Mittwoch, 29. September 2021

Energiewunder: Voodootrick mit Wasserstoff

Es war im Jahre 2006 und Angela Merkel war noch kein Jahr im Amt, als das damals noch nicht komplett abgewirtschaftete an Visionen reiche Bundeskabinett Pflöcke einschlug, dass die Erde bebte. Mit der "NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie" gründete die Bundesregierung eine bundeseigene Gesellschaft, die zur Aufgabe gestellt bekam, eine Bundeswasserstoffstrategie auszuarbeiten und ihre Umsetzung voranzutreiben. Kein Staatsakt begleitet die Gründung, es ging ganz bescheiden zu: Bisschen Stammkapital, ein Firmensitz in der feinen Berliner Fasananstraße. Fertig. Zwei Geschäftsführer wurden eingestellt, gute Leute, die gut bezahlt werden müssen, weil das Schicksal der Nation ja auch irgendwie an ihnen hängt.

Visionäre Wasserstoffziele

Und ohne Wasserstoff, Visionäre wie die Physikerin Angela Merkel wussten das schon vor 15 Jahren, würde gar nichts gehen. Für ihre je 300.000 Euro Gehalt lieferten die beiden Chefs der NOW GmbH denn auch solide Arbeit. Millionen und Abermillionen "echte Zuschüsse bzw. Einnahmen aus Zuwendungen sowie Mittelzuweisungen" für "Ziele im Bereich Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie" wurden ausgereicht, um den Treibstoff der Zukunft praktikabel zu machen. Während in anderen Staaten Konzerne gegründet wurden, um Elektroautos herzustellen, blieb NOW am Förderball, um das „Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ der Bundesregierung, kurz NIP" voranzutreiben. 

Ja, das gab es wirklich, und es wurde nach seinem Tod nicht einmal bestattet, sondern wagemutig fortgeschrieben. Die NOW Gmbh als deutsche Speerspitze beim Wasserstoffwunder macht inzwischen allerdings eher in "emissionsfreien Technologien in einem integrierten Energiesystem" als nur in Wasserstoff, so führt sie etwa die "Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur". Ein Strategiewechsel, der ziemlich pünktlich in einem Moment erfolgte, in dem die Bundesregierung sich darauf konzentrierte, statt der Wasserstofftechnologie Elektrotankstellen zu fördern und die Anschaffung von Elektroautos zu finanzieren.  

Comeback der Zukunftshoffnung

Aber das ist nun auch schon wieder ein Jahr her und die im Sommer 2020 still beerdigte Zukunftshoffnung Wasserstoff ist nun wieder eine große Nummer. Grün soll er sein, der "vielleicht interessanteste Energieträger" (Merkel, 2006), umweltfreundlich herstellbar, umweltfreundlich nutzbar, ein Segen ohne jede Einschränkung, der Energie speichern kann wie ein Netz, praktisch ist und einfach mit kostenlosem Abfallstrom aus der Öko-Überproduktion gefüttert wird wie das DDR-Schwein einst  mit den Essensresten aus der Specki-Tonne.

Die nun neue "Wasserstoff-Strategie" (Merkel) der Bundesregierung plant mit diesen Stärken ein wahres Energiewunder. Wasserstoff soll demnächst Wohnungen heizen und die Industrie antreiben, Stahl kochen und Braunkohle- wie Kernkraftwerke ersetzen. Dazu wird einfach mit Hilfe von Ökostrom aus Solar- und Windkraftwerken per Elektrolyse oder auf thermischem Weg Wasserstoff erzeugt, der hernach wie heute der Klimakiller Erdgas dorthin gepumpt wird, wo er gebraucht wird, und das genau dann, wenn er gebraucht wird.

Teuer, aber öffentlichkeitswirksam

Bei dem Verfahren handelt es sich allerdings die mit Abstand teuerste Variante der Wasserstoff-Erzeugung. Nach einer Übersicht im „Wall Street Journal“ vom 8. Oktober 2020 kostet die Erzeugung von einem Kilogramm grünem Wasserstoff auf diese Weise bis zu 19 Dollar. Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird, ist nicht einmal ein Zehntel so teuer. dazu kommen weitere Beschwernisse der Physik, die so gar nicht gemacht scheint, dem Menschen bei der Rettung der Welt zu helfen.
 
Denn grüner Wasserstoff ist nicht nur in der Herstellung teuer, er hat auch einen Wirkungsgrad, der nur knapp über dem einer - mit Fug und Recht wegen ihrer akuten Umweltschädlichkeit in der EU verbotenen - Glühbirne. Gehen bei der 95 Prozent der verwendeten Energie als Wärme verloren, so dass nur fünf Prozent übrigbleiben, um das Zimmer zu erhellen, sieht es beim grünen Wasserstoff kaum besser aus. Eine Solarzelle etwa kommt auf Wirkungsgrad von 20 Prozent, so dass aus 100 Prozent Sonnenlicht etwa 20 Prozent nutzbarer Strom werden. Bei der Umwandlung der elektrischen Energie in Wasserstoff geht nun ein Drittel der Energie verloren, bei der nächsten Umwandlung - nun wird der gespeicherte grüne Wasserstoff ja verwendet, um daraus wieder Strom zu machen - verschwindet ein weiteres Drittel.
 

Ein verbotener Wirkungsgrad

 
Der Wirkungsgrad ist nun "im Bereich unter sieben Prozent liegt", wie Martin Wolter von der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität im MDR vorgerechnet hat. "Da ist vom Sonnenstrahl nicht viel übriggeblieben", sagt er. Das liegt unter dem Wirkungsgrad einer Halogenlampe, die auf etwa 10 Prozent kommt und deshalb in der EU schon geraume Zeit verboten ist.  
 
Der Voodootrick, der aus Wasserstoff  eine Zukunftstechnologie macht, die allen physikalischen Gesetzen spottet, besteht in der Behauptung, wenn nur genügend Energie sowieso "da" sei, weil zahllose und immer mehr Solar- und Windanlagen ja keine Rechnung ausstellten, sei jeder Energieverlust auf der langen Strecke der zahlreichen Umwandlungen zwischen Stromerzeugung und Stromnutzung leicht verschmerzbar. Was nichts kostet, nämlich aus überflüssigem Strom speichernden Wasserstoff zu machen, werde auch nicht teurer, wenn es mehrfach hintereinander und mit beständig sinkendem Ergebnis durchgeführt werde. Klimaschutzpakete aller Parteien setzen deshalb demonstrativ auf Wasserstoff und sie behaupten zudem, nicht nur die gesamte Menge des bisher verwendeten Erdgases durch mit regenerativen Strom erzeugten "Grünen Wasserstoff" ersetzen zu können. Sondern darüberhinaus, dass dieser massiv unwirtschaftliche Vorgang es sein wird, der die menschliche Mobilität, die Globalisierung, den Wohlstand und die Welt retten wird.

Wenn aber ein Treibstoff schon beim Tanken verglichen mit fossilem Benzin oder Diesel nur noch ein Zehntel des Energieaufwandes widerspiegelt, den seine Gewinnung verursacht hat, dann trägt jedes Fahrzeug, das mit ihm vorwärtsbewegt wird, einen virtuellen Tank mit sich, der zehnmal so groß ist wie bisher. Statt 60 Liter zu tanken, um 600 Kilometer vorwärtszukommen, braucht das grüne Wasserstofffahrzeug im Grunde 600 Liter, die es zwar nicht wirklich in einem gewaltigen Behälter mit sich führt. Die aber als volkswirtschaftliche Gesamtlast an Bord sind.

Kann das funkionieren? Kann das eine "Wasserstoffstrategie" begründen, die sich zum Ziel setzt, bis 2040 eine "Deckung des Wasserstoffbedarfs mit CO2-freiem und -neutralem Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen" zu erreichen? Die kommende, noch an Visionen reiche Bundesregierung wird - ganz egal, wie sie nun wann doch zustandekommt - den Beweis antreten.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn die Grundrechenarten der Klimarettung im Weg stehen, dann müssen wir uns eben von den Grundrechenarten trennen. Bzw. sind wir da ohnehin dabei.

Thomas Leske hat gesagt…

Synthetischer Kraftstoff aus dem windreichen Chile soll langfristig etwa 1,70€ pro Liter kosten vor Steuern. Zum Vergleich kostet Sprit aus der Raffinerie nur 40¢.

Wasserstoff lässt sich vielleicht mit weniger Verlusten erzeugen als synthetischer Kraftstoff, dafür ist er aber schwer zu lagern und zu transportieren.