Samstag, 21. August 2010

Steuermillionen gegen Kachel-Kunst

Stolz und schön lockte sie über Jahre zahllose Touristen in eine der von Halle-Besuchern zuvor kaum beachtete Ecke der Innenstadt, ein lebendiges Beispiel dafür, wie Volkskunst zur materiellen Gewalt wächst, wenn sie die Massen ergreift. Direkt neben der von Kachelliebhabern aus aller Welt kultisch verehrten Winkel-Fliese in der Adam-Kuckhoff-Straße etablierte sich ein auf Fliesenfreunde spezialisierten Imbiss. Gegenüber machte ein Internet-Café gute Geschäfte damit, den Touristen die Möglichkeit zu geben, direkt aus der deutschen Kachelhauptstadt Kontakt zu den Lieben daheim aufzunehmen.

Doch statt mit dem Pfund zu wuchern, dass das bis heute anonym gebliebene Kachelkünstler-Kollektiv "Yeah!" seiner Heimatstadt verehrt hat, verschärfte die überforderte Stadtverwaltung ihre Anti-Kachel-Strategie in den letzten Monaten , ohne auf Schäden an der wertvollen Kultursubstanz oder gar Kosten Rücksicht zu nehmen. Jetzt hat es auch den Besuchermagneten in der Kuckhoff-Straße getroffen: Nach einem ersten Vandalen-Vorstoß, bei dem Unbekannte die ursprünglich als seltene Doppelklebung angelegte Komposition zur Hälfte zerstörten (Klebespuren im Bild oben links neben der erhalten gebliebenen Kachel), folgte eine Verschärfung des Vernichtungsfeldzuges. Jetzt ließen die Behörden Bagger anrücken, um nicht nur die verbliebene Fliese zu zerstören, sondern gleich die ganze Haltemauer zurückzubauen.

Der Gipfel der Zerstörungswut auf Steuerzahlerkosten aber war damit noch lange nicht erreicht. Weil sich immer wieder trauernde Kacheleologen an der Stätte der Schande versammelten und durch schweigendes Passieren der früheren Klebestelle still gegen
das bilderstürmerische Vorgehen der städtischen Verantwortlichen protestierten, hat das Rathaus die Anti-Kachel-Gangart in Zusammenarbeit mit den städtischen Behörden noch einmal verschärft. Mit einem Kostenaufwand von 23 Millionen Steuer-Groschen lässt das Verwaltung ihre chronisch finanzschwache Kultur GmbH die frühere Pilgerstätte der Kachelgemeinde mit einer angeblich seit mehr als hundert Jahren dringend
benötigten Theaterwerkstatt überbauen.

Dass der Bau nach all den Jahren nun doch noch realisiert werde, "grenzt an ein Wunder", sagte Rolf Stiska, Chef der Kultur GmbH und einer der führenden Fliesen-Feinde in der Saalestadt, die sich durch das ehrgeizige Projekt einer privaten Neuverfliesung der gesamten Innenstadt eigentlich Hoffnungen gemacht hatte, als erste komplett verkachelte Stadt der Welt Aufnahme in die Liste des Unesco-Welterbes zu finden. Eine Perspektive, die die etablierte Kunstszene der selbsternannten Kulturhauptstadt offensichtlich in Angst und Schrecken versetzt. Während andere Großstädte wie New York ihren Fliesenkünstlern alle Freiheiten geben, zum Wohle des Gemeinwesens zu kleben, nutzten Stiska und Co. die Verhaftung des häufig mit den halleschen Kachelmännern verwechselten Wetteransagers Jörg Kachelmann, um Stimmung gegen die fleißigen Fliesenleger zu machen.

Ein Vorgehen, mit dem sich die wahren Kachelfreunde überall auf der Erde nicht abfinden werden. Da alle Gespräche mit den Stadtratsfraktionen, an die appelliert worden war, sich schützend vor das Fliesen-Projekt zu stellen, ergebnislos geblieben seien, gehe es jetzt darum, die Erinnerung an erfolgte Kachelklebungen wenigstens im einzig originalen großen Kachelverzeichnis zu bewahren, dass von PPQ und dem Internet-Riesen Google gemeinsam gepflegt wird. "Wir wollen der Welt zeigen", hieß es dazu im Vorstand der Freunde der Fliese e.V., "dass es ein anderes Halle gibt als das der Kunstvernichter und Kachelkiller".

Eigene Funde können wie stets direkt an politplatschquatsch@gmail.com geleitet werden, jeder Fund wird von uns auf Wunsch mit einem mundnachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern vernichteten Ur-Fliese prämiert.

Hassattacke in HD, besungen von REM:

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