In einer Zeit, in der ein unsichtbarer Feind die Welt in Atem hielt, zeigte Deutschland, wie man eine Pandemie richtig meistert – mit klugen Maßnahmen, eisernem Zusammenhalt und unermüdlichem Einsatz. Von Händewaschen bis Lockdown, von Maskenpflicht bis Impfdebatten, prägte Corona eine Ära, kurz, aber für viele Menschen schrecklich und unvergesslich. Und doch: Die Epoche, in der die Gesellschaft lernte, dass auch ein unveräußerliches Grundrecht vom Staat nur bis zum Widerruf verliehen wird, ist schon fünf Jahre danach im kulturellen Gedächtnis verblasst.
Wer weniger testet, hat weniger Infektionen. Wer mehr Argumente braucht, testet mehr. Wer die Welle brechen will, der nimmt das Händewaschen ernst und tritt nicht ohne Maske in die Sommerwelle. Im Sommer vor fünf Jahren droht das Virus beinahe, den Weltfrieden ausbrechen zu lassen. Der UN-Sicherheitsrat, das globale Gremium, in dem alle großen Friedensmächte zusammensitzen, fordert in einer Resolution einen weltweiten Waffenstillstand von allen Schurkenstaaten. Eine Ausnahme solle es nur geben, wo Militär gegen Dschihadisten, Terroristen und andere Erzschufte eingesetzt werden muss.
Illegale Feiern ohne Mundschutz
Es ist einer der bemerkenswertesten Momente der "größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg", wie Angela Merkel sie nennt. Aber auch er hat in der Erinnerung nicht überlebt. Wie die Nachricht, dass sich Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro mit dem Coronavirus angesteckt hat und nach illegalen Feiern ohne Mundschutz und Sicherheitsabstand auf Mallorca die Partymeile am "Ballermann" geschlossen werden muss, ist heute das Meiste vergessen, was damals gehalten schien, das Schicksal der Menschheit dauerhaft zu bestimmen.
Corona ist den Älteren noch geläufig. Aber Remdesivir? Der Begriff "Alltagsmaske"? Die Versuche der Verfolgung von Ansteckungsketten? Die Familie aus Weimar, bei der im Juli 2020 Sars-CoV-2 nachgewiesen wird. Woraufhin 120 Menschen in Quarantäne befohlen werden?
Spuren ohne Spur
Corona hat Spuren hinterlassen in der kollektiven Erinnerung. Die Pandemie hat Freunde entzweit, sie hat Menschen das Vertrauen in Politiker geraubt und Politiker überzeugt, dass Wählerinnen und Wähler der eigentliche Feind sind, den es mit Maßnahmen, Regeln und Auflagen zu bekämpfen gilt. Stadt und Land sind in den ungezählten Wellen auseinandergedriftet, Ost und West, Links und Rechts, die gebildete Elite und die von ihr abschätzig betrachtete Masse. Der "Schwurbler" und der "Leugner" entstand und eine ganze Reihe von kurzentschlossenen, tatkräftigen und redegewandten Politikern und Wissenschaftlern begann einen rasanten Aufstieg in Sphären der Macht, die es noch ein halbes Jahr zuvor gar nicht gegeben hatte.
Und doch sind die Seiten im Geschichtsbuch, auf denen es um Corona geht, seltsam farblos und verblasst. Wäre da nicht Jens Spahn mit seinen Masken, die heute als Waffe im politischen Nahkampf verwendet werden können, brächte sich das Drama nur gelegentlich mit Versuchen in Erinnerung, mit neuen Wellen und neuen Namen wie "Stratus" und "Nimbus" anzuknüpfen an die große Angst, die zwischen 2020 und 2023 Türen öffnete in eine Verordnungsdemokratie, die, heute besteht daran kein zweifle mehr, fast vollkommen im Einklang mit der Verfassung stand. Auch wenn sie seinerzeit auf viele nicht so wirkte.
Erinnerung mit Abstand
Deutschland hat sich, das wurde später immer wieder festgelegt, hervorragend geschlagen in der Pandemie. Abstand, Händewaschen und eine Maske tragen, wenn der Abstand nicht gehalten werden kann, dazu dann und wann ein Lockdown und kurz vor dem Finale die große Impfpflichtdiskussion, hastig abgebrochen, weil es die Infektionszahlen nicht mehr hergaben. Geschichte wurde geschrieben, die EU war noch nicht einmal richtig kaputt, da hatte sie schon einen Plan für ihren eigenen Wiederaufbau. Probleme im Voranschreiten vertagen, niemand kann das besser als Brüssel.
Das eigentlich bemerkenswerte beim Blick in den Rückspiegel ist das Fehlen jedes kulturellen Abdrucks, den vergleichbare Großkrisen immer hinterlassen. Ob Ritterzeit oder die Jahre der Pest, ob Weltkriege, die Ära der Degenfechter mit ihren Strumpfhosen, Indianerfederschmücke oder Pionierhalstücher - alles, was sich als Hintergrund und Kulisse eignet, ist in Literatur, Kunst und Kino immer genutzt worden. Manchmal war die Kulisse Thema, häufiger wurden in ihr einfach die Konflikte abgehandelt, die seit den alten griechischen Dramen und William Shakespeare immer nur das Kostüm gewechselt haben.
Kulturelles Ödland
Außer bei Corona. Die Zeit mit dem "Mund-Nase-Schutz" ist kulturell ein einziges Ödland. Filme, die während der Pandemie Filme gedreht wurden, handelten absichtlich nicht von Massensterben und Weltuntergang. Die meisten waren, was sie immer sind: Der nächste "Tatort", die nächste Literaturverfilmung, die nächste ZDF-Komödie oder noch ein Superstarspektakel aus Hollywood. Corona-Filme oder auch nur Filme, die in der Corona-Zeit spielen, gibt es von wenigen, sehr wenigen Ausnahmen abgesehen nicht. Auch in der Musik ist Pandemie eine Leerstelle. Keine Band hat sie besungen, kein Komponist ihr eine Maskenoper geschrieben. Es gibt kein Theaterstück über die Osterwelle und kein Triptychon eines Malers über die Reiseverbote im Sommer 20.
Historiker, die in 100 oder 500 Jahren nach dem Zeitalter suchen, in dem aus Italien und Spanien, aber auch aus Großbritannien und den USA schreckliche Nachrichtenbilder kamen - verzweifelte Ärzte, Leichenwagenkolonnen, überfüllte Krankenhäuser, Schlangen vor Arbeitsämtern und Gräberfelder - werden in Kunst und Kultur nicht fündig werden. Keine Heldengeschichten aus Pflegeheimen. Keine Liebesfilme mit Klatschen vom Balkon. Nicht einmal ein Thriller aus dem Inneren des Bundeskrisenstabes ist bis heute entstanden, geschweige denn eine packende Serie über die Konflikte im Robert-Koch-Institut oder die Ansteckungsangst in der Ministerpräsidentenkommission.
Genau die richtige Reaktion
Dabei waren die Vorlagen einladend. Von der Bundesregierung bis in die Supermärkte waren überall Menschen, die nicht aufgaben. Politiker hatten einen Plan. Firmen wurden gerettet und viele wussten noch nicht, dass das nur vorübergehend sein würde. Die Gesellschaft stand zusammen, die Hilfspakete wurden schnell geschnürt und immer größer. Dass es in dieser Hast Fehler geben würde, war einkalkuliert. So lange aber die sie machten, die bei aller Ungewissheit hervorragend regierten, brachte jede einzelne Sekunde genau die ideal auf die jeweilige Situation zugeschnittene Reaktion.
Eine Prüfung, die triumphal bestanden wurde, glaubt man späteren Untersuchungen, die nicht stattfanden, weil kaum Zweifel angebracht waren. Kluge Politik, ein exzellentes Gesundheitssystem und ein entschlossenes Zusammenwirken aller staatlichen Institutionen retten das Land, den Zusammenhalt, die Zukunft. Eine gute Regierung vermochte das Schlimmste zu verhindern - tragischerweise aber weigern sich Kunst und Kultur beharrlich, ihre Taten und die all der anderen Alltagshelden unsterblich zu machen.
Der Sommer, der nie war
Der erste Verordnungssommer vor fünf Jahren, zwei weitere folgten, ist aus heutiger Sicht nie gewesen. Es gab kein Virus, das treffe von Frauen regierte Länder weniger traf, von Rechtspopulisten regierte hingegen besonders stark. Es fehlte nicht an Beatmungsgeräten und nicht an Intensivbetten, nur Fernsehfilmen darüber. In keinem "Tatort" wurde je demonstrativ Maske getragen wie es Vorschrift war. In keinem "Kleinen Fernsehspiel" wirkte Corona "wie ein Verstärker für gute wie schlechte Eigenschaften von Regierungen" und Schwurbler störten die öffentliche Ordnung.
Corona ist gewesen, niemand streitet das ab. Die Pandemie hat stattgefunden, hin und wieder tauchen sogar immer noch zeitgenössische Berichte aus den geheimen Archiven auf. Doch ohne dass ein Grund ersichtlich wäre, hat die Seuche es nicht geschafft, sich ins kulturelle Gehirn zu graben. Regisseure, bildende Künstler und Drehbuchschreiber ließen sich von ihr nicht zu großen Werken inspirieren, nicht einmal als Tapete für die üblichen filmischen Versuchsanordnungen scheint sie zu taugen.
Es ist vielleicht das traurigste Ende eines vermuteten Weltuntergangs, das es jemals gab. Einfach so verschwinden, unbesungen.
7 Kommentare:
>> Doch ohne dass ein Grund ersichtlich wäre, hat die Seuche es nicht geschafft, sich ins kulturelle Gehirn zu graben.
Doch, es hat genügend Künstlernde gegeben, die sich der Massentötung der Alten, Kranken, Siechen, Gebrechlichen und Lebensunfähigen verpflichtet fühlten und das Hohelied drauf sangen.
Thomas Anders z.B., oder der Niedecken.
Ab und zu sieht man auf dem TV alte Talgschaus mit ohne Publikum und tosendem Beifall aus der Konserve vorbeiflimmern.
Viele politische Karrieren wurden damals durch gemeinsame Anstrengungen gerettet. Man sollte ihnen ein Denkmal dafür bauen und einen neuen Karlspreis stiften.
@anmerkung: hatten die lieder dazu? konzeptalben? ist dann an mir vorbeigegangen
Wiewohl nicht angesprochen, auch mir ist dergleichen entgangen, aber wohl darum, weil ich mir die offiziellen Absonderungen seit Jahren vollständig vom Leibe halte. Anmerkung halte ich da für glaubwürdig.
@ppq
Es war ein Große Langspielplatte mit Endlosrille, wie n-tv dazumal mitzuteilen wußte.
"LASST! EUCH! IMPFEN! BITTE!"
Musik-Stars appellieren an Fans
Zu den Beteiligten gehören so unterschiedliche Stars wie Roland Kaiser, Sarah Connor, Howard Carpendale, Max Herre, Jan Delay, Trettmann und Peter Maffay. Außerdem dabei sind Bands wie Einstürzende Neubauten, Element of Crime, BAP, Die Toten Hosen, Beatsteaks, Tocotronic, Silbermond, Sportfreunde Stiller und Deichkind.
https://www.n-tv.de/leute/Musik-Stars-appellieren-an-Fans-article22765629.html
wir verstehen uns miss. aus meiner sicht ist ein aufruf, appell oder eine petition nüscht mit kunst. was der text meint, sind kunstwerke , gemälde zum them maske, filme zum thema islation ungeimpfter, sterben ohne familienbesuch oder einfach nur ein krimi, der in der coronazeitspielt, so dass alle schauspieler handlungsunabhängig makse tragen müssen.
@ppq
Achso, jetzt ahb ich verstanden. Wenn die aliens eines Tages kommen und die Kunsstschjätze plüdern, stehen sie vor einem Rätsel. In den Regierungsarchiven steht drin, wir wären fast untergegangen, hätte der spahn nciht diesen formidablen maskendeal eingefädelt.
In den von den Aliens geraubten Kunstwerken ist nichtmal das Fitzelchen einer Spur darüber zu finden.
Und nun sitzen die Aliens an den Flachbildschirmen ihrer Raumschiffe und grübeln, wem man trauen kann, den Politikern oder den Kunstwerken.
Weil, sie haben ja auch die vielen Gemäde zum Thema "Die Pest", was mit den Archivfunden aus der Medizin und den Sterberegistern der Kirchen in Einklang zu bringen ist.
Bei Corona fehlt das.
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