Montag, 2. September 2019

Wahl der Qual: Das Erfolgsgeheimnis der neuen Nazis


Was die Rechten in Ostdeutschland so erfolgreich macht. Eine kleine Psychoanalyse der westdeutschen Medien.


Viele haben es versucht, bisher aber ist es noch niemandem abschließend gelungen, die Frage zu klären, wie es westdeutschen Medien, die in den auch nach 30 Jahren noch immer "neuen" Bundesländern überhaupt nicht gelesen werden, Millionen Menschen im Osten darauf zu bringen, eine Partei zu wählen, die ihnen ihre gerade errungene Freiheit wegnehmen will.

Svenja Prantl stammt unter anderem aus Lübeck, ihr Vater Wehrmachtsmajor und später Beamter in der Bundeszentrale für politische Bildung, sie ist nicht verwandt mit ihrem früher recht bekannten Namensvetter und sie lebt derzeit im abgehängten Hungergürtel um Eisenhüttenstadt. In ihrer Kolumne erklärt heute einmal eine Westdeutsche, wie der Osten so tickt.

Gerade in den neuen Ländern warten Millionen darauf, zu erfahren, wie sie eine Erfahrung von Eroberung, Entwertung und Verwertung zu Groll und Aversion, Verdruss und Hass führen konnte.


Von PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl

Jetzt, nach den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, ist der Jammer der von immer. Wie konnte nur, was wollen die denn, ich glaubs ja nicht, sind die denn blöd! Es werden rationale Erklärungen gesucht, es wird erinnert an die enormen Anstrengungen in den Schreibmaschinengewehrstellungen der großen deutschen Medien, die Übernahme der ehemaligen DDR als Gnadenakt darzustellen, für den die kaum mehr nutzbaren Menschen dort äußerst dankbar zu sein hätten. Vom "Spiegel"-Titelbild "Deutsche gegen Deutsche" von 1992 führt ein gerade Weg zur Kapitulationserklärung  "So isser, der Ossi", die eben erst für Furore sorgte.

Auf beiden Seiten der einstigen Mauer ist noch immer Land in Sicht, doch statt sich mit der neuen Realität abzufinden, dass im Osten Menschen leben, die ihre eigenen Wertvorstellungen, Ideale und Träume mitgebracht haben, arbeiten sich Leitmedien von ARD und ZDF über SZ, Zeit, Spiegel und taz unermüdlich daran ab, die Eigenarten von Sachsen, Thüringern, Brandenburgern und Mecklenburgern zu beklagen.

Aus dem Westen kamen, je nach Schätzung, 75 bis 90 Prozent der neuen Ostelite, aus dem Westen kommen seit 1990 aber sogar 100 Prozent aller Welterklärungen, soziologischen Befunde und politischen Rezepte gegen die Sturheit des gemeinen Ossis. Mit demselben Ergebnis, das schon die DDR-Propaganda zeitigte: Übler, schädlicher Trotz verführt die Bürgerinnen und Bürger dazu, genau das Gegenteil von dem zu glauben und zu tun, was ihnen  Vorkämpfer wie mit geschätzter Kollege Georg Restle, wie Dunya Hajali, Heribert Prantl und Claas Relotius zu unternehmen raten.

Das erstaunt, denn  die publizistische Eroberung der Ostgebiete folgte nicht nur dem Standardplan jedes guten Putschgenerals, zuerst einmal Radio- und Fernsehsender nebst aller Zeitungsredaktionen und Druckereien zu besetzen, er war und ist darüberhinaus auch das wohl monumentalste Programm einer Umerziehungkampagne seit der Übernahme der gesamten Publizistik in Ostdeutschland durch sowjetische Ideologen.

Der Kalte Krieg, in dem diese kämpften, endete glücklich, ohne in einen heißen zu münden. Die Niederlage, die der Osten erlitt, fühlt sich für die Menschen zweiter Klasse dort, überdurchschnittlich oft ohne Wohneigentum, ohne Geld- oder Aktienvermögen und ohne Aussicht auf ein reiches Erbe, immer noch an, als werde ihnen der Kakao, durch den ihre Eltern gezogen wurden, nun auch noch zum Trinken angeboten.

Ein Prost auf den Mauerfall, den sich der aufgeklärte Westen zuallererst zuschreibt. Die Wirtschaftskrise, in der er damals gerade steckte, löste sich durch eifrigen Neukunden aus dem Osten auf so wie es später Polen, Griechen und Portugiesen waren, die die westdeutsche Überproduktionskrise auffingen, indem sie Schulden machten, um ihrem Gläubiger dessen waren abkaufen zu können. Warum nur, warum fragt der besorgte Kuponschneider dieser Entwicklung, geruhsam im Liegestuhl in seinem Ferienhaus in der Provence, warum nur sind die Brüder und Schwestern in Ostdeutschland so undankbar, populistisch oder gar rechtsradikal?

Die Mehrheitsgesellschaft der Medien von Hamburg über Köln, Stuttgart, Düsseldorf und München nimmt entgeistert zur Kenntnis, dass da, wo nicht nur Konrad Adenauer die asiatische Steppe verortete, die AfD zur Volkspartei aufgestiegen ist. Je mehr, desto drastischer die Ostexperten im Westen vor ihr warnen.


Dreißig Jahre Einheit haben eine immer gültige stereotype Betrachtung "des Ostens" als fremdem Land voller unlösbarer Rätsel geschaffen. "Die Angst der Westdeutschen vor der AfD hat dazu geführt, dass 14 Millionen Individuen mit unterschiedlichen Biografien, politischen Ansichten und Salären wieder als ein Kollektiv verstanden werden", schreibt der "Tagesspiegel", ein Organ des Bundesbürgertums alter Prägung, das einerseits Erinnerungen an eine Bundesrepublik pflegt, die so kuschelwarm und lieblich war wie es sie nie gab. Andererseits aber den Osten bekämpft "als Dunkeldeutschland, das rechten Rattenfängern hinterherläuft".

"Was die Rechten im Osten so erfolgreich macht" (Tagesspiegel), ist genau das. Medien im Westen, das heißt: alle Medien, führen Debatten mit sich selbst aufgrund von Erkenntnissen, die sie auf expeditionsartigen Exotikreisen ins Kampfgebiet gewonnen haben. Ein moralisierender Grundton schwingt immer mit, es sind Berichte von Erziehungsberechtigen über ihre Schutzbefohlenen, durchwirkt nicht von absichtsvoll verbreiteten Unwahrheiten, sondern vom Überlegenheitsgefühl der Ortsansässigen was die Orientierung im Raum betrifft.

Die Ostdeutschen rächen sich mit Verachtung, sie verweigern den Glauben an das, was Westdeutsche ihnen über Ostdeutsche berichten und schreiben bei jeder Wahl Denkzettel. Die Unwucht der Debatte darüber - die einen sind Sender, die anderen ausschließlich Empfänger - beschreibt am besten, dass da nichts Neues ist, im Westen: Sie endet in dem Moment, in dem der Adressat im Osten abschaltet.

2 Kommentare:

Qualwähler hat gesagt…


Die Ossis wollen einfach nicht kapieren, dass die DDR 2.0 unter der Stasimarionette IM Erika (beim Wessi als BRD und A. Merkel bekannt) nun viel moderner und freier ist als das russisch-rustikale Vorläufermodell Honecker.

Na ja, das betreute Denken kann dank Vorsprung durch Technik heute ja auch als tiefschürfender uns somit elementar besser bewertet werden.

Huxley lässt darum lange vor 2540 grüßen.

Aber wer hat sich in den 1990ern denn schon ausmalen können, wohin die wieder vereinigte Kleinkariert-Karawane ziehen wird?

Hauptsache, die Margot bekam ordentlich ihre deutsch Rente noch Chile nachgeschickt.

Dann lacht das piefkeeske Bürokratenherz.

Anonym hat gesagt…

@Qualwähler



Allerdings!

Denn die sog. „Ossis“ sind um Längen sensibilisierter gegenüber verlogener, linker Phraseologie und riechen die perfiden, heimtückischen Machenschaften schleichender Bolschewisierung durch die als „Demokraten“ camouflierten Krypto-Kommies meilenweit gegen den Wind.

Die durch Hollywood-Paradigmen, Konsum-Rausch und „Demokratur-Charade“ chloroformierten „Wessies“ haben den Schuss immer noch nicht gehört.

Die glauben immer noch an die Weihnachtsmann/Oserhasen-Schtori, sie hätten die DDR eingesackt.

Indes war das nur eine teuflisch geschickte Täuschung. –

Realiter war von Beginn an, eine weichere, längerfristige und salamitaktischere Re-DDR-isierung geplant, die nunmehr immer heftiger Fahrt aufnimmt, je stärker das Bundes-Micheltum gehirngewaschen, infantilisiert und mental kastriert wird.