Samstag, 20. Oktober 2012

Ratlos am und auf dem Rasen

Das erste Stürmertor für den halleschen FC hat er gemacht, der neuerdings mit Hartmann-Kampffrisur auflaufende Michael Preuß. Und dann hat er das Spiel verloren. 28 Jahre alt ist der Blondschopf, der vor der vergangenen Saison aus Halberstadt kam. Preuß war auf Tore abonniert, nach seinen ersten Spielen in Halle wurde er als Entdeckung gefeiert.

Jetzt aber Preuß wohl sein Kündigungsschreiben abgegeben. Das Tor, das er in der ersten Hälfte beim Stand von 0:1 für die Stuttgarter Reserve geschossen hat, wurde wegen einer Abseitsstellung nicht gegeben. Und als er dann in der 2. Hälfte allein auf drei Gegenspieler geht und abgedrängt wird, frustet ihn das so, dass er den Stuttgarter Torschützen Antonio Rüdiger an der gegnerischen Eckfahne von den Beinen und sich die gelb-rote Karte holt.

Ein Zusammentreffen von Ereignissen, das beispielhaft steht für die Verfassung der Überraschungsmannschaft der ersten paar Spieltage in der 3. Liga. Was am Anfang der Saison klappte, obwohl die Stürmer nicht trafen, funktioniert nun nicht einmal mehr, wenn einer trifft.

denn eine Premiere ist in diesem Spiel gegen Stuttgarter immerhin zu feiern: In der 42. Minute gleicht Linksaußen Dennis Mast, bis dahin einer der besten Hallenser, durch eine von einem Stuttgarter Abwehrspieler abgefälschten Flanke zum 1:1 aus. Es ist das erste Stürmertor der Rot-Weißen in der Saison. Am 14. Spieltag.

Acht Spiele hat Halle nicht mehr gewonnen, der Unterschied zu den ersten Spielen dieser Serie aber ist erschreckend. War es zu Beginn der Sturm, der nicht traf, was es jeder Mannschaft schwer macht, zu gewinnen, ist es inzwischen die Abwehr, die es nicht mehr schafft, die fehlende Durchschlagskraft vorn durch besonders dicken Beton hinten zu kompensieren.

Bei strahlendem Sonnenschein wird es im ehemaligen Kurt-Wabbel-Stadion aber auch heute nicht besser. Stuttgart, vor dem Spiel einen Punkt besser als Halle, aber mit 13:16 Toren in derselben Liga spielend wie die Gastgeber mit ihren 10:14 Toren, drückt vom Start weg und landet durch einen Fernschuss von Rüdiger schon nach dreieinhalb Minuten die Führung. Als die Gäste danach sofort auf Zeitspiel umschalten, kämpfen sich die Hallenser ins Spiel zurück. Preuß hat eine Kopfballchance, dann schießt er sein Abseitstor, auch Lindenhahn tankt sich einmal beinahe durch und nur Sekunden nach dem verdienten 1:1 hat Maik Wagefeld Pech, als ein Freistoß nur ans Lattenkreuz knallt.

Stuttgart bedeutet zu diesem Zeitpunkt mit Gesten und Aktionen, dass die Schwaben durchaus mit einem Remis zufrieden wären. Nicht so Halle. Statt den Teilerfolg zu sichern, versuchen die Gastgeber, die schwarzgekleideten Gäste zu dominieren. Bis zur 52. Minute mit Erfolg - vom VfB kommt nach vorn kaum noch etwas, Halle dagegen tastet sich langsam Richtung Strafraum, ohne allerdings wirkliche Chancen herauszuspielen.

Dann kommt Michael Preuß' zweiter großer Moment im Spiel. Und sein letzter. In Unterzahl gelingt es dem HFC zwar weiterhin, spielbestimmend zu bleiben. Doch die Konter der Stuttgarter sind jedes Mal so gefährlich, dass nur Glück und Foulspiel die erneute Führung der Schwarzen verhindern.

Zehn Minuten nach Preuß' Abgang passiert es dann. Eben hat Halles Torwart Darko Horvat einen Freistoß von der Straftraumgrenze noch überstanden, obwohl er sich nur eine Mauer als den Zwergen Sautner und Kanitz gebaut hatte. Im zweiten Anlauf aber gelingt das nicht: Rüdiger läuft an und zirkelt eine Bogenlampe ohne Brimborium in die Mauerecke.

Wenn eine Mannschaft in 13 Spielen nur elfmal getroffen hat, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie im 14. zweimal trifft, bei unter 50 Prozent. HFC-Trainer Sven Köhler reagiert denn auch erstmal nicht auf den erneuten Rückstand. Sichtlich ratlos marschiert der Erfolgstrainer, der den HFC einst in der Oberliga Nordost übernommen hatte, vor seiner Bank umher. Der Zeitpunkt, zu dem er in besseren Zeiten immer begonnen hat, mindestens zwei Spieler zu wechseln, streicht vorüber.

Das ist das für die Zuschauer, die es mitbekommen, das Schlimmste. Während der Ultra-Teil sich gerade dem Problem widmet, dass der unterklassige städtische Verein aus Ammendorf sein Landespokalspiel gegen den HFC im HFC-Stadion austragen wird, diskutiert der Rest die Tatsache, dass Köhler nur noch einmal wechselt: Stürmer Hauk kommt für Abwehraußen Kanitz. Die vor der Saison für wichtig gehaltenen Telmo Texeira, Andis Shala, Phillip Zeiger und Anton Müller aber scheint Köhler inzwischen auch frisch für schlechter zu halten als die Spieler, die auf dem Platz stehen.

Ohne Bank aber ist ein Spiel gegen die technisch besseren und immer wieder auch antrittsschnelleren Schwaben nicht noch einmal auszugleichen. Zwar haben Hartmann und Wagefeld zwei riesige Chancen und auch Lindenhahn hätte eine haben können, würde er in der 74. Minute weiterlaufen, statt freistehend von außen dorthin zu flanken, wo kein Mitspieler steht. Doch Stuttgart hat nun das Glück, dass die Hallenser seit Ende August verzweifelt suchen. Nachdem der HFC auf Dreierabwehrkette umgestellt hat, düpiert Janzer zwei Gegenspieler und trifft zum 1:3. Zehn Minuten später landet ein Abpraller, der auf der anderen Seite wahrscheinlich übers Stadiondach geflogen wäre, hinter Horvat im Netz.



Sven Köhler schaut es nun schon völlig reglos an. Der Cheftrainer hat sich hingesetzt und den Kopf in die Hand gestützt. Der letzte Sieg seiner Männer datiert vom 26. August, der letzte Punktgewinn von 25. September. Auf der Bank sitzt niemand, dem er zutraut, daran etwas zu ändern. Aber auch auf der Bank ist dank abgesprungener Sponsoren nichts mehr, um neue Leute zu holen. So ratlos seine Mannschaft auf dem Rasen wirkt, so ratlos sieht ihr Chef in den Minuten nach dem 1:4 in seinem Unterstand aus.

Die Fans verabschieden ihre geschlagene Mannschaft samt all der Spieler, die nicht gespielt haben, noch einmal mit Applaus. Wenn der Eindruck nicht täuscht, wird es nach der Winterpause auch kaum noch eine Gelegenheit geben, das Team in dieser Zusammensetzung zu beklatschen.

3 Kommentare:

derherold hat gesagt…

U23-Teams sind schwer zu bespielen. Wenn es nicht gelingt, "mit Härte den Schneid abzukaufen" und ein bißchen (Tor-)Schußglück hat, kann man ganz schnell unter die Räder kommen.

Die Teams sind im Grunde das (spiel-)technisch beste und schnellste, was man so zu sehen bekommt. Früher, in der Verbandsliga, war das für den auf seine top-ausgebildeten Nachwuchsspieler setzenden HFC ja auch nicht anders.

Jetzt muß man "nur" die Kurve kriegen und schnell punkten, sonst ist der passable Start im Arx und es kommt in der Rückrunde das Wackelknie dazu. Und bekanntlich sind ostdeutsche Mannschaften keine Anti-Abstiegs-Fighter - da geht schnell die Moral flöten.

ppq hat gesagt…

das schlimme ist, dass es keinen ausweg gibt, derzeit

und dass sich ein automatismus automatisch ergibt, wenn die ergebnisse nicht stimmen.

roy46 hat gesagt…

automatisch abgestiegen ist aber noch keine Mannschaft.Da müssen sie sich vorher noch richtig quälen.