Dienstag, 23. September 2025

Monster Maga: Der gespiegelte Bruch

Charlie Kirk, MAGA-Bewegung, Zeitenwende, transatlantische Missverständnisse, konservative Bewegung, politische Polarisierung, Märtyrer-Kult
Jubel für Gott und Donald Trump,Tränen für den "ultrarechten Aktivisten" Kirk bei dessen Beerdigung. Trump bezeichnete ihn der Taz zufolge "als Helden und er "predigte seinen Hass".

In den USA war er ein bekannter Name, in Deutschland ein Niemand. Und doch gelang es Charlie Kirk, diesseits des Atlantik kaum weniger Wirkung zu erzielen als jenseits. Nach seiner Ermordung teilte der  größte Influencer der MAGA-Bewegung die Deutschen in zwei überschaubare Gruppen: Die einen trauerten um eine Stimme des Rollback nach rechts. Die andern freuten sich mehr oder weniger klammheimlich, dass sie verstummt war.

Ein Possenspiel mit streng verteilten Rollen. Die, die auf den Spuren des Göttinger Mescalero öffentlich aufgeatmet hatten über Kirks Tod, wollten es doch nicht so gemeint haben. Die, die Kirk zuvor vielleicht gekannt, seinen Ruf und seine Wichtigkeit aber nicht eben offensiv in Deutschland verbreitet hatten, echauffierten sich über die unziemlichen Reaktionen, als hätten ernsthaft etwas anderes erwartet.

Barrikaden und Brandmauern 

Barrikaden und Brandmauern beiderseits des Weges, unüberwindlich. Kirks Witwe konnte dem Mörder ihres Mannes vergeben, der aber blieb bestenfalls "ein rechter Aktivist" (Spiegel), schlimmstenfalls war er aufgefallen mit "abscheulichen, rassistischen, sexistischen und menschenfeindlichen Aussagen" (Dunja Hayali). Dass es dieser Mann sein würde, ein 31-jähriger Self-Made-Missionar, dessen Tod die entstandene Kluft zwischen Amerika und Europa illustriert, war noch weniger zu erwarten als die Offenbarung Brosius-Gersdorf, die vielen Bürgerinnen und Bürgern erstmals ins Bewusstsein rückten, wie und warum wer welche Richter ans Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe entsendet.

Noch eine Zeitenwende

Es ist eine neuerliche Zeitenwende zwischen Washington und Berlin, die der tödliche Schuss von Orem im US-Bundesstaat Utah offenbart. Die Nachricht von der Ermordung des konservativen Wanderpredigers schlug in den USA ein wie damals die von der Ermordung Martin Luther Kings. In den Medien deutscher Prägung aber, und auch innerhalb der politischen Elite, dominierte eine Mischung aus Befremden, Skepsis und einigermaßen ratloser Distanz. Was haben die Amis denn nur mit diesem Hetzer? Warum glauben sie, dass dessen Ermordung so viel schlimmer ist als so viele andere gewaltsame Tode?

Von Deutschland aus gesehen war Kirk für Trump MAGA-Bewegung so wichtig wie Peter Altmaier für die Rückkonservierung der CDU. Selbst im früheren Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" erwähnte vor dem Attentat nur eine Handvoll Beiträge den Mann, der seinerzeit noch als "eine der radikaleren Stimmen der US-amerikanischen Rechten" erklärt wurde. Erst nach seinem Tod verwandelte sich der  "rechtsgerichtete Aktivist" (Manager-Magazin), dessen Organisation "allerdings nur in Arizona, Wisconsin und zwei bestimmten Bezirken in Michigan und Nevada präsent" war, in den "Rechtsradikalen" und "Ultrarechten", der "in Pisse verrotten" soll, wie der grüne Aktivist Jürgen Kasek einfühlsam mitteilte.

Klare Verhältnisse 

Kirk gebührt das Verdienst, mit seinem Tod für klare Verhältnisse gesorgt zu haben. Jemand, der  zwischen Politaktivismus, religiöser Massenbewegung und gezielter Polarisierung zu finden war, wird für die Kommentatoren, die nach fast zehn Jahren im Anti-Trump-Kampf erreicht haben, dass der Hauptfeind im Weißen Haus sitzt, zu einer Ersatz-Projektionsfläche. Mit seinem gewaltsamen Tod verschiebt sich der Fokus des Verständnisse: Die Republikaner in den USA überhöhen Kirk zum Märtyrer der Bewegung. Die Deutschen, die sich für progressiv halten, lassen alle Kinderstube fahren und geben zu, dass nur ein toter Konservativer ein guter Konservativer ist.

"Wenn Faschisten sterben, jammern Demokraten nicht", fasst der ZDF-Autor Mario Sixtus zusammen, wie die Dinge aus Sicht des ordentlichen Klassenkämpfers liegen. Menschenverachtung gehört dazu, denn sie öffnet ein neues Kapitel transatlantischer Missverständnisse. Auf amerikanischer Seite entwickelte sich ein kulturpolitisch und religiös überhöhtes Narrativ eines Opfers, gebracht auf dem Altar eines höheren Zwecks. Auf deutscher Seite sehen kopfschüttelnde Beobachter wie der bekannte frühere Terror-Experte Elmar Theveßen ein weiteres Beispiel dafür, wie weit der gesellschaftliche Diskurs in den Vereinigten Staaten von europäischen Maßstäben abgerückt ist. 

Kirk war das abgrundtief Böse, sein Mörder erschien dem ARD-Kabarettisten Florian Schröder als modernder Stauffenberg. Das Attentat auf den nach dem ersten Empörungswelle bei ARD und ZDF zum "rechtsextremen Influencer" zurückgestuften Propagandisten eines unaufhörlichen gesaltgesellschaftlichen Gespräches sei im Grundde dadurch besonders perfide, weil es "die rechte Szene im Internet für sich" nutze, folgerte der ob dieses Umständes stinksaure Schröder.

Tektonische Bruchlinie 

Genau hierin liegt die tektonische Bruchlinie einer neuen Zeitenwende. Als US-Vizepräsident JD Vance im Februar in München diplomatisch klarzumachen versuchte, dass der Ziehvater in Übersee in Europa eine "Bedrohung von innen" sieht, die im "Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte, der Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt", besteht, hielten deutsche Politiker das für eine Mahnung, wie sie selbst sie jeden Tag verklappen. Man sagts halt mal. Aber es bedeutet nichts.  Es sei "fast schon" ein "übergriffiger Umgang mit den Europäern, insbesondere mit uns Deutschen", klagte Friedrich Merz, der wenig später bei seinem ersten Besuch in Washington auch diesen kleinen Rest an Widerspenstigkeit beim Pförtner abgab, ehe er ins Oval Office gebeten wurde.

Verstanden, was vorgeht, hat Merz auch nach dem Privatissimum mit Trump nicht. Aber damit ist er nicht allein. Das Spektakel der Trauerfeier wirkt auf viele europäische und deutsche Beobachter wie ein politisches Revival-Meeting, das an die Massenveranstaltungen evangelikaler Prediger aus den 50ern erinnert. Unglaublich. Unfassbar. Die Inszenierung zeigte, wie sich symbolische Energie aus tragischen Ereignissen ziehen lässt - Robert Habeck hatte das als grüner Kanzlerkandidat noch vergeblich versucht. Während deutsche Kommentatoren die religiös-patriotische Aufladung jetzt fast geschlossen kritisch oder gar abschätzig bewerteten, übersehen sie, dass die Inszenierung keine ist.

Disziplin statt Chaos

Nach Jahren einer unaufhörlichen Bewegung nach links, schwingt das Pendel nach rechts. Anstelle einer behaupteten Moral, die nur allzuoft als Doppelmoral erkenntbar war, regiert eine emotionale Mobilisierung, die nach historischer Erfahrung so schnell nicht wieder verschwinden wird. Mit JD Vance, Rubio, Kennedy, Gabbard und einem sichtbar verjüngten Führungspersonal hat sich die konservative Bewegung nach Jahren des Chaos diszipliniert formiert: Die Rede von Vance im Gedenken an Kirk markiert einen politischen Wendepunkt. Wer bisher glaubte, mit Putins Tod werde der Krieg enden und mit Trumps die gute alte Obama-Zeit zurückkehren, müsste sich eingestehen, dass das wohl nicht so kommen wird.

Das ist gekommen um zu bleiben. Vance ist 41, er ist vermutlich die Zukunft der Republikaner in den USA.Diesseits des Atlantil findet sie niemand von seinem Format, auch nicht auf der Gegenseite. Europa wird regiert von alten Männern und jüngeren Funktionärsfiguren wie Lars Klingbeil - es fehlt ihnen an Vance' Glaubwürdigkeit, seiner authentisch verkörperten Mission. Aus dieser Konstellation heraus zeichnet sich für die Zwischenwahlen 2026 und die Wahl 2028 ein geschlossenes, ideologisch stringentes MAGA-Bündnis ab, das jetzt über eine Märtyrerfigur zur Klammer und Orientierung verfügt, wie sie in Deutschland und Europa keine politische Kraft vorweisen kann.

Differenz der Wahrnehmung

Hier zeigt sich die eigentliche Zeitenwende: Während die USA im Politischen, Kulturellen und Religiösen stärker an Bilder emotionaler Gemeinschaft und nationaler Selbstbehauptung anknüpfen, halten deutsche Kommentatoren dieses Vokabular für anachronistisch, irrational oder schlicht gefährlich. Deutsche Politiker einer Generation, die Politik als Management der Verteilung guter Gaben zur Maximierung eigener Wahlerfolge gelernt haben, stehen fassungslos vor einer Methode, die Politik als begeisterndes Ereignis verkauft.

Die Kluft ist breit und tief. Beide Seiten verhandeln dieselben Ereignisse in völlig unterschiedlichen Diskursräumen. Deutsche Leitmedien reagierten auf Kirks Tod und die ihm folgende Inszenierung überwiegend kritisch bis befremdet, es fehlt an Verständnis dafür, was eigentlich passiert und wie es Menschen erfasst. 

Das Ereignis wird  als neuer Märtyr-Kult beschrieben oder einer christlich-nationalen Regression zugebucht. Amerikanische Medien konservativer Richtung hingegen deuteten das Ereignis als emotionalen Dreh- und Angelpunkt einer neuen politischen Konstellation von Einheit und missionarischem Aufbruch. Diese auseinanderdriftende Diskurslage zeigt, dass Europa längst kein aktives narratives Gewicht mehr im amerikanischen Innenleben hat – während umgekehrt die US-Entwicklungen den europäischen Deutungsrahmen kaum noch tangieren. Was bleibt, ist ein asymmetrisches Abhängigkeitsverhältnis. 

Ein technologisches Protektorat

Die geopolitische Dimension wird in Deutschland vielfach verdrängt. Faktisch ist die EU auf allen entscheidenden technologischen Ebenen – vom Militär über Cloud-Infrastrukturen, KI, Kommunikationsplattformen bis hin zu Bezahlsystemen – direkt oder indirekt von den Vereinigten Staaten abhängig. Politische Emotionen, die die neue US-Religiosität als "abschreckend", "rückwärtsgewandt" und "bedrohlich" bezeichnen, ändern nichts daran. Europa hat weder die technologischen noch die sicherheitspolitischen Kapazitäten, eigene Wege zu beschreiten. Ursula von der Leyen hat den Offenbarungseid erst jüngst im EU-Parlament abgelegt

Die Parallele ist bitter: So wie sich in den USA eine Retro-Bewegung der religiösen Selbstvergewisserung und der nationalpatriotischen Rhetorik durchsetzt, bangen Berlin und Brüssel um  das alte, bequeme transatlantische Verhältnis, in dem die USA für Sicherheit und Fortschritt sorgten und die Europäer dafür mitmachen, wenn  sie gerufen werden.  Die USA gelten dabei als konservativ, Deutschland und Europa  als "Fortschrittlich". Bei verkörpern die Vereinigten Staaten mit KI, Raumfahrt und Gentechnologie die Zukunft.  Europa ber schwelgt in einer Art von Nostalgie.

Die Ära der „Klammer über den Atlantik“ ist vorbei, spätestens seit der Abhör-Affäre unter Obama, den Sprengstoff-Aussagen Joe Bidens zur Nordstream-Pipeline und dem sichtbar abnehmenden militärischen Engagement Washingtons in Europa. 

Strategische Ohnmacht

In der Differenz der Wahrnehmungen, die die Ermordung Kirks sichtbar macht, liegt die eigentliche Zeitenwende: Während die USA ihre gesellschaftliche Erzählung neu zusammenschweißen, bleibt Europa ein Zuschauer. Deutschland steckt in der dritten Rezession in Folge, Frankreich ist politisch tief gespalten, Großbritannien nach dem Brexit immer noch strukturell geschwächt. 

Die Diskussionen über die US-Politik bleiben hierzulande weitgehend rhetorisch – eine Mischung aus Kritik und Distanz, die von realer Handlungsfähigkeit nicht gedeckt ist. Das ist die geopolitische Quintessenz: Europa hat keinen Einfluss auf die Richtung, in die sich die USA bewegen, noch vermag es, kulturell mitzuhalten. Es wird auf nicht absehbare Zeit in der Rolle eines Protektorats verbleiben, dessen wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit nur weiter zementiert wird. 

Der gespiegelte Bruch 

Die Ermordung Charlie Kirks entfaltet ihre historische Wucht daher weniger in den Vereinigten Staaten selbst, wo sie zum mythischen Fokus einer breiter werdenden konservativ-religiösen Mobilisierung wird. Entscheidend ist vielmehr, dass dieser Vorgang den Europäern das Auseinanderdriften von Weltbildern schmerzhaft vor Augen führt. Europa ist es, das infragegestellt wird, weil es keine Antworten auf die Fragen der Zukunft hat. 

Weder die deutsche oder die europäische Politik noch die Medien sind in der Lage, sich ähnlich wie Amerika neu zu orientieren. Sie reagieren mit moralischer Bewertung, während die USA längst in die nächste Phase ihrer Mobilisierung eintreten. 

Der Bruch ist da – und mit ihm die Erkenntnis, dass eine Zeitenwende nicht nur ökonomisch oder militärisch geschieht, sondern auch in der Trennung der Wahrnehmung. Der Tod Charlie Kirks könnte daher zu einem Symbol werden, an dem die globale Neuordnung ablesbar wird: In den USA bündelt er Energie und Geschlossenheit, in Deutschland verdeutlicht er Ohnmacht und Orientierungslosigkeit. Das Puzzle scheint zusammengefallen – nur dass Bild und Botschaft hüben wie drüben nicht mehr dieselben sind.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

>es fehlt ihnen an Vance' Glaubwürdigkeit

Fehlt natürlich, aber in erster Linie fehlt das Hirn. Vance hat tatsächlich Standpunkte, die er vertreten kann, weil er Meinungen hat, die er rational begründen kann. Unsere Merkel-Klasse von Politikern rät dagegen wie Unterstufenschüler, was das Lehrer hören will bzw. wie ein Hund, was das Herrchen wollen könnte und improvisieren dann entsprechend. Was das im Einzelfall ist, kann wechseln.

Vance hat immerhin auch ein Buch geschrieben, das ohne viel Hype einschlug (Es erwähne niemand Habeck!). Weil: Hirn.

Quallen bzw. ratende Unterstufenschüler auf Wiki am lebenden Beispiel:
Klaus Bittermann lobte das Buch 2017 in der taz als eines der besten Sachbücher des Jahres und verglich es mit Rückkehr nach Reims von Didier Eribon. 2024, nachdem Vance von Trump als Running Mate nominiert worden war, revidierte er sein Urteil und schrieb, ...

Magasüchtiger hat gesagt…

In einem Detschland, das den drogensüchtigen Kriminellen George Floyd zum bunten Heiligen verklärt hat, muss in umgekehrter Logik ein Charlie Kirk zum weißen Teufel erklärt werden, der den Tod verdient hat.

Linke Kommunismus-Randalierer, das schon damals einen Hitler erst möglich machten, weil viele Deutsche keine Stalinisten werden wollten, zündeln schon wieder und schikanieren und ermorden wie von Sinnen jeden, der nicht nach ihrer blutroten Exerzierplatz-Pfeife tanzt.

Wer seiner deutschen Kultur treu bleiben möchte und nicht im Multikulti-Shithole enden möchte, zu dem etliche Stadtteile längst 'bereichert' wurden, der gilt bei denen dann sofort als Nazi.

Ich befürchte, die selbsternannten Kronen der Schöpfung werden sich mal wieder gegenseitig die Schädel einschlagen müssen, weil sie aus ihren ideologischen und religiösen Zwangsjacken nicht rauskommen.

Absurdistan pur, wenn die Parasiten ihren Wirten deren Leben vorschreiben wollen.

Anonym hat gesagt…

Antifa ist auf jeden wiedermal eine Marke Made in Germany wie Marx und Mercedes. Und da sind die angeblich nicht stolz darauf, Deutsche zu sein.

Anonym hat gesagt…

<< Cyberattacke gegen Linksradikale enthüllt: Antifa erhielt Großspenden von ... >>
Kann eine Hinterlist sein, wenn auch nicht unbedingt dem eigentlichen Inhalt nach.
Sollte es in jeder Hinsicht stimmen, so wird es nicht die geringste Wirkung entfalten: Die Herdenmenschen, die es überhaupt wahrznehmen in der Lage sind, werden es begeistert billigen, da ja ein zweites 1933 dicht vor der Tür steht. Dagegen ist alles recht.