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Auch der Ostdeutsche Jens Urban hat eine internationale Wanderungsgeschichte. Die Bundesrepublik ist bereits das zweite Land, dessen Staatsbürgerschaft er trägt. |
Wer mit Zahlen, Statistiken und Grafiken lügen will, und wer will das nicht in diesen Zeiten der Unüberschaubarkeit, der hat einige grundsätzliche Regeln zu beachten, um nicht sofort als Fälscher aufzufliegen. Wichtig ist es, die
jeweilige Statistik so zuzuschneiden, dass die gewünschte Botschaft eineindeutig übermittelt wird. Statt mit allzu vielen Zahlen und einordnenden Fakten eine Relativierung zu riskieren, hilft es häufig, es bei einem ungefähren Eindruck zu belassen.
Ein im Alltagsbetrieb oft unaufmerksames Publikum wird die Kernbotschaft gern aufnehmen und verinnerlichen. Dankbar werden zudem die Teile des Empfängerkreises reagieren, die sich in einem ohnehin vorhandenen Voreindruck bestätigt sehen.
Überwinden der Hirnskepsisschwelle
Es wirkt immer glaubhafter, wenn die natürliche Skepsis-Schwelle des menschlichen Hirns frontal überfahren wird. Stattdessen zielen die Besten ihres Faches darauf, nicht zu informieren, sondern beim Publikum den Eindruck zu erzeugen, gut informiert worden zu sein. In der Meisterwerkstatt für mediale Manipulation (MMM) beim ZDF gehört es zum Tagesgeschäft, in Mainz nicht überwunden werden muss und dadurch gelingt es, Fakten, Tatsachen und Statistiken jeweils so zu "trimmen", wie es im Fachjargon heißt, dass die beabsichtige Wirkung erzielt wird.
Eine Mehrheit kann zur Minderheit werden, eine Geschichte kann nach Wunsch verlängert und selbst die Sieger von Kriegen stehen nicht dauerhaft fest. Durch gezielte Auslassungen entstehen sogenannte progressive Twists. Unverletzt bleibt dabei der auch als Hayalisches Gesetz bekannte dritte Grundsatz der Mediendynamik: "Jeder kann eine eigene Meinung haben, nicht aber eigene Fakten".
Es ist ein mörderischer Wettbewerb, der auf dem Markt der angepassten Wahrheiten tobt. Hier werden Geschehnisse rein numerisch betrachtet und solange durch eine Matrix gepresst, bis sie in ein vorgewähltes Schema passen. Dort versuchen Kreative sich an Darstellungsformen, die ausgewählte Ausschnitte aus der wirklichen Wirklichkeit in den Dienst der Volksbildung stellen.
Als Hebel, der genutzt wird, um Nebenbei-Konsumenten von Nachrichten mit bis zur Unkenntlichkeit verdünnten Informationen zu versorgen, ohne Misstrauen zu erregen, dienen Methoden der modernen Massenpsychose: Gezielt gewählte Zeitausschnitte. Zur Botschaft passende Durchschnittswerte. Nach Gutdünken gemalte Zeichnungen, in denen Balkenlängen per Grafikkosmetik gemeingängig gemacht werden.
Die Macht des Durchschnitts
Die Danachrichtenagentur DPA, neben ARD und ZDF einer der zuverlässigsten Lieferanten von Teilwahrheiten ohne Informationsgehalt, zeigt aktuell mit einer Meldung über "Erfindungen in Deutschland", nach der "jede siebte Patentanmeldung von Migranten" stamme, wie sich elegant und einprägsam mit wenig Aufwand manipulieren lässt.
Die Nachricht, entnommen einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), bürstet entschlossen Vorurteile gegen den Strich, wenn sie mitteilt, dass "immer mehr Patente in Deutschland von Menschen mit ausländischen Wurzeln" stammen. Sei im Jahr 2000 nur jede zwanzigste Patentanmeldung die eines Zugewanderten gewesen, stieg der Anteil bis zum Jahr 2022 von 4,9 Prozent auf 14 Prozent.
"Für die deutsche Wirtschaft werden Zugewanderte also immer wichtiger, habe das IW erklärt, demzufolge vor allem die Patentanmeldungen von indischstämmigen Zuwanderern zunähmen. Doch auch "Erfinderinnen und Erfinder aus Ost- und Südosteuropa" leisteten mit einem Anteil von knapp drei Prozent einen Beitrag. In absoluten Zahlen sogar den größten Beitrag. Hinter ihnen folgten Tüftler aus dem südeuropäische und lateinamerikanische Sprachraum. Auf Platz drei schließlich die aus dem arabischen Raum inklusive der Türkei, die auf zwei Prozent kommen.
Nichts ist falsch
Nichts davon ist falsch. Nicht davon ist erfunden. Alles davon ist allerdings als Information vollkommen untauglich. Denn rigoros verzichtet nicht nur die "Tagesschau", sondern auch die Autoren der gerade mal dreiseitigen "Studie" darauf, die vermeintlichen Erkenntnisse in einen erklärenden Zusammenhang zu stellen. Carolina Guzman Martinez, Alexandra Köbler und Oliver Koppe haben die Vornamen in der IW-Patentdatenbank zurück bis ins Jahr 1994 auf ihre Häufigkeit in Patentanträgen geprüft. Und aus den 45.000 Vornamen eine Landkarte der mutmaßlich wahrscheinlichen Herkunftsgebiete erstellt.
Nicht gereicht hat die Kraft dazu, die daraus destillierten stolzen Prozentzahlen indischer, türkischer und osteuropäischer "Erfinderinnen und Erfinder" mit deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ins Verhältnis zu setzen. 14,2 Prozent "Erfinder mit ausländischen Wurzeln" (IW) klingt gut. Angesichts eines Anteils von 30,4 Prozent der Gesamtbevölkerung, der auf einen Migrationshintergrund verweisen kann, wirkt die Innovationskraft der Nochnichtsolangehierlebenden ein wenig zu wenig beeindruckend, als dass er erwähnt werden könnte.
Erklärungen schaden nur
Zu viel Vergleich, zu viel Einordnung und Erklärung schaden nur. Manchmal schadet sogar das kleinste bisschen Vergleich, Einordnung und Erklärung. Die wahre Macht einer jeden Vergleichsstatistik liegt darin, dass sie zwingend weggelassen werden muss, sobald sie die Glaubwürdigkeit einer frohen Botschaft zu beeinträchtigen droht. Eine Studie mit der Überschrift "Patente: Nur jede siebte Erfindung hierzulande von Zugewanderten" hat weder eine Chance, erstellt zu werden, noch eine, in der "Tagesschau"-Berichterstattung Berücksichtigung zu finden.
In Hamburg, wo Meldungen gelegentlich auch aus eigenem Anbau erfunden werden, suchen sie nach Lichtblicken, Mutmachern und einer positiven Bestätigung all dessen, was die Redaktion immer schon gewusst hat. "Immer mehr Patente in Deutschland stammen von Menschen mit ausländischen Wurzeln, aber immer noch melden sie nur halb so viele an, wie nach ihrem Bevölkerungsanteil zu erwarten sein müsste", wäre umfassend, aber deprimierend.
"Immer wichtiger"
Für die deutsche Wirtschaft würden Zugewanderte damit zwar immer noch "immer wichtiger" werden können. Aber was brächte das? Die Wirtschaft weiß das von allein, die Falschen draußen im Land aber würden frohlocken. Türken erfinden weniger! Sogar noch weniger als Südeuropäer und Lateinamerikaner! Japaner nicht mal auf Platz 3! Inder, man kenntse. Aber am Ende eben doch: Die Deutschen ganz vorn, fleißigste Tüftler! Trotz alledem!
Niemand kann das wollen. Deshalb sind bei IW, DPA und "Tagesschau" ebenso wie in Dutzenden deutschen Tageszeitungen und auf hunderten von Internetseiten "Erfinder mit ausländischen Wurzeln für einen wachsenden Teil der Patentanmeldungen in Deutschland verantwortlich". Nirgendwo aber steht auch nur ein versteckter Hinweis, dass der "wachsende Anteil" sich verdoppeln müsste, um so hoch zu sein wie der der nichtzugewanderten Patentanmelder.
1 Kommentar:
Die beantworten Fragen, die keiner stellt. Auf wieviele messertragende Teestuben- und Shishabarbewohner kommt ein Inder, der ein Patent angemeldet hat?
Und plötzlich ist das Filtern nach Namen nicht mehr Nazi oder was.
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