Freitag, 23. April 2021

#allesdichtmachen: Kulturkampf um Corona

 

Es war immer egal, was getan wurde. Deutschland hatte alles richtig gemacht. Immer zur rechten Zeit die korrekte Maßnahme gegen die Seuche, passgenau zugeschnitten auf die Situation. Nicht so wie anderswo, etwa in den USA oder Brasilien, Russland oder Schweden, wo das Versagen in der Pandemie pandemisch war. Zwar war bald nach Beginn der Seuche bekannt, dass Staaten, die von Frauen regiert werden, prinzipiell besser mit der Pandemie umgehen als Staaten, in denen alte und womöglich noch weiße Männer das Sagen haben. Doch selbst als es dann auch dort mal hakte, wo mit Angela Merkel und Ursula von der Leyen eindeutig gleich mehrere Frauen regieren, war das nur gut so, wie sich die deutschen Medien einig waren: Wäre es anders gewesen, wäre es mit Sicherheit noch schlimmer.

Im Transformationsexperiment

Wenn das Virus keine Rücksicht auf  die Regierung nimmt, kann die Regierung auch keine Rücksicht auf die Regierten nehmen. "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Transformation unserer ganzen Lebens- und Wirtschaftsweise", hat Angela Merkel gerade verkündet und Corona wirkt auf einmal wie ein Großversuch. Mit wie viel oder wie wenig Begründung lässt sich drastisch durchregieren? Wie lange dauert es wirklich, bis Bürgerinnen und Bürger sich die Zahlen anschauen und sie mit den immer schriller heulenden Sirenen der Weltuntergangspropheten abgleichen?  

Nach einem Jahr Pandemie hat eine Handvoll Künstler sich zu Wort gemeldet und Zweifel geäußert. Ist vielleicht doch nicht alles so hervorragend gewesen? Sind die Maßnahmen überzogen, zu spät, womöglich falsch? Gäbe es unter Umständen sogar Alternativen zum Dauerlockdown? Mit Jan Josef Liefers, der in der Vergangenheit schon gelegentlich als Querkopf aufgefallen war, Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller, Heike Makatsch und anderen ist beinahe das gesamte Fernsehballett aufmarschiert, um Bedenken anzumelden. 

Tief im Glauben getroffen

Zynisch, weil satirisch, stinksauer, weil betroffen. Enttäuscht, weil tief im Glauben getroffen, Deutschland werde hervorragend regiert und es sei "gut vorbereitet" (CDU). Liefers etwa meint meinen zu dürfen, ihm sei aufgefallen, dass Medien hierzulande über Monate berichtet hätten wie Regierungsorgane. Statt sich einfach zu den neuen ehrgeizigen Klimazielen der EU zu bekennen, irritiert er die Bürgerinnen und Bürger mit seinen privaten Auffassungen über vernichtete Existenzen, ausgebliebene Exponentialität und quälend langsamen Impffortschritt.

Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz“, fordert Ulrich Tukur die Bundesregierung demonstrativ auf, noch härter, radikaler und schärfer jede Bewegung zu unterbinden. „Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte.“

In schwerer Zeit an einem Strang

In schwerer Zeit, in der alle an einem Strang ziehen müssen, ein unerhörter Vorgang. Haben nicht alle Teilnehmer der Aktion immer gut gelebt im geschützten Biotop der Gemeinsinnsender? war es vielen von ihnen nicht stets ein Bedürfnis, sich für diese Gunst dankbar zu zeigen? Ist die Veranstaltung einer solchen "bizarren Kampagne gegen Medien und Bundesregierung" (Focus) überhaupt von der aktuellen Eindämmungsverordnung geschützt? Oder steckt Putin dahinter?

Natürlich haben die Meinungsäußerungen von Liefers, Tukur und Co. augenblicklich einen Kulturkampf ausgelöst. Andersdenkende Staatskunstschaffende wie Igor Levit, Jan Böhmermann, Christian Ulmen und Nora Tschirner verstehen die Welt nicht mehr: Wie können Kolleginnen und Kollegen es wagen! Das zu sagen! Nur „schlechter, bornierter Schrumpfsarkasmus, der letztendlich bloß fader Zynismus ist, der niemandem hilft, nur spaltet", befand der Medienklaviaturspieler Levit angesichts des unerhörten Vorfalls.

Unabhängig von der Frage, ob es unter den Bedingungen der Bundesnotbremse und nach den aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetzen überhaupt erlaubt ist, entsprechende Filme mit zweifelhaften Thesen, die "ebenso vom Verschwörungserzähler Ken Jebsen stammen könnten" (Tschirner) über Plattformen wie Youtube zu verbreiten, wirft die Kampagne #allesdichtmachen auch die Frage nach der politischen Zuverlässigkeit der Beteiligten auf. 

Medial ist die Sache allerdings schon klar: Wer hier mitmacht, ist "nicht mehr ganz dicht" (Die Zeit) und muss zurückrudern. Buße tun. Sich zu seinem Irrtum bekennen. Sich distanzieren. Die Opfer seiner Tat und die fassungslosen Kolleg:_*Innen um Verzeihung bitten. Verführt gewesen sein. Missbraucht worden. Besserung geloben. Wie schnell das geht, ist wirklich beeindruckend: Schon Stunden nach den ersten amtlichen Mahnungen ist die Internetseite allesdichtmachen.de offline. Und der Aufstand der Mimen für beendet erklärt.


10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein letztes Zucken. Leise aus dem Dunkel:
Don't you love farce?
My fault, I fear
I thought that you'd want what I want
Sorry, my dear!
But where are the clowns
Send in the clowns
Don't bother, they're here

Nicht ganz Dichter hat gesagt…

Es geht um nichts geringeres als die HERDENIMMUNITÄT.

Gibt es ein treffenderes Wort, um den kollektiven Impfsuchtcharakter der Michels im besten aller Schlands zu beschreiben?

Um eine Herde handelt es sich nämlich wirklich, eine Herde Schafe oder Nutzvieh, das nur deswegen von den Eliten gehegt wird, weil es sich so gutgläubig scheren und melken lässt.

Nicht nur das; es wählt seine Ausbeuter sogar immer wieder selber und bejubelt deren Abzockermentalität begeistert. Da kann man nicht nur, nein, da muss man von Herde sprechen, denn um intelligente Individuen kann es sich nicht handeln, wenn jeder sich wie in einem Vogel- oder Fischschwarm nur an etwa zehn unmittelbaren Nachbarn orientiert.

Die Herde ist zugleich die Horde animalisch instinktiv egoistisch reagierender Bestien, die primär nur ihren Hunger und drüber hinaus ihre nimmersatte Gier stillen wollen.

Zuerst kommt bekanntlich das Fressen und dann ... vielleicht ... auch mal etwas Moral.

Vom angeblich so edlen Menschen sieht man aktuell verdammt wenig, denn der geifernde Massenpöbel regiert auf längst wieder mittelalterlichem Aberglaubensniveau.

Und wenn der Islam tatsächlich zu Deutschland gehört, werden wir dank der Scharia auch hier sicher bald öffentliche Hinrichtungen mit dem Schwert erleben dürfen, wie es bei unseren Freunden in Saudi-Arabien Korangesetz ist.

Der Kulturkampf tobt, denn die Kulturbereicherung scheiterte. Sie werden garantiert alles dicht machen ... für Kuffar.

Klaus K. hat gesagt…

Für alle, die wissen wollen, wie es weitergeht ...

Der lachende Mann hat gesagt…

@ Klaus K.

Guter Hinweis. Man staunt, wie fruchtbar der Boden dafür auch bei uns ist.

Anonym hat gesagt…

Maxeiner meint bei der Achse, Reue und Widerruf seien Teil des Gesamtkunstwerks. Oh glückliche Verblendung.

Anonym hat gesagt…

@ Klaus K. hat gesagt...

Es geht hier um nicht weniger als um Platz eins bei: „ ... besten Deutschland, das es jemals gegeben hat”
https://www.rnd.de/politik/steinmeier-wir-leben-im-besten-deutschland-das-es-jemals-gegeben-hat-79e657f9-a7b2-4fc8-b330-3a6eddfd5622.html

Klar ist deshalb, für das Ranking benötigt man die „Zustimmung aller Kulturschaffenden“, denn „überwältigende Zustimmung“ ist belegt und muss getoppt werden.
https://www.publicomag.com/wp-content/uploads/2018/09/Zustimmung-der-Kulturschaffenden.jpg

Hase, Du bleibst hier... hat gesagt…

Macht doch das Coronazeugs die Kämpfer gegen Rechts aus der allerersten Reihe jetzt selbst zur Zielscheibe für Giftpfeile aus Doppelmoral und linksdrehenden Kulturen der Zivilgesellschaft. Spannend, wie das für die GEZ-Künstler ausgeht.

Die Anmerkung hat gesagt…

@anonym

Zu Maxeiner habe ich auf meinem Level des verstehenden Lesens etwas anders herausgelesen.

Reue ist überflüssig, denn der Zweck der Übung wurde mit der Veröffentlichung erreicht. danach kommt nur noch Siegesparade, egal welche Charakterschweine (bei M. sind das Gebißklapperer) wie laut quieken.

Carl Gustaf hat gesagt…

Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man lauthals darüber lachen. Im Grunde genommen hat die Regeierung Merkel jetzt aber das geschafft, woran die Politbürokraten der untergehenden DDR im Herbst 89 noch grandios gescheitert waren: die Durchsetzung der chinesischen Lösung. Mit einem Unterschied: da wo die Chinesen die Panzer brauchten, da genügt Merkel ein Virus.

Anonym hat gesagt…

Frau weissbrand , M. kommentiert , erläutert und ordnet ein .##

das ging schnell - vom Flüchtling zum Besatzungsoffizier in wenigen Jahren



https://archive.org/details/makatsch-sicherungskopie