Samstag, 17. August 2013

Die Hungerspiele von Moskau

Ärmchen wie Streichhölzer, Beinchen wie auch Büroklammern gebogen, Oberkörper wie Trichter und riesige Köpfe, aus denen große, hungrige Augen glänzen - nein, diese grauenhaften Bilder von ausgemergelten, unterernährten Menschen stammen nicht aus den Hungergebieten Afrikas und sie zeigen auch keine bulimiekranken Topmodels, die immer weiterhungern müssen, damit die Modezaren dieser Welt nicht zuviel Stoff für ihren neuen Kollektionen vernähen müssen.

Was das entsetzte deutsche Fernsehauge sieht, sind Spitzensportlerinnen, die in Moskau auf der Jagd nach Weltmeistertiteln sind. Angeblich ungedopt, aber garantiert ungefrühstückt, sind Leichtathletikstars wie Vivian Cheruiyot, Lidya Chepkurui, Sofia Assefa oder Milcah Chemos Cheywa dort unterwegs, ihre 40 oder 45 Kilogramm Restfleisch in atemberaubenden Zeiten ums Stadionrund zu peitschen. Ungebremst vom größten Teil des einem physischen Körpers, den die meistet ihrer europäischen Konkurrentinnen noch mit sich herumschleppen, pfeilschnellen sie ums Rund, kantige Knochengestalten, beseelt nur vom Appetit auf Gold, ernährt nur von Luft und Sonne.

Kenia und Äthiopien dominieren die längeren Distanzen dieser einzig echten "Hunger Games", bei denen die Kurzstreckenwettbewerbe von Jamaikaner, die technischen Disziplinen von Osteuropäern und das große Feld der Verteidger des olympischen Gedankens von den Mitarbeitern der Bundeswehr-Sportkompanien bestimmt werden. Die Besten der Besten der Besten, die hier knochenklappernd Appetit in 9,11 Minuten drei Kilometer über Hindernisse sausen. Der angebliche Blitz Usain Bolt ist über seine bescheidenen, hindernislosen 100 Meter nicht einmal doppelt so schnell.

Ein Sieg des Geistes über den Körper, der hier schon halb abgeworfen und nur noch dabei ist statt mittendrin. Das limbische System hat ausgespielt in diesen triumphierenden Jammergestalten, die ihre Köperlichkeit ebenso an die zu erfüllende Extremaufgabe angepasst haben wie die wuchtigen Kugelstoßerinnen, die hochaufragenden Hammerwerfer und die aus der Quadratwurzel von Körperbreite und Muskelmasse gebildeten jamaikanischen und amerikanischen Sprinter. Gedopt wurde gestern.
Heute wird gehungert.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Chapeau, very luschtitsch, dieser Beitrag, und gelungen, die Wortspielchen, die eleganten Sentenzen und die geistreiche, ironische Diktion. Indes steckt im „Grunde“ (oh pardonggg, welch garstig, vom teutonischen Tiefst-Sinn so überstrapaziertes Wort) genommen nicht viel mehr dahinter als:
Dass die als pöööse Rassisten geschmähten Befürworter rassisch bedingter unterschiedlicher, physischer (und psychischer ) Dispositionen nicht mehr und nicht weniger als völlig recht haben.
Dass die Menschen ostafrikanischer Provenienz über einen Muskelapparat verfügen, der besonders für langes, ausdauerndes Laufen geeignet ist.
(So wie die Westafrikaner über eine Muskelausstattung verfügen , die sich besonders für kurze, extreme Beanspruchung eignet, weshalb sie und ihre nordamerikanischen Ableger fast 100 % der Sprinter-Weltspitze stellen)


An. Nymus