Mittwoch, 22. September 2010

Steinzeitsensationen aus Holz

Knapp 7000 Jahre war das Sonnenobservatorium von Goseck alt, als es auf alten Luftaufnahmen wiederentdeckt wurde. Ein paar Spuren im Untergrund, Erdformationen, ein Kreis aus uralten Trampelspuren, das war alles, was aus der Luft zu sehen war. Vom Boden aber war da gar nichts, was einen Archäo-Tourismus hätte befeuern können, wie ihn das wirtschaftlich darbende Sachsen-Anhalt sich als Einnahmequelle erhoffte.

Immerhin ist das hölzerne Monument, das bis dahin gar nicht mehr existierte, rund 2.000 Jahre älter als Stonehenge, das die ganze Zeit über stand. Souverän abseits der Tatsachen wurde der Begriff „ältestes Observatorium der Welt“ erfunden und eine abenteuerliche Verbindung zur etwa 3000 Jahre jüngeren Himmelsscheibe von Nebra erdacht. Schon hatte die wirtschaftsschwache Region eine neue Attraktion.

Auch der Umstand, dass es Kreisgrabenanlagen wie bei Goseck zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien zu hunderten gibt, irritierte das Kultusministerium nicht. Als Teil der archäologischen Installation "Himmelswege" wurde der Versammlungs-, Handels-, Kult- und Gerichtsplatz aus der Jungsteinzeit, der sich nur als Bodenmuster erhalten hatte, umgehend aufwendig neu errichtet. Aus 1675 Eichenstämmen, geschlagen in einem vier Kilometer entfernten Wald, errichteten zehn ABM-Kräfte eines Christlichen Jugenddorfwerkes einen originalgetreuen Nachbau der ursprünglichen Kultanlage.

Der hielt allerdings zur Überraschung seiner begeisterten Schöpfernicht lange. Schon vier Jahre nach dem Bau, den seinerzeit eine Architektin hatte planen dürfen, die gleichzeitig im Vorstand des Betreibervereins sitzt, hatten Pilze die Eichenholzstämme befallen. Es sei ein kompletter Austausch der zweieinhalb Meter hohen Palisadenzäune notwendig, gestand Landrat Harri Reiche ein. Kostenpunkt der Aktion: 220.000 Euro - das kommt so günstig, weil auch die Erneuerung wieder zehn Langzeitarbeitslose abernehmen.

Diesmal sind die mit der Planung des Neubaus der Geschichte betrauten Experten zuversichlich, dass ihnen gelingen wird, was den Menschen der Jungsteinzeit glückte. Holz in Erde faule zwar immer, so dass auch die neue Konstruktion nicht ewig halten werde. Aber schätzungsweise 10 bis 15 Jahre könne sie schon stehen, ohne einzufallen. Glückt das, wird jeder einzelne der jährlich zum Holzkreis pilgernden Touristen am Ende nur zwischen 1,80 und 2,20 Euro gekostet haben. Und der jeweils nach zehn bis 15 Jahren fällige Neubau der Anlage wird den Landkreis in den nächsten 5000 Jahren auch nur zwischen bei 110 und 220 Millionen Euro kosten.

Ab Januar soll die Geschichtssensation zumindest wieder komplett sein.

2 Kommentare:

nwr hat gesagt…

Damals war Holzzubereitung eine Heidenarbeit, und man hat sich wohlüberlegt, welches Holz man wann schlägt und wie es möglichst lange haltbar zu machen wäre.

Heute fährt man, sobald man 10 Arbeitslose hat, mit dem Trekker in den Forst, haut sich eine Bresche, raspelt die Stämme und kloppt sie in den LPG-Acker.

Und wundert sich, wenn das Holz 5 Jahre später wegfault.

Willi Schwabe hat gesagt…

Ja, man stelle sich mal vor in 7000 Jahren finden Menschen die kläglichen Überreste dieses Nachbaus. Die werden schwer ins Grübeln kommen, was das sollte. ABM-Maßnahme? Darauf kommen die nie.