Freitag, 8. August 2025

Brosius-Gersdorf: Anfang des Endes mit Schrecken

Verfassungsrichterin, Frauke Brosius-Gersdorf, SPD-Nominierung, Karlsruhe, Rezession Deutschland, Koalitionskrise, AfD-Verbot
Frauke Brosius-Gersdorf glaubt, sie sei eine Kandidatin gewesen, dabei war sie nur nominiert. Abb. Kümram, Rosenwasser of Öl

Einen Monat nur, einen einzigen Monat schwelte die Glut unter der ersten Gesamtniederlage der "KleiKo", wie gehässige Stimmen bei den Grünen die neue Ehe ihres früheren Koalitionspartners SPD böse schmähen. Alles hatten Friedrich Merz und sein Vizekanzler Lars Klingbeil bis Anfang Juli beherzt weggetröstet, den immer noch fehlenden Aufschwung, die Stagnation, die doch eigentlich schon lange eine Rezession war, die teure Abhängigkeit von der EU, die einen miesen Zolldeal aushandelte, und die notwendige Unterwerfung unter die Trump-Forderung, künftig fünf Prozent von allem für Waffen aufzugeben.

Die passende Kandidatin 

Dann aber kam Frauke Brosius-Gersdorf, die von der SPD nominierte neue Verfassungsrichterin. Eine passende Kandidatin für ein Land im Niedergang. Brosius-Gersdorf bildet von Kopf bis Fuß und Geisteshaltung vollendet ab, warum Deutschland ist, wie es ist, und sich danach sehnt, für immer so zu bleiben. Doppelname, SPD-Ticket, irgendwie progressiv, aber auch bürgerlich, hochgebildet und mit hohem Gehalt, mit großen Zielen und, darauf rechnete die deutsche Sozialdemokratie, Gewähr dafür, dass Karlsruhe in den kommenden zwölf Jahren nicht auch noch nach rechts rutscht.

Weder SPD noch Union hatten damit rechnen können, dass eine Richterwahl im Bundestag erstmals in der Geschichte nicht wie gewohnt im stillen Kämmerlein über die ganz kleine Bühne geht. Doch es passierte. Zwei, drei Tage nur dauerte es, da lag das Leben und Wirken der in Hamburg geborenen Potsdamerin offen. Ihre Schriften wurden fleddert, ihre Thesen gedeutet. 

War sie für die Abtreibung bis zum letzten Tag vorm Muttermund? War sie überhaupt nur nominiert worden, um die AfD zu verbieten? Angesichts der Schlagzeilen taten  Unionsabgeordnete, was niemand von ihnen verlangt oder erwartet hatte: Sie schauten sich die Verfassungsrichterin in spe genauer an. Und bekamen Bauchschmerzen, obwohl die Fraktionsregie der SPD schon versprochen hatte, dass die Mehrheit steht. 

Aufschub wegen Ausgang 

Tat sie nicht. Ein trauriger Tag für Deutschland kam, als die Wahl wegen ungewissen Ausgangs abgesagt werden musste. Unionsfraktionschef Jens Spahn wurde zum Staatsfeind Nummer 1. Brosius-Gersdorf zu einer Rechtsgelehrten, ohne die in Deutschland niemals wieder ein Richterhammer fallen würde. Die so ungeheuerlich Angegriffene, niemals zuvor war öffentlich auf diese Art über einen Kandidaten für Karlsruhe diskutiert worden, ging in die Offensive. Wenn schon, denn schon: Brosius-Gersdorf schrieb offene Briefe und sie führte ihren Wahlkampf vom Talkshow-Sessel bei Markus Lanz aus. Wer weiß, wie das politische Berlin funktioniert, wusste, dass die 54-Jährige schon Abschiedsvorstellung gab.

Aber um den schönen Schein zu wahren, war nie von einer Absage ihrer Wahl die Rede. Verschiebung, hieß es, später dann sicher, in aller Ruhe, vielleicht im Bundesrat. Eine andere Kandidatin, darauf bestand die SPD, werde man nicht nominieren, Punkt. Und wenn alles in Scherben fällt. Knappe drei Woche mussten ins Land gehen, bis die SPD-Führung zur Erkenntnis gekommen war, dass all das nicht passieren wird. Und bis sie es geschafft hatte, die Frau, die nie eine "Kandidatin" war, dazu zu bewegen, das, was sie selbst ihre "Kandidatur" nennt, zurückzuziehen.

Dickkopf oder das Land 

Nun kommt es nicht zum Schwur, was Union und SPD wichtiger ist - der eigene Dickkopf oder das Land, das nach den mit ausreichend Sicherheitsabstand zur Ampel-Ära neu berechneten Wirtschaftsdaten seit Jahren nicht nur in einer schwächelnden Stagnation, sondern in einer dicken Rezession steckt. Brosius-Gersdorf bleibt auch im Moment des Abschioeds noch dabei, die ideale Kandidatin gewesen zu sein, die von der FAZ, die sie die "Speerspitze eines ehrabschneidenden Journalismus" nennt, zum Zerrbild einer ultralinken Aktivistin gemacht worden sei.

Eine "Kampagne" nennt es Brosius-Gersdorf, die durch die "diskurserweiternden und demokratiestärkenden Möglichkeiten des Internets" Wirkung erzielte. Im Netz, das "mitunter zur Verbreitung von Fakenews und Schmähungen missbraucht" werde, hätten sich "in sozialen Netzwerken organisierte und zum Teil KI-generierte Desinformations- und Diffamierungskampagnen Bahn" gebrochen bis zur "Herzkammer unserer Demokratie, dem Parlament". Dort fielen "Funktionsträger wie Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion, die für bürgerliche Werte wie Anstand, Respekt und Verantwortungsbewusstsein stehen" prompt darauf herein.

Solidarität der Arbeiter 

Die Enttäuschung sitzt tief in Brosius-Gersdorf, so tief, dass sie selbst die von keinem Beleg oder gar Beweis gestützte Verschwörungstheorie in Umlauf setzt, ihre "Kandidatur" sei von Künstlicher Intelligenz sabotiert und hintertrieben worden. Fakt ist: Hätte sie nicht darauf verzichtet, weiter nominiert zu bleiben, hätte die SPD sie auch nicht mehr zurückziehen können, nachdem Lars Klingbeil sie mehrfach der unverbrüchlichen Solidarität der gesamten deutsche Arbeiterbewgeung versichert hatte. Spätestens nach der Sommerpause wären zwei Züge aufeinanderzugerast: Die unwiderstehliche Kraft der SPD wäre auf den unüberwindloichen Widerstand der Union geprallt.

Deutschland in Trümmern, denn wäre Frauke Brosius-Gersdorf nicht gewählt worden, hätte die SPD die Koalition verlassen müssen. Danach hätte es Neuwahlen zum Bundestages mit unabsehbarem Ausgang oder aber eine von der AfD tolerierte CDU/CSU-Minderheitsregierung gegeben. 

An Brosius-Gersdorf hing das Schicksal der Nation. Die kleine Frau war in der Verantwortung, die demokatische Mitte noch zu ihrem "letzten Schuss" (Merz) kommen zu lassen, Klingbeil die Abwehr der "Populisten mit Axt und Kettensäge" zu erlauben und den Faschismus zu verhindern. Frauke Brosius-Gersdorf zeigte sich der Aufgabe gewachsen: Zwar schimpfend und Verschwörungstheorien verbreitend, aber letztlich doch ohne groeßn Krawall tritt sie ab.

Der Jubel der Gegner 

Unter dem Jubel ihrer Gegner, die sich zu einem weiteren Erfolg im Kulturkampf gegen die Wokeness gratulieren können. Vor drei, zwei, einem Jahr wäre die Rechtsgelehrte heute schon fast auf dem Weg zu ihrem ersten Abendessen im Kanzleramt. Jetzt wird sie nie an der "zeitlosen Aufgabe" (Harbarth) des "Austauschs zwischen Verfassungsorganen" mitwirken können und keine Justizministerin wird ihr je eine "vorsichtige Erläuterung politischer Rationalitäten und Entscheidungsverfahren" zuteilwerdenlassen, um bei den nächsten paar Grundsatzurteilen zu helfen. "Ohne daraus in irgendeiner Form etwas vom Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf konkrete Urteile zu erwarten."
 
Wie schwer die gescheiterte Nicht-Kandidatur Land und Gesellschaft trifft, wird sich erst in den folgenden Wochen und Monaten zeigen. Schon in vier Wochen wird der Name Brosius-Gersdorf in den Ohren der meisten Menschen exotisch und alt klingen wie der eines still untergegangenen deutschen Computerherstellers. In acht Wochen wird dann jemand anderes gewählt, in zwölf Wochen ist schon wieder Mauerfalljubiläum. Selbst die berühmte linke Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek wird dann kaum mehr auf Anhieb sagen können, welche "angesehene Juristin" von einer "rechten Hetzkapagne in die Knie gezwungen" wurde. 
 

Vorgeführt als Tanzbär 

Die Union wird mit ihrem Wortbruch durchgekommen sein, ihre widerstrebenden Abgerodneten mit ihrem Beharren daruf, nur ihrem Gewissen verantwortlich zu sein, nicht Jens Spahn. Wie die EU seit ihren "Zollverhandlungen", anderen Ende sie den gleichen Zollsatz wie Afghanistan zugesprochen bekam, wird auch die SPD dann wissen, welche Macht sie noch hat. Sie ist nurmehr der Mehrheitsbeschaffer der Union, sie kann es nach ihrer Vorführung als Tanzbär nicht einmal wagen, an anderer Stelle den Aufstand zu proben. 

Trotzdem sind jetzt erst einmal alle erleichtert. Auf der Bühne gilt es, Trauer, Wut und Scham zu äußern, dahinter darf sich dann Erleichterung breitmachen. Der Koalitionsfrieden wiederhergestellt, der Rückzug von Brosius-Gersdorf ganz und gar freiwillig und ohne heimlichen Absprachen zwischen Union und SPD und gelindem Drtuck auf die Nominierte, die sich für eine Kandidatin hielt.

Unpopuläre Maßnahmen 

Klar ist, dass die Feinde vo unsere Demokratie und unsere Ordnung mit ihren Attacken gegen die zweite von der SPD nominierte neue Verfassungsrichterin Ann-Katrin Kaufhold keinen Erfolg haben werden. Auch deren Auffassungen zeigen, warum die SPD in Karlsruhe haben will. Kaufhold ist für Enteignungen, sie findet Gerichte und Zentralbanken besser geeignet als Politiker, "unpopuläre Maßnahmen anzuordnen" und  für eine kologische Transformation des Grundgesetzes". Doch gäben Schwarz und Rot auch sie noch auf, wäre das ein Offenbarungseid der Koalition, den weder Merz noch  Spahn noch Klingbeil und Bas überleben könnten.

Das Fürchterliche daran: Hinter denen kommt gar nichts mehr, in beiden Parteien nicht. Das letzte Aufgebot der Mitte kann es sich nicht einmal leiusten, miteinander zu streiten, denn die Gefsahr ist zu groß, dass eine Seite gewinnt. Die andere müsste dann Konsequenzen ziehen - doch sowohl SPD als auch die Union hätten bei einer vorgezogenen Bundestagswahl nichts zu gewinnen. 

Zu wenig Aussichten 

Von ihren knapp 43 Prozent im Februar sind den beiden ehemaligen Volksparteien noch ganze 40 geblieben, vielleicht auch nur 38. Zu wenig jedenfalls, um zu zweit weiterzuregieren. Mit Grünen, Linken und AfD ständen aber nur drei weitere Parteien als Merhheitsbooster zur Verfügung. Mit der AfD wollen beide nicht, mit den Linken darf die Union nicht und mit den Grünen entstände eine Regierung, deren eine Hälfe hierhin strebt, während die andere in die Gegenrichtung unterwegs ist.

Schlimmer war es nimmer, aber noch schlimmer wird es immer. Merz, Klingbeil und Bas und der Rest der Koalition regieren im Grunde kein Land, sondern allein gegen die AfD. Sie tun, was sie tun, nicht weit sie glauben, dass es etwas bessert, sondern wiel sie hoffen, dass die Zeit alle Wunden heilt und eines Tages alles wie von selbst wieder so wird wie früher. 

Als die beiden Parteien am 11. Juli übereinkamen, die hanebüchene Begründung der Unionsspitze zu akzeptieren, dass Brosius-Gersdorf vielleicht auch irgendetwas abgeschrieben habe, weshalb die Wahl der drei Verfassungsrichter bis Mitte September verschoben werden müsse, gestanden sie das öffentlich ein: Für Selbstachtung ist kein Platz mehr, wenn es um reinen Selbsterhalt geht. 


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Als anonymer Internetverschwörer, der starke Frauen ohne Fehl & Tadel mit Ai-generiertem Schmutz bewirft:

Ding Dong! The Witch is dead.
Which old Witch?
The Wicked Witch!
Ding Dong! The Wicked Witch is dead.
Wake up - sleepy head, rub your eyes, get out of bed.
Wake up, the Wicked Witch is dead.
She's gone where the goblins go

(Arlen/Harburg)

Carl Gustaf hat gesagt…

Wenn sich die Vorwürfe des "Plagiatsjägers" auch nur ansatzweise bestätigen und die Uni Hamburg mehr oder weniger gezwungen ist, die Dissertation abzuerkennen, steht für Brosius-Gersdorf noch viel viel mehr auf dem Spiel. Das kann unter Umständen ein Fall ins Bodenlose werden. Welche Tragik.