Freitag, 30. September 2022

Drogensucht: Umbenennung von Entzugserscheinungen

Der Tod kifft mit
Drogenopfer wehren sich: Der Tod kifft mit, aber wer überlebt, muss sich oft "Truthahn" nennen lassen.


Anfang des Jahres hat Recep Erdogan genug. Sein Land wolle international nicht mehr als "Turkey" bezeichnet werden, denn das englische Wort für Truthahn mache Jahrtausende wechselvoller, aber am Ende doch erfolgreicher Geschichte verächtlich, indem 84 Millionen Türkinnen und Türken gleichgesetzt würden mit einem Tier. Zwar handele es sich immerhin um die größte Art der Hühnervögel, die ausgewachsen und gut gepflegt eine Körperhöhe von einem Meter und ein Gewicht von zehn Kilogramm erreichen könne. Doch der auf die bizarren Lebensgewohnheiten des Hautlappenhuhns und dessen augenscheinliche Tölpelhaftigkeit im Alltagsleben abhebende Bezeichnung beleidige jeden anständigen Türk*enden.

Rasche Umbenennung

Die UN reagierte verblüffend schnell. Rascher noch als die Umbenennung von Myanmardasfrüherebirma sich als Synonym für das frühere Burma durchsetzte und viel umfassender als sich "Weißrussland" in Bjelorussland verwandelte, wurde auch "Turley" das einheimischsprachige "Türkiye". Die Vereinten Nationen bestätigten den Wechsel. Seit dem späten Frühjahr wird der inflationsgeplagte und mit der Rückabwicklung demokratischer Errungenschaften beschäftigte Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches an der Südflanke der Nato im internationalen Sprachgebrauch Türkiye genannt. 

Ein Wechsel, der anderen Mut gemacht hat. So wendet sich jetzt auch die Internationale Vereinigung der Opfer des Drogenmissbrauchs (International Association of Victims of Drug Abuse, IAVDA) gegen die übliche Praxis, Entzugserscheinungen nach dem Zittern des Truthahnes als "Turkey" zu bezeichnen. Damit würden  Folgen schwerer Abhängigkeit verharmlost und das Schicksal von leidgeplagten Drogennutzern romantisiert, heißt es im Stockholmer Büro von der IAVDA. 

Menschenverachtende Praxis

Verantwortlich für diese menschenverachtende Praxis werden von vielen Betroffenen Prominente wie der englische Musiker John Lennon gemacht, der mit seinem Lied "Cold Turkey" für die weltweite Verbreitung des Klischeebildes vom zitternden Entzugsopfer gesorgt habe. In Deutschland, heißt es bei der Malchower Niederlassung von IAVDA, habe Christiane F. mit ihrem Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" dieses Bild popularisiert.

Damit soll nun Schluss sein, dafür verwendet sich auch der Weltverband der Truthahnzüchter (World Federation of Turkey Producers, WFTP), bei dessen Mitglieder*nnen schon lange Unmut darüber herrscht, dass die stolzen Zuchttiere, um die man sich so liebevoll kümmere, mit einer fragwürdigen Teildiktatur und den Folgen schweren Drogenmissbrauchs assoziiert werde. "Auch wir haben bei der Uno darum gebeten, die Verwendung dieser Bezeichnung weltweit zu untersagen", bestätigt WFTP-Sprecherin Nancy Kolohres. Bezeichungen in den jeweiligen Landessprachen - etwa Türkei und Truthahn in Deutschland, Türkiye in Ankara und Turkey in den USA - dürften aber bestehen bleiben.

Erst der Anfang

Gute Nachrichten für eine Welt im Wandel, die sich mehr und mehr zurückbesinnt auf Landessprachen, Wurzeln,  Abstammung, regionale Küche und lokale Lieferketten. tragen.  Die frühere "Turkish Airlines" heißt nun schon geraume Zeit "Türkiye Hava Yolları", folgen könnten Qatar Airways  und Emirates, die dann als الخطوط الجوية القطرية und الإمارات anzusprechen wären. Bei der Abwicklung der Fehlstellungen einer außer Rand und Band geratenen Globalisierung sind das unübersehbare Zeichen des Endes einer Ära. In der hatte selbst die EU auf das Englische als erste Amtssprache gesetzt, obwohl in der Gemeinschaft von 440 Millionen kaum sechs Millionen englische Muttersprachler leben, die zudem zumeist auf die abgelegenen Inseln Malta und Irland beschränkt sind.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

>mache Jahrtausende wechselvoller, aber am Ende doch erfolgreicher Geschichte...


Äh. Nein, und nein. lol