Mittwoch, 6. August 2025

Irreführung: Mehr als die Hälfte für dagegen

Ein fast perfekter Trick: Das ZDF legt den Schwerpunkt auf die Minderheit und schiebt eine Begründung nach, die von der falschen Schwerpunktsetzung ablenkt.

"Keine Mehrheit der Bürger gegen kostenlose öffentliche Verkehrsmittel", "mehr als jeder dritte Deutsche wünscht sich strengere Klimaschutzmaßnahmen" oder "Unterstützung für neue Steuererhöhungen in der Bevölkerung steigt" wären auch nicht schlecht. Aber "fast die Hälfte der Bevölkerung befürwortet höhere Fleischpreise" ist noch besser. Einmal mehr hat sich das ZDF selbst übertroffen.  

Meisterwerk der Manipulation 

Ein Meisterwerk aus der Meisterwerkstatt für mediale Manipulation (MMM), das alles hat, was ordentliche Irreführung aus der Rundfunkgebührenkasse ausmacht: Der Inhalt ist unsinnig. Die Schwerpunktsetzung ist falsch. Und die Quelle mit dem Institut der deutschen Wirtschaft kaum seriöser als eine Straßenumfrage mit drei vorab handverlesenen Teilnehmern. 

Doch wer mit der Wahrheit lügen will, mit reinen, puren, ungeschminkten Fakten Meinung machen und dabei nicht erwischt werden, dem rät das Lehrbuch des klassischen Demagogiefaches "Lügen mit der Wahrheit" zu genau solchen Methoden. Gerade erst hatte das ZDF mit einem elektrisierenden Bericht über die gewaltigen Fortschritte Indiens bei der Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung gezeigt, dass die Experten des Hauses überhaupt keine Fakten benötigen, um ihre Wunschnachrichten zu herzustellen.

Mehr als die Hälfte dagegen 

In der aufsehenerregenden Reportage über das Klimavorbild Indien verzichtete das ZDF auf jede Einordnung der präsentierten Zahlen. Und es benutzte nur die, die belegten, dass Indien "einen weiteren Meilenstein bei der Energiewende" erreicht hatte. "Fünf Jahre früher als es das Pariser Klimaabkommen festlegt". Nichts davon war auch nur zur Hälfte wahr, aber darauf kommt es nicht an. Sobald  Zahlen ohne jeden Bezug präsentiert, der Kontext weggelassen oder in einer Grafik zeichnerisch Wertungen gesetzt, die mit den abgebildeten Werten nichts zu tun haben, erkennen Experten die Handschrift der Betrugsbeamten der MMM.

Was sie zu erreichen versuchen, ist für aufmerksame Beobachter immer schnell zu sehen. Es wird nicht berichtet, was ist, sondern das, was Menschen glauben sollen. In der kindlichen Welt der Medien ist vieles baugleich zur Wirklichkeit, in den Chefetagen und Schreibmaschinengewehrstellungen herrscht allerdings der unausrottbare Glaube, dass sich die echte Welt durch Wünsche aus dem eigenen  Puppenstubennachbau verändern lässt. 

Der Glaube an die eigene Erziehungsmacht ist so unumstößlich wie die Grundannahme deutscher Politiker, dass die Welt morgens Tag für Tag zuerst auf Deutschland schaut und hier nach Vorbildwirkungen für das eigene Verhalten sucht. Menschen lassen sich impfen, wenn man ihnen erzählt, dass ohnehin schon alle anderen geimpft sind. Die Angst vor Nazis steigt, sobald der Eindruck allgemein wird, dass nahezu jede Immobilie im Land einem rechten Umstürzler gehört. Und Kamala Harris wird Präsident, wenn sie nur oft genug als Favoritin mit den besten Chancen bezeichnet wird.

Glaube an morphische Felder

Der Glaube an morphische Felder, zuweilen auch als morphogenetische Felder bezeichnet, sitzt tief wo die Schatten dunkel auf den Bildungshintergrund einer Medienelite fällt, die sich für berufen hält, Millionen zu bevormunden. Tag für Tag beliefern sich deutschlandweit Millionen Menschen mit vorgeprägten Meinungen, sie schweigen weg, was nicht passt, und berichten hingebungsvoll am Kern der unangenehmen Dinge vorbei.  

Im Wahrheitsmuseum im Spreewald sind zahlreiche Großtaten einer Branche ausgestellt, deren Wirken Schäden angerichtet hat, die sich kaum in Geldbeträgen beziffern lassen. Es wurde Vertrauen zerstört, die Kommunikation aller mit allen als Basis jedes Gemeinwesens lahmgelegt und durch den Übergang vom früheren bottom-up-Ansatz zu ausschließlichen top-down-Benachrichtigungen ein DDR-artige Dialogform eingeführt. 

Politik wird medial nicht mehr im Namen der Menschen unten und in der sogenannten hart arbeitenden Mitte hinterfragt. Die einstige Vierte Gewalt begreift ihre Aufgabe vielmehr als die, den herausragend guten Charakter der ausnehmend brillanten Entscheidungen der Parteien der demokratischen Mitte noch besser zu erklären. 

Innovative Realitätsdeutungen 

Dazu hat die Meisterwerkstatt für mediale Manipulation schon vor Jahren einen Leitfaden  zur Anfertigung innovativer Realitätsdeutungen herausgegeben. Die unermüdliche Arbeit der Mannschaft aus Mainz gilt in Forscherkreisen als Goldstandard der Massenmedikation mit Meinungen, falschen Narrativen und absurden Annahmen - ein Ruf, den der Sender mit Zähnen und Klauen verteidigt. 

Eben jetzt gerade wieder mit einer besonders gewagten Volte: "Fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung befürwortet höhere Fleischpreise", fasst das ZDF eine vom Team des Wirtschaftsfantastologen Marcel Fratzscher erstellte Pressemitteilung kühn zusammen. "Konkret" (ZDF hätten sich "49,3 Prozent der Befragten für diese Maßnahme" ausgesprochen, nicht nur so, sondern "um ökologische Kosten zu berücksichtigen". Bei der Wochenschrift "Die Zeit" sind es zwar nur 46 Prozent, hier wie dort aber ist genau genommen also eine Mehrheit gegen höhere Fleischpreise. 

Ärgerliche Ergebnisse 

Ein ärgerlicher Umstand, der sich glücklicherweise durch eine gezielte Betonung des falschen Schwerpunkts leicht beheben lässt. Das ZDF lässt die Mehrheit deshalb einfach links liegen und überlässt die Schlagzeile der Minderheit. Die "Zeit" sucht sich eine kleine Gruppe aus der Umfragegesamtheit und propagiert dann "Jüngere Menschen stimmen höheren Fleischpreisen eher zu". Die "Taegsschau" manipuliert mit "Jüngere eher bereit, mehr Geld für Fleisch zu zahlen", die "Morgenpost" mit "Junge Generation für höhere Fleischpreise" und auch die "Welt" verlegt sich auf eine kleine Zielgruppe für das große Ziel.

Dass die Akzeptanz für staatlich verordnete Erhöhungen beim Preis von Fleisch etwa durch höhere Steuern oder zusätzliche Abgaben gering bleibt, wäre die eigentliche Nachricht. Die aber passt nicht ins Umerziehungskonzept, dem schon die Grafiker des Institutes der deutschen Wirtschaft malerisch den Rücken stärken: Die hausgemachte Grafik, die die vermeintlichen Umfrageerfolge darstellt, finden sich  als Zustimmung frei übersetzte Akzeptanz für höhere Preise säuberlich nach Altersgruppen geordnet, die besten oben, die schlimmen unten. Und kein Balken für die "Akzeptanz" höherer Fleischpreise in der Gesamtbevölkerung.


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