Mittwoch, 27. Juni 2007

Gülle im Geheimarchiv

Dieses Drehbuch für einen Film würde kein Studio annehmen, als Gangster waren diese echten Mafiosi vor allem grandiose Versager. Als Richard Bissell im August 1960 bei Colonel Sheffield Edwards anfragte, ob das Büro die Möglichkeit habe, bei einer "sensiblen Mission im Gangster-Stil" zu helfen, wurde nur eine kleine Gruppe von CIA-Mitarbeitern eingeweiht. Später aber nahm die Operation, deren Ziel der kubanische Staatschef Fidel Castro sein sollte, doch eher die Ausmaße einer veritablen Gangster-Klassenfahrt an, wie die von der CIA veröffentlichten offiziellen Aktenbestände aus den 60er Jahren zeigen, Je weiter das Unternehmen "Family Jewels" voranschritt, umso mehr Beteiligte gab es. Da ist der Mann, der die Giftpillen drehte, und der Kubaner, der sie Castro unters Essen mischen sollte, der mafia-Boss, der alle Eismaschinen in Las Vegas kontrolliert und gern nach Kuba expandieren möchte, ein Haufen handlanger und Offizielle mischen auch noch mit. Das Attentat klappt denn auch nicht, dafür aber machten die geheimen Akten darüber jahrzehntelang Schlagzeilen. Seit kurzem sind sie nun im Electronic Reading Room der CIA-Internetfiliale ausgestellt - neben zahllosen anderen, die ähnlich spektakulär sind, weil sie vor allem eines zeigen: Daten, die zu Akten werden, beginnen ein Eigenleben zu führen, weil ein Vorgang, der einmal angelegt ist, unter nahezu keinen Umständen mehr beendet werden kann. So führte die CIA über mehrere Jahrzehnte Untersuchungen zum so genannten "Ufo"-Phänomen durch, obwohl bereits kurz nach Beginn der Ermittlungen allen Bearbeitern klar war, dass die Ursache für das angebliche Auftauchen unbekannter Flugobjekte sich ohne außerirdischen Einfluß erklären ließ. Doch die Tatsache, dass die CIA ermittelte, führte dazu, dass die Ermittlungen selbst zum Beweis für die Realität des Ermittlungsgegenstandes wurden: Die berühmten Akten zur "Area 51", im Electronic Reading Room ebenfalls einzusehen, entstanden allein durch Mißverständnisse und falsch verstandene Memos und sie wurden fortgeführt von Männern, deren Aufgabe es nunmal war, bis zum Beweis des Gegenteils alles zu sammeln, was auf Ufos hindeutete.

Ihre eigene Hartnäckigkeit verfolgte die CIA dann aber auch hartnäckig: Auch im Falle des gescheiterten Castro-Attentats musste der Geheimdienst noch Jahrzehnte nach dem Mordversuch dicke Akten mit grenzenloser Gülle füllen und immer mehr und mehr Mitarbeiter beteiligen, um die Zahnpasta wieder in die Tube zu drücken. Der Gangsterboss, inzwischen inhaftiert, drohte alles zu verraten, deshalb mussten Journalisten überwacht, andere Behörden unter der Hand zumindest teilweise informiert und Abwiegelungstrategien ausgebrütet werden. Ein Fluch, so viel Macht.

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