Samstag, 2. Dezember 2023

COP 28: Kaselebers Endspiel um acht Milliarden Menschenleben

Der Klimafinanzexperte Hans Gerland Kaseleber ist als Teil der deutschen Delegation zur COP 28 nach Dubai gereist, um die Welt zu retten.

Die Stimmung daheim, sie hat ihm ein bisschen die Vorfreude verdorben. Hans Gerland Kaseleber schaut beim Fototermin mit PPQ betrübt in die Kamera. "Ja", sagt er, noch vor wenigen Wochen habe er geglaubt, dass die Menschen im Land dankbar sein würden, wenn es endlich weitergehe mit dem, was er  "das Klimathema" nennt. COP 28 in Dubai, die Weltklimakonferenz, diesmal größer, prächtiger, wichtiger und entscheidender für das Schicksal der Welt als jemals zuvor.  

"Wir hier in der Abteilung", erläutert Kaseleber seine Binnensicht, die er selbstkritisch für "vielleicht schon ein wenig zentriert" erklärt, "waren fest überzeugt, dass aufgrund der breiten Berichterstattung über die Notwendigkeit der großen Transformation alle sagen werden, ein Glück, dass es Deutschland trotz der angespannten Haushaltslage und der Kriegssituation wieder schafft, eine schlagkräftige Delegation zu entsenden."

Ein waschechter XXL-Gipfel

70.000 Klimaexperten, CO2-Spezialisten, Umweltfachleute und Industrieumbauingenieure reisen diesmal an, mehr als 120 Boeing 777, die in das absolutistisch regierte Scheichtum schweben, alle im Bestreben, das Schicksal der Welt, der Völker und der Menschheit doch noch zum Guten zu wenden. Hans Gerland Kaseleber ist Teil der deutschen Delegation, die 250 Mitglieder zählt und daheim von einschlägigen Adressen als "XXL-Kommission" verleumdet wird. Kaseleber, als ausgebildeter Klimafinanzexperte eigentlich angestellt beim Climate Watch Institut (CWI) im sächsischen Grimma, kann die Skepsis nicht verstehen. "Insgesamt sind nur neun Ressorts der Regierung vertreten", stellt er klar, "da wird es schwer, die Welt von der deutschen Position zu überzeugen."

Die ist ungeachtet der momentanten Haushaltsturbulenzen unabdingbar. "In Dubai geht es wie immer um den Kern des größten Menschheitsproblems, nämlich die künftige Rolle von Öl und Gas", sagt Hans Gerland Kaseleber. Der studierte Geldgeber ist sicher: Nur wenn dort eine Reduktion von deren Emissionen verbindlich vereinbart wird, lässt sich die Erderhitzung noch begrenzen. "Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren wird es sonst in unseren Breiten nicht mehr geben", denn ohne ausreichende Finanzierung des Klimaschutz drohen "uns mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent künftig mehr Westwindlagen, die regenreiche und noch mildere Winter zur Folge haben".

Endspiel um acht Milliarden Leben

Eine Katastrophe, die Kasebeler und seine Mitarbeitenden um jeden Preis verhindern wollen. Beim erneuten "Endspiel" (SZ) um die Zukunft von acht Milliarden Menschen trete man allerdings mit einer Mannschaft aus nur 60 Experten des Auswärtigen Amtes, 40 Leuten des Kanzleramts, 47 Vertretern des Wirtschaftsministerium und einer Handvoll Teilnehmer aus Finanzministerium, Gesundheitsministerium, Landwirtschaftsressort, dem Verkehrsministerium und den Ministerien für Forschung und Entwicklungszusammenarbeit an - gegen eine numerische Übermacht von Öl- und Blutprinzen, Klimaleugnern, Skeptikern, Regenwaldfeinden und Erderhitzern. 

"Natürlich bekommen wir Verstärkung durch die zirka 7.000 Mitglieder Allianz der 425 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Beobachtergruppen, die darauf achten wollen, dass nicht hinter den Kulissen falsche Weichenstellungen vorgenommen werden", beschreibt Hans Gerland Kaseleber seine Hoffnung, doch nicht auf ganz verlorenem Posten kämpfen zu müssen. Dazu kämen noch zahlreiche Aktivisten, die etwa von Gemeinsinnsendern als Berichterstatter entsandt würden. "Aber das hilft vor allem an der Heimatfront, unser Anliegen zu vermitteln, hier vor Ort kämpfen wir eindeutig gegen eine Übermacht."

Vergessener Triumph von Paris

Acht Jahre nach dem triumphalen Erfolg der Weltgemeinschaft, der es 2015 gelang, das historische Pariser Abkommen zu schließen, das rund 200 Staaten im Kampf gegen die Erderwärmung vereinte, ist die Bilanz kläglich. Kaum ein Land hat seine Ziele erreicht, die meisten haben nicht einmal begonnen, sie erreichen zu wollen. 

Das damals beschlossene, beeidete und besiegelte 1,5 Grad-Ziel, anfangs die heilige Kuh, deren Wohlergehen von nun an alle Bemühungen gelten sollten, ist in weite Ferne gerückt, weil Deutschland als Vorbild und Beispielgeber ausfiel, wie Kaseleber beklagt. "Der Ausstieg aus der Kernkraft hat sicher viele Leben gerettet, aber eben auch zur Renaissance der Kohle geführt." Auch das Umkippen der Ampel beim Heizungsgesetz habe weltweit viele Klimaschützer entsetzt. "Das hätte ein Schnittmuster für das Handeln auch auf anderen Kontinenten sein können, aber nun sagen mit viele Gesprächspartner, wenn ihr das nicht durchgedrückt bekommt, wie sollen wir das schaffen?"

Alle schauen auf Deutschland

Deutschland gelte ja weltweit als ganz besonders klimasensitiv, opferbereit und obrigkeitsgläubig. "Deshalb schauen alle zuerst auf uns", ist Kaseleber sicher. Wenn es nun in Dubai zur ersten globalen Bestandsaufnahme der nationalen Klimaschutzbeiträge kommt, dann werde er immer wieder darauf angesprochen, dass es bei allen Entbehrungen, zusätzlichen Kosten und dem Verzicht auf wirtschaftliche Stärke nicht gelungen sei, den CO2-Ausstoß auch nur annähernd in einem Maße zu reduzieren, das ein Erreichen des Ziels von 2030 ermögliche. "Wenn man auf die Zahlen schaut, hatten wir uns vor acht Jahren eine Halbierung vorgenommen - und nun haben wir noch sieben Jahre Zeit, sie zu erreichen."

Als "Finanzmensch", wie sich der 68-jährige Kaseleber selbst nennt, weiß der gebürtige Kieler, das es vor allem Geld brauchen wird, um den Trend noch zu brechen. Kaseleber, der ursprünglich als Aufbauhelfer für ein gesellschaftliches Klimagewissen nach Sachsen gekommen war, rechnet ganz einfach: Mit den derzeitigen Zahlen steuere die Welt auf fast drei Grad Erhitzung zu - mit verheerenden Folgen, wie die Klimawissenschaft warne. Nicht nur Schnee werde fehlen, es werde in Berlin als einer der am heftigsten betroffenen Städte auch so warm werden wie in Barcelona. "Ob dann noch Leben möglich ist, wissen wir nicht."

Es helfen nur Billionen

Die Alternative sei, Billionen Euro in die Hand zu nehmen, um den bisher zögerlichen Partnern in aller Welt den Ausstieg aus der Klimakatastrophe schmackhaft zu machen. "Wenn wir eine Chance haben wollen, die Klimakrise zu bewältigen, müssen wir auf der COP zeigen, dass eine Welt frei vom umweltschädlichen Einfluss der fossilen Brennstoffindustrie möglich ist."

Beim letzten Gipfel in Sharm el-Sheik war der Versuch misslungen, Gastgeber Ägypten stellte sich genau als dass Land heraus, das es ist: Statt wie Deutschland wenigstens ein Klimaziel zu beschließen, beharrt die dortige Regierung bis heute darauf, angesichts eines ägyptischen Anteils von knapp 0,7 Prozent am weltweiten CO₂-Ausstoß keine Veranlassung zu haben, "die Treibhausgasemissionen des Landes in wohlstandsgefährdender Weise zu reduzieren."

Hans Gerland Kaseleber sieht sich in der Pflicht, das Schlimmste zu verhindern. "Wir werden bestimmt auftreten und hart verhandeln", kündigt er an.  Halbherzige Zielvorgaben, knieweiches Einknicken vor den fossilen Klimavernichtern und eine Abkehr oder gar Verzögerung des weltweiten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas werde Deutschland als führende Signalmacht im Klimabereich nicht dulden. "Ich bin deshalb heilfroh, dass unsere Ministerin schon vor Konferenzbeginn entschieden mehr Tempo gefordert hat."


6 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

off-Topic: https://www.welt.de/vermischtes/prominente/article248798804/DDR-Fernsehen-Pittiplatsch-Erfinderin-Inge-Trisch-ist-tot.html

Ich hoffe auf einen angemessenen Nachruf.

Anonym hat gesagt…

Immer wenn Klimakonferenz ist kriegen wir einen Kälteeinbruch. Wie machen die das?

ppq hat gesagt…

die PPQ-faktenfinder sind dran. stay tuned! es hat mit den strompreisen zu tun, selbstverständlich mit den deutschen

Anonym hat gesagt…

Als ich nach dem Link zu Inge Trisch gescht geschaut habe:
(((DIE WELT)))
Ein 33-jähriger Mann hat in Prenzlau einen Notarzt im Rettungseinsatz bewusstlos geschlagen und schwer verletzt. Der Täter habe sich am Freitagabend in einem psychischen Ausnahmezustand befunden, berichtete die Polizei.
-------------------------------------------

Der Herr Einmann hat wieder zugeschlagen. Wollen wir hoffen, dass der Kollege SPFDCDUSED-Wähler oder gar mit Glied war, dann würde sich der Schaden im Rahmen halten.

Anonym hat gesagt…

Ein 33-jähriger Mann hat in Prenzlau einen Notarzt im Rettungseinsatz bewusstlos geschlagen ...

Wäre mir vor zwanzig Jahren kein unlösbares Problem gewesen. Powerlifting auf Bundesliga Niveau und Wing Tsun Kuen (die Faust des schönen Frühlings). Der Herr Einmann wäre kalt oder hätte eine Le Fort Fraktur III°.
Aber wie es so geht, das Alter bricht den Frieden, den der Ger ihm gab.
(The memories of an old man / are the deeds of a man in his prime ...)

Demigod in White retired

Anonym hat gesagt…

Kleine grammatisch poetische Ausrutscher.
Euer Gnaden wissen eh'.

Demigod in white retired