Donnerstag, 10. Dezember 2009

Man müsste Klavierspielen können

Raketen sind verboten, Himmelslaternen, Alcopops und Kritzelbilder, der Sonntagseinkauf und das Aufstellen von hakenkreuzförmigen Kleiderständern, Polen-Besuche und Hinweise darauf, dass DFB-Chef Theo Zwanziger manchmal dieses sagt und manchmal das Gegenteil. Doch Deutschland bleibt trotz allem ein freies Land, das hat das Bundesverfassungsgericht jetzt ein für alle Mal klargestellt: Klavierspieler, die am Sonntagnachmittag in ihrer eigenen Wohnung üben, müssen dafür kein Bußgeld bezahlen.

Damit war ein Berliner mit einer Beschwerde beim höchsten deutschen Gericht erfolgreich, nachdem ein Nachbar sich durch das Klavierspiel seiner Tochter gestört gefühlt und die Polizei gerufen hatte. Nachdem die Polizisten verschwunden waren, übte die junge Musikerin einfach weiter - und das zuständige Bezirksamt setzte wegen diese vorsätzlichen Verstoßes gegen das Verbot, an Sonn- und Feiertagen Lärm zu verursachen (§ 4 LImSchG Bln), eine Geldbuße in Höhe von 75 Euro fest. Der Klavierspiel-Vater ging durch die Instanzen: Auf seinen Einspruch hin reduzierte das Amtsgericht die Geldbuße auf 50 Euro, eine weitere Rechtsbeschwerde wurde vom Kammergericht verworfen.

Zu Unrecht, befand die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts. Das Urteil des Amtsgerichts verletze den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten, weil es das Landes-Immissionsschutzgesetz in nicht verfassungsgemäßer Weise anwendet. Es sei für den Betroffenen nicht hinreichend erkennbar, wann das Musizieren in der eigenen Wohnung an Sonn- und Feiertagen eine "erhebliche Ruhestörung" darstelle, weil der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung nicht konkret umschrieben habe. Die Entscheidung darüber, ob eine "erhebliche Ruhestörung" vorliege, sei hier dem als Zeugen vernommenen Polizeibeamten überlassen worden, damit werde die Entscheidung über die Sanktionsbedürftigkeit eines Verhaltens nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch die vollziehende Gewalt getroffen. Der Polizist sei damit Ermittler, Zeuge und Richter in einer Person, ohne dass es abstrakte Maßstäbe gebe, nach denen er handeln müsse. Der Bußgeldbescheid wurde aufgehoben, das Verfahren geht nun von vorn los: Die Verfassungsrichter verwiesen die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zählt Löcher zu bohren in die Wohnungswände auch dazu? Oder Posaune spielen?

Tim hat gesagt…

Heißt das, nicht nur lautes Klavierspielen ist erlaubt, sondern auch lautes Killerspielen?