Donnerstag, 12. November 2009

Fahrtwind im Frontbart

Sie waren uns lieb, sie kamen uns teuer, all die knorrigen großen Gestalten, die ein Jahrzehnt lang bei Christiansen und Will saßen, sich auf Phoenix und im Bundestag in der Nase bohrten, die zu bestimmten Terminen bestimmte passende Mienen dabei hatten und an anderen Tagen auch mal so richtig sie selbst sein konnten.

Ja, mit Franz Müntefering haben wir seine Frau begraben und uns danach über den Erfolg seines Buches gefreut, das er darüber und über die führende Rolle der deutschen Sozialdemokratie schreiben konnte. Mit Struck durchlitten wir Herzanfälle, Pfeifenjieper und wir genossen den Fahrtwind im wilden Frontbart, mit Peer Steinbrück haben wir erst die Banken gerettet und dann einen Krieg mit der Schweiz gewonnen, mit Ulla Schmidt die Sorge geteilt, ob diese näselnde, stets wund klingende Stimme, die da aus der Gesundheitsministerin quackerte, wohl Symptom einer schlimmen Krankheit sein könnte.

Wo sind all die Charakterköpfe hin, wo sind sie geblieben? So lange die Macht in den Händen von wuchtigen Figuren wie Kurt "Mecki" Beck, Walter Steinmeier und Hubertus Heil lag, konnten wir ruhig schlafen. Deutschland war ein sicherer Ort, sozial befriedet durch einen Umverteilungsbagger, an dessen Steuerhebeln Menschen wie wir saßen: Heidemarie Wieczorek-Zeul, Sebastian Edathy und Dieter Wiefelspütz, Andrea Nahles, Sigmar Gabriel und Ute Voigt.

Nun ist eine Ära beendet, die mit Gerhard Schröder begann. Die SPD, seit Ede und Unku nicht wegzudenken aus der öffentlichen Wahrnehmung, findet nur noch statt, wenn Sigmar Gabriel erkältet ist oder der sachsen-anhaltinische Motörhead-Fan Jens Bullerjahn neue Horrorzahlen zu seinem nicht ganz planmäßig doch noch nicht ganz schuldenfreien Haushalt verkündet.

Ein Trauerspiel, das ahnen lässt, was die kommenden Jahre bringen werden. Keine Stehgreifauftritte mehr von geschliffenen Rhetorikern wie Kurt Beck, keine einfühlsames offenes Ohr für abweichende Meinungen wie bei Franz Müntefering, kein Verteidigungsminister-Azubi in der Lederjacke, wie Peter Struck einer war. Lauter neue Gesichter werden die alten Ansichten vertreten und wenn Oskar Lafontaine und Gregor Gysi so unsichtbar bleiben, wie sie seit dem Wahltag sind, wird es schwer und schwerer werden, überhaupt noch vorher zu wissen, wer gleich was sagen wird.

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