Montag, 3. Mai 2010

Wir sind Wolfgang

Er ist mutig aufgestanden, als die DDR-Diktatur zu wanken begann. Als die Politikverdrossenheit immer mehr zunahm, stellte sich Wolfgang Thierse zur Wahl für den Bundestag, als der Vollbart nach dem Beginn des Afghanistanfeldzuges aus der Mode kam, hielt er charaterfest an ihm fest. Jetzt hat sich der Bundestagvizepräsident mutig einer an einer Sitzblockade gegen die Wiedererrichtung eines dritten oder gar vierten Reiches durch ewiggestrige Neonazis entgegengestellt, indem er sich auf eine Berliner Straße setzte, ohne sich selbst zu schonen.

Das neue dritte Reich konnte damit gerade noch einmal verhindert werden. Doch Thierse zahlte einen bitteren Preis: Die Polizei griff rüde gegen den greisen Politiker durch, sie führte ihn nach viertelstündigem hartnäckigem Sitzen auf dem noch winterkalten blanken Boden beiseite. Dennoch fiel die Staatsanwaltschaft dem Bürgerrechtler mit der Mitteilung in den Rücken, sie prüfe den Anfangsverdacht eines etwaigen strafbaren Verhaltens des Straßenkämpfers, den Helmut Kohl einst als "schlimmsten Präsidenten seit Hermann Göring" gelobt hatte, wofür sich Thierse mit dem Satz „Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal“ revanchierte.

Nun steht der Bundestags-Vize im Verdacht, ein Rechtsbrecher im Dienst des Rechts zu sein. Sollte er sich bestätigen, würden weitere Schritte eingeleitet: Die Immunität Thierses müsste aufgehoben werden, dann hätte der unbeugsame Berliner einen Prozess zu fürchten. Ein Szenario, das sofort angebliche Parteifreunde auf den Plan ruft. Eine stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, die im Hebrst 1989 nicht durch Mut und späte Mitgliedschaft im Neuen Forum aufgefallene Anja Hertel, zeigte sich demonstrativ empört. „Das war würdelos“, behauptete sie. Der Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages müsse sich an Recht und Gesetz halten, findet auch Thierses Genosse, der Berliner Innensenator Ehrhart Körting. Bundestagsabgeordnete stünden nicht über dem Grundgesetz“, die Polizei auch nicht, deshalb habe sie auch gegen den Willen des Parlamentariers das Demonstrationsrecht durchsetzen müssen.

Wolfgang Thierse, einst Mitverfasser des derzeit nicht lieferbaren „Historischen Wörterbuchs ästhetischer Grundbegriffe" und des Bestseller "Huren, Helden, Heilige. Biblische Porträts aus prominenter Feder", versteht das. „Die Beamten erfüllen ihre polizeiliche und wir tun unsere staatsbürgerliche Pflicht“, stellte der Politiker ein für allemal klar, wie der "Anstand der Aufständigen" (Karleduardskanal)auszusehen hat. Wo Recht zu Unrecht wird und Antidemokraten demokratische Grundrechte nutzen dürften, als seien die für jeden da, wird Widerstand zu Pflicht und Wolfgang Thierse wieder zum vollbärtigen Vorbild: Alle auf die Straße! Rot ist der Mai! Und wir sind Wolfgang!

3 Kommentare:

VolkerStramm hat gesagt…

Erinnert sich jemand?
Jahrelang hat uns das linke Dreckspack erzählt, die müssten mutig gegen Rechte Gewalt kämpfen und natürlich die NPD verbieten.
Da nun auch nach jahrzehntelanger Suche die sagenumwobene Rechte Gewalt nicht gefunden werden konnte (die von Knallcharge Fromm alljährlich veröffentlichten Schwachsinns-Zahlen glaubt der ja nicht mal selbst), erfahren wir nun worin die Verfassungsfeindlichkeit von NPD & Co. besteht:
Die wollen zur behördlich genehmigten Zeit am behördlich genehmigten Ort friedlich demonstrieren.

Ich freu mich jedenfalls, wenn Verfassungsfeind Thierse wieder mal beantragt, die NPD wegen friedlichen Demonstrierens verbieten zu lassen.

nwr hat gesagt…

"Nun steht der Bundestags-Vize im Verdacht, ein Rechtsbrecher im Dienst des Rechts zu sein."

Wohl eher doch im Dienst des Links bzw. Unrechts, oder?

Muezzin Thierse hat in etwa soviel Mut und Zivilcourage gezeigt, wie ein SA-Mann, der 1938 die Schaufensterscheibe eines jüdischen Geschäftes eingeworfen hat.

ppq hat gesagt…

erzählt? es ist gekämpt worden und das völlig zu rechts!