Freitag, 1. März 2013

Billiglohn im Bundestag

Eben noch hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth die hohe Zahl an befristeten Verträgen und eine "beispiellose Geheimniskrämerei" beim Online-Händler Amazon kritisiert und eine "Wiederbelebung der Kultur der sozialen Verantwortung" gefordert. Und schon steht der Sozialdemokrat aus dem Bundestag selbst im Mittelpunkt des Interesses: Roth nämlich beschäftigt nach eigenen Angaben drei Vollzeit-Mitarbeiter, dazu vier Teilzeitkräfte, einen Mitarbeiter im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses und einen Praktikanten bzw. eine Praktikantin. Bezahlt werden diese neun Menschen aus der jedem Bundestagsabgeordneten zustehenden Monatspauschale für die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Höhe von 14.978 Euro.

Der Rest ist einfache Mathematik, bei der Berechnung wurden die ebenfalls aus der Pauschale zu zahlenden Miet- und Betriebskosten des Abgeordenetenbüros zugunsten Roths ausgespart - die gesamte Pauschale steht ihm so zumindest im Rechenbeispiel für Mitarbeitergehälter zur Verfügung.

Der geringfügig beschäftigte Mitarbeiter Roths kostet den Sozialdemokraten aus Eschwege im Monat 400 Euro, verbleiben also für die übrigen acht Mitarbeiter 14.578 Euro. Der Praktikant wird mit einem guten Zeugnis bezahlt – bleiben für die sieben anderen Mitarbeiter immer noch 14.578 Euro. Die vier Teilzeitmitarbeiter – zwei Sachbearbeiter und zwei Referenten – erhalten vermutlich um die 1.200 Euro brutto, also 850 netto für 20 Stunden Arbeit die Woche. Sie liegen damit knappe 200 Euro unter dem gesetzlich garantierten pfändungsfreien Existenzminimum von 1028 Euro. Sie hätten damit unter Umständen Anspruch auf ergänzende Zahlungen der Arbeitsagentur.

Dennoch verbleibt für die drei Vollzeitstellen der beiden Büroleiter und der Referentin I theoretisch gerade noch ein Verfügungsrahmen von 10.978 Euro. Zu gleichen Teilen auf die drei Vollzeitangestellten in den Abgeordnetenbüros von Michael Roth geteilt, ergibt das ein mögliches Bruttogehalt von 3.759 Euro und ein Nettoeinkommen von rund 2.170 Euro pro Kopf.

Mit einem Stundenlohn von 13,60 Euro, der „meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt von der Bundestagsverwaltung ausbezahlt“ (Roth) wird, liegen Roths Mitarbeiter damit weit über dem Einkommen, das ungelernte Hilfskräfte beim Online-Händler Amazon erwarten dürfen. Und etwa gleichauf mit ungelernten Kassiererinnen bei Aldi Süd und Landschaftsgärtnern.

Hintergrund: Leibeigene im Bundestag

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