Freitag, 25. Juli 2008

Geheimnisvolle Gegenwart

Geheimnisvoll ist die Gegenwart, vor allem, wo niemand es erwartet. Beantrage einen neuen Paß, und die mütterliche Dame hinter dem Tischchen im Bürgercenter, an das Du treten durftest, nachdem eine elektronische Anzeigetafel Deiner Nummer blinkte, wird Dich fragen, wozu Du ihn brauchst. "Sie haben doch", weiß das ringelpullovertragende Wesen nach einem Blick in ihren Computer, "noch ein gültiges Dokument." Völlig richitg. "Aber nunja, ich dachte, wegen meiner vielen Geschäftsreisen in Mitgliedsstaaten der Achse des Bösen sollte ich mal wieder ein paar saubere Papiere haben."

Gut, das Argument zieht nicht sofort. "Wenn Sie noch einen Pass haben", belehrt die Amtsperson, "müssen Sie den auch nutzen, denn der ist ja noch fünf Jahre gültig." Will ich aber nicht. Dauert immer so lange an der Grenze, ehe ich mich ausgezogen habe und die ganzen Leibesvisitationen vorüber sind. Gut, dann geht sie sich mal "erkundigen". Und kommt wieder mit der Auskunft, dass das alles nicht so einfach sei. "Dann habe ich ihn doch verloren, den alten Pass", biete ich einen Ausweg an, auf den sie mir doch wohl bereitwillig wird folgen wollen.

Haste gedacht. Ein ungläubiger Blick. "Das glaube ich ihnen jetzt nicht", sagt sie, mütterlicher noch als vorher. "Aber wir müssen da aber auch nicht Schwindeln, denn Sie bekommen ja ihren neuen Pass." Ausnahmsweise, wegen des Problems mit der Achse des Bösen und nur, "wenn Sie mir den alten mitbringen." Man dürfe nämlich, das sagt die Meldemutter ganz ernsthaft, nicht zwei Pässe besitzen.

Da aber fangen die Fragen ja nun erst an: Was glauben Vater Staat und seine mütterliche Bedienstete, was ich, gesetzt den Fall, ich hätte zwei gültige Pässe, mit dem alten Ausweis tun täte? Etwa aus Deutschland ausreisen? Und woanders einreisen? Während ich den neuen Pass schone? Oder traut mir mein Vater Staat zu, dass ich das alte Papier verkaufen würde? Etwa an Menschenschmugglerbanden, die Zwangsprostituierte von alkoholkranken Schönheitschirurgen umoperieren lassen, damit der Bundesgrenzschutz bei der Einreise nicht erkennt, dass der Mann im Pass und die flotte ukrainische Nymphe zwei verschiedene Personen sind?

Doch mit Logik ist hier nichts zu erreichen. Wenn der Plan von Passbeantragern wäre, ihr altes, noch gültiges Reisedokument zu verkaufen, würden die dann nicht doch gleich behaupten, sie hätten ihren alten Pass verloren? Nur sicherheitshalber? Und wenn das alte Dokument bei Ausgabe eines neuen mit einem wuchtigen Locher entwertet werden muss, um es unbrauchbar zu machen, warum werden dann auch abgelaufene, mithin durch den entsprechenden Eintrag bereits unbrauchbare Pässe noch einmal mit Hilfe desselben wuchtigen Lochers ungültig gemacht? Gibt es einen Markt für abgelaufene, ungelochte Pässe? Wo?

Keine Kommentare: