Samstag, 28. November 2020

Im Museum der Sprache von gestern: Faszinosum verbale Gewalt

Als Expertin für Rassismus- und Machtkritik ist die Inklusionstrainerin Elisabeth Schmeling dabei, verbindliche Leitplanken für die deutsche Debattenkultur zu entwerfen.

Elisabeth Schmeling wurde geboren und aufgezogen in der DDR, sie ist dem Augenschein nach eine Weiße deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und transkulturelle Trainerin für Intersektionalität, Diversität-Inklusion, Rassismus- und Machtkritik sowie für kritische Weißseinsreflexion in Wissenschaft, Gesellschaft, Kultur, Kunst, Sport und Politik.  

Im Gespräch  mit PPQ.li hat Elisabeth Schmeling jetzt ein weiteres Mal verdeutlicht, dass es auch nach dem Ende von Fridays for Future, Black Lives Matter und Klassikern wie Attac mehr Demut im öffentlichen Diskurs brauche. Die große Seuche habe gezeigt, dass  jede Perspektive immer nur die eigene sei, so dass etwa Donald Trump zwar als Heimsuchung wahrgenommen, sein Nachfolger Joe Biden aber als Erlöser abgelehnt werden könne. Als alter weißer Mann genieße der greisenhafte Hoffnungsträger bereits jetzt keineswegs das Vertrauen der ARD-Redaktion "Monitor". "Und ich halte das für eine klare, aber notwendige Entscheidung", so Schmeling bei einem Besuch im Museum der Sprache von gestern.

PPQ.li: Warum soll sich angesichts der zum Teil abrupten Veränderungen in der Welt aus ihrer Sicht möglichst jeder Mensch zu bestimmten Phänomenen deutlich positionieren und bekennen?

Schmeling: Das ist aus meiner Sicht Voraussetzung für eine gute Debattenkultur und für zielführendes politisches Handeln. Wer nicht öffentlich deutlich macht, auf welcher Seite er steht, den kann das gegenüber kaum einschätzen. Damit ist jede Art von Information verloren, denn sie bleibt uneinordenbar für den Empfänger. Hier braucht es verbindliche Regeln und klare Leitplanken, gerade in der Pandemie. Der Bundestag darf nicht mehr nur Zaungast der Debatten sein, er muss verbindliche Leitplanken für die Diskussion beschließen.

PPQ.li: Engt das aber nicht den Gedankenraum ein?

Schmeling: Diese Gefahr mag womöglich bestehen, aber um Ungewissheiten darüber zu beseitigen, was noch sagbar ist und was nicht ausgesprochen werden darf, ist es im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Klarstellung unumgänglich, dass sich die Bevölkerungsvertretung hier positioniert. In anderen Bereichen besteht doch auch Konsens darüber, was nicht ausgesprochen werden soll. Es kann nicht sein, dass die Abschaffung einer ja ehemals richtungsweisenden und das Regierungshandeln bestimmenden Vokabel wie ,alternativlos' im stillen Kämmerlein beschlossen wird, so dass öffentlich nicht einmal eine angemessene Beisetzung stattfindet.

PPQ.li: Ihr Anliegen ist es, von den Stereotypen her Sprache zu dekolonisieren, weil in rassistischen Wörtern  sehr viel Gewalt stecke, wie sie sagen. Was meinen Sie damit?

Schmeling: Nehmen Sie nur den Kampf gegen Corona oder den Kampf ums Weiße Haus oder den um den CDU-Vorsitz. Die kriegerische Vokabel verrät da schon viel. Wie finden wir zu einer gerechten und pluralistischen Debattenkultur, in der jede und jeder sprechen darf und auch gehört wird, wenn solche Kampfbegriffe verwendet werden? Darauf entspringt doch der Hass, darin verliert sich der Respekt

PPQ.li:  Sie bedauern, dass leise Stimmen in der Auseinandersetzung kaum noch zu hören sind...

Schmeling: Natürlich gibt es in der deutschen Öffentlichkeit durchaus noch eine Pluralität an Stimmen, aber es gibt keine unterschiedlichen Lautstärken mehr. Wer gehört werden will, der muss schreien, die Nachdenklichkeit etwa eine Willy Brandt, der so von unten kam  mit der Stimme und ganz langsam sprach, die ist weg. 

PPQ.li: Vielleicht fehlen uns einfach Orte, an denen diese verschiedenen Stimmen, Laustärken und Perspektiven zusammengeführt werden können? Seit sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Kriminalfilme, Sport und Schlager konzentriert, ist dort ja kein Platz mehr, um jenseits des 27-Sekunden-Einspielers um die Gunst des Publikums zu buhlen?

Schmeling: Dort müssten wir eigentlich öffentlich miteinander denken, das ist richtig. Aber obwohl das so wichtig wäre, gibt es keine Perspektivvielfalt als Notwendigkeit, um die Herausforderungen und Probleme unserer Gesellschaft zu erkennen und zu lösen.

PPQ.li: Das grenzt die Lösungsvielfalt ein, sagen Sie?

Schmeling: Meine Utopie ist eine Sprache, die sich für Minderheiten öffnet, die ein Zuhause für alle bietet und auch denen im öffentlichen Diskurs viel Raum und Aufmerksamkeit gewährt, die nicht mit einem Absolutheitsanspruch durch die Welt gehen, also mit dem Irrglauben, ihre Perspektive sei die einzig richtige und sie wüssten genau, wo es langgeht. Mein Ideal ist der Grübler, der noch nachdenkt, und die verbale Gewalt ablehnt, die in medialen Fantasien durchschimmert.

PPQ.li: Der ist aber heutzutage nicht gefragt, weil der Bürger und die Bürgerin als passive Gesprächsteilnehmer Führung., Leitung an Anweisung haben möchte, gerade in Corona-Zeiten.

Schmeling: Es ist in der Tat eine ausgewiesene Schwäche der demokratischen Gesellschaften, dass es ihnen an Demokraten mangelt. Wer auf Anweisungen wartet und nach Verboten verlangt, um sein eigenes Leben zu organisieren, ist nicht recht geeignet, eine Kultur des öffentlichen Zweifelns zu teilen. Aber andererseits ist jemand, der öffentlich zweifelt, auch nicht gut zu führen und zu leiten. Das ist ein unlösbarer Widerspruch, auch aus wissenschaftlicher Sicht .Die Militarisierung der Sprache ist ein mediales Phänomen der verbalen Aufrüstung, die zu einer Verhärtung in den äußeren Hirnrindenschichten führt.

PPQ.li: Was würden Sie sich wünschen?

Schmeling: Mehr Bereitschaft, die eigenen Ansichten zu hinterfragen und anderen zuzuhören und die eigene Perspektive zu ändern. Andersdenkende abzurteilen, nur weil sie Fragen stellen oder Zweifel hegen, dass von oben immer durchweg die richtigen Maßgaben kommen. Ich bin der Meinung, dass  Personen des öffentlichen Lebens nicht allein durch ihre öffentliche Präsenz unfehlbar sind, auch wenn sie auf das jeweilige Ego zweifelsohne sufflatae wirkt, wie wir in der Medienwissenschaft sagen, also "aufblasend". Wir brauchen einen allgemeinen Wert der Demut gegenüber dem, was wir nicht wissen, weil es etwa die Zukunft betrifft, die nur begrenzt steuerbar ist. Hier hat die Politik eine Bringepflicht, sie muss mit am Eingeständnis arbeiten, dass eben nicht leichter regulierbar ist, was weiter in der Zukunft liegt, auch wenn fernere Versprechen weniger Enttäuschungspotenzial haben.

Elisabeth Schmelings Wirkungssschwerpunkte liegen in den Verschränkungen von Diaspora, Beitrittsängsten und Translokalität, bei der Performativität von Anpassungskultur (Spatiality and Coloniality of Memories, Postkoloniales Erinnern) sowie in postkommunistischen Erziehungstraumata, Feminist Future Studies und Critical Race sowie Whiteness Studies. Zuletzt erforschte sie die akuten Hinweise auf subkutanen Rassismus im RGB-Code, der bislang im Internet genutzt wird. 

Als Mitfrau* bei der losen Facebook-Gruppe Frauen* bei Facebook engagiert sich Schmeling als Gutachterer für das An-Institut für Angewandte Entropie bzw. dessen wissenschaftliche Fachgruppe Diversifying Regression. 2018 führte Schmeling mit der wissenschaftlichen Fachgruppe "Diverse Things" einen internationalen konsultativen Workshop zum Thema "Stammbaumforschung im Bundestag" zum Erfolg, als sie nachweisen konnte, wie großen Wert das Hohe Haus in seiner Außendarstellung auf Herkunft, Wurzeln und Abstammung legt.


1 Kommentar:

Arminius hat gesagt…

Aber mit dem Hintern wackeln tut sie doch ...