der Polizei eine politische Haltung haben und dafür auf die Straße gehen, hat recht", schreibt Constanze von Bullion in der Süddeutschen Zeitung, deren Definition von Grundrechten eine traditionell enge ist. So auch hier: "Ja, Polizisten und ihre Kollegen in der Verwaltung sollen sich eine politische Meinung bilden, und sie dürfen sie - privat - auf Demos zeigen", urteilt das Blatt in der inzwischen zum Skandal ausgebauten "Affäre" um das ZDF, einen Pegida-Demonstranten und einen Einsatz der sächsischen Polizei.

Das Ende ist dann typisch süddeutsch: "Allerdings müssen sie dies in zurückhaltender Form tun", befindet Bullion, und "wer aber Presseleute anbrüllt und den von der AfD angefachten Kampf gegen die "Lügenpresse" in die Tat umsetzt, hat bei der Polizei nichts verloren."

Wer demonstriert, verliert


Das kommt nun selbst von diesem Absender etwas überraschend. Wer erinnert sich nicht noch mit einem warmen Gefühl der Befriedigung an die großen Tage der Proteste der Studenten gegen den Axel-Springer-Verlag, nach denen ein späterer Innenminister sich über ein "böswillige Berichterstattung" (Otto Schily) beklagte? Gut, Schily war nie Polizist, aber "böswillige Berichterstattung" steht "Lügenpresse", einem Begriff, der 1865 von der Augsburger Postzeitung erfunden wurde, als üble Unterstellung in nichts nach.

Auf einmal nun wieder, wie damals, aussortieren, diese Leute! Wer "pöbelt", wie es der "Spiegel" nennt, wenn ein Bürger auf seine Persönlichkeitsrechte hinweist, hat das Recht verwirkt, Teil unserer Gemeinschaft zu sein. Galten bis vor kurzem noch "Hass, Hetze und Zweifel" (Claus Kleber) als Indikator für eine Sehnsucht nach Hitlers Rückkehr, reicht der Satz "Ich möchte nicht, dass Sie mich filmen" und der - nach dem "Soldaten-sind-Mörder"-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes straffreie - Ruf "Lügenpresse", um als gesellschaftsfeindlicher "Krakeeler" öffentlich angeklagt und ohne Möglichkeit der öffentlichen Verteidigung hingerichtet zu werden.

Die Wortwahl des ehemaligen Nachrichtenmagazins erinnert nicht von ungefähr an die der DDR-Staats- und Parteipresse, die Begriffe wie "Krakeeler", "Rowdy", "Randalierer" und "Krawallmacher" verwendete, um die „bewusste Missachtung des sozialistischen Werte- und Normensystems“ öffentlich anzuprangern.

Der "Krakeeler" kehrt zurück


Auch die Betonung des Umstandes, dass G. "Zugriff" auf sensible Daten wie die Ausländerdatei gehabt habe, folgt der Logik der DDR-Propaganda im Umgang mit Staatsfeinden: Wer damals gegen das System oder auch nur gegen Teilaspekte des Alltagslebens im System opponierte, sah sich schnell öffentlich in die Schublade einsortiert, "kriminell" zu sein. Das Wort wird derzeit noch nicht verwendet, aber die raunende Unterstellung, dass Maik G. seine Zugriffsrechte auf sensible Datenbanken wahrscheinlich für seine miesen Pegida-Zwecke missbraucht habe - einziger Beleg dafür ist seine Teilnahme an einer Pegida-Demonstration - verfolgt denselben Zweck der Delegitimierung, der Verächtlichmachung und Disziplinierung anderer.

Dass es Populisten wie der SPD-Scharfmacher Ralf Stegner und der FDP-Altnationale Wolfgang Kubicki sind, die nun am lautesten nach "Disziplinarverfahren" schreien, obwohl Maik G. als Angestellter nicht dem Beamtenrecht unterliegt und damit auch kein Disziplinarverfahren gegen ihn möglich ist, passt sich ein in eine Logik des größtmöglichen Eskalation, die darauf abzielt, ein Exempel zu statuieren. Niemals soll wieder ein Bürger oder eine Bürgerin denken können, es sei ihr gutes Recht, unbefangen und ohne Konsequenzen befürchten zu müssen an einer genehmigten Demonstration teilnehmen zu können.

Verbot des Anbrüllens von "Presseleuten"


Daher der Schrei, Deutschland brauche ein Gesetz, dass das Anbrüllen von "Presseleuten" (Bullion) verbietet! Oder, nein, nach Lesart der SZ scheint es dieses Gesetz ja schon zu geben, wie sonst könnte das linksliberale Blatt aus der früheren Hauptstadt der Bewegung schlussfolgern, wer es doch tue, habe "bei der Polizei nichts verloren"? Beamte! Sie meinen Beamte! Besondere Treupflicht! Nun ist der Deutschlandhutmann keiner, sondern nur Angestellter des Landeskriminalamtes. Aber wäre es nicht schön, wenn es wieder eine globale Regelung für alle Behördenmitarbeiter geben würde wie es der § 8 Abs. 1 BAT war: "Der Angestellte hat sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird."

Je nachdem, was irgendwann erwartet wird, könnten unsichere Kantonisten dann künftig im Nachhinein nach Belieben für Verstöße abgestraft werden, die zuvor noch gar keine waren.

9 Kommentare:

Scharfrichter hat gesagt…

Das längst international-sozialistische Regime unter der "Drachen-Raute" nähert sich mit seinen Manipulations- und Maulkorbmaßnahmen denen der National-Sozialisten unter dem "Föörärr" bedenklich an. Und auch heute kritisiert nur eine Handvoll Bürger diesen gefährlichen Trend, während die sedierte Mitläufer- und Nutzviehmasse wieder herdentriebig "Weiter so" jubelt.

Das deutsche Pinschervolk lernt leider nix dazu. Es gebiert ständig neue Untertanentypen wie den Diederich Heßling von Thomas Mann. Was für eine Zukunft soll solch eine Schleimbeutel-Gesellschaft haben ... außer der debilen Wiederholung des früheren Infernales?

August 25, 2018

Die Anmerkung hat gesagt…

Ferda Ataman weint im Hamburger Kinder-Magazin.

"Um die Herrschaft der Willkür zu beenden, haben wir Deutschen einst den Rechtsstaat erfunden. Doch manche Politiker und Behörden stellen sich über das Gesetz. Das geht nicht."

1. Wer hat's erfunden?

2. Doch, das geht. Siehe in der BRD praktizierte Praxis.

Anonym hat gesagt…

Wirrr sind diee vierrte Gewalllt !!!

Volker hat gesagt…

"Diederich Heßling von Thomas Mann"

search "Thomas" replace with "Heinrich"

Gernot hat gesagt…

... ohne Konsequenzen befürchten zu müssen an einer genehmigten Demonstration teilnehmen zu können ...
Erneut der Hinweis: Es herrscht Versammlungsfreiheit. Es gibt keine genehmigten Demonstrationen (höchstens welche, deren Verbot gerichtlich aufgehoben wurde).

Der Unterschied zwischen genehmigt und gesetzlich erlaubt ist gravierend.

Gernot hat gesagt…

Aber der Heßling hat doch prima vorgemacht, wie man die Kanzlerin begrüßen sollte, hurra!

Anonym hat gesagt…

@ Scharfrichter: Gehe Er in sich. Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes - Du bist noch am Anfang der Kamelphase - also erst einmal aufpacken, aber eben richtig.
Einst war der Geist Gott, dann wurde er zum Menschen, und nun wird er gar noch Pöbel ...

D.a.a.T.

P.S. Wenn die Schwerter durcheinanderliefen gleich rotgefleckten Schlangen ...

ppq hat gesagt…

genehmigt meinte einfach nur angezeigt und nicht verboten

Gernot hat gesagt…

Das mit der "gebotenen Zurückhaltung" des politischen Engagements von Beamten ist angesichts von Beamten als Kandidaten für Parteien und Abgeordneten m. E. mit Recht großzügig auszulegen, die Beurteilung einer Journalistin, die beliebig Berufsverbote für ihr nicht genehmes Verhalten oder gar ihr nicht gefällige Gesinnungen fordert, vielleicht weniger.