Dienstag, 29. Juni 2021

Die Volksbelehrenden: Fantasiesprache für Nachrichtenagenturen

Die sowjetische Nachrichtenagentur TASS war immer nur ermächtigt, im traditionellen Russisch zu erklären. Die deutschen Nachrichtenagenturen dagegen haben jetzt eine eigene Sprache.

Es ist ein Durchbruch jenseits des Dudens, die Erfindung einer neuen Sprache mit neuen Möglichkeiten zur Zähmung von Widerspenstigen und Erziehung zum Besseren. Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen DPA, AFP, APA, EPD, Keystone-sda, KNA, Reuters und SID wollen der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Inklusion, einfacher Sprache und geschlechtsneutralen Atempausen nicht mehr nur einfach zuschauen, sondern sich an die Spitze einer Entwicklung setzen, die nicht mehr nur beschreibt, was ist, sondern sagt, was sein soll.

Agenturen als Sprachlehrer

Angeführt von der Nachrichtenfabrik DPA, derzeit in Deutschland Quelle von zirka 64 Prozent aller Nachrichteninhalte, die Bürgerinnen und Bürger zu sehen, zu lesen und zu hören bekommen, haben die Weitervermittler von Regierungsansichten, Pressemitteilungen und selbstabgeholten Wortmeldungen zu allen gesellschaftlichen Fragen ein gemeinsames Vorgehen vereinbart, um künftig noch gerechtere, neutralere und nachhaltigere Meldungen über den Ticker jagen zu können. Statt sich an den überkommenen Vorgaben der Kultusministerkonferenz zur deutschen Rechtschreibung, am Duden-Monopol oder am Sprachgebrauch der Bevölkerung zu orientieren, werden Agenturmeldungen ab sofort diskriminierungssensibel geschrieben und gesprochen, wie es in einer DPA-Meldung in eigener Sache heißt.

Ein Signal, denn auch der Schlüsselbegriff "diskriminierungssensibel" ist eine Eigenentwicklung der führenden deutschen Wahrheitsquelle, die dank des sogenannten Agenturprivilegs in einer Position ist, die es ihr erlaubt, Wirklichkeiten frei zu erfinden. Dank der besonderen Nichthaftungsregel im deutschen Presserecht muss kein Weiterverbreiter solcher Falschmeldungen fürchten, als Mitstörer haften zu müssen. Agenturmeldungen dürfen übernommen werden, ohne dass der Inhalt zuvor auf Richtigkeit überprüft werden muss.

Selbstausgedachte Fantasiesprache

Galt das bisher nur inhaltlich, denn auch Agenturen waren an Rechtschreibung, Gramattik und Zeichensetzung gebunden, eröffnet die Ankündigung, ab sofort in einer selbstausgedachten Fantasiesprache berichterstatten zu wollen, nun eine zusätzliche Dimension für die auch als "Lehranstalter der Demokratie" geltenden Großunternehmen der Medienbranche. Künftig soll das sogenannte generische Maskulinum, das als Ursache für Gender-Pay-Gap, Gewalt gegen Frauen und berufliche Benachteiligung bis in wokeste Kreise gilt, aus Agenturmeldungen schrittweise zurückgedrängt werden.

Anstelle von im überkommenden allgemeinen Sprachgebrauch verwendeten Begriffe wie "benachteiligte Schüler", "rechtsextreme Soldaten", "verletzter Feuerwehrmann", "Lehrermangel" oder "Politikerversagen" werden die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen sprachlich neu ausgerichte. Diskriminierungssensible Formulierungen wie "benachteiligte Lernende" oder "benachteiligte Beschulte", "rechtsextreme Bundeswehrangehörige", "verletzter Feuerbekämpfender", "Lehrendenmangel" und "Politikbetreibendeversagen" sollen diskriminierende Sprache vermeiden und zur Sichtbarmachung von Diversität beitragen, aber vor allem nach außen ausstrahlen und Bürgerseiende langsam an den Sprachumbau gewöhnen.

Gegen die Uneinsichtigen

Denn noch herrschen im Lande viel Unverständnis und Uneinsichtigkeit. Pionierseinde der neuen Art, zu sprechen, werden verlacht und verhöhnt, wegweisende Vorschläge zum gerechten Sprachwandel und dem Maskulinumausstieg werden selbst in den Gemeinsinnsendern noch nicht konsequent genutzt. Hier setzten die Nachrichtenagenturen an, die über die Verwendung der traditionellen Doppelformen von "Schülerinnen und Schüler" über geschlechtsneutrale Pluralformen wie "die Feuerwehrleute" oder "die Angestellten" langsam zu einem neuen deutschen Idiom kommen wollen, in dem substantivierte Partizipien wie "die Studierenden", "die Radfahrenden" oder "die Fernsehenden" Standard sein werden.

Die männliche Form der Benennung von Dingen oder Personen fällt samt aller Ableitungen weg, die Neutralisierung geschieht durch den Rückgriff auf Funktionsbezeichnungen - statt "Vorsitzender" heißt es "Vorsitz", statt "Mitarbeiter" Personal, statt "Streikende" wird auf "Imstreikseiende" zurückgegriffen. Nach Rücksprache mit der Bundesworthülsenfabrik (BWHF), deren Grundsatzpapier  "Geschlechtersensible Sprache - ein Leitfaden*In" als Ratgeber fungierte, sind auch syntaktische Lösungen erlaubt: So heißt es dann vorschriftsmäßig nicht mehr, "Raucher haben eine geringere Lebenserwartung, sondern "wer raucht, hat..."

Frauen sterben aber später

Frauen sind keine Raucher, Frauen haben zudem eine höhere Lebenserwartung als Männer, sind daher auch dauerhafter konfrontiert mit einer Sprache, die die allzuoft "der" oder "jeder" sagt, wo sie auch  "alle" oder "die" nutzen könnte, ohne gar nicht mehr verstanden zu werden. kein informationsverlust tritt zum Beispiel ein, wenn eine Umschreibung mit Infinitiv genutzt wird, so dass ein "Antrag  vollständig auszufüllen" ist, wo bisher ein "Antragsteller" das Formular vollständig ausfüllen hatte.

Jeden mitnehmen in eine Welt der neuen Sprache, die klingt wie Polizistendeutsch. Adjektiv statt Substantiv, in einer für später geplanten Etappe dann auch Genderstern, Unterstrich, Doppelpunkt oder Slash. Hier sei "noch ist unklar,  welches der Sonderzeichen, die auch nicht-binäre Geschlechtsidentitäten abbilden sollen, sich im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen wird".


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