Mittwoch, 17. Mai 2017

Gewieft: Nicht ganz neu


So richtig gut läuft es nicht im Welterklärungsgewerbe, selbst der neue Erscheinungstag hat daran nichts geändert. "Der Spiegel", einst gerühmt als Sturmgeschütz des gesunden Menschenverstandes, verliert Auflage. Und es scheint zuweilen, als korrespondiere der Verlust an Lesern direkt mit den Zuwachs an Propaganda, Hetze, Hass und Seo-Optimierung bis ins gedruckte Blatt.

Der neue "Spiegel" kommt deshalb nun nicht mehr Samstags, sondern täglich, eine Art Tageszeitung in Newsletterform, Mailing hieß das früher, jetzt aber ist es "Die smarte Abendzeitung". Smart meint "klug" oder "schlau", kann aber auch als "gewieft" übersetzt werden. Unter "Nur, was heute wichtig ist" bietet die Spiegel-Redaktion nicht nur ein vollkommen verzichtbares Komma. Sondern darüberhinaus alles, was das Mutterblatt in den vergangenen Jahren in die Krise geritten hat: Keine Nachrichten, sondern Erklärungen dazu, wie sie zu verstehen sein sollen. Keine Berichte darüber, was auf der Welt vor sich geht. Sondern Kommentare dazu, was davon gehalten werden soll.

Zum Auftakt gibt es gleich, was es immer gibt: Trump, kombiniert mit einer herabwürdigenden Zeile, die diesmal "Nicht ganz dicht" lautet. Die smarte Erklärung des Vorgangs, dass ein US-Präsident Geheimdiensterkenntnisse nicht mit der deutschen Kanzlerin teilen muss, sie aber ungestraft mit dem russischen Präsidenten teilen kann, tendiert zum Üblichen: Ein "Sicherheitsleck", Trump hat wieder etwas "angerichtet". Womöglich wird er wie jeden Tag seit seiner Wahl nun ausgerechnet deshalb zurücktreten müssen.

Wird er natürlich nicht, vielleicht liest er "Spiegel Daily" trotz des günstigen Einkaufspreises von 6,99 Euro im Monat gar nicht. Nach den ersten Kommentaren zum Start des Hamburger Smart ist er damit nicht mal der Einzige.

Vielen Dank...
.... aber es würde reichen, wenn Sie einfach nur die wichtigsten Nachrichten des Tages zusammenfassen würden. Die Welt mitsamt ihrem Geschehen erklären müssen Sie nicht, dazu fehlt es den lt. eigenem Selbstverständnis unfehlbaren und die Weisheit mit Löffeln fressenden Spiegelredakteuren oftmals dann doch an zu vielen Ecken und Enden.


Hochtourige Nachrichten ...
ohne Zeit für Recherche oder gar Prüfung des Wahrheitsgehalts braucht niemand mehr. Von denen haben wir mehr als genug. Hintergründe und vll einen Tag warten und dafür belastbare Fakten liefern will offenbar niemand mehr in unserer Medienlandschaft. Sieh den heutigen Artikel über den Geheimnisverrat von Trump. Der Artikel ist eine einzige abgeschriebene Spekulation der Washington Post. Überflüssig, vll sogar einfach falsch. Aber das interessiert nicht mehr. Der Run nach der ersten gedruckten oder geposteten Halbwahrheit verdrängt den Journalismus

Herzlichen
Dank für das gut gemeinte Angebot. Ich brauche weder 'Erklärungen' gut bezahlter Bertelsmänner, noch möchte ich Schmidt mit knapp 7.00 Eur pro Woche den Ruhestand versüßen.


Daily? Nein danke.
Ich hätte schon fast eher eine Meldung über einen geplanten Stellenabbau beim SPIEGEL erwartet. Ich persönlich bin mit der Abwehr der täglichen Flut an sogenannten Informationen mehr als ausgelastet

Gute Idee, aber...
...warum immer dieser religiöse Eifer, den Menschen unbedingt alles erklären zu wollen? Wir sind nicht so dumm, wie Ihr denkt! Zitat: "Auf der News-Ebene erklären unsere Autoren, was heute geschehen ist und was es bedeutet." Hier gibt es nichts zu erklären, das Ziel muss doch eine neutrale, freie Berichterstattung sein. "Erklären" heißt automatisch Meinung. Die hat in der reinen Berichterstattung nichts, aber auch gar nichts zu suchen.




4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Wechsel vollzog sich leise und unbemerkt, doch es macht alles sinn.

Um die dividende für die mitarbeiter-ag und augstein's vaterschaftstests zu finanzieren, veröffentlicht der spiegel seit 2005 nur noch schülerzeitungsartikel. Aufwand = 0 und trotzdem werden die Europapreise abgeräumt.

Ich für meinen Teil hoffe darauf dass die GEZ Gebühren verdreifacht werden, sodass wieder echter journalismus bezahlt werden kann. Sowas wie Schröders haare färben als europäisches watergate

Gernot hat gesagt…

Was geheim ist und bleiben soll, entscheidet wohl nicht der gewählte Präsident, sondern eine anonyme Behörde? Obrigkeitsdenken vs. Demokratie!

Es wäre geradezu ein Verbrechen gewesen, nicht die ganze Welt vor bevorstehenden Flugzeugattentaten zu unterrichten. Man stelle sich vor, aufgrund der unterlassenen Warnung würde ein Flugzeug per Sprengstoff-Laptop gesprengt werden und hunderte Menschen kämen um - und nachträglich stellt sich heraus, dass Präsident und Geheimdienst von der Gefahr wussten, aber aus "Geheimhaltungsgründen" niemanden warnten.

Ich bin gewiss kein Trump-Anhänger, aber die Art, jede seiner Entscheidungen gegen ihn auszulegen, ist gelinde gesagt unseriös.

Anonym hat gesagt…

@ Gernot: Es ist immer schmerzlich und zieht einen Gesichtsverlust nach sich, erwachsene Menschen zurechtweisen zu müssen. Aber ich komme nicht umhin, Dir ein gewisses Maß an Einfalt zuzusprechen.

Halbgott in Weiß

Gernot hat gesagt…

Ach, das ist nicht so schlimm. Narren bleiben manchmal Sieger, siehe Spielfilm "Wir können auch anders".
Trump jedenfalls ausgerechnet, wie geschehen, explizit wegen der Warnung der Russen vor einem Flugzeugattentat zu verurteilen, zeigt beispielhaft, wie entweder gedankenlos oder wie heuchlerisch die gutmenschlichen, trumpfeindlichen Medien agieren.