Samstag, 26. September 2020

Ohne Verbot tot: Wie die NPD am mangelnden Kampf gegen sie leidet




Es war ein Haus, bestehend schon lange nur noch aus Putz, das die deutschen Medien beschäftigte wie kaum ein anderes. Zuerst elektrisiert von der Aussicht, die rechtsradikale Partei NPD könne verboten werden, später dann, sie könne mit ihrem Versuch scheitern, dieses Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht zu kippen, verlor die Berichterstattung über die Kleinst-Partei jedes Maß. Die NPD, ein verlorener Haufen von kaum noch 5.000 Mitgliedern, die bei Wahlen stabil in Bereichen hinter dem Komma abschnitt, erschien angesichts der Festmeter Papier, auf denen zum Kampf aufgerufen wurde, wie ein Gigant, der tatsächlich die Grundfesten der Demokratie bedrohte.

Aus für den Kampf


Als das Bundesverfassungsgericht schließlich verkündete, die NPD sei zwar „ideologisch eindeutig verfassungswidrig“, aber politisch einfach viel zu unbedeutend, als dass sie aus Gründen des Staatsschutzes verboten werden könne, endete eine goldene Ära für eine ganze Branche. In den beiden Verbotsverfahren - eines zwischen 2001 und 2003, das zweite schließlich beginnend 2013 und beendet 2017 - hatten sich zahllose Politiker, Juristen und Journalisten von den kläglichen Resten der braunen Truppe genährt, die von ehemals 1,4 Millionen Wählern gerade noch 650.000 zu mobilisieren vermochte und bei der Mitgliederzahl knapp hinter Blau-Weiss Buchholz, dem Landesverband NRW der Piratenpartei und dem Alpenverein Friedrichshafen lag.

Fördermittel waren geflossen und hektoliterweise Tinte, wundgeschriebene Finger zeugten von Opfermut und Tapferkeit selbsternannter Aktivisten, die nie abgelassen hatten, die scheintote Partei, deren einziger Daseinszweck es geworden war, den Staat durch das Scheitern des Verbotsverfahrens vorführen zu wollen, durch ihre Bemühungen  bei Trotz und damit am Leben zu erhalten.

Einer von 12.000 erwachsenen Deutschen war wirklich NPD-Mitglied - anders gesagt: In einem ausverkauften Bundesligastadion befinden sich durchschnittlich etwa drei Nazis mit Mitgliedsbuch, die auf rund 100 Wähler im weiten Rund zählen können. Eine Gefahr für die Demokratie? Zahlen, die ein nahendes 4. oder 5. Reich ankündigen? Die NPD war ebenso bedeutungslos für die reale Politik im Lande wie ihr als Symbol unglaubliche Bedeutung zukam.

Unsichtbare Gefahr


Das Unsichtbare, Unheimliche, das deutsche Politiker und deutsche Journalisten ihren Landsleuten zutrauen - im Grunde in jedem einzelnen Moment ihres Lebens unverhofft in eine menschenvernichtende Hitlerei zurückzufallen - es fand in der NPD ihr gespenstisches öffentliches Bild: Die zerstrittene Truppe, der von den Verfassungsrichtern später die "nicht gegebene Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs der Partei bei der Durchsetzung ihrer Ziele" bescheinigt wurde, die über Jahre hinweg jeder Beobachter hatte selbst sehe können, war der rechte Popanz, der als Sandsack im öffentlichen Raum hing, damit der "Kampf gegen rechts" (Angele Merkel) einen sichtbaren Gegner habe.

Es gehört zu den ironischen Details der deutschen Geschichte, dass es damit vorbei ist, seit die NPD nicht verboten werden durfte. Kaum war das Verbotsverfahren gescheitert, das allein die öffentliche Aufmerksamkeit immer wieder auf die dröge Versammlung von nationalistischen Clowns und nachgewachsenem Dorfpöbel gelenkt hatte, verschwanden die traditionellen Sorgen und Warnungen vor einem "Erstarken" (dpa) der von 98,5 Prozent der Wählern seit 40 Jahren beharrlich ignorierten Truppe wie von Zauberhand.

Ein Wunder, das zur Dauerinstitution geworden ist. Nur ganz gelegentlich taucht die nicht verbotene Partei noch auf, wenn sie versucht, auf dem Klageweg mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wie sie ihr über Jahrzehnte durch die verschiedenen Verbotsverfahren anstrengungslos zugefallen war. Davon abgesehen aber sind es allenfalls bemühte Verweise auf eine weit entfernte Vergangenheit, mit deren Hilfe wenigstens der Name der mit dem Ende des Verbotsverfahrens völlig aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwundenen Rechtssekte noch wie im Verglühen aufblitzt.

Die Kämpfer gegen rechts sind weitergezogen, sie haben sich neu organisiert wie der frühere Gründer und Betreiber des "NPD-Watchblogs publikative.org" (Eigenbezeichnung) Patrick Gensing, der heute bei der ARD als Bundesfaktenchecker das ganz große rechtspopulistische Rad dreht. Die NPD aber ist irgendwo noch da, aber irgendwo auch immer noch nicht vorhanden. Die Verbotsidee jedoch lebt weiter, jetzt soll es die AfD treffen, die wenigstens derzeit noch ausreichend Bedeutung hätte.

Nach Lage der Akten würde ein Verbotsverfahren etwa im Jahre 2037 zum Abschluss kommen.

1 Kommentar:

Volker hat gesagt…

"nationalistischen Clowns und nachgewachsenem Dorfpöbel"

Ist das nötig, die Mitarbeiter des Amts für Verfassungsschutz so herabzusetzen?